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Spurgeon, Charles Haddon - Predigt-Entwürfe - 93. Wachend, wartend, werbend.

Hier stehe ich auf meiner Hut, und trete auf meine Feste, und schaue und sehe zu, was mir gesagt werde, und was ich antworten soll dem, der mich schilt.“ Hab. 2, 1-4.

Die Verheißung Gottes verzog und die Gottlosen triumphierten. Hier war das alte Problem Davids in einer anderen Form. „Warum siehst du denn zu den Verächtern“ rc. (Hab. 1, 13) ist nur eine Wiederholung des „Es verdross mich auf die Ruhmredigen, da ich sah“ rc. (Ps. 73, 3.)

Mit derselben ungelösten Frage haben wir es zu tun, und der Text kann uns helfen. Beachtet:

I. In welchem Sinne die Verheißung verzieht. Nicht jeder scheinbare Verzug ist ein wirklicher.

Unsere Zeit und Gottes Zeit wird nicht nach derselben Uhr bemessen.

  1. Jede Verheißung erfordert zu ihrer Erfüllung ihre rechte Zeit. „Wird erfüllt werden zu“ rc.
  2. Jede Verheißung wird sich schließlich als wahr erweisen: „Wird endlich frei an den Tag“ rc.
  3. Jede Verheißung wird unser Warten belohnen: „Ob sie verzieht, so harre ihrer.“
  4. Jede Verheißung wird pünktlich eintreffen: „Sie wird gewisslich kommen und nicht“ rc.

Das Wort des Herrn ist ebenso wahr hinsichtlich der Zeit als der Sache.

Ihm ist die Zeit ihres Reifwerdens kurz; nur uns erscheint sie lang.

II. Das Verhalten des Gläubigen während des Verzugs der Verheißung.

Wir sollten auf die Erscheinung des Herrn in der Erfüllung seiner Verheißung warten, und darauf vorbereitet sein, sowohl Tadel wie Segen zu empfangen. Des Propheten Verhalten war:

  1. Entschlossen und nachdenkend: „Hier stehe ich und trete“ rc.
  2. Aufmerksam: „Und schaue, und sehe zu, was mir gesagt werde. Er war von diesem einen Gedanken ganz in Anspruch genommen; wünschte, von dem Herrn belehrt zu werden.
  3. Geduldig: „Ich trete auf meine Feste.“ Wie als Schildwache auf seinen Posten gestellt, auf welchem Er bleiben will.
  4. Einsam, wenn es so sein sollte. Er spricht von sich allein.
  5. Demütig und unterwürfig: „Was ich antworten soll dem, der mich schilt.“

In allen Beziehungen ist der Mann Gottes bereit für seinen Herrn. Augenscheinlich ist der Verzug ein Segen für ihn.

Der Segen wird noch größer sein, wenn die Verheißung kommt.

III. Die Aufgabe des Knechtes des Herrn, solange die Verheißung verzieht.

  1. Vergegenwärtige dir durch den Glauben das Gesicht und die Erfüllung des göttlichen Wortes. Sehe zu, was mir gesagt werde.“
  2. Verkündige die Verheißung als gewiss; verzeichne sie als eine unzweifelhafte Tatsache schwarz auf weiß. „Male es auf eine Tafel.“
  3. Erkläre sie deutlich, so dass sie lesen kann, wer vorüberläuft.
  4. Enthülle sie praktisch, so dass, wer sie liest, infolgedessen läuft.
  5. Verkündige sie immerfort. Schreibe sie nieder, so dass man sich darauf beziehen kann; male sie für die Dauer.

Unechter Glaube umgeht es, das zu erwähnen, was er erwartet. Es wird als vermessen, als fanatisch, als töricht angesehen, wenn jemand glaubt, dass Gott seine Verheißung halten werde, noch mehr, wenn jemand das ausspricht.

Der wahre Gläubige denkt nicht so; er handelt mit der Verheißung des Herrn, wie mit einer geschäftlichen Abmachung zwischen ehrlichen Männern; er betrachtet sie als wirklich und wünscht, dass andere das auch tun.

IV. Der Unterschied, der sich bei den Menschen zeigt, wenn sie durch den Verzug der Verheißung auf die Probe gestellt werden.

  1. Der Mensch ohne Gnade ist zu stolz, auf Gott zu warten, wie der Knecht des Herrn es tut. Er ist halsstarrig.“ Seine Seele ist nicht aufrichtig in ihm. Da er selber unehrlich ist, verdächtigt er seinen Gott. Daher findet er auch keinen Trost in der Verheißung.
  2. Der Gerechte glaubt dem Wort eines heiligen Gottes. Er wartet ruhig in völliger Gewissheit und er lebt im höchsten Sinne des Wortes seines Glaubens.

Meine Seele, harre du allein auf Gott.

Was kann der tun, der keinen Glauben an seinen Schöpfer hat? Hebr. 11, 6.

Von unseren Tafeln.

Bei den Römern war es Sitte, dass die öffentlichen Angelegenheiten jedes Jahres durch den Auftrag des Pontifex Maximus oder des Hohenpriesters auf eine Tafel geschrieben und veröffentlicht wurden. So konnte das Volk Gelegenheit nehmen, damit bekannt zu werden. Es war auch üblich, angenommene Gesetze, die auf ehernen Tafeln verzeichnet waren, auf den Marktplätzen und in ihren Tempeln aufzuhängen, damit sie gesehen und gelesen werden konnten. (Tacitus.) In gleicher Weise pflegten die jüdischen Propheten ihre Prophezeiungen auf Tafeln zu schreiben, und entweder in ihren Häusern oder im Tempel auszuhängen, damit jeder Vorübergehende hineingehen und sie lesen konnte. Burder.

„Und ob es währt bis in die Nacht
Und wieder an den Morgen,
Soll doch mein Herz an Gottes Macht
Verzweifeln nicht, noch sorgen.
So tut Israel rechter Art,
Der aus dem Geist gezeuget ward,
Und seines Gottes harret.
Dr. Martin Luther.

Der liebe, alte Spurstom sagt, dass manche von den Verheißungen gleichen dem Mandelbaum; sie blühen sehr früh; „aber“, sagte er, „da sind andere, die dem Maulbeerbaum gleichen, es dauert lange, ehe sie Blätter zeigen.“ Was soll nun ein Mensch tun, wenn er eine Maulbeerbaum - Verheißung hat, die erst spät zur Blüte kommt? Nun, er hat zu warten, bis sie blüht, weil es nicht in seiner Macht steht, es zu beschleunigen. Wenn das Gesicht verzieht, so übe die köstliche Gnade „Geduld“, und zu seiner Zeit wird es dich gewiss reichlich entschädigen. C. H. S.

Gottes Verheißungen sind datiert, aber mit einer geheimnisvollen Ziffer, und weil es uns an Geschicklichkeit fehlt, Gottes Chronologie zu entziffern, sind wir geneigt, anzunehmen, dass Gott uns vergisst, während wir eigentlich uns selbst so weit vergessen, dass wir uns anmaßen, Gott eine Zeit anzusehen, und dass wir dann zürnen, wenn Er nicht gerade dann zu uns kommt. Gurnall.

Wenn wir demütiger wären, würden wir geduldiger sein. Ein Bettler, der vom Hunger gequält wird, wartet wohl manche Stunde vor der Tür des reichen Mannes in der Hoffnung, eine Gabe zu erhalten; aber ein Herr, der in keiner Not ist, wird bald verschwinden, wenn sich die Tür auf sein Klopfen nicht öffnet. Wir haben den Herrn lange genug warten lassen, und wir dürfen uns nicht wundern, wenn Er unseren Glauben und unsere Geduld durch scheinbare Verzögerung auf die Probe stellt. Lasst es uns jedenfalls fest in unserem Herzen erfassen, dass Er seine Verheißungen erfüllen muss und erfüllen wird. Unser Text zeigt uns einen pünktlichen Gott, einen geduldig Wartenden und ein veröffentlichtes Vertrauen, aber Er hat nichts mit einem stolzen Ungläubigen zu tun. Oder, wenn du willst, er zeigt uns einen Menschen, der einen kühnen Entschluss äußert, und den Herrn, der auf seinen Glauben antwortet; er gibt Beweggründe zum geduldigen Glauben und straft den ungeduldigen Stolz.