„Darum siehe, ich will sie locken, und will sie in eine Wüste führen, und freundlich mit ihnen reden.“ Hos. 2,14.
Im vorhergehenden Teil dieses Kapitels finden wir Worte der Anklage und Drohung, die mit dem größten Recht gegen ein schuldiges Volk erhoben werden. In diesem zweiten Teil kommen wir zu einer Stelle unvermischter, reiner Gnade. Die Person, um die es sich handelt, ist dieselbe, aber es wird mit ihr nach einer anderen Einrichtung gehandelt, nämlich nach dem Gnadenbunde, von dem wir einen Auszug in Vers 23 finden.
Gott, der mit seinem sündigen Volk in Liebe zu handeln beabsichtigt, spricht Worte, die von außerordentlichem Gehalt sind.
Der Text beginnt mit „darum“. Gott hat stets einen Grund. Der Kontext beschreibt die gröblichste Sünde, und wie könnte Gott da einen Grund finden?
Die souveräne Gnade Gottes hat sein Volk erwählt und seine unveränderliche Liebe ist entschlossen, dieses Volk für sich zu gewinnen, darum geht sie an ihre Arbeit.
Die Person, das Werk, die Ämter und die Liebe Jesu das nimmt die Menschen gefangen.
Die Freiheit und die Fülle der göttlichen Vergebung besiegt den Widerstand.
Die Kindschaft und das so gnadenvoll verliehene Erbe unterwirft das Herz durch die überwältigende Macht der Dankbarkeit.
Das Bewusstsein des Friedens hier und die Aussicht auf die zukünftige Herrlichkeit lockt uns mehr als alles andere.
Nun, lasst dies alles erkannt und empfunden werden und wir sind sicher, dass das Herz gewonnen ist; danach kann es keine Auflehnung mehr geben.
Das Gebet eines jeden sei: O himmlische Liebe, besitze mein Herz: dir Schmerz zu erwecken, sei einzig mein Schmerz.
Wenn Gottes freie Gnade sich für ihren Gegenstand entschieden hat, reizt sie oft die Seele in ihrer besonderen Weise; ich meine, dass die Gnade durch ihre Lieblichkeit um sie wirbt und sie gewinnt. Sie siegt nicht durch Waffen, sondern durch Locken. Habt ihr nie gesehen, wie eine Mutter ihr Kind durch das Versprechen eines Kusses lockt, an ihren Busen zu eilen? Habt ihr nie gehört, wie kleine Vögel durch entzückenden Gesang ihre Männchen locken? Wisst ihr nicht, auf welche Weise die Liebe ihre Siege feiert? Wenn das der Fall ist, dann versteht ihr auch, warum die geliebte Seele in die Wüste gelockt wird. Die Liebe ist schüchtern; ihr Element ist die Einsamkeit. Das Sprechen zu dem Herzen wird für die Zurückgezogenheit reserviert; es schickt sich nicht, die Geheimnisse der göttlichen Gemeinschaft der Öffentlichkeit preiszugeben. Verstehe es deshalb, einsame Seele, warum du so allein sein sollst, und nun überlasse dein Herz den heiligen Lockungen der souveränen Gnade! C. H. S.
Vor mehreren Jahren wurde von der Exkaiserin Charlotte, einer österreichischen Prinzessin, deren Gemahl kurze Zeit Kaiser von Mexiko war, ein rührender Vorfall berichtet. Im Jahre 1867 wurde der Kaiser von den Revolutionären erschossen und seine unglückliche Witwe wurde das Opfer einer Schwermut und eines Irrsinns, den zu heilen ihre Ärzte alle Hoffnung aufgaben. Wie in ähnlichen Fällen geschieht, kehrte sie zu den Gewohnheiten der Kindheit zurück. So hatte sie eine Leidenschaft für Blumen, mit denen sie sich die meiste Zeit beschäftigte. Wie sehr sie daran hing, zeigte sich bei einer Veranlassung, als sie, nachdem sie ihre Wächter und Begleiter getäuscht hatte, aus dem Schlosse entflohen war. Als man sie wieder ermittelt hatte, konnte man sie auf keine Weise, es wäre denn durch die Anwendung von Mitteln gewesen, die sicher schädlich gewirkt hätten bewegen, ins Schloss zurückzukehren. Einer der Ärzte besann sich glücklicherweise auf ihre große Vorliebe für Blumen, und dadurch, dass er ihr von Zeit zu Zeit einen schönen Blumenstrauß zeigte, gelang es ihm, sie nach und nach auf den Rückweg und in ihr Schloss zu locken. Kann man diese Geschichte nicht als eine Illustration gebrauchen von der Art und Weise, in welcher Gott eine irrende Seele durch die Einladungen und Verheißungen des Evangeliums zurück lockt?