„Was schreist du zu mir?“
2. Mose 14,15.
Es kann eine Zeit kommen, da diese Frage selbst an einen Mose gerichtet werden muss. Es gibt eine Zeit, da das Schreien dem Tun Platz machen sollte; wenn das Gebet erhört und das rote Meer geteilt ist, wäre es schmachvoller Ungehorsam, noch im Zittern und Beten zu verharren. Darum musste Mose seinen Stab erheben und den Kindern Israel sagen, dass sie ziehen sollten. Jede Frucht des Geistes kommt zu seiner Zeit und ist dann am köstlichsten; außer der Zeit kommt selbst das Gebet nicht gelegen. Bitte jedenfalls, aber bereite dich auch darauf vor, zu empfangen. Suche ernstlich, aber halte nicht zurück, wenn die Stunde des Findens für dich kommt. Klopfe wieder und wieder an, aber beeile dich, einzutreten, sobald die Tür geöffnet ist. Wenn wir glauben sollten, dass wir Barmherzigkeit erlangt haben, warum fahren wir fort, um dieselbe zu bitten, als ob wir sie nicht erlangt hätten? Wenn vermehrter Glaube alles ist, was nötig ist, warum suchen wir den Segen, welchen Gott in den Bereich unsres Glaubens stellt? Wenn unsere Pflicht uns klar ist, warum zögern wir, sie zu erfüllen, und machen das Gebet zu einer Entschuldigung unsres Zögerns?
Wo müssen die sein, welche sich auf ihre eigenen Gebete verlassen? Was sind die, die ohne Gebet leben? Was sind die, welche für ihr Beten keinen Grund angeben können, aber abergläubisch Gebetsworte ohne Herz wiederholen?
Eine besorgte Sucherin, der ich das große Gebot des Evangeliums: „Glaube an den Herrn Jesum“ klar gemacht hatte, vereitelte beständig meine Bemühungen, sie aus sich selbst heraus zu Christo zu führen. Endlich rief sie aus: „Beten Sie für mich beten Sie für mich!“ Sie schien mächtig erschüttert, als ich antwortete: „Ich tue nichts Derartiges. Ich habe vorhin für Sie gebetet, allein, wenn Sie sich weigern, dem Wort des Herrn zu glauben, so sehe ich nicht ein, um was ich beten sollte. Der Herr fordert Sie auf, an seinen Sohn zu glauben, und wenn Sie das nicht tun wollen, sondern dabei verharren, Gott zum Lügner zu machen, so werden Sie verloren gehen, und Sie verdienen das auch wirklich.“ Dies brachte sie zur Besinnung. Sie ersuchte mich noch einmal, ihr den Heilsweg zu sagen; sie nahm ihn ruhig an, wie ein kleines Kind; ihre ganze Gestalt belebte sich, ihr Angesicht leuchtete, und sie rief: „Herr, ich kann glauben; ich glaube und ich bin gerettet. Ich danke Ihnen dafür, dass Sie sich geweigert haben, mich in meinem Unglauben zu trösten.“ Dann sagte sie sehr sanft: „Möchten Sie nun nicht für mich beten?“ Gewiss tat ich das, und wir freuten uns miteinander, dass wir das Gebet des Glaubens darbringen konnten.
Eine gute Illustration davon, dass es nötig ist, dem Gebet die Anstrengung folgen zu lassen, ist in der folgenden Anekdote zu finden.
Eine Schülerin zeichnete sich dadurch aus, dass sie ihre Aufgaben so gut zu lernen und herzusagen wusste. Eine ihrer Mitschülerinnen, die mehr zur Trägheit neigte, sagte eines Tages zu ihr: Wie geht es zu, dass du deine Lektion immer so richtig hersagen kannst?“ Sie antwortete: „Ich bete immer darum, dass es mir gelingen möge.“ „Das tust du?“ sagte die andere; „gut denn, dann will ich auch beten.“ Aber ach, am nächsten Morgen wusste sie von ihrer Aufgabe gar nichts. Sehr verwirrt eilte sie zu ihrer Freundin und machte ihr Vorwürfe darüber, dass sie sie betrogen habe. „Ich habe gebetet, aber habe doch nichts aufsagen können.“ Vielleicht,“ versetzte die andere, „hast du dir keine Mühe gegeben, die Lektion zu lernen.“ Lernen! Lernen?! Ich habe überhaupt nicht gelernt, antwortete die erste, ich meinte, ich hätte das nicht nötig, wenn ich darum betete, sie richtig aufsagen zu können. Der Irrtum ist weit verbreitet und allgemein.
Bei einem starken Tauwetter befand sich ein Mann auf einem der amerikanischen Ströme auf einer Eisscholle, die von der großen zusammenhängenden Eismasse noch nicht ganz losgelöst war. In seiner Bestürzung sah er dies jedoch nicht, sondern kniete nieder und fing an, laut zu Gott um seine Errettung zu flehen. Die Zuschauer am Ufer riefen ihm laut zu: „Mann, Mann, hör auf mit Beten und eile ans Land, das du jetzt noch erreichen kannst.“ So möchte ich zu manchem sagen: „Verlass dich nicht auf dein Beten, sondern glaube an Jesum.“
Als Bunyan sich bei einer Gelegenheit Mühe gab, zu beten, näherte sich ihm der Versucher und flüsterte ihm zu, dass weder die Barmherzigkeit Gottes, noch das Blut Christi ihn angingen, und dass ihm wegen seiner Sünde auch nicht zu helfen wäre, und dass es deshalb vergeblich für ihn sei, zu beten. Doch er dachte bei sich selbst: „Ich will beten.“ „Aber,“ sagte der Versucher, „deine Sünde ist unverzeihlich.“ „Gut,“ sagte er, „ich will beten.“ „Es hat gar keinen Zweck,“ sagte der Widersacher. Und wieder antwortete er: „Ich will dennoch beten.“ Und so begann er sein Gebet: „Herr, der Satan sagt mir eben, dass weder Deine Barmherzigkeit noch Christi Blut ausreichen, meine Seele zu erlösen. Herr, werde ich Dich am meisten dadurch ehren, dass ich glaube, Du willst und kannst; oder dass ich ihm glaube, dass Du weder willst noch kannst? Herr, ich möchte Dich gern dadurch ehren, dass ich glaube, Du willst und kannst mich selig machen.“ Und während er so sprach, war es ihm, „als ob ihn jemand auf die Schulter klopfte,“ und er wurde erinnert an das Schriftwort: „O Mann, dein Glaube ist groß.“