„Und sollen die Letzten sein im Ausziehen mit ihrem Panier.“
Das Lager Dan brach zuletzt auf, wenn die Heere Israels auf ihrer Wanderung durch die Wüste weiterzogen. Die Daniter nahmen die letzte Stelle ein; doch was kam viel auf die Stelle an, gehörten sie doch als Letzte ebensogut zum Heere, wie die vordersten Stämme; sie folgten derselben feurigen Wolkensäule, sie aßen dasselbe Manna, tranken aus demselben geistlichen Fels, und wanderten demselben Land der Verheißung entgegen. Komm, meine Seele, werde munter und fröhlich, ob du auch zuhinterst und zuletzt bist; du hast das selige Vorrecht, dass du zum Herrn gehörst und dass du mitgehst, wo die hingehen, die den Vortrab anführen. Einer muss der Letzte sein in Ehre und Ansehen, irgend einer muss das Geringste leisten um Jesu willen, und warumsollte ich nicht das sein? In einem elenden Dörflein, unter unwissenden Tagelöhnern, ober in einer engen Sackgasse, unter verworfenen Sündern will ich für meinen Heiland werben, und will „der Letzte sein mit meinem Panier.“
Die Daniter hatten eine sehr wichtige Stelle inne. Herumstreifer müssen unterwegs aufgehoben und mitgenommen, verlorenes Eigentum muss vom Boden aufgelesen werden. Feurige Gemüter mögen vorwärts stürmen auf ungebahnten Pfaden, um neue Wahrheiten zu erkennen, und Jesu mehr Seelen zuzuführen; aber manche von mehr besonnener und ruhiger Geistesanlage mögen wohl dazu verwendet werden, die Gemeinde an ihren früheren Glauben zu erinnern und ihre schwachen Söhne aufzurichten. Jede Stelle hat ihre Pflichten, und die langsam gehenden Kinder Gottes werden finden, dass ihre eigentümliche Bestimmung derart ist, dass sie dem ganzen Heere zum größten Segen werden können.
Die Nachhut hat eine gefahrvolle Stelle. Feinde sind hinter uns wie vor uns. Angriffe stehen auf allen Seiten bevor. Wir lesen, dass Amalek Israel überfiel, und der Hintersten etliche erschlug. Der erfahrene Christ findet viel Arbeit für seine Geisteswaffen, wenn er den armen, verzweifelnden, zitternden Seelen beisteht, die im Glauben, in der Erkenntnis und in der Freudigkeit zu den Hintersten gehören. Meine Seele, wache sorgfältig und siehe, wie du den Hintersten auch heute helfend zur Seite stehen magst.
„So lange solches sein Gelübde währt, soll er nichts essen, das man vom Weinstock macht, weder Weinbeeren noch Hülsen.“
Die Nasiräer hatten unter anderen Gelübden auch das abgelegt, dass sie sich vom Getränk des Weines enthalten wollten. Damit sie ihr Gelübde nicht brechen möchten, war ihnen auch verboten, Weinessig oder starke Getränke zu trinken; und damit die Vorschrift noch deutlicher sei, durften sie auch nicht den ungegorenen Most der Trauben genießen, noch selbst die frischen oder getrockneten Beeren essen. Damit das Gelübde noch vollständiger aufrecht erhalten bleibe, war ihnen selbst nicht einmal erlaubt, irgend etwas zu kosten, was die geringste Beziehung zum Wein hatte; sie sollten in der Tat auch den Schein des Bösen meiden. Das ist gewiss eine beherzigenswerte Lehre für die Abgesonderten des Herrn, wodurch sie angehalten werden, die Sünde unter jeder Gestalt zu fliehen, ihr nicht bloß in ihrer gröberen Gestalt aus dem Wege zu gehen, sondern selbst ihren Schein und Schatten zu scheuen. Ein ernster Wandel wird in unsern Tagen vielfach bespöttelt, aber sei versichert, lieber Freund, es ist sowohl das Sicherste, als das Seligste. Wer der Welt auch nur in einem oder zwei Punkten nachgibt, schwebt in furchtbarer Gefahr; wer die Trauben Sodoms genießt, muss auch den Kelch von Gomorrha trinken. Ein kleiner Riß im Meerdamme der holländischen Tiefküste gestattet dem Meerwasser Durchgang, und alsobald wächst der Riß zum Strombett, dessen reißender Erguss rasch eine ganze Provinz überflutet. Nachgiebigkeit gegen die Welt ist ein Netz für die Seele, und macht sie immer empfänglicher für den Reiz der Sünde. Und gleich wie der Nasiräer, der süßen Most trank, nicht sicher war, ob derselbe nicht schon in Gährung sei begriffen gewesen, und daher nicht wissen konnte, ob sein Gelübde gebrochen sei, so kann der weltfreundliche Christ sein Gewissen nicht rein bewahren, sondern muss fühlen, dass die innere Warnstimme ihn straft. Bei zweifelhaften Dingen brauchen wir nicht zu schwanken; sie sind uns schädlich. Wir müssen uns mit keinerlei Versuchung einlassen, sondern eilig von ihr fliehen. Besser wir werden als Sonderlinge verhöhnt, denn als Heuchler verworfen. Ein weiser Wandel mag uns manche Selbstverleugnung auferlegen, aber er birgt Freuden in sich, welche ein herrlicher Lohn sind. (Goldstrahlen August 29)
Der Herr segne dich und behüte dich.
Dieser erste Satz im Segen des Hohenpriesters ist dem Wesen nach eine Verheißung. Der Segen, den unser großer Hohepriester über uns ausspricht, wird sicher kommen, denn er spricht den Willen Gottes aus.
Was für eine Freude, unter dem göttlichen Segen zu bleiben! Dies gibt allem eine liebliche Würze. Wenn wir gesegnet sind, dann sind all unsre Besitztümer und Genüsse gesegnet; ja, unsre Verluste und Kreuze und selbst unsre Enttäuschungen sind gesegnet. Gottes Segen ist tief, nachdrücklich, wirksam. Eines Menschen Segen mag mit Worten beginnen und enden; aber der Segen des Herrn macht reich und heiligt. Der Beste Wunsch, den wir für unsren liebsten Freund haben können, ist nicht: „Möge das Glück dich begleiten“, sondern: „Der Herr segne dich.“
Es ist etwas eben so Schönes, von Gott behütet zu werden; behütet von Ihm, behütet Ihm nahe, behütet in Ihm. Die sind in der Tat behütet, die Gott behütet; sie sind vor dem Übel bewahrt, sie werden zu grenzenloser Seligkeit aufbehalten. Gottes Behüten geht mit seinem Segen zusammen, ihn zu befestigen und dauernd zu machen.
Der Schreiber dieses kleinen Buchs wünscht, dass der hier ausgesprochene reiche Segen und die sichere Behütung jedem Leser zu teil werde, der in diesem Augenblick diese Zeilen ansieht. Sollte der Schreiber noch leben, dann bitte, sendet diesen Spruch hinauf zu Gott als ein Gebet für seinen Knecht.
„Warum bekümmerst Du Deinen Knecht?“
Unser himmlischer Vater sendet uns häufig Trübsal, um unsern Glauben zu prüfen. Wenn unser Glaube etwas wert ist, so wird er die Probe bestehen. Schuld fürchtet das Feuer, Gold nicht. Der unechte, wenn noch so schön geschliffene Edelstein scheut die Berührung des prüfenden Diamants, der echte Rubin nicht. Das ist ein armseliger Glaube, der nur auf Gott vertraut, wenn die Freunde treu bleiben, der Leib von Gesundheitsfülle strotzt, und das Geschäft blüht und reichlichen Gewinn einträgt; aber das ist ein echter Glaube, der an des Herrn Treue festhält, wenn die Freunde dahin gegangen sind, wenn der Leib schwach wird und siecht, wenn das Gemüt gedrückt ist, und wenn das Licht von unseres Vaters Antlitz sich vor uns verborgen hat. Ein Glaube, der mitten aus dem tiefsten Unglück heraus rufen kann: „Sieh, Er wird mich erwürgen, und ich kann es nicht erwarten. Doch will ich meine Wege vor Ihm strafen; Er wird ja mein Heil sein,“ ist ein himmlisch geborener Glaube. Der Herr betrübt seine Knechte, um seiner Verherrlichung willen, denn Er wird sehr verherrlicht durch die Tugenden der Seinen, die seiner Hände Werk sind. Dieweil „Trübsal Geduld wirkt, und Geduld Erfahrung, und Erfahrung Hoffnung,“ so wird der Herr durch die aufblühenden Tugenden geehrt. Nie würden wir die herrlichen Töne der Harfe erklingen hören, wenn ihre Saiten unberührt blieben; nie würden wir den herzerquickenden Wein der Traube schmecken, wenn sie nicht ausgepresst würde in der Kelter; nie würden wir den herrlichen Duft des Zimts riechen, wenn er nicht zerstoßen und gepulvert würde; noch würden wir die Wärme des Feuers empfangen, wenn nicht das Holz zu Asche verbrennt. Die Weisheit und die Macht des großen Werkmeisters werden in den Trübsalen offenbar, durch welche Er die Gefäße seiner Gnade hindurchgehen lässt. Die gegenwärtige Traurigkeit hat auch den Zweck, die zukünftige Freude zu erhöhen. Könnten wir im Himmel so überaus selig und glücklich werden, wenn wir nicht den Fluch der Sünde und die Leiden dieser Erde an uns erfahren hätten? Ist nicht der Friede lieblicher nach dem Streit und die Ruhe willkommener nach schwerer Mühe und Arbeit? Muss nicht die Erinnerung an verflossene Trübsale die Glückseligkeit der Verklärten erhöhen? Es gibt noch gar manche tröstliche Antwort auf unsre heutige Frage; wir wollen sie in unserm Herzen bewegen.
„Du sollst jetzt sehen, ob meine Worte können dir etwas gelten oder nicht.“
Gott hatte dem Mose eine bestimmte Verheißung gegeben, dass Er einen ganzen Monat lang das große Volk in der Wüste mit Fleisch ernähren wolle. Moses, den eine Anwandlung von Unglauben überkam, sah sich nach den äußerlichen Mitteln um, und kam in Verlegenheit, zu erfahren, wie die Verheißung möchte erfüllt werden. Er sah auf das Geschöpf, statt auf den Schöpfer. Aber schaut denn der Schöpfer auf das Geschöpf, wenn er die Verheißung an ihm will in Erfüllung gehen lassen? Nein; Er, der die Verheißung gibt, erfüllt sie auch aus eigener unabhängiger Machtvollkommenheit. Wenn Er spricht, so geschiehts - Er vollbringts. Seine Verheißungen sind in Beziehung auf ihre Erfüllung nicht von der Mitwirkung der winzigen Kraft des Menschen abhängig. Wir begreifen sogleich den Missgriff, den sich Mose ließ zu Schulden kommen. Und doch handeln wir so oft ganz wie er! Gott hat verheißen, dass Er für alle unsere Bedürfnisse sorgen wolle, und wir erwarten vom Geschöpf, was Gott uns versprochen hat; weil wir aber zugleich wissen, dass das Geschöpf arm und schwach ist, so fallen wir dem Unglauben anheim. Warum wenden wir aber auch den Blick nach dieser Gegend? Wollen wir von den Gipfeln der Alpen die Sommerhitze erwarten? Wollen wir nach dem Nordpol fahren, um dort Früchte zu erndten, die an der Sonne gereift sind? Wahrlich, das wäre eben so törlich von euch gehandelt, wie wenn ihr bei den Schwachen Kraft suchtet, und verlangtet das Geschöpf solle des Schöpfers Werke verrichten. Darum wollen wir die Frage richtig ins Auge fassen. Grund des Glaubens sind nicht ausreichende sichtbare Mittel zur Erfüllung der Verheißung, sondern die Allgenugsamkeit des unsichtbaren Gottes, der gewisslich tut nach Seinem Wort. Wenn wir nun deutlich erkannt haben, dass der Schwerpunkt in Gott liegt und nicht im Geschöpf, und dennoch uns des Misstrauens schuldig machen, so tritt Gottes Wort mächtig an uns heran mit der Frage: „Ist denn die Hand des Herrn verkürzt?“ Möchte es doch durch Seine Gnade geschehen, dass mit dieser Frage die selige Zusicherung in unser Herz hineinleuchte: „Du sollst jetzt sehen, ob meine Worte können dir etwas gelten, oder nicht.“ (Goldstrahlen Juni 8)
„Dass er eine Mohrin zum Weibe genommen hatte.“
Seltsame Wahl, die Moses getroffen hatte! Aber wieviel auffälliger wählt der, der ein Prophet ist wie dieser Mose und noch größer, als er? Unser Herr, der lieblich ist wie die Blume zu Saron, wie die Rose im Tal, hat sich vermählt mit einer solchen, die bekennen muss: Seht mich nicht an, dass ich so schwarz bin, denn die Sonne hat mich verbrannt. Es ist zum Erstaunen für Engel, dass sich die Liebe Jesu armen, verlorenen, schuldbeladenen Menschen zugewendet hat. Jeder Gläubige, der auch nur mit einem Senfkorn Jesusliebe erfüllt ist, muss von Bewunderung überwältigt werden, dass an einen Unwürdigen eine solche Liebe verschwendet wird. Wir erkennen ja wohl unsre geheime Schuld, unsre Treulosigkeit und unser arges Herz, und darum zerfließen wir in dankbares Erstaunen über die unvergleichliche Unumschränktheit und Großmut und Gnade. Der Herr Jesus muss den Grund seiner Liebe in seinem eignen Herzen gefunden haben; in uns hätte Er ihn nicht finden können, denn da ist er nicht vorhanden. Auch nach unserer Bekehrung sind wir noch arg geblieben, obgleich uns die Gnade erträglich gemacht hat. Der selige Ruterford sagte von sich, und wir müssen es alle auch von uns bestätigen: „Er steht in einem solchen Verhältnis zu mir, dass ich krank bin, und Er ist der Arzt, dessen ich bedarf. Ach! wie oft verderbe ich wieder, was Er gut macht! Er verbindet, und ich löse auf; Er baut, und ich zerstöre wieder; ich zanke mit Ihm, und zwanzigmal des Tages tut Er mir wohl mit seiner lieblichen Rede!“ O teuerster und treuester Bräutigam unserer Seelen, fahre fort mit Deiner Gnadenarbeit, mit der Du uns in Dein Bild verklären willst, bis Du uns arme Mohrinnen Dir darstellen kannst, ohne Flecken oder Runzel oder des etwas. Mose begegnete um seiner Heirat willen hartem Widerspruch, und sowohl er als sein Weib waren übel angesehen. Wie können wir uns also darüber wundern, dass diese eitle Welt sich wider den Herrn Jesum und seine Braut auflehnt, besonders wenn große Sünder bekehrt werden? Denn dies ist allezeit des Pharisäers Anlass zum Widerspruch: „Dieser nimmt die Sünder an.“ Und noch heute macht die alte Ursache zum Streit sich immer wieder geltend: „dass er eine Mohrin zum Weibe genommen hatte.“
„Und alle Kinder Israels murrten.“
Unzufriedene und mürrische Leute gibts heutzutage unter den Christen eben so gut, wie einst unter dem Volk Israel in der Wüste. Es gibt solche, die bei jedem Rutenstreich sich laut erheben gegen die schmerzliche Züchtigung. Sie fragen: „Warum werde ich so schwer heimgesucht? Was habe ich getan, womit ich so harte Züchtigung verdiente?“ Ein Wort an dich, du Unzufriedener! Warum solltest du wider die Züchtigungen deines himmlischen Vaters murren? Sieh, was du einst für ein Empörer warst, und Er hat dir verziehen! Wahrlich, wenn Er in seiner Weisheit es jetzt für gut findet, dich zu züchtigen, so solltest du dich nicht beklagen. Und bist du nach allem überhaupt so hart gestraft, wies deine Sünden verdienen? Schaue auf das Verderben, das in deinem Busen wohnt, und nun willst du dich noch verwundern, dass so viel Rutenstreiche nötig sind, um es ganz auszutreiben? Prüfe dich am Probierstein, und siehe zu, wieviel Schlacken noch mit deinem Golde vermengt sind; und hältst du dies Feuer für zu heiß, um all den Unrat, der noch in dir steckt, herauszuschmelzen? Beweist nicht dieser dein unzufriedener, aufrührerischer Sinn zur Genüge, dass dein Herz noch nicht durch und durch geheiligt ist? Sind nicht diese deine mürrischen Worte der heiligen, unterwürfigen Natur der Kinder Gottes entgegen? Ist nicht eine Züchtigung vonnöten? Wenn du aber murren willst wider die züchtigende Hand, dann hüte dich, denn den Aufrührern ergeht es schlimm. Gott züchtigt jedesmal seine Kinder doppelt, wenn sie den ersten Streich nicht geduldig hinnehmen.
Aber eins musst du wissen: dass „Er nicht von Herzen die Menschenkinder plagt und betrübt.“ Alle seine Züchtigungen entspringen aus der Liebe, um dich zu läutern und dich zu Ihm zu ziehen. Es hilft dir gewiss, seine Züchtigung mit Ergebung zu tragen, wenn du imstande bist, deines Vaters Hand zu erkennen. Denn, „welchen der Herr lieb hat, den züchtigt Er; Er stäupt aber auch einen jeglichen Sohn, den Er aufnimmt. So ihr die Züchtigung erduldet, so erbietet sich euch Gott als Kindern; denn wo ist ein Sohn, den der Vater nicht züchtigt?“ „Alle Züchtigung aber, wenn sie da ist, dünkt sie uns nicht Freude, sondern Traurigkeit zu sein; aber danach wird sie geben eine friedsame Frucht der Gerechtigkeit denen, die dadurch geübt sind.“ „Murrt aber nicht, gleichwie jener etliche murrten, und wurden umgebracht durch den Verderber.“
„Wie lange wollen sie nicht an mich glauben?“
Trachtet mit allem Fleiß, das Ungeheuer Unglauben ferne von euch zu halten. Es verunehrt Christumso sehr, dass Er uns seine fühlbare Nähe entzieht, wenn wir Ihn damit erzürnen, dass wir dem Zweifel Raum geben. Es ist freilich ein Unkraut, dessen Same nie vollständig aus dem Acker unsres Herzens kann ausgerottet werden, aber wir müssen mit Eifer und Ausdauer seine Wurzeln zu vertilgen suchen. Unter allem Hassenswürdigen ist der Unglaube das Allerabscheulichste. Sein verderbliches Wesen ist so durch und durch vergiftet, dass, der damit umgeht, wie der davon berührt wird, stets dabei Schaden nimmt. Bei dir, du gläubiger Christ, ist der Unglaube etwas sehr Schlimmes, denn die Gnadenerweisungen, die du vom Herrn bisher empfangen hast, vergrößern deine Verschuldung, wenn du jetzt an Ihm zweifelst. Durch Unglauben krönst du sein Haupt aufs empfindlichste mit den allerstacheligsten Dornen. Es ist recht grausam von einem innig geliebten Weibe, wenn es seinem treuen und gütigen Eheherrn misstraut. Diese Sünde ist töricht, unnötig und ungerecht. Der Herr Jesus hat nie den leisesten Anlass zum Misstrauen gegeben, und es ist hart, wenn uns die mit Zweifel begegnen, gegen welche unser Benehmen unaufhörlich liebevoll und wahrhaftig ist. Jesus ist der Sohn des Höchsten und besitzt unermessliche Schätze; es ist schmählich, an der Allmacht zu zweifeln und der Allgenugsamkeit zu misstrauen. Das Vieh auf tausend Bergen genügt uns zur Nahrung, auch wenn wir noch so hungrig sind, und die Scheunen des Himmels werden wohl nicht leer werden von dem, was wir essen. Wenn Christus nur eine Wassergrube wäre, so könnten wir seine Fülle bald ausschöpfen, aber wer kann einen Brunnen lebendigen Wassers erschöpfen, der in das ewige Leben quillt? Millionen Geister haben ihre Bedürfnisse in Ihm gestillt, und kein einziger unter ihnen hat über Mangel an Erquickung geklagt. Hinweg! hinweg mit diesem lügenhaften Verräter Unglauben, denn es ist sein einziges Trachten, die Bande der Gemeinschaft zu zertrennen, und uns mit Trauer über die Abwesenheit unsres Heilandes zu erfüllen. Tötet diesen scheußlichen Lindwurm: Nieder mit dir, du Verräter, mein Herz verabscheut dich!
„Und es soll ihnen vergeben sein, denn es ist eine Unwissenheit.“
Um unserer Unwissenheit willen nehmen wir unsre Sünden der Unwissenheit nicht völlig wahr. Doch mögen wir gewiss sein, dass ihrer viele sind, sowohl im Begehen als im Unterlassen. Wir können in aller Aufrichtigkeit meinen, Gott einen Dienst zu tun durch etwas, was Er nie geboten hat und nie annehmen kann.
Der Herr kennt jedwede dieser Sünden der Unwissenheit. Dies mag uns wohl in Schrecken setzen, da Er nach seiner Gerechtigkeit diese Übertretungen von unserer Hand fordern wird; aber auf der andren Seite erspäht der Glaube einen Trost in dieser Tatsache, denn der Herr wird dahin sehen, dass die von uns nicht wahrgenommenen Flecken dennoch hinweggewaschen werden. Er sieht die Sünde, damit Er aufhören möge, sie zu sehen, indem Er sie hinter seinen Rücken wirft.
Unser großer Trost ist, dass Jesus, der wahre Priester, eine Versöhnung dargebracht hat für die ganze Gemeinde der Kinder Israel. Diese Versöhnung sichert die Vergebung unbekannter Sünden. Sein teures Blut reinigt uns von aller Sünde. Ob unsre Augen sie gesehen und darüber geweint haben oder nicht, Gott hat sie gesehen, Christus hat sie versöhnt, der Geist bezeugt die Vergebung, und so haben wir einen dreifachen Frieden.
O, mein Vater, ich preise Deine göttliche Kenntnis, die nicht nur meine Missetaten bemerkt, sondern auch eine Sühne versehen hat, die mich von ihrer Schuld befreit, sogar ehe ich weiß, dass ich schuldig bin.
Da sprach der Herr zu Mose: Mache dir eine eherne Schlange und richte sie zum Zeichen auf; ein jeglicher, der gebissen ist und sieht sie an, der soll leben.
Das ist ein herrliches Vorbild des Evangeliums, Jesus, unter die Übeltäter gerechnet, hängt vor uns am Kreuze. Ein Blick auf Ihn wird uns von dem Schlangenbiss der Sünde heilen, wird uns sogleich heilen - „wer sie ansieht, der soll leben.“ Möge der Leser, der über seine Sünden trauert, die Worte beachten - ein jeglicher, der sie ansieht, der soll leben. Jeder Anblickende wird dies finden. Ich habe es so gefunden. Ich blickte auf Jesum und lebte sogleich. Ich weiß, dass ich es tat. Leser, wenn du auf Jesus blickst, so wirst du auch leben. Wahr ist es, du schwillst von dem Gifte an, und du siehst keine Hoffnung. Auch wahr, es gibt keine Hoffnung als diese eine. Aber dies ist keine zweifelhafte Kur - „ein jeglicher, der gebissen ist und sieht sie an, der soll leben.“
Die eherne Schlange wurde nicht als eine Merkwürdigkeit, welche die Gesunden ansehen sollten, aufgerichtet: sondern ihr besonderer Zweck war für die, welche „gebissen“ waren. Jesus starb als ein wirklicher Heiland für wirkliche Sünder. Ob der Biß dich zu einem Trunkenbolde oder einem Diebe, einem Unkeuschen oder einem Gottesverächter gemacht hat, ein Blick auf den großen Heiland wird dich von diesen Krankheiten heilen und dich in Heiligkeit und in Gemeinschaft mit Gott leben lassen. Blicke und lebe
„Da sang Israel dieses Lied: Steig' herauf, o Brunnen; singt ihm entgegen!“
Der Brunnen Ber in der Wüste war berühmt, weil er der Gegenstand einer Verheißung geworden war: „Das ist der Brunnen, davon der Herr zu Mose sagte: Sammle das Volk, Ich will ihnen Wasser geben.“ Das Volk bedurfte Wasser, und dieses war ihm von seinem gnädigen Gott verheißen. Wir haben immer neue Zuflüsse der himmlischen Gnade nötig, und im Bund hat sich der Herr verbürgt, uns alles zu schenken, was wir bedürfen. Danach ward der Brunnen der Anlass zu einem Danklied. Ehe noch das Wasser hervorrauschte, drängte die Glaubensfreudigkeit das Volk zum Gesang; und als die Kinder Israel die crystallhelle Quelle emporsprudeln sahen, da wurde der Gesang und der Reigen immer fröhlicher und schallender. Gerade so sollten auch wir, die wir auf die Verheißungen Gottes vertrauen, uns zum Voraus über die Aussicht auf die göttliche Erneuerung unserer Seelen freuen, und wenn sie uns zu Teil wird, sollten wir jubelnd überströmen von heiliger Freude. Empfinden wir auch Durst? Dann wollen wir nicht murren, sondern singen. Geistlicher Durst ist schwer zu ertragen, aber wir brauchen ihn auch nicht zu ertragen, die Verheißung zeigt uns ja einen Brunnen; darum wollen wir gutes Muts sein und uns danach umsehen. Überdies war der Brunnen Gegenstand betenden Verlangens: „Steig' herauf, O Brunnen.“ Ach, möchte doch Gott der Heilige Geist in uns mit Seiner ganzen allmächtigen Kraft arbeiten und uns erfüllen mit aller reichen Gottesfülle! Endlich war der Brunnen ein Gegenstand persönlicher Anstrengungen. „Die Edeln im Volk haben ihn gegraben, durch den Lehrer und ihre Stäbe.“ Der Herr will, dass wir selbst mit tätig seien, wenn Er uns Gnadenerweisungen zu Teil werden lässt. Unsere Stäbe sind zum Graben im Sand nicht gut geeignet, aber dennoch müssen wir sie gebrauchen, so gut wir nur immer können. Das Gebet darf nie vernachlässigt werden; unsere Versammlungen sollen wir nicht verlassen und vergessen; die Heilsmittel dürfen wir nicht versäumen. Der Herr ist bereit, uns reichlich Seine Gnade zu schenken; darum lasset uns untereinander ermahnen und ermuntern, Ihn zu suchen, denn aus Ihm strömen uns Quellen frischen Wassers. (Goldstrahlen Juni 17)
Sieh, das Volk wird besonders wohnen, und nicht unter die Heiden gerechnet werden.
Wer wollte wünschen, unter den Heiden zu wohnen und unter sie gezählt zu werden? Sogar die sich so nennende Kirche ist derartig, dass es sehr schwierig ist, innerhalb ihrer Grenzen dem Herrn völlig zu folgen. Es ist in ihr ein solches Gemenge und Gemisch, dass man oft nach einer „Wohnung in der weiten Wüste“ seufzt.
Gewiss ist es, dass der Herr will, sein Volk solle einen von der Welt abgesonderten Pfad verfolgen und entschieden und deutlich von ihr ausgehen. Wir sind durch Gottes Ratschlag, durch sein Erkaufen und Berufen ausgesondert, und unsre innere Erfahrung macht uns sehr verschieden von den Weltmenschen; deshalb ist unser Platz nicht auf dem Markt der Eitelkeit, noch in der Stadt des Verderbens, sondern auf dem schmalen Wege, wo alle wahren Pilger ihrem Herrn folgen müssen.
Das mag uns nicht nur mit der Kälte und dem Hohn der Welt aussöhnen, sondern uns dies sogar mit Vergnügen annehmen lassen, als etwas, das zu unsrem Anteil am Bunde gehört. Unsre Namen sind nicht in demselben Buch, wir sind nicht von demselben Samen, wir sind nicht nach demselben Orte bestimmt, vertrauen auch nicht auf denselben Führer, deshalb ist es gut, dass die nicht von ihrer Zahl sind. Mögen wir nur in der Zahl der Erlösten gefunden werden, dann sind wir es zufrieden, seltsam und einsam zu sein bis zum Ende des Kapitels.
Es ist keine Zauberei wider Jakob und keine Wahrsagerei wider Israel.
Wie sollte dies alle albernen und abergläubischen Befürchtungen mit der Wurzel ausrotten! Selbst wenn irgend etwas Wahres an Zauberei und an Omen wäre, so könnte es doch nicht das Volk Gottes berühren. Die, welche Gott segnet, können die Teufel nicht verfluchen.
Ungöttliche Menschen wie Bileam mögen listig Pläne ersinnen, das Israel des Herrn zu vernichten; aber mit all ihrer Heimlichkeit und Schlauheit sind sie doch dazu verurteilt, dass ihnen alles fehlschlägt. Ihr Pulver ist naß, die Spitze ihres Schwertes ist stumpf. Sie kommen zusammen, aber da der Herr nicht mit ihnen ist, so kommen sie vergeblich zusammen. Wir mögen still sitzen und sie ihre Netze weben lassen, denn wir werden nicht darin gefangen werden. Ob sie Beelzebub zu Hilfe rufen und alle seine Schlangenlist aufwenden, so wird es ihnen nichts verschlagen; der Zauber wird nicht wirken, die Wahrsagerei wird sie betrügen. Was für ein Segen ist dies! Wie beruhigt es das Herz! Gottes Jakobe ringen mit Gott, aber niemand soll mit ihnen ringen und obsiegen. Gottes Israele haben Macht bei Gott und siegen ob, aber niemand soll Macht haben, sie zu besiegen. Wir brauchen den bösen Feind selber nicht zu fürchten und auch keinen jener geheimen Gegner, deren Worte voll Betrug und deren Pläne tief und unergründlich sind. Sie können denjenigen nicht schaden, die auf den lebendigen Gott vertrauen. Wir trotzen dem Teufel und all seinen Legionen.
„Eure Brüder sollen in Streit ziehen, und ihr wollt hier bleiben?“
Verwandtschaft hat ihre Pflichten. Die Rubeniter und Gaditer wären sehr unbrüderlich verfahren, wenn sie das eroberte Land hätten für sich behalten wollen, und die übrigen Stämme des Volkes Israel, das sein Erbteil erst noch erkämpfen musste, sich selber überlassen hätten. Wir haben vielen Segen empfangen durch die Kämpfe und Leiden der Heiligen früherer Zeiten, und wenn wir uns der Gemeine Christi nicht auch wieder dankbar erweisen damit, dass wir ihr unsere besten Kräfte widmen, so sind wir unwert, ihr beigezählt zu werden. Andere bekämpfen die Irrtümer der Zeit mit männlichem Mut, oder suchen solche zu erretten, die unter den Trümmern des Zerfalls wahrer Frömmigkeit in Gefahr sind, umzukommen, und wenn wir dabei untätig unsere Hände in den Schoß legen, so ists nötig, dass wir uns warnen lassen, auf dass nicht der Fluch der Stadt Meros über uns komme. Der Herr des Weinbergs spricht: „Was stehet ihr hier den ganzen Tag müssig?“ Wie kann sich da der Müßiggänger entschuldigen? Persönliche Wirksamkeit für die Sache unsers Heilandes wird immer dringender eine Pflicht für Alle, umso mehr, da sie so überschwänglich und herrlich belohnt wird. Die mühsame Arbeit hingebender Sendboten unter den Heiden und eifriger Seelsorger in der Heimat beschämt uns tief, wenn wir in Untätigkeit sitzen bleiben. Furcht vor Prüfungen ist eine große Versuchung für solche, die in stolzer Ruhe zu Zion sitzen: sie möchten gerne dem Kreuz entfliehen und doch die Krone empfangen; wenn die besten durchs Feuer geläutert werden, dann werden wir wohl schwerlich der Prüfung entgehen. Wenn der Diamant auf der Scheibe muss geschliffen werden, so werden wir wohl auch nicht ohne Leiden zur Vollendung gelangen. Weßhalb solls uns besser ergeben als unserm Herrn? Der Erstgeborne hat des Vaters Rutenschläge empfunden, warumsollen die jüngern Brüder verschont bleiben? Es wäre eine feige Weichlichkeit und Hoffart, wenn ein Krieger des Kreuzes sich ein Eiderdaunenbett und ein seidenes Ruhekissen wählte. Viel weiser handelt, wer dem Willen Gottes gehorsam wird und durch die Kraft der Gnade darin erstarkt, bis er seine Lust daran hat; so lernt er Lilien pflücken unter dem Kreuz, und Honig von dem Löwen wie Simson. (Goldstrahlen August 5)