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Spurgeon, Charles Haddon - Die Wahl eines Führers

Und er sagte ihnen ein Gleichnis: „Mag auch ein Blinder einem Blinden den Weg weisen? Werden sie nicht alle beide in die Grube fallen? Der Jünger ist nicht über seinem Meister; wenn der Jünger ist wie sein Meister, so ist er vollkommen.“
Luk. 6,39.40

Es ist schwer, den Menschen in dem Pfade der Weisheit zu erhalten, selbst wenn er auf denselben gebracht worden ist. Die Wahrheit liegt zwischen zwei Extremen, und der Mensch schwingt, gleich einem Pendel, zu weit in der einen oder der anderen Richtung. Er verweilt nicht lange auf einem Punkt, sondern wird von der einen Seite auf die andere geworfen; ohne die göttliche Gnade findet er überhaupt niemals Ruhe in dem Mittelpunkt der Weisheit. Zwei Extreme gibt es betreffs der Pilgerschaft und der Schule des Lebens. Einige behaupten, der Mensch bedürfe gar keines Führers. Ist er nicht ein edles Geschöpf, mit hohen Geisteskräften begabt? Kann er nicht urteilen und Schlüsse fassen, verstehen und unterscheiden? Er kann sicherlich seinen Weg finden, ohne von außen geleitet zu werden. Beim Lernen, wozu braucht er da einen Lehrer? Er kann sich selbst unterrichten. Ist er nicht im Besitze der Wissenschaft? Hat er nicht schon viele Erfindungen gemacht? Solche selbstgenügsamen Prahler wollen sich deshalb nicht herablassen, zu den Füßen eines Meisters zu sitzen oder der Spur eines Führers zu folgen, und daher geraten sie häufig in die Irre, werden sonderbar, gesetzlos und unvernünftig in ihrem Denken und selbst in ihrem Handeln. In das Labyrinth des Unglaubens und der Gottesleugnung verlieren sich solche Wanderer; Diejenigen, die ihre eigenen Lehrer sein wollen, führen ihre Seelen in Torheiten und kräftige Irrtümer. Dieser Weg ist gefährlich, aber der entgegengesetzte Pol ist es nicht viel weniger. Macht ihr einen Menschen vom Rationalismus frei, so taumelt er oft in den Aberglauben hinein und spricht „Ich sehe, ich brauche einen Führer, und will den nehmen, der mir am nächsten zur Hand ist.“ Er findet einen Führer, den diese oder jene Autorität eingesetzt hat, und der Mensch, der aufgehört hat, sein eigenes Urteil zu gebrauchen, übergibt sich sogleich seiner Führung und meint, eine Frage zu stellen, heißt, sich eines gottlosen Unglaubens schuldig zu machen. Ohne zu erwägen, ob der Führer sehend oder blind ist, ob der Lehrer ein unterrichteter und fähiger Leiter ist, überlassen sich die Leichtgläubigen den Priestern oder Führern und werden irre geleitet. Des Denkens müde, bitten sie andere, für sie zu denken, und dabei lassen sie es bewenden. Dies ist die Religion einer großen Menge Menschen, und sie finden viel Frieden darin; den Frieden der schlummernden Stumpfheit. Sie stoßen auf eine Kirche, die den Anspruch erhebt, um ihres Alters willen ehrwürdig zu sein, und dann glauben sie, was immer diese Kirche zu lehren beliebt. Sie halten dafür, dass sie kein Recht mehr haben, zu urteilen oder ihren Verstand zu gebrauchen. Sie legen Gewissen und Vernunft in eine Binde, als wenn es gebrochene Arme wären, die nicht länger zu gebrauchen sind und lassen sich wie Invaliden in den Armstühlen der Überlieferung und der Lehrsätze umher rollen. Sie wagen nicht, zu fragen - das würde die ganze Sache verderben; - sie schließen ihre Augen und lassen andere Leute für sie sehen, nein, sie schließen ihre Augen, um sich von Blinden leiten zu lassen. Sie geben das Denken auf, um sich von solchen führen zu lassen, die auch das Denken aufgegeben haben, die schon lange ihre Augen geschlossen und ihre Ohren geöffnet haben, um alles aufzunehmen, was einem allerhöchsten Konzil oder einem Papst beliebt, in sie hinein zu reden. Zwischen diesen beiden Extremen ist ein schmaler Pfad des Richtigen, und glücklich ist, wer ihn findet, nämlich die redliche und aufrichtige Untersuchung, wer der Führer und Lehrer sein soll; die Entdeckung, dass uns ein Führer in dem Herrn Jesus angewiesen ist, außerdem ein Lehrer in dem Heiligen Geiste, um dann eine völlige, willige und gläubige Unterwerfung des ganzen Menschen unter diese unfehlbare Leitung zu stellen. Glücklich ist der, der weder im Stolze der Vernunft beschließt, sein eigener Führer und damit der Führer eines Narren zu sein, noch in der Gleichgültigkeit des Aberglaubens sich der Leitung eines Mitmenschen überlässt, heiße dieser nun Priester, Papst, Prediger, oder was ihr wollt; der vielmehr folgt, wohin sein „Befehlshaber“ in führt, nachdem er erkannt hat, dass Gott seinen Sohn in diese unsere Welt gesandt hat, um der „Herzog ihrer Seligkeit“ zu sein; „der da viele Kinder hat zur Herrlichkeit geführt.“ Nachdem er gesehen, dass dieser Jesus zum Propheten seines Volkes verordnet ist, sitzt er mit Freuden zu seinen Füßen und nimmt seine Worte auf, während Vernunft, Zuneigung, Verstand und Wille vollkommene Ruhe in Ihm finden. Er folgt mit offenen Augen dem Allsehenden und wird mit erleuchtetem Geiste ein Jünger des ewigen Lichtes.

I.

Die wichtigste Sache, sobald wir uns darüber im klaren sind, dass wir einen Führer brauchen, ist, die Ansprüche derjenigen zu prüfen, die dieses Amt begehren. Einige nehmen einen Führer, weil er, wie ich vorhin sagte, von einer Autorität angestellt ist; er ist zufällig der Pfarrer des Kirchspiels oder der Pastor der Familie, und er wird sogleich ohne Überlegung angenommen. Der würde ein großer Tor sein, der beim Besteigen der Schweizer Berge einen Führer annähme, nur, weil dieser behauptet, ein solcher zu sein und die üblichen Zeugnisse bei sich trüge, wenn er auf den ersten Blick sähe, dass der Mann stockblind ist. Würdet ihr sagen: das macht nichts, weil er sagt, er sei von der Obrigkeit angestellt? Würdet ihr auf den Gipfel des Montblanc mit ihm steigen? Wenn das so wäre, würde er euch bald in eine Spalte hineinführen, das wäre das Ende eurer Torheit. Doch sehr viele Menschen haben den Entschluss gefasst, sich ihre Religion vorschreiben zu lassen und sind voll Vertrauen, dass alles, was von den „Großen“ beschützt und von dem Volk eingerichtet und besoldet wird, natürlich auch das Richtige sein muss. Ob der Führer sehen kann oder nicht, das scheint eine Kleinigkeit zu sein, aber er muss in der sich gehörenden Weise verordnet sein und aus dem „richtigen Stall“ kommen. Wenn das in Ordnung ist, so sorgen sich viele von denen, die nicht denken, um weiter nichts mehr. Ich für meinen Teil liebe es, die Augen meines Führers anzusehen; ich mag gerne wissen, ob er je durch das Land gegangen ist und ob er den Weg kennt. Wenn er mich in diesen Punkten nicht zufriedenstellen kann, so sehe ich nach einem anderen, nach einem, der ganz Auge ist und alles kennen gelernt hat, nach dem Herrn Jesus. Seine Autorität kann ich nicht in Frage stellen; ich nehme alles für wahr an, was Er mich lehrt. Ich freue mich, ein Sehender zu sein, der einem sehenden Führer folgt, und ich bemühe mich, ein verständiger Schüler zu sein, der bei einem weisen und mitfühlenden Lehrer lernt.

Unser Text enthält viel Weisheit in bezug auf diese Sache; denn erstens spricht er eine große allgemeine Regel aus als eine Warnung, nämlich, dass ein Jünger nicht über seinem Meister steht, sondern ihm gleich wird. Zweitens weist er uns auf eine besondere Anwendung dieser großen, allgemeinen Regel hin, dass wir, indem wir vollendet werden, Christus gleich werden sollen, eben wie alle anderen Jünger, die ihrem Meister ähnlich werden. Demnach will ich versuchen, den Text als Ermutigung für die zu gebrauchen, die Christus zum Meister wünschen, indem ich sage, dass wir das im Text Erwähnte auf eine tatsächliche Probe stellen können.

Lasst uns die große allgemeine Regel als eine Warnung nehmen.

Der Text befasst sich mit mehreren Wahrheiten, und diese erläutern alle den Hauptpunkt. Es ist ersichtlich, dass ein Jünger gewöhnlich sich zu dem Meister hingezogen fühlt, der ihm am meisten gleicht; - der Blinde wird von dem Blinden geleitet. Es ist bekannt, dass Vögel einer Gattung zusammen fliegen. Ähnlich ist es bei Menschen, deren Gesinnungen verwandt sind und sie deshalb Verbindungen miteinander eingehen. Außerdem ist in uns allen ein natürlicher Hang, unser eigenes Bild zu bewundern und uns willig denen zu unterwerfen, die höher stehen als wir, aber doch von unserer Art sind. Bei einem Lehrer, der unsere Vorurteile nicht angreift, dessen Geschmack vielmehr mit dem unseren übereinzustimmen scheint, fühlen wir uns gleich heimisch. Der Priester ist so wie die Leute, weil die Leute gern mögen, dass er so ist. Von Lehrern wie von Götzen gilt dich gleiche Wahrheit: „Die, die sie machen, sind ihnen gleich.“ Wenn der Blinde sehen könnte, würde er keinen Blinden zu seinem Führer wählen; aber in seiner Blindheit trifft er einen an, der redet, wie Blinde reden, der die Dinge so beurteilt, wie sie im Dunkeln sind und der nicht weiß, was die Sehenden wissen und deshalb den Blinden nie an seine Schwachstelle erinnert und dieser sogleich spricht: „dies ist mein Ideal eines Mannes, er ist genau der Führer, wie ich ihn brauche, ich will mich ihm übergeben.“ So nimmt der Blinde den Blinden zum Führer, und dies ist die Ursache, weshalb der Irrtum allgemein verbreitet worden ist. Kein Irrtum würde sich auf die Dauer halten, wenn er nicht mit irgend einer bösen Neigung der menschlichen Natur in Einklang stände, wenn er nicht mit irgend einem Irrtum im Menschen zusammen träfe und diesen gewähren ließe. Abgötterei ist eine herrschende Sünde, weil der Mensch Gott, der Geist ist, entfremdet ist und in seiner fleischlichen Torheit einen Gott verlangt, den seine Sinne wahrnehmen können. Wenn ihr von Massen hört, die zum Papsttum übergehen, wundert euch nicht darüber. Das Papsttum ist die von dem Teufel zurecht gemodelte Religion der verderbten menschlichen Natur. Deshalb ist es kein Wunder, dass sie die Völker bezaubert, denn was sie lieben und was der Gott dieser Welt ihrem Gaumen süß macht, das muss ihnen glatt eingehen. Das Papsttum und andere Formen der Sakramente sind ein weiches Bett für träge Glieder; und so gewiss ein Fauler sich niederlegt, so gewiss ergibt ein Abergläubischer sich diesen Lehren. Gebt einem abergläubischen Manne die Lehre, die die Bibel enthält und eine Schere, um sich einen Rock nach seiner Gestalt zuzuschneiden, dann wird das Papsttum in der einen oder anderen Gestalt die Religion sein, die er sich herausschneidet; eben darum ist es populär. Zuerst könnt ihr nicht verstehen, wie der Blinde, der sich zum Führer aufwirft, erwarten kann, dass Leute sich ihm anvertrauen; und er würde es auch nicht, wenn es nicht so viele andere Blinde gäbe, die nichts von seiner Blindheit wissen und sicher zu ihm kommen. Nehmt euch in acht, dass ihr nicht selbst so blind seid, ihrem Beispiel zu folgen. Junger Mann, sieh´ dich vor, wer es ist, den du zum Führer wählst. Deine Neigung wird dahin gehen, einen verkehrten zu wählen, weil deine Neigungen selber verkehrt sind. Betet, dass ihr die Lebensweise richtig beginnen mögt, dass die Gnade in eure Herzen ausgegossen werde und ihr den Christ Gottes erwählen mögt, der „der Weg, die Wahrheit und das Leben“ ist.

Nachdem er seinen Lehrer gewählt hat, wird der Schüler allmählich mehr und mehr seinem Meister gleich, oder, nachdem er seinen Führer gewählt hat, wird er geneigt, seinen Fußstapfen immer genauer zu folgen und täglich völliger nach seinen Vorschriften zu leben. Wir wissen alle, dass wir die nachahmen, die wir bewundern. Die Liebe hat einen wunderbaren Einfluss auf unsere Natur, der uns der Gestalt des Geliebten gleichförmig macht. Ein wahrer Jünger ist wie der Ton auf der Töpferscheibe, und sein Meister gestaltet ihn nach seinem Bilde. Wir mögen uns dessen kaum bewusst sein, aber wir werden sicherlich denen ähnlich, deren Einfluss wir uns unterwerfen. Wer auch dein Meister sein mag, lieber Freund, du wirst seinem Bilde gleich: wenn du dir einen zum Führer wählst, der nur für Vergnügungen lebt, so wirst du immer leichtfertiger werden; wenn du den Sklaven des Geizes bewunderst, so wirst du geizig werden; wenn du unter der Herrschaft eines stehst, der dem Laster frönt, so wirst du selbst lasterhaft werden. Wenn ein Mensch, der Gottes Wort verachtet, dein Held wird, so wird es nicht lange dauern, bis du es auch verachtest. Während du mit Bewunderung auf ihn schaust, bildet sich eine Art Fotografie und du nimmst, wie eine Sensitiv-Platte, sein Bild auf. Ich bitte dich daher, sieh´ sorgfältig darauf, wer dein Führer wird.

Und, merkt euch, der Schüler kommt nicht über seinen Lehrer hinaus, ebensowenig geht der, der sich leiten lässt, weiter als sein Führer. Solch ein Fall findet sich sehr selten; ich könnte in der Tat sagen, niemals; denn wenn ein Geführter weiter geht als sein Führer, so wird er in Wahrheit nicht länger geführt; selten genug kommt es dazu. Wenn die Menschen sich über ihre Führer stellen, so tun sie es gewöhnlich in der verkehrten Richtung. Sie übertreiben selten ihre Tugenden, diese vernachlässigen sie oft, hingegen übertreiben sie Eigenheiten, Torheiten, Mängel und Fehler. Man erzählt, dass am Hofe Richards des Dritten die Hofleute, weil der König rundschulterig war, allmählich buckelig wurden. In diesem Jahrhundert, nicht im vorigen, fingen in einem Land fast alle Weiber seltsamer Weise an zu hinken, weil eine beim Volk beliebte Prinzessin an zeitweiliger Lahmheit litt. So ist die Art der Menschen. Sie ahmen einander nach, wie durch Instinkt, und dies ist die einzige Entschuldigung, die ich für Darwins Theorie unserer Abstammung von den Affen anerkenne. Der Nachahmungstrieb ist in uns sehr entwickelt, aber sich selbst überlassen, neigt er sich nach der verkehrten Seite hin, und wir ahmen am meisten Missbildungen und Gebrechen nach. In der Musik, der Malerei, der Poesie und Literatur übertreffen die Männer einer Schule selten ihren Meister, oder, wenn sie es tun, so verlassen sie ihn, aber ihre Gewohnheit ist, des Meisters Einseitigkeit und Schwächen zu verewigen. Und dies ist noch mehr in der Kunst des Lebens der Fall. Junger Mann, wenn du einen Führer wählst, wähle einen, der den Weg kennt, denn wenn er einige Versehen gemacht hat, so wirst du zehnmal so viele begehen, und aller Wahrscheinlichkeit nach wirst du jedweden Fehler, den er hat, noch überbieten.

Eine tief ernste Wahrheit zu betrachten, bleibt uns noch übrig. Wenn ein Mensch einen schlechten Führer für seine Seele wählt, befindet sich am Ende aller schlechten Führung eine Grube. Ein Mann lehrt Irrtum, von dem er erklärt, er sei aus der Schrift geschöpft, und er unterstützt ihn mit verdrehten und missbrauchten Bibelstellen. Wenn du diesem Irrtum folgst und den, der ihn lehrt, zum Leiter nimmst, so magst du eine Weile sehr zufrieden mit dir selber sein, weil du mehr weißt, als die armen, einfachen Leute, die auf dem guten alten Wege bleiben. Aber, merke dir mein Wort, es gibt eine Grube an dem Ende des Irrtums. Du siehst sie noch nicht, aber vorhanden ist sie und hinein fallen wirst du, wenn du fortfährst, deinem Führer zu folgen. Am Ende des Irrtums befindet sich oft eine unsittliche Grube, die Menschen gehen abwärts, abwärts, abwärts, sie wissen kaum weshalb, bis, nachdem sie den Irrtum in der Lehre eingesogen haben, auch ihre sittlichen Grundsätze vergiftet werden und sie sich, gleich Betrunkenen, im Schlamme der Sünde wälzen. Zuweilen kann die Grube, die am Ende eines unbedeutenderen Irrtums liegt, eine ganz und gar verdammungswürdige Lehre sein. Der erste Fehler war vergleichsweise klein, aber da der Mann einmal dadurch auf eine schiefe Ebene gekommen war, verstand es sich beinahe von selbst, dass er abwärts ging, und ehe er sich dessen versah, war er einem „kräftigen Irrtum“ erlegen, so dass er der Lüge glaubte. Der Blinde und sein Führer, was sie sonst auch verfehlen mögen, werden sicherlich die Grube finden, sie brauchen keine Sehkraft zum bequemen Eingang in dieselbe. Ach! in die Grube fallen ist leicht, aber wie sollen sie wieder heraus kommen? Ich möchte besonders die, die sich den Christennamen beiliegen, ernstlich ersuchen, wenn neue Lehren auftauchen, sehr vorsichtig zu sein in der Beachtung, die sie denselben schenken. Ich bitte euch, denkt an die Grube. Eine kleine Wendung auf der Drehscheibe der Eisenbahn ist das Mittel, um einen Zug entweder nach dem fernen Osten oder nach dem fernen Westen zu lenken: die erste Wendung ist in der Tat sehr unbedeutend, aber die Ziele, zu denen sie führt, liegen weit auseinander. Es gibt neue Irrtümer, die kürzlich aufgekommen sind, von welchen eure Väter nichts wussten und mit denen sich einige gewaltig viel beschäftigen, und ich habe bemerkt, wenn Menschen darauf herein gefallen sind, ihr nützliches Wirken eine Ende hatte. Ich habe Prediger nur ein klein wenig in spekulative Theorien hinein gehen und allmählich vom Latinismus zum Sozialismus und Atheismus hinabgleiten sehen. In diese Gruben fallen Tausende. Andere stürzen in einen ebenso entsetzlichen Abgrund, sie halten dem Namen nach an allen Glaubenslehren fest in der Theorie und an keiner einzigen Wirklichkeit. Die Menschen halten heutzutage Wahrheiten aufrecht, aus denen die Eingeweide herausgenommen und das eigentliche Leben und die Bedeutung derselben weggerissen sind. Es gibt Mitglieder und Prediger evangelischer Kirchen, die nicht die evangelische Lehre glauben, oder, wenn sie es tun, ihr geringe Wichtigkeit beimessen; ihre Predigten sind Abhandlungen über Philosophie mit dem Evangelium übertüncht. Sie mixen ein Viertelkörnchen Evangelium in ein atlantisches Meer von Geschwätz, und arme Seelen werden mit Worten überschwemmt, die nichts nützen. Gott bewahre uns davor, dass wir je das wahre Evangelium verlassen oder seinen Geist verlieren und den wichtigen Trost, den es bringt; doch wir können bald in die Grube des toten Bekenntnisses und der philosophischen Träumerei fallen, wenn wir uns verkehrter Führung überlassen. All dieses sollte uns, wie ich meine, hindern, irgend einen Menschen als unseren Führer anzunehmen, denn, ein bloßer Mensch, dem wir vertrauen, ob er auch in neunundneunzig Punkten aus hundert recht hat, wird doch irgendwo unrecht haben, und auf unsere Neigungen wird dieser eine verkehrte Punkt mehr Einfluss ausüben, als irgend einer von den richtigen. Verlasst euch darauf, in Glaubenssachen hat sich jener alte Fluch reichlich bewahrheitet: „Verflucht ist der Mann, der sich auf Menschen verlässt und hält Fleisch für seinen Arm.“ Es ist einer da, dem ihr ohne Rückhalt vertrauen könnt und nur einer, - der Mensch Jesus Christus, der Sohn Gottes: wenn ihr nicht wünscht, in Irrtümer des Herzens und des Handelns hinein geführt zu werden, hütet euch vor Menschen und folgt keinem, außer Jesus, und keinen Fußstapfen, als den Fußstapfen seiner Herde, die in seiner Spur läuft. Der Beste Weg für dich wird sein, nicht einmal den Schafen zu folgen, sondern nur dem Hirten, selbst wenn du ihn dann ganz alleine gehen müsstest.

II.

In ihrer besonderen Anwendung bezogen auf unseren Herrn Jesus Christus liegt Ermutigung für uns. Wenn wir den Herrn Jesus Christus zum Führer haben, so können wir uns zwar sicherlich nicht über unseren Führer stellen, aber wir werden Ihm mehr und mehr gleich werden, und, wie unser Text sagt, „vollkommen“ werden, wie unser Führer es ist.

Wenigstens ist es dies, was wir erwarten könnten. Gewöhnlich sehen wir, wie wir schon gesagt haben, dass der Jünger seinem Meister ähnlich wird, aber bei einem solchen Meister ist der Fortschritt sicherer. Mit einem solchen Meister, von dem die Lippen nicht gut genug sprechen können, einem Meister, des ich nicht wert bin, seine Schuhriemen aufzulösen, mag es wohl geschehen, dass wir vor Liebe ganz schmelzen und in die Form des Gehorsams gegossen werden. Er ist der Schöpfer, kann Er nicht in uns sein Bild schaffen?

Beachtet, die Unterweisung selbst ist derart, dass sie Macht über die Herzen gewinnen muss, die sich ihr hingeben. Seine Lehre ist allmächtige Liebe; all seine Unterweisung ist göttlich und lässt sich doch so zu der menschlichen Fähigkeit herab, die es ihm ermöglicht, Christi Joch auf sich zu nehmen und den Entschluss zu fassen, von Ihm zu lernen. Andere Meister geben uns verdrehte und zweifelhafte Lehren, und wenn wir sie gelernt, ist es nur zu oft die Beste Weisheit, sie wieder zu vergessen. Aber unseres Herrn Belehrung ist sehr zuverlässig, sehr himmlisch, sehr wirksam, und wir fühlen in unserem Innern, dass sie so wahr, so großartig, so erhaben ist, dass sie mit göttlicher Machtvollkommenheit zu uns kommt und nicht als Menschenwort.

Wenn ich nur dasjenige kennen würde, was Jesus lehrt, so würde ich schließen, dass ein Lehrer, der solche Lehren und Vorschriften gibt, seine Jünger beeinflussen müsste; aber Sein Einfluss liegt nicht in Seiner Lehre allein; die mächtigste Anziehungskraft ist Er selbst. Als er auf Erden redete, sprachen sie: „Es hat nie ein Mensch also geredet wie dieser Mensch“, wobei der Grund hierfür war, „weil nie ein Mensch so gelebt hat, wie dieser Mensch.“ Sein Wort hatte Kraft, aber Er selbst war das Wort. Wenn ihr die Lehren Christi anblickt, wie sie sich in Seinem Leben verkörpern, so glänzen sie voll Schönheit und strahlen voll Macht. Von einem solchen Lehrer könnt ihr ertragen, was ihr von keinem anderen erduldet hättet, denn sein Charakter gibt Ihm ein Recht, zu sprechen. Manche Seiner Vorschriften würden ganz widersinnig erschienen sein, wenn sie zuerst über die Lippen fehlerhafter Menschen gekommen wären, denn ihre Hörer würden ausgerufen haben: „Arzt, hilf dir selbst.“ Da sie von Ihm kommen, erscheinen sie natürlich wie die guten Früchte von einem guten Baum; sie sind der notwendige Erguss einer solchen Natur und eines solchen Lebens. Wie können wir anders, als überzeugt werden, wenn die Beweise vor unseren Augen liegen? Wir werden überwältigt von der erhabenen Güte unseres Erlösers, von dem Glanze Seiner Liebe, der Unendlichkeit seiner Selbstaufopferung. Jesus gebietet uns Glauben durch die Offenbarung Seiner selbst, und durch dieselbe Enthüllung macht Er uns sich selbst gleich. Gab es je ein Leben wie das Seine? Gab es je einen, der so „ganz lieblich“ war? Gab es je eine Vollkommenheit wie die Seine? In Seinem Leben war Er so offenherzig und doch so sanft, so mutig und doch so freundlich, so unbeugsam und doch so zart, Er trug Sein Herz auf der Hand in der Durchsichtigkeit Seiner Wahrheit, aber Er war klug und „bewachte“ Sich mit unfehlbarer Weisheit; Er war allen gewachsen, wie sie Ihn auch angreifen mochten, und doch augenscheinlich nie auf der Hut, sondern wie ein Kind unter ihnen, das heilige Jesuskind. O, wenn ihr zu Jesus Füßen sitzt, werdet ihr nicht nur von Ihm lernen und Seine Lehre wird Macht über euch gewinnen, sondern ihr werdet Ihn lernen, denn Er selbst ist die Beste Lehre.

Wir sind ganz gewiss, dass bei Jesus die Jünger ihrem Meister ähnlich werden, weil Er sie mit inbrünstiger Liebe erfüllt, die in Begeisterung für Ihn entbrennt. Von einem Lehrer, den alle Schüler lieben und bewundern, werden sie gerne lernen. Lasst sie für ihn sich begeistern, und keine Aufgabe wird zu schwer sein. Dies hat unser teurer, hochgelobter Herr, von dem diese Lippen nicht zu sprechen vermögen, wie sie es sollten, getan. Wir bewundern, wir lieben, nein, wir beten Ihn an: Er ist unser Gott, unser alles in allem, und darum verlangen wir danach, nach seinem Willen geformt zu werden. Für Ihn leben? Ja, wir betrachten das als unsere Freude, denn die Liebe Christi dringt uns. Für Ihn sterben? O, in allen Zeitaltern sind Seine Heiligen froh gewesen, ihr Leben für Ihn zu lassen. Voller Inbrunst und angefeuert von Begeisterung haben sie Verluste und Schmach um Seines Namens Willen erlitten. Wenn der Lehrer solche Begeisterung einflößt, so wird Er ohne Zweifel die Jünger in die Ähnlichkeit mit Ihm selbst hinein bilden.

Das Beste von allem ist, unser großer Lehrer hat einen Geist als Helfer, einen mächtigen Geist, Gott selber, den Heiligen Geist, und wenn Er lehrt, so lehrt Er nicht mit Worten allein, sondern mit einer Kraft, die über das Ohr hinaus in das Herz hinein geht. Andere Lehrer, so weit sie Christus nicht folgen, müssen sich auf den Reiz der Beredsamkeit oder die Stärke des Beweises verlassen, aber unser Herr, obwohl der beredetste von allen, denn „seine Lippen sind wie Rosen, die mit fließenden Myrrhen triefen“ und Er Beweise die Fülle hat, denn Er ist die Weisheit Gottes, traute auf die Kraft, die Er fühlte, als Er sprach: „Der Geist des Herrn ist bei mir, darum Er mich gesalbt hat.“ Der göttliche Geist wirft ein Licht in die Seele, von solchem Glanze, dass die unsichtbaren Dinge in klarster Deutlichkeit dastehen und die Dinge, die man hofft, in ihrem Wesen ergriffen werden. Mit diesem Licht kommt auch Leben, um zu empfinden, Kraft, zu verwirklichen, Unterscheidungsgabe, um zu urteilen. So wird die Seele in alle Wahrheit geleitet, und der Schüler empfängt die Lehren seines Herrn in seinem Leben und ihre Tatkraft. Wer anderes kann diesen Geist geben? Durch welchen anderen Lehrer kann der Heilige Geist uns eingehaucht werden? Wer wollte nicht zu den Füßen eines Meisters sitzen, der über alle anderen so weit erhaben ist, indem Er eine so unendliche Gabe besitzt?

Ich meine nun, gezeigt zu haben, dass es zu erwarten ist, der Jünger werde bei einem solchen Meister demselben gleich werden. Nun lasst mich bemerken, dass dies in der Tat verheißen ist. Es ist uns in Wirklichkeit in dem großen Ratschluss der Erwählung verheißen, „denn, die Er zuvor ersehen hat, die hat Er auch verordnet, dass sie gleich sein sollten dem Ebenbilde Seines Sohnes.“ Dies ist der große Vorsatz Gottes, dass Christus der Erstgeborene sei unter vielen Brüdern, und dass die Brüder eine Gemeinschaft sein sollen, in deren Angesichtern der Herr das Bild des Eingeborenen erkennt. Was Gott vorher bestimmt, können wir zuversichtlich erwarten.

Es ist uns schon durch den Namen des Herrn Jesus Christi verheißen, dieser Name ist Jesus, „denn Er wird Sein Volk selig machen von ihren Sünden.“ Die Menschen von ihren Sünden selig machen, das heißt, sie in einen Zustand von Reinheit und Heiligkeit zurückzubringen. Dies ist in der Tat das Heil, das wir predigen, nicht die bloße Vergebung der Sünden, wie einige denken, sondern die Überwindung der Sünde, das Austreiben der Sünde, die durch den Geist Gottes bewirkte Gleichförmigkeit der Menschen mit Jesus. Der bloße Name Jesus sagt uns, dass Er Seine Jünger von der Sünde frei machen will.

Wir wissen auch, dass dies unseres Herrn Ziel ist, denn der Zweck des Lebens Jesus wird klar ersichtlich in seinem letzten Gebet, als Er betete: „Heilige sie in Deiner Wahrheit; Dein Wort ist die Wahrheit. Ich heilige mich selbst für sie, auf dass auch sie geheiligt seien in der Wahrheit.“ Ihr seht, sein einziges Ziel ist, sein Volk heilig zu machen, wie Er heilig war, sie vor dem Übel zu bewahren, wie Er bewahrt war und sie zu Überwindern der Sünde zu machen, wie Er sie überwunden hatte. Sein ganzes Leben lang arbeitete Er darauf hin bei den Zwölfen und bei anderen, die Ihm folgten, und in Seinem letzten Gebet spricht er dies aus: „Ich bitte nicht, dass Du sie von der Welt nehmest, sondern dass Du sie bewahrest vor dem Übel.“ Überall tritt dies hervor. Die Beziehung, in welcher Er zu uns tritt, setzt dies voraus, denn Brüder sind ihrem Bruder gleich und Freunde ihrem Freunde. Die Gleichnisse, die Er gebraucht, deuten dasselbe an, denn die eingepfropften Zweige saugen die Natur des Stammes ein, die Gattin wird ihrem Gatten gleich, und die Glieder des Leibes sind von derselben Art wie das Haupt.

Nun, Brüder, was wir erwarten können und Gott in der Tat verheißen hat, ist wirklich gesehen worden, denn die Jünger sind ihrem Herrn gleich gewesen, und dies ist es, worauf ich das meiste Gewicht legen möchte. Sind nicht die Jünger ihrem Herrn gleich gewesen in einigen Punkten des Charakters? Es wäre abgeschmackt, wenn ich sagen wollte, dass die Heiligen des Alten Testaments Jünger Christi in buchstäblichen Sinne gewesen seien, aber sie waren es im Geiste, denn das Evangelium ist das gleiche durch alle Zeitalter hindurch, und es ist dasselbe Licht, das alle Menschen erleuchtet, die in diese Welt kommen. Die innerliche Unterweisung des Geistes war dieselbe bei Abel und Noah, wie bei Johannes und Paulus, und während die Apostel auf Jesus zurückblickten und erleuchtet wurden, schauten die Patriarchen vorwärts und empfingen auch Licht. Nun, es hat jeder Heilige der alten Zeit etwas Ähnlichkeit mit dem Herrn Jesus. Denkt an einige wenige derselben, und ihr werdet etwas von Seiner Schönheit sehen. Abel enthüllt uns seine Gerechtigkeit und Henoch seinen Wandel mit Gott. Hiob zeigte seine Geduld und Abraham seinen Glauben; Mose seine Sanftmut und Samuel seine Macht in der Fürbitte. Daniel ist Ihm gleich in seiner Lauterkeit und Jeremia in seinem Weinen. Gleich den Tautropfen des Morgens spiegelte sich in allen das Licht der Sonne der Gerechtigkeit. Im Neuen Testament sehen wir die umwandelnde Macht Seiner Lehre an manchen Beispielen. Petrus und Johannes waren ihrem Meister gleich, denn wir lesen, dass ihre Feinde die Freudigkeit Petri und Johannes sahen und sich verwunderten, denn sie waren gewiss, dass es ungelehrte Leute und Laien waren, und kannten sie auch wohl, dass sie mit Jesus gewesen waren (sie erkannten wohl, dass? engl. Üb.). Die Ähnlichkeit war so auffallend, dass sie gezwungen waren, diese zu bekennen. Nehmt zum Beispiel den Johannes; wer kann seine Briefe lesen, ohne zu sagen: „Gerade so sprach der Meister?“ Johannes war weit hinter seinem Meister zurück, aber doch, wie wunderbar Ihm ähnlich! Ihr habt manchmal über eure Kinder gelächelt, wenn ihr eure eigene Art in ihnen wiedergesehen habt. Ihr habt wie in einem Spiegel eure eigenen Eigentümlichkeiten erblickt. Beinahe unbewusst sind sie euer eigenes Selbst in verkleinertem Maßstab gewesen..So war es augenscheinlich mit Johannes. Wenn es wahr ist, was die Überlieferung erzählt, dass er sich in die Versammlung tragen ließ, als er zu alt war, um zu gehen und ihnen dann zu sagen pflegte: „Kindlein, liebt einander“, war das unserem Herrn Jesus Christus so gleich, man hätte denken können, der Meister sei auf die Erde zurückgekehrt. Was Paulus angeht, so ist er in mancher Hinsicht das Abbild seines Herrn. Wenn ich jene eigentümliche Stelle im Römerbrief lese, vor der manche stutzen, wo er sagt: „Ich habe gewünscht, verbannt zu sein von Christus für meine Brüder, die meine Befreundeten sind nach dem Fleisch“, muss ich sagen: „Hierin gleicht er jenem Hochgelobten, der wirklich für uns zum Fluche ward, denn es steht geschrieben: „Verflucht ist jedermann, der am Holz hängt.““ Nun entfalten alle Heiligen Gottes, mehr oder weniger, je nachdem sie völlige Jünger des Herrn geworden sind, seine Eigenschaften. Ich kann mich nicht an diesem Morgen dabei aufhalten, euch zu sagen, die Merkmale ich an euch sehe, die euch meinem Herrn gleich machen; ich freue mich, dass ich hier Brüder und Schwestern sehe, von denen ich oft zu mir selbst gesagt habe: „Ich kann ihren Meister in ihnen erkennen.“ Ich wünschte, ich könnte das von euch allen sagen, aber doch bin ich froh, in so vielen Punkten die wahre Ähnlichkeit mit Jesus zu entdecken, die Familienzüge, die alle Kinder Gottes kennzeichnen.

Es ist etwas sehr Bemerkenswertes, dass die, die Jünger Christi sind, Ihm selbst in ihrer Lebensgeschichte gleich werden, wenn wir zum Beispiel zu den Heiligen im Alten Testament zurückgehen, die in Wirklichkeit Jünger der Lehre unseres Erlösers waren: da ist Melchisedek, der Brot und Wein bringt, um Abraham zu erfrischen, - hättet ihr nicht gedacht, es wäre Christus selbst? Da ist Isaak, der sich sanft seinem Vater unterwirft, während dieser das Messer zieht, um ihn zu schlachten, - hättet ihr nicht sagen können, dass es Jesus sei? Da ist Joseph, der sich seinen Brüdern zu erkennen gibt und ganz Ägypten zu dessen Wohl regiert - hätten wir nicht denken können, es sei unser Herr, vor Seiner Zeit auf die Erde herabgekommen, um Seine Auserwählten zu segnen? Da ist David, der mit dem Haupte Goliaths zurück kommt, während alle Weiber Israels um ihn herum sich freuten, - hättet ihr nicht denken können, es sei unser Herr, der von Edom kommt, mit rötlichen Kleidern von Bazra? Die Heiligen gleichen Ihm, weil sie dieselben Charaktereigenschaften haben, wie Er sie hat. Die Jünger nach Christi Erdenzeit werdet ihr oft in Lebenslagen finden, die euch Christus deutlich vor Augen stellen. Seht Stephanus kühn das Evangelium verkünden, bis seine Feinde ihn steinigen. Habt ihr nicht von dem Meister öfter gelesen?: „Da hoben sie Steine auf, dass sie auf Ihn würfen, aber Er ging mitten durch sie hinweg?“ Seht auf Paulus in Lystra. Sie sind im Begriff, ihm zu opfern: es erinnert an die Zeit, wo der Haufe rief: „Hosianna, Hosianna.“ Sieh´, der Apostel weist das drängende Volk zurück, und nun steinigen sie ihn. Das erinnert uns an die Zeit, wo sie riefen: „Kreuzige Ihn, kreuzige Ihn, hinweg mit diesem!“ Lest die Geschichte des Paulus bei dem Schiffbruch, wo er zu dem Schiffsherrn und dem Unterhauptmann sagte: „Seid unverzagt, denn keines Leben aus uns wird umkommen.“ Man könnte beinahe denken, es sei der Heiland selbst, der zu den Winden und Wellen sprach: „Seid stille!“ Paulus glich seinem Meister in so vielem. In der Tat, Christus ist in allen seinen Gliedern; sein Leben erkennen wir in dem ihrigen wieder. Geliebte, ich könnte viele Heilige aus dem Neuen Testament nennen, in deren Leben wir Christus sehen können. Jene arme Frau, die ihre zwei Scherflein in den Gotteskasten legte, die ihre ganze Nahrung waren; ist sie Ihm nicht sehr ähnlich, der alles für uns hingab und arm war, auf dass wir durch seine Armut reich würden? Andere sind dem Weibe gleich, das das Glas mit köstlicher Narde zerbrach, um ihr Bestes dem Herrn zu geben. Erinnern sie euch nicht an den Freund eurer Seelen, der das köstliche Glas Seines Lebens zerbrach und Himmel und Erde mit dem Wohlgeruch erfüllte? Ein jeder, der sein Ich zu Gottes Ehre aufgibt, ist Jesus im kleinen. Blickt John Howard an, der in den Kerkern Europas umherging und arme Gefangene ausspähte, um ihnen Wohltaten zu erzeigen. Ist das nicht wiederum Christus, mit guter Botschaft für die Gefangenen? Oder John Williams, der in Erromanga landete und sein Leben aufs Spiel setzte, um Kannibalen zu bekehren (1. Sam 19,5); heißt das nicht, sein Leben für die Schafe zu lassen? Nun, lieber Freund, wenn wir dein Leben vor uns hätten, meinst du, wir könnten irgend etwas darin finden, das Jesus Christus ähnlich wäre? Wenn du Sein Jünger bist, so wird das der Fall sein. Es wird in deiner Lebensbeschreibung, wie deine Kinder sie lesen werden - denn sie werden dieselbe besser lesen, als irgend ein anderer, - wie dein Weib sie lesen wird, wie die, mit welchen du arbeitest, sie lesen werden, - etwas sein, das aussieht, als wäre es ein Auszug aus dem Leben Jesus. Die, die in Christi Schule lernen, müssen ihrem Lehrer gleich sein, und sie sind es. Unser Leben ist ein Gemälde, und wenn wir in Christi Werkstatt sind, werden Spuren Seiner Hand bei uns zu sehen sein, und die Menschen werden ausrufen: „Das war kein gewöhnlicher Maler; jener Zug, jene Linie ist gerade die Linie, die der große Meister zu malen pflegte, ich bin gewiss, Er hat diese Striche hineingebracht.“ O Brüder, niemand von uns braucht zu wünschen, ein Original zu sein, lasst uns Christus nachdrucken, das wird die größte Originalität sein. Gott helfe uns darin.

Nun wollte ich noch sagen, aber die Zeit ist abgelaufen, dass Christi Jünger in ihren Kämpfen und Versuchungen Ihm gleich werden. Satan tritt zu ihnen, wie er zu Christus trat, sie werden von der Welt versucht, wie Christus es wurde, sie werden vom sadduzäischen Unglauben und vom pharisäischen Aberglauben angegriffen, wie Christus es wurde, sie haben denselben Kampf zu bestehen, und Gott sei gelobt, sie gewinnen dieselben Siege, Christi Jünger überwinden die Sünde; durch ihres Meisters Hilfe erheben sie sich über den Zweifel, besiegen die Welt und stehen fest in Reinheit und Glauben. Bald werden sie Ihm in ihrem Lohne gleich sein. „Wer überwindet“, spricht Er, „dem will ich geben mit mir auf meinem Stuhl zu sitzen; wie ich überwunden habe, und bin gesessen mit meinem Vater auf Seinem Stuhl.“

Es ist ein herrliches Thema, wenn ich die Kraft hätte, es auszuführen, nämlich die Weise, auf welche der Jünger Jesus mit sicheren Schritten in das Bild Christi verklärt wird, bis die Ähnlichkeit so groß und so genau wird, dass selbst die „Triefaugen“ dieser gottlosen Welt in der trüben Atmosphäre ihrer Unwissenheit nicht umhin können, zu sehen, dass der Jünger Seinem Meister gleicht.

III.

Nun, zuletzt wollen wir zwei oder drei Minuten bei dieser ermutigenden Tatsache verweilen, dass wir bei all diesem die Probe anstellen können, wenn wir es wollen, heute morgen. Brüder und Schwestern, wenn ihr nicht Jünger Jesus Christi seid, bedenkt, Er will euch annehmen. Er will euch annehmen, obwohl ihr bei anderen Meistern gewesen seid und bei ihnen sehr vieles gelernt habt, was ihr alles jetzt wegzuwerfen habt. Es ist eine leichte Sache, einen Menschen zu nehmen und ihn zu lehren, wenn sein Gemüt frei und rein ist, aber ihr habt vieles gelernt, was ihr vergessen müsst. O, ihr von vierzig, fünfzig und sechzig Jahren, welch eine Masse von Bösem ist in euch, die heraus muss. Wohlan, mein Meister will euch als Seine Schüler annehmen, obwohl ihr diese ganze Zeit über bei anderen Meistern gewesen seid und obwohl ihr nicht einmal die ersten Anfänge von dem, was er lehrt, kennt, so wird er euch annehmen. Mein Herr Jesus beginnt mit einer ABC-Schule, nämlich mit kleinen Kindern. Was für eine Gnade ist es, dass Er solch arme, dumme Köpfe wie die unseren nimmt, die nichts wissen, als das, was sie nicht wissen sollten. Und ich will hinzufügen, wenn ihr nur sehr wenig Fähigkeiten habt oder gar keine, so macht das nichts aus.

Nicht viele Große, nicht viele Mächtige sind erwählt; sondern Gott hat die Armen dieser Welt erwählt, und das da nichts ist und das Verachtete und das Schwache und das Törichte hat Gott erwählt. Komm zu Ihm, denn obwohl du auch unfähig bist, Er ist es nicht, und seine Fähigkeit wird bald deine Unfähigkeit überwinden. Du sagst: „ich kann nicht lernen.“ O, aber du weißt nicht, wie gut Er lehren kann, denn Er kann so gut lehren, dass selbst die, die meinen, sie können nicht lernen, bald in Seiner Schule Belehrung empfangen. Steh´ nicht zurück, lieber Freund, weil du kein Schulgeld bezahlen kannst, denn die Schule meines Meisters ist eine Freischule; Er nimmt nichts von uns, aber Er gibt uns alles. Das einzige Einlassbillet, das du brauchst, ist einfach dies, dass du willens bist, zu lernen, dir bewusst bist, dass du Lehre und Leitung brauchst und dich Seiner Führung und Belehrung unterwirfst. Bist du willig, das zu tun? „O“, sagst du, „ich werde Ihm so viel Kummer machen, dass Er mich aufgibt.“ Wohl, ich habe oft so gedacht. Mich wundert es nicht, dass ihr von dem Gedanken beunruhigt werdet; er ist mir oft gekommen, wenn ich gesehen, wie wenig Fortschritte ich gemacht, nachdem ich so viele Jahre in Seiner Schule gewesen bin. Wenn ich einen menschlichen Lehrer hätte, so würde er längst die Geduld mit mir verloren haben, aber der Herr Jesus gibt nie einen Schüler auf; wenn Er einmal begonnen hat, zu lehren, so fährt Er fort, bis Seine göttlichen Lektionen alle völlig gelernt sind, und je schwerer es für Ihn ist, zu lehren, desto mehr Ehre wird es sein, wenn alle Seine Schüler für den Himmel erzogen sind. Er wird in dieser Sache keine Niederlage erleiden; Er wird die Unwissenheit überwinden und die Sünde und die Herzenshärtigkeit und Schwachheit und Unfähigkeit, bis Er uns in der Weisheit des Himmels unterwiesen hat und uns tüchtig gemacht zu dem Erbteil der Heiligen im Licht. Kommt, liebe Schwestern und Brüder, ihr, die ihr Schüler Christi seid, lasst uns zu Seinen Füßen sitzen, lasst uns Seinen Fußstapfen treuer denn je folgen. Und ihr, lieben Freunde, die ihr noch nicht in Seiner Schule seid, Er spricht zu euch: „Wer unverständig ist, der mache sich hinzu“ und zum Narren: „Kommet, zehret von meinem Brot und trinket den Wein, den ich schenke“ (Spr 9,4.5). Möge der gnädige Herr eure Herzen dahin lenken, von Ihm zu lernen, um Christi willen. Amen.