Spurgeon, Charles Haddon - Nach der Verheißung - Ein Sieb ist nötig.

Es ist von großer Wichtigkeit, zwischen Dingen unterscheiden zu können, die von einander verschieden sind, denn der Schein trügt. Dinge, die dem Anschein nach gleich sind, können doch dabei das gerade Gegenteil von einander sein. Ein Skorpion mag wie ein Ei aussehen, und ein Stein wie ein Stück Brot, aber sie sind im entferntesten nicht das Nämliche. Gleich mag sehr ungleich sein. Besonders ist das auf geistlichem Gebiet der Fall, und deshalb geziemt es uns, auf unsrer Hut zu sein.

Es wäre sehr schwer zu sagen, wie weit ein Mensch religiös sein kann, und dennoch in seinen Sünden sterben; wie sehr er einem Himmelserben gleichsehen mag, und dennoch ein Kind des Zornes sein. Viele Unbekehrte haben einen Glauben, der dem seligmachenden Glauben ähnlich sieht, und doch kein wahrer Glaube ist. Manche Menschen zeigen fromme Gemütsbewegungen, welche wohl die Wärme geistlicher Liebe haben, aber ganz ohne das Leben der Gnade sind. Jede Gnade1) kann nachgeahmt werden, ebenso wie man Juwelen nachmacht. Wie nachgemachte Edelsteine den echten wunderbar ähnlich sehen, so ähneln falsche Gnaden erstaunlich dem Werke des Geistes Gottes. In Angelegenheiten der Seele tut es not, dass der Mensch seinen ganzen Verstand zusammennimmt, sonst wird er bald sein eigenes Herz betrügen. Es steht zu fürchten, dass viele schon im Irrtum befangen sind, und niemals ihre Täuschung einsehen werden, bis sie ihre Augen in der Welt des Wehes auftun, wo ihre Enttäuschung in der Tat schrecklich sein wird.

Das tote Kind der Natur mag sorgfältig von seiner Mutter gewaschen werden, das wird es aber nicht zu einem lebendigen Kind der Gnade machen. Das göttliche Leben in der Seele schafft einen unendlichen Unterschied zwischen dem Menschen, der es hat, und dem, der es nicht hat; und die Sache, auf die es ankommt, ist die: gewiss zu werden, dass wir dieses Leben haben.

Bist du gewiss, dass du es hast?

Es wird furchtbar sein „,Friede, Friede“ zu rufen, wo kein Friede ist; dir Angenehmes zu verkünden, dein Herz leicht zu machen und dein Gewissen in Schlummer zu wiegen, und nicht eher aus dem Schlaf aufzuwachen, als bis ein Donnerschlag des Gerichts dich aus deiner Vermessenheit aufschrecken und in endloses Grauen stürzen wird.

Ich möchte meinem Leser bei dem Geschäft der Selbstprüfung gern helfen. Ich wünschte, dass er weiter ginge als bis zur Prüfung, und dass er zu solcher Gnadenfülle gelangte, dass sein heiliger und glücklicher Zustand ihm selber zu einem Zeugnis würde.

Der erste Teil dieses kleinen Buches will ein Sieb sein, das die Spreu vom Weizen sichtet. Möge mein Freund es bei sich selbst anwenden; es dürfte das beste Tagewerk sein, das er je getan hat. Der Mann, der seine Rechnungsbücher durchsah und fand, dass er in seinem Geschäft mit Verlust arbeitete, ward vorm Bankrott bewahrt. So dürfte es auch meinem Leser ergehen. Sollte er indes wahrnehmen, dass es gut um sein himmlisches Geschäft steht, so wird ihm dies ein großer Trost sein. Niemand kann dadurch etwas verlieren, dass er sein Herz redlich erforscht.

Freund, versuche es sogleich.

1)
Das Wort „Gnade“ wird hier, wie an manchen andern Stellen in der Bedeutung von „Gnadengabe“ gebraucht. Anm. d. Übers.