Der Psalm bildet eine Einheit. Die Auslegung im Einzelnen ist sehr schwierig, weil man ein lebendiges Gedicht nicht Satz für Satz zergliedern kann. Es geht in diesem Lied um Natur und Gnade. Wie ein Blitz aufflammt und Himmel und Erde zugleich in helles Licht taucht, so bringt die Anbetung des Herrn das ganze Weltall zum Leuchten. Der Psalm beginnt mit dem Himmel, führt hinab in die Tiefe des Meeres und steigt wieder hinauf, bis das Volk des Herrn den Gesang aufnimmt und das Lied dem Herrn darbringt.
V. 1 „Halleluja!“ Lobt den Herrn! Das ist eine Einladung, eine Bitte, ja eine Aufforderung, den Herrn zu loben. Er hat dich geschaffen, und weil er dein Schöpfer ist, bist du verpflichtet, ihn als deinen Schöpfer zu ehren. „Lobt im Himmel den Herrn.“ Ihr im Himmel seid dem Höchsten am nächsten; deshalb sollt ihr mit dem Loblied beginnen und die Leitung übernehmen. Ihr Engel, ihr Cherubim und Seraphim, ihr alle, die ihr im Palast des Königs wohnt: Lobt den Herrn! Im Himmel fängt das Lob an, und von dort geht es aus. Behaltet das Loblied nicht für euch, sondern gebt es weiter an die Erde. „Lobt ihn in der Höhe.“ Das ist keine sinnlose Wiederholung des vorhergehenden Satzes. Die Wahrheit soll besonders betont werden. Gott soll nicht nur von Himmelshöhen, sondern auch in Himmelshöhen gelobt werden. Kein Ort ist zu hoch für das Lob des Höchsten. Auch auf den Gipfelpunkten der Schöpfung soll die Herrlichkeit des Herrn offenbart werden, wie die Gipfel der Alpen von derselben Sonne beschienen werden wie die Täler. Himmel und Höhen werden himmlischer und höher, wenn sie vom Lob des Herrn erklingen. Neunmal fordert der Psalmist in den ersten Versen dieses Psalms zum Lob Gottes auf. Aber alles Lob gilt einzig und allein dem Herrn. Rühmt nicht seine Knechte oder seine Werke, sondern ihn. Ist er es nicht wert, dass alles Lob nur ihm allein gilt?
V. 2 „Lobt ihn, alle seine Engel.“ Ihr lebendigen Geister, vollkommen in Wesen und Sein, lobt den Herrn, so gut ihr könnt. Nicht ein einziger Engel darf in diesem heiligen Dienst fehlen. Wie viele Engel ihr auch seid, ihr gehört alle dem Herrn, und deshalb seid ihr verpflichtet, euren Herrn zu ehren. Ihr habt genug von ihm gesehen, um ihn loben zu können. Ob ihr anbetend vor ihm steht, ob ihr seine Botschaft ausrichtet, ob ihr hineinschaut in das Geheimnis seines Bundes mit den Menschen, ob ihr seinen Sohn betrachtet - was ihr auch tut, lobt den Herrn! „Lobt ihn, all sein Heer!“ Damit sind nicht nur die Engel gemeint, sondern auch die Gestirne. Sie verkündigen auf ihre Weise das Lob Gottes, wenn sie auch keine lebendigen Wesen sind. Diese zahllosen Heerscharen des Herrn offenbaren seine Herrlichkeit, denn er hat sie alle geschaffen, er erhält sie und kümmert sich um sie. An diesem himmlischen Loblied sollen auch wir teilhaben. Wie in den überirdischen Welten ein harmonisches Loblied zur Ehre des Herrn erklingt, soll es auch auf der Erde in reiner Harmonie erklingen.
V. 3 „Lobt ihn, Sonne und Mond; lobt ihn, alle leuchtenden Sterne!“ Der Psalmist geht nun ins einzelne. Jeder einzelne und alle miteinander sollen Gott loben, denn er ist der Gott jedes einzelnen und aller miteinander. Sonne und Mond, die Tag und Nacht regieren, werden zuerst genannt. Eins ergänzt das andere, und auch im Lob Gottes soll eins das andere ergänzen. Die Sonne als strahlende Lichtquelle verherrlicht den Vater des Lichtes, und der Mond, der das Licht der Sonne widerspiegelt, gibt dieses Lob des Herrn an die Nacht weiter. So wird der Herr Tag und Nacht am Himmel gelobt. Die großen Lichter dürfen mit ihrer Lichtflut die kleinen Lichter nicht überstrahlen. Auch die kleinen Sterne sollen leuchten zur Ehre des Herrn. Sterne ohne Licht sind kein Lob des Herrn. Christen ohne Licht sind keine Ehre für den Herrn. Wir dürfen das Licht nicht verbergen, weil es nur klein ist. Wenn wir nicht Sonne oder Mond sein können, sollen wir doch leuchtende Sterne sein! Jeder Lichtstrahl ehrt den Herrn!
V. 4 „Lobt ihn, ihr Himmel allenthalben.“ (Elberfelder Übersetzung: „Lobt ihn, ihr Himmel der Himmel!“) Wo immer es Himmel gibt, soll der Herr gelobt werden. Das Höchste vom Höchsten und die Besten der Besten sind nicht zu gut. Niemand ist zu hoch oder zu gut, um den Herrn nicht preisen zu müssen. „Und die Wasser, die oben am Himmel sind!“ Wolken und Wasser loben den Herrn. Es ist etwas Geheimnisvolles um diese Wasser am Himmel, von denen der Psalmist spricht. Aber was immer er gemeint hat: Es soll dem Lob des Herrn dienen. Die seltsamsten und geheimnisvollsten Dinge sollen ihren Teil dazu beitragen, dass der Herr gelobt wird.
V. 5 „Die sollen loben den Namen des Herrn; denn er gebot, da wurden sie geschaffen.“ Das ist die Begründung: Das Geschaffene soll seinem Erschaffer zur Ehre dienen. Das Werk soll den Meister loben. Der Name des Herrn steht deutlich auf allen seinen Werken. Wer sich die Mühe macht, sie genau anzusehen und darüber nachzudenken, erkennt an den Werken die Macht Gottes, seine Weisheit und Güte. Und dadurch wird der Herr geehrt. Das höchste Lob Gottes besteht darin, zu bezeugen, wer er ist. Wir können den Herrn am besten dadurch loben, dass wir seinen Namen verkündigen. Der Herr will als Schöpfer gelobt werden. Er schuf alles durch ein Wort, durch einen bloßen Befehl. Was ist das für eine Macht! Er kann erwarten, dass ihn alle ehren, die ihm ihr Dasein verdanken. Die Wesen, die durch ein Gebot erschaffen worden sind, stehen unter dem Gebot, ihren Schöpfer anzubeten.
V. 6 „Er hält sie immer und ewiglich.“ Gottes Macht erhält die Welt. Sie stürzt nicht zusammen, weil Gott sie nicht zusammenstürzen lässt. Ohne seinen Willen ändert sich nichts. Er hat der Schöpfung seine Gesetze eingeprägt, und kein anderer als er selbst kann diese Gesetze ändern. Wir sollen den Herrn loben als Erzeuger und Erhalter, als Schöpfer und Herrscher. „Er ordnet sie, dass sie nicht anders gehen dürfen.“ Alle Welten sind durch Gottes Ordnungen geordnet. Sie können nicht machen, was sie wollen. Sie können ihre Grenzen nicht überschreiten und Gottes Gesetze nicht übertreten. Selbst die höchsten und wunderbarsten Geschöpfe sind den Geboten des großen Königs völlig gehorsam. Diese Unterwerfung unter seinen Willen ist ein Lob für ihn. Gehorsam ist Huldigung, Ordnung ist Ehrung. Gott erhält durch seine Allmacht die Dinge in ihrer Ordnung. Er sichert den Gang der Gestirne und den Weg der Seraphim. So wird das Loblied der oberen Welten durch keinen Misston getrübt und durch keine Störung unterbrochen. Das ist ewiger Lobgesang. Selbst die feierliche Stille im Weltenraum ist ein Lied zur Ehre Gottes.
V. 7 „Lobt den Herrn auf Erden.“ (Elberfelder Übersetzung:
„Lobt den Herrn von der Erde her.“) Der Gesang tönt herab und erreicht uns auf der Erde. Wir sollen mit einstimmen und das Lob Gottes auch auf unserem schönen Planeten erschallen lassen. Aber nicht nur „auf“ der Erde, sondern auch „von der Erde her“. Im ersten Vers dieses Psalms kam das Loblied „von den Himmeln her,“ und hier klingt es „von der Erde her“. So vereinigt sich das Lied vom Himmel mit dem Lied von der Erde. Mit der Erde ist die ganze Erdkugel gemeint, Land und Meer. „Ihr Walfische und alle Tiefen.“ (Elberfelder Übersetzung: „Ihr Wasserungeheuer und alle Tiefen.“) Wir wissen nicht, um welche Seeungeheuer es sich hier handelt, aber es steht fest, dass alle gemeint sind. Die Tiefen bezeichnen den Ort, wo die Seeungeheuer hausen. Dem Menschen dienen sie nicht, aber Gott sollen sie loben. Seeungeheuer und Meerestiefen haben etwas Schreckenerregendes an sich, und sie bilden deshalb sozusagen den Bass im Loblied der Schöpfung.
V. 8 „Feuer, Hagel,“ Gewittersturm und Hagelschauer. Als Gott die Plagen über Ägypten schickte, wirkte beides zusammen, um den Herrn in der ganzen Schrecklichkeit seiner Macht zu offenbaren. Feuer und Eis sind Gegensätze in der Natur, aber im Lob des Herrn sind sie eins. „Schnee und Dampf.“ Wirkung der Kälte und Wirkung der Hitze - beides vereinigt sich zum Lob des Herrn. Wasser, gefroren zu Eiskristallen, und Wasser, verflüchtigt in Dampf - fallende Flocken und aufsteigender Nebel -, alles redet von der Herrlichkeit des Herrn. „Sturmwinde, die sein Wort ausrichten.“ Der Sturmwind ist immer noch unter dem Befehl Gottes, auch wenn er mit unberechenbarer Wut und Wucht über die Erde rast. Er erfüllt Aufträge Gottes. Was für ein großartiges Orchester, das solche Blasinstrumente hat! Was für ein mächtiger Dirigent, der ein solches Orchester dirigieren kann! Was für ein gewaltiges Lied, das solche vollkommene Harmonie hat!
V. 9 „Berge und alle Hügel.“ Hohe Berge und niedere Hügel zeugen von ihrem Schöpfer. „Alle“ Hügel sollen heilig sein. Wir haben nicht mehr einen Ebal und einen Garizim, einen Berg des Fluches und einen Berg des Segens. Es gibt nur noch Berge des Segens. Tabor und Hermon, Libanon und Karmel loben den Namen des Herrn. Große und kleine Berge vereinen sich in der Anbetung. Nicht nur die Alpen loben Gott, sondern auch unsere heimatlichen Hügelketten. „Fruchtbare Bäume und alle Zedern.“ Obstbäume und Nadelbäume, immergrüne und von Jahr zu Jahr neu ergrünende - alle Bäume haben ihre bestimmte Aufgabe zu erfüllen und zeigen die Liebe und Fürsorge des Schöpfers. Deshalb sollen sie ihn loben. Die Bäume schmücken das Land und ehren dadurch ihren Schöpfer. Wenn der Wind in den Ästen und Blättern rauscht, ist das ein Loblied für den Herrn.
V. 10 „Tiere und alles Vieh.“ Wilde und zahme Tiere sollen den Herrn loben. Wer Gott nicht lobt, ist schlimmer als ein Tier. „Gewürm und Vögel.“ Das Gewimmel, das Erde und Luft erfüllt, Insekten aller Art und Vögel von allerlei Gefieder - alle werden aufgerufen, den Herrn zu loben. Wer das Vogelleben und die Insekten eingehender studiert, entdeckt sehr bald, dass Gottes Weisheit diese Welten wunderbar geordnet hat. Wenn man ein winziges Insekt unter dem Mikroskop betrachtet, muss man staunen über ein solches Meisterwerk des göttlichen Schöpfers. Die Vögel haben sich dem Leben in der Luft so angepasst, dass sie Meister in der Kunst und Geschicklichkeit des Fliegens geworden sind. Wer ein Ohr für das Lob Gottes in der Natur hat, hört es nicht nur von den gefiederten Sängern in den Zweigen, sondern auch in dem Summen der Bienen, in dem Zirpen der Grillen und im Quaken der Frösche. Niedriger als Tiere und wertloser als Insekten sind Menschen, die ihren Schöpfer nicht loben.
V. 11 „Ihr Könige auf Erden und alle Völker, Fürsten und alle Richter auf Erden.“ Herrscher und Untertanen, Regierende und Regierte sollen einstimmen in das Loblied des Herrn. Er ist König, Fürst und Richter aller Menschen. Deshalb sollen alle Menschen ihm die gebührende Anerkennung zollen und ihn ehren. Wie glücklich wird die Welt einmal sein, wenn es Wahrheit wird: „Durch mich regieren die Könige und setzen die Ratsherren das Recht“ (Sprüche 8,15). Aber jetzt sind wir noch nicht so weit. Wie viele Herrscher in der Welt sind Schutzherren des Lasters und wie viele Fürsten dieser Welt sind Anführer der Gottlosigkeit!
V. 12 „Jünglinge und Jungfrauen, Alte mit den Jungen!“ Der Psalmist ruft Menschen beiderlei Geschlechts und jeder Altersgruppe zusammen und fordert sie auf, den Herrn gemeinsam zu loben. Das ist fröhlicher Gottesdienst. Wir lieben uns untereinander, aber wir sollen auch miteinander den Herrn lieben. Wir machen uns gegenseitig Freude, aber wir sollen auch zusammen unsere Freude am Herrn haben. Die Alten sollen den Jungen durch ihre Lebenserfahrung helfen und ihnen zeigen, wie man den Herrn am besten loben kann, und die Jungen sollen durch ihre Fröhlichkeit die Alten zum Singen mitreißen. In diesem Chor ist Platz für jede Stimme: Fruchtbare Bäume und Jungfrauen, Zedern und Jünglinge, Engel und Kinder, Greise und Richter - alle wirken in diesem gewaltigen Oratorium mit. Nicht ein einziger ist entbehrlich. Der Lobgesang soll vollkommen sein. Deshalb muss das ganze Weltall dabei sein.
V. 13 „Die sollen loben den Namen des Herrn.“ Er ist es wert, dass man ihn ehrt. „Denn sein Name allein ist hoch.“ Er allein ist es wert, dass man ihn ehrt. „Sein Lob geht, soweit Himmel und 'Erde. ist.“ Gottes Lob ist einzigartig, weil er selber einzigartig ist. Seine Herrlichkeit übertrifft alle Herrlichkeit Himmels und der Erde. In seinem Wesen liegt mehr Herrlichkeit als in allen seinen Werken zusammengenommen. Wir können ihn deshalb nie genug loben.
V. 14 „Und er erhöht das Horn seines Volkes.“ Seine Güte allen Geschöpfen gegenüber ist für ihn kein Hinderungsgrund, sich ein Volk besonders zu erwählen und ihm besondere Gunst zu erweisen. Er richtet alle wieder auf, die zu Boden gestoßen wurden, aber sein Volk erhebt er in ganz besonderer Weise. Wenn sein Volk in Not kommt und am Boden liegt, erhöht er das Horn seines Volkes. Er schickt ihnen einen Erretter und gibt ihnen Mut und Kraft im Kampf. „Alle seine Heiligen sollen ihn loben.“ Gott ist ihre Ehre, und sie ehren ihn. Er erhöht ihr Horn, und sie erhöhen ihn durch ihr Lob. Er ist für sie da, und sie sind für ihn da. Der Heilige wird gelobt von den Heiligen. Er ist ihr Gott, und sie sind seine Kinder. „Die Kinder Israel.“ Der Herr weiß, wer zu ihm gehört. Er kennt die Seinen. Er kennt den Namen dessen, der einen Bund mit ihm gemacht hat. Er kennt seine Kinder ganz genau und weiß, wo sie wohnen. Alle Völker sollen den Herrn loben, aber sein Volk soll ihn ganz besonders loben. Das Volk, das ihm gehört, kennt ihn besser als alle anderen Völker. Vorrecht verpflichtet. „Das Volk, das ihm dient.“ (Elberfelder Übersetzung: „Das Volk, das ihm nahe ist.“) Nahe in Gemeinschaft, Liebe und Fürsorge. Das gilt besonders vom geistlichen Israel, dem Volk der Gläubigen. Wer Gott so nahe ist, muss ihm auch dienen. Wem Gott so nahe ist, der muss ihn auch loben. Die Erwählten des Herrn sind die Geliebten des Herrn. Sie sind die Hofleute in seinem Palast und Priester in seinem Tempel. „Halleluja!“ Das ganze Leben des Gläubigen sollte vom Lob Gottes erfüllt sein. Lasst uns den Herrn loben, solange wir leben. Der Psalm beginnt und endet mit diesem „Halleluja“. Dazwischen liegt der umfassende Text dieses Lobliedes. Jedes einzelne Wort ist ein Lobpreis für den Herrn. Amen.