„Macht euch auf, ihr müsset davon.“
Die Stunde rückt immer näher, wo die Botschaft an uns gelangt, wie an alle andern: „Mache dich auf und gehe aus deinem Hause, da du gewohnt hast, aus der Stadt, wo du deinem Geschäfte nachgegangen bist, von deiner Familie und von deiner Freundschaft. Mache dich auf, und tritt deine letzte Reise an.“ Und was wissen wir von dieser Reise? Und was wissen wir von dem Ort, dahin wir ziehen müssen? Ein wenig haben wir davon gelesen, und einiges hat uns der Heilige Geist darüber geoffenbart; aber wie wenig wissen wir doch vom zukünftigen Reich! Wir wissen, dass an der Grenze ein schwarzer reißender Strom sich dahin wälzt, und der heißt: „Tod.“ Gott will, dass wir ihn durchschreiten, und verheißt uns seinen Beistand. Was aber kommt nach dem Tod? Welch eine wundervolle Welt eröffnet sich dort unsern staunenden Blicken? Welch Anschauen der Herrlichkeit entfaltet sich vor unsern Augen? Noch nie ist einer von dort zurückgekommen, der uns Kunde davon gegeben hätte. Aber wir wissen genug von dem himmlischen Land, damit wir mit Freude und Wonne dem Ruf zur Heimkehr entgegensehen. Der Pfad durchs Tal der Todesschatten ist finster, aber wir dürfen ihn furchtlos betreten, denn wir wissen, dass Gott mit uns ist, wenn wir durchs finstre Tal wandern; darum haben wir kein Unglück zu fürchten. Wir müssen Abschied nehmen von allem, was uns hienieden lieb und teuer gewesen ist, aber wir gehen ins Vaterhaus, in unsers Vaters Heimat, wo Jesus ist, in die königliche „Stadt, die einen Grund hat, welcher Baumeister und Schöpfer Gott ist.“ Das ist unser letzter Einzug, um ewiglich zu wohnen bei Dem, den wir lieben, mitten unter seinem Volk, vor dem Angesicht des lebendigen Gottes. Lieber Christ, denke viel über den Himmel nach, das wird dich hinaufziehen, und du wirst der Mühsale des Weges vergessen. Dies Tränental ist nur der Pfad ins bessere Land. Diese Welt der Schmerzen ist nur die Schwelle zu einer Welt der Wonne.
„Lang‘ ich einst an im schönen Paradies,
Im Heiligtum des Herrn,
Dann schaut mein Geist, was er einst glaubend pries,
Was er geseh‘n von fern.
Das Halleluja schallet in reiner Heiligkeit,
Das Hosianna hallet ohn‘ End in Ewigkeit.“
„Es wird ein Durchbrecher vor ihnen herauffahren.“
Weil der Herr Jesus uns auf unserem Pilgerpfad vorangegangen ist, so gestaltet sich alles anders, als wenn Er diesen Weg nie betreten hätte. Er hat jeden Feind überwunden, der diesen Weg unsicher machte. So fasse nun Mut, du verzagter Streiter. Nicht nur hat Christus auf dieser Straße gewandelt, sondern Er hat auch alle Feinde erschlagen. Fürchtest du dich vor der Sünde? Sieh, Er hat sie an sein Kreuz genagelt. Fürchtest du dich vor dem Tode? Er wurde des Todes Tod. Fürchtest du dich vor der Hölle? Er hat sie verrammelt gegen den schmalen Pfad, auf den seine Kinder zu Ihm kommen; sie werden den Pfuhl der Verdammnis nie erblicken. Welche Feinde immer sich den Christen entgegenstellen mögen, Er hat sie alle überwunden. Es lauern wohl Löwen, aber ihre Krallen sind zerbrochen; es zischen Schlangen, aber ihre Giftzähne sind ausgerissen; es toben reißende Ströme, aber sie sind überbrückt und eingedämmt; es zucken Flammen, aber wir tragen jenes unbefleckte Kleid, das uns unversehrt durchs Feuer bringt. Das Schwert, das zu unserer Vernichtung geschmiedet wurde, ist schon zerbrochen; die Kriegswaffen, die der Feind gegen uns rüstet, haben schon ihre Spitze verloren. Gott hat in der Person Christi alle Macht, die uns irgend Schaden bringen könnte, beseitigt und unschädlich gemacht. Nun wohlan denn, das Streitheer Christi darf wohlgemut einherziehen, und du darfst deinen Pilgerlauf getrost fortsetzen, denn alle Feinde vor dir her sind überwunden. Was willst du noch anders machen, als mutig vorwärts gehen, um die Beute zu holen? Sie sind geschlagen, sie sind überwunden; alles, was du zu tun hast, ist, dass du nun den Raub austeilst. Du wirst freilich oft noch zu kämpfen haben; aber du hast nur gegen einen besiegten Feind zu kämpfen. Seine Hand ist zerbrochen; er versucht wohl, dich anzufallen, aber seine Kraft ist nicht mächtig genug für seine verderbliche Absicht. Dein Sieg wird leicht sein, und deine Beute unermesslich.
„Auf, ihr Streiter, durchgedrungen!
Auf, und folgt dem Heiland nach,
Der durch Marter, Tod und Schmach
Sich zum Himmel aufgeschwungen!
Unser Haupt hat schon gesiegt;
Schmach dem Glied, das müßig liegt.“
„Welches Ausgang von Anfang und von Ewigkeit her gewesen ist.“
Der Herr Jesus hatte einen Ausgang um Seines Volkes willen, als ihr Stellvertreter vor dem Throne, lange bevor sie in dem Laufe der Zeiten ans Licht der Geschichte traten. „Von Ewigkeit her“ besiegelte Er den Bund mit Seinem Vater, dass Er wolle dahingeben Blut um Blut, Pein um Pein, Angst um Angst und Tod um Tod, um Seines Volkes willen; „von Ewigkeit her“ entäußerte Er sich selbst, ohne einen laut des Murrens, und gab sich hin, dass von Seinem Scheitel bis zu Seiner Fußsohle große Tropfen blutigen Schweißes von Ihm herniederströmten, dass Er sich verspeien, verspotten, durchbohren, verwunden und unter Schmerzen des Todes martern ließe: Sein Ausgang als unser Bürge ist von Ewigkeit her. Halte hier ein wenig inne, meine Seele, und bete staunend an! Du hattest in der Person deines Herrn und Heilandes einen Ausgang von Ewigkeit her.„ Nicht erst, als du in diese Welt geboren wurdest, liebte dich Christus, sondern Er hatte Sein Wohlgefallen an den Menschenkindern, lange bevor Menschen auf Erden waren. Wie viel hat Er an sie gedacht; von Ewigkeit zu Ewigkeit hat er ihnen Seine Liebe zugewendet. Wie, meine Seele, so lange hätte Er an deine Erlösung gedacht, und wollte sie nun nicht vollenden? Er hat von Ewigkeit her Seinen Ausgang genommen, um mich zu erretten, und wollte mich nun lassen verloren gehen? Wie! Er hat mich in Seiner Hand getragen als Seiner kostbaren Edelstein, und würde mich nun aus Seinen Fingern gleiten lassen? Er hat mich auserwählt, ehe denn die Berge hervorgingen oder das Bette der Tiefen gegraben war, und nun wollte Er mich verwerfen? Unmöglich! Ich weiß gewiss, dass Er mich nicht so lange geliebt hätte, wenn er mich nicht geliebt hätte ohne Wandel. Wenn Er meiner hätte wollen müde werden, so wäre es schon längst geschehen. Hätte Er mich nicht geliebt mit einer Liebe, so tief wie die Hölle und so stark als der Tod, so hätte Er sich schon vor undenklichen Zeiten von mir abgewendet. O, Freude über Freude, dass ich nun weiß, ich bin Sein ewiges und unveränderliches Eigentum, das Ihm geschenkt ist von Seinem Vater, ehe denn die Erde war! Die ewige Liebe soll diese Nacht mein sanftes Ruhekissen sein, (Goldstrahlen Februar 27)
„Er aber wird auftreten und weiden in Kraft des Herrn.“
Christi Herrschaft in seiner Gemeinde ist diejenige eines Hirten-Königs. Er besitzt Macht und Gewalt, aber es ist die Macht eines weisen und liebevollen Hirten über seine hilfsbedürftige und liebende Herde; Er befiehlt und findet Gehorsam, aber es ist der willige Gehorsam wohlbehüteter und liebevoll gepflegter Lämmer, die sich freudig an ihren geliebten Hirten anschmiegen, und dessen Stimme sie so wohl kennen. Er herrscht durch die Macht der Liebe und durch die Gewalt der Güte.
Seine Herrschaft ist wohltätig in ihrer Wirkung. Es heißt: „Er aber wird auftreten und weiden.“ Das große Haupt der Gemeinde ist besorgt und tätig für das Wohl der Seinen. Er setzt sich nicht in stolzer Ruhe nieder auf seinen Thron, Er hält nicht ein Zepter in seiner Hand, ohne es zu gebrauchen zu seinem Regiment. Nein, Er tritt auf und weidet. Der Ausdruck „weiden“ in der Urschrift bezeichnet ähnlich wie das entsprechende Wort im Griechischen alles, was eines Hirten Treue zu tun vermag: Leiten, überwachen, bewahren, heilen, lieben ebensowohl, wie weiden. Seine Herrschaft ist von bleibender Dauer. Es heißt: „Er aber wird auftreten und weiden;“ nicht: „Er wird dann und wann weiden und endlich sein Amt aufgeben;“ nicht: „Er wird einmal eine Erweckung herbeiführen, und nachher seine Gemeinde sich selbst überlassen, bis sie vor Dürre verschmachtet.“ Seine Augen schlummern nicht, und seine Hand ruhet nimmer; sein Herz hört nie auf, voller Liebe zu schlagen, und seine Schultern werden nicht müde, die Lasten seiner Kinder zu tragen.
Seine Herrschaft ist mächtig und gewaltig in ihrer Tätigkeit. „Er wird weiden in Kraft des Herrn.“ Wo immer Christus ist, da ist Gott; und alles, was Christus tut, ist die Tat des Höchsten. O! es ist eine köstliche Wahrheit, wenn wir beherzigen, wie Er, der zu dieser Stunde für das Wohl seines Volkes in die Schranken tritt, Gott ist aus wahrem Gott, dem sich alle Knie beugen sollen im Himmel und auf Erden. O, selig sind wir, dass wir einem solchen Hirten angehören, dessen Menschheit uns Ihm zu Brüdern macht und dessen Gottheit uns beschützt und beschirmt. Lasset uns anbeten und knieen vor dem Herrn, und niederfallen vor Ihm. Denn Er ist unser Gott, und wir sind das Volk seiner Weide und Schafe seiner Hand.
Es werden die übrigen aus Jakob unter vielen Völkern sein, wie ein Tau vom Herrn und wie die Schauer aufs Gras, das auf niemand harrt, noch auf Menschen wartet.
Wenn dies wahr ist von dem buchstäblichen Israel, so ist es viel mehr noch wahr von dem geistlichen Israel, dem gläubigen Volk Gottes. Wenn Heilige das sind, was sie sein sollten, so sind sie ein unberechenbarer Segen für die, unter denen sie zerstreut sind.
Sie sind wie der Tau, denn in einer ruhigen, nicht zudringlichen Weise erfrischen sie die, welche um sie her sind. Stille, aber wirksam fördern sie Leben, Wachstum und Freude derer, die mit ihnen zusammenwohnen. Frisch vom Himmel kommend, schimmernd wie Diamanten in der Sonne, dienen begnadigte Männer und Frauen den Armen und Geringen, bis jeder Grashalm seinen eignen Tautropfen hat. Klein als einzelne, sind sie doch, wenn vereinigt, allgenügend für die Zwecke der Liebe, die der Herr durch sie erfüllt. Tautropfen bewirken die Erfrischung breiter Äcker. Herr, mache uns gleich dem Tau!
Es gibt auch Schauer, die auf Gottes Geheiß kommen ohne des Menschen Genehmigung und Verstattung. Sie wirken für Gott, ob Menschen es wünschen oder nicht; sie bitten ebensowenig um Erlaubnis, wie der Regen es tut. Herr, mache uns so kühn und schnell in Deinem Dienste, wo immer auch unser Los gefallen ist.
Mein Gott wird mich hören
Freunde mögen untreu sein, aber der Herr wird sich nicht von der begnadigten Seele wenden; im Gegenteil, Er wird alle ihre Wünsche hören. Der Prophet spricht: „Bewahre die Tür deines Mundes vor der, die in deinen Armen schläft. Des Menschen Feinde sind sein eigenes Hausgesinde.“ Dies ist ein elender Stand der Sachen; aber sogar in solchem Falle bleibt der Beste Freund treu, und wir können Ihm all unseren Kummer erzählen.
Es ist für uns weise, auf den Herrn zu blicken und nicht mit Männern oder Frauen zu streiten. Wenn unsre liebevollen Mahnungen von unsren eigenen Verwandten missachtet werden, so lasst uns auf den Gott unsres Heils harren, denn Er wird uns hören. Er wird uns nur umso mehr hören um der Unfreundlichkeit und Bedrückung andrer willen, und wir werden bald Ursache haben zu rufen: „Freue dich nicht, meine Feindin, dass ich daniederliege!“
Weil Gott der lebendige Gott ist, kann Er hören; weil Er ein liebevoller Gott ist, will Er hören; weil Er unser Bundesgott ist, hat Er sich verpflichtet, uns zu hören. Wenn jeder unter uns von Ihm als „Mein Gott“ sprechen kann, so können wir mit völliger Gewissheit sagen: „Mein Gott wird mich hören.“ Komm denn, o blutendes Herz, und lass deine Schmerzen sich ausschütten vor dem Herrn, deinem Gott! Ich will im Verborgenen das Knie beugen und in meinem Innern flüstern: „Mein Gott wird mich hören.“
Freue dich nicht, meine Feindin, dass ich danieder liege; ich werde wieder aufkommen. Und so ich im Finstern sitze, so wird doch der Herr mein Licht sein.
Dies mag das Gefühl eines Mannes oder einer Frau aussprechen, die zu Boden getreten und unterdrückt sind. Unser Feind mag unser Licht auf eine Zeitlang auslöschen. Es ist gewisse Hoffnung für uns in dem Herrn; und wenn wir auf Ihn vertrauen und rechtschaffen und lauter bleiben, so wird unsre Zeit des Daniederliegens und der Finsternis bald vorüber sein. Die Beschimpfungen der Feinde währen nur einen Augenblick. Der Herr wird bald ihr Lachen in Leidtragen wandeln und unser Seufzen in Singen.
Wenn auch der große Feind der Seelen eine Weile über uns triumphieren sollte, wie er über bessere Männer, als wir sind, triumphiert hat, so lasst uns doch ein Herz fassen, denn wir werden ihn binnen kurzem überwinden. Wir sollen aufstehen von unsrem Fall, denn unser Gott ist nicht gefallen, und Er wird uns aufheben. Wir sollen nicht in der Finsternis bleiben, obwohl wir für den Augenblick darin sitzen; denn unser Herr ist die Quelle des Lichtes, und Er wird uns bald einen freudevollen Tag bringen. Lasst uns nicht verzweifeln oder auch nur zweifeln; Ein Umdrehen des Rades, und die Untersten werden oben sein. Wehe denen, die jetzt lachen, denn sie werden trauern und weinen, wenn ihr Prahlen in ewige Verachtung verwandelt worden ist. Aber gesegnet sind alle heilig Trauernden, denn sie sollen göttlich getröstet werden.
Er wird sich wieder wenden, Er wird sich unserer erbarmen; Er wird unsre Missetaten dämpfen; und Du wirst alle ihre Sünden in die Tiefe des Meeres werfen.
Gott wendet sich nie von seiner Liebe, aber Er wendet sich bald von seinem Zorn ab. Die Liebe zu seinen Erwählten ist seiner Natur gemäß, sein Zorn ist nur seinem Amte gemäß: Er liebt, weil Er die Liebe ist. Er zürnt, weil es zu unsrem Besten notwendig ist. Er wird zurückkommen zu dem Orte, in dem sein Herz ruhet, nämlich der Liebe zu den Seinen, und dann wird Er Mitleid mit unsren Schmerzen haben und sie enden.
Was für eine köstliche Verheißung ist dies: „Er wird unsre Missetaten dämpfen!“ Er wird sie überwinden. Sie versuchen, uns zu knechten, aber der Herr will uns durch seine Rechte Sieg über sie verleihen. Wie die Kanaaniter sollen sie geschlagen, unter das Joch gezwungen und schließlich getötet werden.
Was die Schuld unserer Sünden betrifft, wie herrlich ist die hinweggenommen! „Alle ihre Sünden,“ - ja, das ganze Heer derselben; „Du wirst werfen“ - nur ein allmächtiger Arm kann solches Wunder vollbringen; „in die Tiefe des Meeres“ - wo Pharao und seine Wagen versanken. Nicht in die seichten Stellen, wo sie von der Flut wieder freigespült werden könnten, sondern in die „Tiefe“ sollen unsre Sünden geworfen werden. Sie sind alle dahin. Sie sanken auf den Grund wie ein Stein. Halleluja! Halleluja!