„Da kam Amalek und stritt wider Israel in Raphidim.„
2 Mose 17, 8.
Es waren zwei große Anfechtungen, welche die Kinder Israels zu erdulden hatten, während sie zu der verheißenen Ruhe zogen, — ihren Mangel und ihre Feinde; aber ich muss eine dritte hinzufügen, die aus diesen beiden durch den Unglauben ihres Herzens entsprang; das dritte Übel, viel schlimmer als die beiden andren, war ihre Sünde. Wahrscheinlich, meine Brüder, habt ihr nachgerade herausgefunden, dass ihr zufrieden euren Mangel ertragen könntet und mutig mit euren Feinden fechten, wenn ihr nicht durch eure Sünden geschwächt und gehindert wäret.
Des Menschen schlimmste Feinde sind seine eignen Hausgenossen. Was Israels Mangel betrifft, so denke ich, könnte man ihm Glück wünschen, dass es ihn kennen lernte; denn gesetzt, sie hätten Proviant genug von Gosen mit sich nehmen oder durch Handel treibende Lieferanten versorgt werden können, so würden sie nie so geehrt worden sein, von dem Manna zu essen, das vom Himmel fiel; und gesetzt, ein Kanal wäre gegraben, der längs ihres ganzen Weges durch die Wüste geflossen wäre, oder sie hätten eine Reihe von Brunnen dicht bei den Orten, wo sie ihre Zelte aufschlugen, gefunden, dann hätten sie nie aus jenem wunderbaren Felsen getrunken, aus dessen Stein das Wasser sprudelte, von dem der Apostel uns sagt, dass es Christus gewesen sei, oder ein besonderes Vorbild Christi. Sie waren Hofleute, die vom Tisch des Königs der Könige gespeist wurden; sie waren so hoch erhaben, dass sie Engelspeise aßen. In diesem Lichte muss man sie beglückwünschen um ihres Mangels willen, denn sonst hätten sie weder Manna gegessen noch von dem Wasser aus dem Felsen getrunken. Und ihr, Geliebte, seid ungefähr in demselben Fall. Der Tag wird kommen, wo ihr in klarerem Lichte als dieses, Gott für eure Bedürftigkeit danken werdet und mit dem Apostel sprechen: „Darum will ich mich am allerliebsten rühmen meiner Schwachheit, auf dass die Kraft Christi bei mir wohne;“ und wiederum: „Denn wenn ich schwach bin, so bin ich stark.„ Ihr werdet Gott danken, dass eure Bedürftigkeit den Boden bildete, auf dem seine Vorsehung ihre Sorge entfalten konnte, dass eben diese Wüste eine Wohltat für euch war, weil Er euch in ihr einen Tisch bereitete, und es euch hätte Überlassen können, einen für euch selber zu bereiten, wenn es nicht in der Einöde gewesen wäre.
Was die Feinde anlangt, welche die Kinder Israels angriffen, so hätte ich fast gesagt, dass man ihnen sogar dazu Glück wünschen könne, denn grimmig, wie diese auch waren, so hätten sie doch nie Siege erringen können, wenn sie keine Schlachten gekannt hätten. Die Feinde Israels waren nur ebenso viele Garben, die sein siegreiches Schwert einerntete. Wie die wilden Tiere des Waldes dem Jäger Nahrung gewähren, so waren die Hasser Israels wie eine Beute für die tapferen Männer. Über jeden Feind seines Volkes behielt die Rechte des Herrn glorreichen Sieg. Auch ihr, Brüder, werdet Ursache haben, dem Herrn für all eure Feinde zu danken. Wenn euer Leben eins in beständigem Frieden wäre, so ist es klar, dass keine Triumphe da sein konnten; wenn keine Feldzüge des Krieges wären, so würde es kein Jauchzen der Sieger geben und keine Trophäen in die Hallen des Gedächtnisses aufzuhängen. O, wenn wir von Sünden fern gehalten, wenn wir vor ihrer Macht bewahrt bleiben können, so mögen wir wohl dankbar für Mangel sein, sogar dankbar für Feinde, wenn wir sie in dem Lichte der Feuersäule der verheißenen Gegenwart Gottes betrachten. Aber unsre Sünden! unsre Sünden! unsre Sünden! was sollen wir mit ihnen tun? Wenn nicht das siegreiche Blut wäre, durch welches wir überwinden, so möchten wir uns wohl in Verzweiflung niederlegen, denn wer unter uns kann allein und beistandlos es mit seinen Sünden aufnehmen?
Heute morgen wollen wir den Krieg mit Amalek als eine vorbildliche Darstellung der Erfahrung des Volkes Gottes betrachten, und unser Gebet ist, wir möchten so sprechen, dass diejenigen, die sehr beunruhigt und leidend sind, einigen Trost aus der vorgetragenen Wahrheit schöpfen und dass zaudernde Heilige angeregt würden, die Schlachten ihres Herrn zu fechten, damit nicht der Fluch über sie ergehe: „weil sie nicht kamen dem Herrn zu Hilfe, zu Hilfe, dem Herrn zu den Helden.“ Wir wollen den Text auf dreierlei Weise gebrauchen, zuerst: als ein Bild der Erfahrung jedes einzelnen Christen; zweitens: als eine Darstellung der Geschichte jeder einzelnen Gemeinde; und drittens: als eine vorzügliche Beschreibung der Geschichte der ganzen Gemeinde des lebendigen Gottes von ihrem ersten Tage an bis zu ihrem Schlusse.
Zuerst also, wir haben hier die Erfahrung jedes einzelnen Christen.
Beachtet, die Kinder Israels waren aus der Knechtschaft befreit und hatten Ägypten hinter sich gelassen, eben wie ihr und ich aus unsrem natürlichen Zustande errettet und nicht mehr die Knechte der Sünde sind. Sie waren erlöst worden durch das Blut, das auf die Türpfosten und die Schwelle gesprengt war, und auch unsren Seelen ist die Erlösung zu teil geworden, und wir wissen, dass Gott auf das Blut gesehen und an uns vorübergegangen ist. Sie hatten das Passahlamm gegessen, wie wir es getan, denn Jesus ist uns Speise und Trank geworden, und unser Seelenhunger ist durch Ihn gestillt. Sie waren von ihren Feinden verfolgt worden, wie wir von unsren alten Sünden, aber sie hatten all diese wütenden Feinde in dem Roten Meer ertränkt gesehen, durch das sie trocknen Fußes gegangen waren; und auch wir haben unsre vergangenen Sünden auf immer begraben sehen in dem Roten Meer des versöhnenden Blutes. Unsre Missetaten, die uns in das Ägypten der Verzweiflung zurückzutreiben drohten, sind auf ewig verschwunden; sie sanken wie Blei in den mächtigen Wassern, die Tiefe hat sie bedeckt — es ist nicht eine von ihnen übrig; Israel sang ein neues Lied auf der andren Seite des Meeres; und auch wir haben uns in unsrem Gott gefreut, und gleich Mirjam haben wir die laute Zimbel des Preises erschallen lassen und mit heiliger Freude getanzt, während unsre Lippen das Siegeslied gesungen:
„Lasset uns dem Herrn singen,
Denn Er hat eine herrliche Tat getan.„
Viele von uns sind jetzt frei von dem Joche der Sünde und des Satans, und als des Herrn Freie rühmen wir seinen Namen. O, dass wir alle in solch glücklichem Zustande wären!
Die Kinder Israels hofften wahrscheinlich auf Ruhe und vergaßen, dass das verheißene Land noch viele Tagereisen vor ihnen lag. Unerfahrenheit und kindisches Wesen machten, dass sie erwarteten, ununterbrochenes Singen und Feiern würde fortdauern, und es gab eine Zeit, wo wir dieselben törichten Hoffnungen hegten. Wir sagten zu uns: „Lasst uns im Frieden sein, denn der Krieg ist vorüber; nun können wir gemächlich leben. Pharao ist ertränkt; die Rosse und Wagen sind wie Blei in den mächtigen Wassern gesunken; keine Peitsche der Fronvögte mehr, keine Ziegel ohne Stroh zu machen, nicht länger werden wir von einem grausamen Volke niedergetreten und von der Arbeit in der Ziegelhütte erschöpft werden; von einer hohen Hand und einem mächtigen Arm sind wir herausgeführt; lasst uns freuen und fröhlich sein, lasst uns all unsre Tage froh sein und durch die Wüste tanzen.“ Das war die Stimme unsrer Unerfahrenheit und Torheit; wie bald waren unsre keimenden Hoffnungen durch eitlen unerwarteten Frost geknickt! denn wie Israel hatten wir bald Trübsale. Plötzlich überkam uns der Hunger und Durst, den nur des Himmels Liebe zu stillen vermochte; und als wir es uns am wenigsten träumen ließen, brach der grimme Amalek der Versuchung wie ein Wolf in die Herde ein.
Junger Christ, wähne nicht, dass, sobald du bekehrt bist, dein Kampf vorüber sei, sondern schließe daraus, dass dein Streit jetzt begonnen hat. Manche Leute betrachten die Wiedergeburt als die Veränderung der alten Natur in eine neue; die Erfahrung lehrt uns, dass dies eine sehr falsche Beschreibung der neuen Geburt ist. Bekehrung und Wiedergeburt ändern nicht die alte Natur; diese bleibt immer noch dieselbe. Aber bei unsrer neuen Geburt wird eine neue Natur, ein neues Prinzip in uns hineingelegt, und dieses neue Prinzip beginnt sofort einen Kampf mit dem alten Prinzip; daher sagt uns der Apostel von dem alten Menschen und dem neuen Menschen; er spricht von dem Fleisch, das wider den Geist gelüstet, und von dem Geist, der wider das Fleisch kämpfet. Ich kümmere mich nicht darum, was die Lehrmeinungen eines Menschen über diesen Gegenstand sind; ich bin gewiss, dass die Erfahrung der meisten von uns ganz klar beweisen wird, dass zwei Naturen in uns sind, dass nur eine zusammengesetzte Beschreibung uns überhaupt beschreiben kann; wir finden eine Gesellschaft von zwei Herren in uns, und der Kampf geht fort, und wird, wenn irgend etwas, heißer mit jedem Tage. Wir glauben, dass das rechte Prinzip stärker wird, und wir hoffen, dass durch die Gnade das böse Prinzip geschwächt und abgetötet wird; aber gegenwärtig ist es für die meisten von uns ein scharfer Streit, und wäre die göttliche Kraft nicht da, so möchten wir unsre Waffen in Hoffnungslosigkeit von uns werfen.
Junger Christ, du hast ein Leben des Kampfes begonnen, des sei gewiss. Dir wäre nie gesagt worden, dass du „als ein guter Streiter Jesu Christi leiden solltest,„ wenn es nicht so wäre. Du musst jenes Schwert nicht in die Scheide stecken, sondern es lieber scharf wetzen und es allezeit bereit in der Hand halten. Wache beständig und bete ohne Unterlass. Denn bis du deinen Fuß auf das goldene Pflaster des neuen Jerusalems setzest, musst du des Kriegers Harnisch tragen und des Kriegers Mühen erdulden. In der Tat, lieben Freunde, es war in dem Lager Israels etwas, das sie hätte lehren sollen, Leiden zu erwarten, denn wurde nicht eine Stimme unter dem murrenden Heer gehört: „Ist der Herr unter uns oder nicht?“ Diese krächzende Stimme des Unglaubens kündete Unheil an. Wie konnten sie erwarten, Frieden zu kennen, wenn sie dem Gott des Friedens misstrauten? „Die Gottlosen,„ spricht mein Gott, „haben keinen Frieden;“ und in dem Maße, in dem die Gerechten den Gottlosen gleichen, in demselben Maße verlieren sie den Frieden. Der Schrei des Unglaubens in eurem Herzen und in dem meinen, wenn es sagt: „Ist der Herr unter uns oder nicht,„ sollte uns warnen, dass wir noch nicht in dem Lande der Ruhe sind, sondern mit manchem Feinde zu kämpfen haben werden, ehe das Banner aufgerollt werden kann. Außerdem hätte Israel daran denken sollen, dass eine alte Fehde zwischen den Kindern Esaus und den Kindern Jakobs war, denn war Esau nicht von seinem Bruder verdrängt worden? Amalek, Fürst Amalek, wie er genannt wurde, war ein Nachkomme Esaus und hegte all seines Vaters Hass und Feindschaft gegen das Haus Israels. Hoffte Israel, in der Nähe von Edom zu reisen und nicht angegriffen zu werden? Und hoffst du, Christ, dass Sünde rund um dich her sein werde, ohne dich anzufallen?
„Ist diese Welt der Gnade Freund? Kann sie zu Gott dir helfen?“
Wenn du Freundschaft von einer sündigen Welt erwartest, so bist du sehr im Irrtum. Es ist eine tödliche, erbliche Fehde zwischen dem Christen und den Mächten der Finsternis. Sie entsprang in dem Garten Eden, an dem Tage, da Gott sprach: „Ich will Feindschaft setzen zwischen dir und dem Weibe, und zwischen deinem Samen und ihrem Samen,„ und sie bleibt noch stets dieselbe. Du musst kämpfen, wenn du die Krone gewinnen willst, und dein Pfad zu der andren Seite des Jordans muss der Pfad eines bewaffneten Kreuzfahrers sein, der jeden Zollbreit des Weges sich erkämpfen muss.
Wenn wir die Erzählung weiter verfolgen, bemerken wir, dass sie Widerstand von unerwarteter Seite fanden. Unwissenheit mag sie veranlasst haben, auf die Freundschaft Amaleks zu rechnen, denn sie reisten augenscheinlich ganz ruhig, ohne gehörige Vorsicht und verließen sich auf die Verwandtschaft und Friedlichkeit derer, die im Lande weilten. Gerade, wenn wir uns am sichersten fühlen, sollten wir am vorsichtigsten sein. „Eines Menschen Feinde werden seine eignen Hausgenossen sein.“ Ich glaube nicht, dass der Christ von offenen und erklärten Gegnern soviel zu fürchten hat, wie von jenen trügerischen Feinden, die sich stellen, als wenn sie seine Freunde wären. Die Sünde ist nie so sehr eine Isebel, als wenn sie ihr Angesicht schminkt mit der Farbe der Ehrbarkeit und den Schönpflästerchen der Unschuld. Zweifelhafte Dinge sind gefährlicher als entschieden schlechte. Das Grenzland zwischen Recht und Unrecht wimmelt von Dieben und Räubern; hütet euch vor Halsabschneidern, ihr, die ihr dort reiset. Sogar Dinge, die recht sind, können leicht unrecht werden, wenn sie unsre Herzen einnehmen, und deshalb müssen wir vor ihren Reizen auf unsrer Hut sein. Viele brauchen nicht sehr bange zu sein, zu Trunkenheit und Lästerung verführt zu werden, es ist nicht wahrscheinlich, dass wir diesen gröberen Versuchungen nachgeben; wir haben mehr Ursache, gegen Weltlichkeit und Stolz zu wachen, denn dies sind Feinde, welche die Gottesfürchtigen zu besonderen Zielpunkten ihrer Angriffe erlesen. Nimm dich in acht vor deinen Tugenden, Christ, denn, diese werden, wenn du sie übertreibst, deine Laster; hüte dich vor den guten Dingen, deren du dich rühmst, denn sie mögen die Wärme abgeben zum Aushecken der Schlangeneier des Stolzes und der Selbstzufriedenheit.
Israel ward von einer Seite angegriffen, die unbewacht war, weil es nicht wahrscheinlich war, dass von da ein Überfall kommen würde. Im fünften Buch Mose, Kap. 25, 17. 18 lesen wir, dass Amalek den Nachtrab des Heeres überfiel. Die hinten im Zuge waren, müssen sich selber am sichersten geschienen haben, denn Pharaos Heer war vernichtet worden, und was war weiter zu fürchten? Die Schwachen und Gebrechlichen kamen langsam heran in völliger Ruhe, erwarteten durchaus keinen Feind; der Vortrab war, wie ich nicht zweifle, gut geschützt, denn sie wussten nicht, was für Scharen ihren Weitermarsch unterbrechen konnten, aber den Nachtrab glaubten sie ohne Schutz lassen zu dürfen, und hier war es, wo der Feind sie anfiel.
Christlicher Mann, wo immer du deine Vorsicht verminderst, da wird der Feind dich überfallen. Wenn du zu dir selber sagst: „Mein Berg stehet fest, ich werde nicht bewegt werden,„ in betreff irgend einer Sache, so ist es da, wo du am wahrscheinlichsten fallen wirst. Wir sind gewöhnlich am stärksten, wo wir uns am schwächsten wähnen, weil wir da die Sache vor Gott bringen, und am schwächsten, wo wir träumen, dass wir am stärksten sind, weil wir da das Gebet unterlassen. In der Erfahrung der meisten Christen wird es, wie ich glaube, wahrnehmbar sein, dass Gott sie ihre Schwäche hat sehen lassen, wo sie selber dafür hielten, dass keine Schwäche bemerkbar wäre. Lasst uns also rund umher Wachen aufstellen und den Herrn bitten, eine feurige Mauer um uns und eine Herrlichkeit in unsrer Mitte zu sein.
Dieser Angriff Amaleks war um so gefährlicher, weil er plötzlich war. Es scheint, dass Amalek aus einem Hinterhalt hervorbrach und ohne weiteres sie überfiel. Da war keine regelmäßige Kriegserklärung, kein Aufstellen in Schlachtordnung, kein Aussenden von Vortruppen und Plänklern, sondern der Feind überfiel sie plötzlich wie eine Räuberbande. Gerade so wird die Sünde mit euch und mit nur tun. Wenn der Teufel mich benachrichtigen wollte, wann er mich zu versuchen beabsichtigte, so könnte ich leicht mit ihm streiten und ihn besiegen, aber dies wird er nie tun. Er wird dir nicht sagen, ob er dich morgen in deinem Geschäft versuchen wird oder nicht; dies ist nicht die Art, wie er nach seinem Wild jagt: „Es ist vergeblich, das Netz auswerfen vor den Augen der Vögel.“ Er wird euch, womöglich, unvermutet anfallen, und ehe ihr euren Harnisch anlegen könnt, werden seine Pfeile euch schwer verwunden. Uns ist seine List nicht unbekannt. Wohl sagte der Meister: Was ich aber sage, das sage ich euch allen: „Wachet!„ Und o, mit welcher Wachsamkeit, mit welchen! heiligen Fleiß müssen ihr und ich wachen gegen die Windungen und Drehungen der alten Schlange, die womöglich uns in die Ferse beißen oder ihr Gift in unsre Herzen hineinbringen wird.
Ich denke, ich darf nicht unterlassen, zu sagen, dass dieser Angriff Amaleks, obgleich er den größten Schaden bezweckte, doch nicht ohne göttliche Anordnung und Lenkung geschah. Wir können dankbar sein, dass, obwohl Satan die passendste Zeit wählte, der Herr doch seine List wirkungslos machte. Amalek überfiel die, welche schwach und müde waren, aber das Manna und der strömende Fels änderten bald die Lage der Sachen, und die Neuheit dieser gnädigen Versorgung erfüllte das Heer mit ungewöhnlichem Mut. Frisch von dem Fest herkommend, hatten sie gute Lust zum Fechten und fanden passende Beschäftigung für ihre erneuerte Kraft im Niederhauen ihrer Feinde. Satan mag uns an unsrem schwächsten Punkte angreifen, aber Gott hat ein Mittel, uns plötzlich stark zu machen, so dass schließlich doch der Angriff zu einer Zeit kommt, wo wir am besten imstande sind, ihn zurückzuschlagen. Habt ihr dies nicht beobachtet. Wenn eure jetzige Prüfung zu einer andren Zeit gekommen wäre, hättet ihr sie nicht tragen können; wenn eure jetzige Versuchung nur einen Tag früher gekommen, wäret ihr derselben zum Opfer gefallen; aber sie kam gerade, nachdem ihr solche Gemeinschaft mit Christo gehabt, dass die Sünde keinen Einfluss über euch hatte, die Lieblichkeit Jesu machte euch blind für alle andre Schönheit. Euer Mund war so mit Manna gefüllt, dass ihr stark in der Stärke Gottes gemacht wurdet, das Heer eurer Feinde in die Flucht zu schlagen. Bruder, sei immer vorsichtig, aber vertraue auf Gott. Wache gegen den Feind, aber sei dankbar, dass ein andrer Wächter da ist, der alle Anschläge des Feindes vorhersieht und der dich nicht in seine Hand geben oder dich umkommen lassen wird.
Als der Angriff gemacht war, wurde dem Volke befohlen, sich anzustrengen. Die Botschaft ward gegeben: „Erwähle uns Männer, ziehe aus und streite wider Amalek.“ Israel stritt nie wider Ägypten. Gott stritt für sie und sie waren still. Wenn wir in unsrem natürlichen Zustande unter der Knechtschaft der Sünde sind, so nützt es uns wenig, gegen dieselbe zu streiten; der einzige Weg zur Befreiung von der herrschenden Macht der Sünde ist durch das kostbare Blut und das Wirken der göttlichen Gnade. Aber hier war ein andrer Fall. Die Kinder Israels waren nicht unter der Macht Amaleks — sie waren freie Männer; und auch wir sind nicht mehr unter der Macht der Sünde. Das Joch der Sünde ist durch Gottes Gnade von unsrem Halse abgebrochen worden, und nun haben wir nicht als Sklaven gegen einen Herrn zu fechten, sondern als Freie gegen einen Feind. Mose sagte nie zu den Kindern Israels, so lange sie in Ägypten waren: „Geht hin, streitet mit Pharao.„ Durchaus nicht: es ist Gottes Werk, uns aus Ägypten herauszuführen und uns zu seinem Volke zu machen, aber wenn wir aus der Knechtschaft erlöst sind, so müssen wir, obwohl es Gottes Werk ist, uns zu helfen, doch tätig in unsrer Sache sein. Nun wir von den Toten lebendig gemacht sind, müssen wir kämpfen mit Fürsten und Gewaltigen und mit den bösen Geistern unter dem Himmel, wenn wir überwinden wollen. „Geht und streitet,“ ist der Befehl. Handeln nicht viele Christen, als wenn die Sünde dadurch aus ihnen herausgetrieben würde, dass sie fest schlafen? Mögen sie sicher sein, dass ein schlummernder Geist der Beste Freund ist, den die Sünde finden kann. Wenn eure Lüste vernichtet werden sollen, so müssen sie mit Wurzel und Zweig ausgerissen werden, nur von der Kraft persönlicher Anstrengung durch göttliche Gnade; sie können nicht hinweggeblasen werden durch matte Wünsche und schläfriges Verlangen. Gott will uns nicht von unsren Sünden befreien, wie man zuweilen Leuten kranke Glieder abnimmt, unter dem Einfluss von Chloroform: wir werden unsre Sünden sterben sehen, während unser Geist in voller Tätigkeit gegen sie ist und fest entschlossen, sie zu vernichten. „Geht, streitet mit Amalek.„ Sehr zu beklagen ist die Art, wie einige Christen sagen: „Ach wohl, dies ist die mir anklebende Sünde,“ oder: „Es ist mein natürliches Temperament,„ oder: „Es liegt in meiner Konstitution.“ Schande über dich, Christ. Was denn, wenn es so wäre! Willst du deinem Vater ins Gesicht sagen, dass du eine so große Liebe für die Sünde hast, die Er hasst, dass du sie hegen und Versteckplätze für sie erfinden willst? Wie, wenn eine Sünde dich so leicht fortreißt, so musst du deine ganze Kraft aufbieten und zum Himmel um Stärke schreien, damit der gefährliche Feind überwunden werde, denn eine in der Seele gehegte Sünde wird dich ruinieren; eine wirklich geliebte und fortgesetzte Sünde wird ein verdammendes Zeugnis wider dich sein und beweisen, dass du nicht wirklich den Heiland liebst, denn wenn du es tätest, würdest du jeden falschen Weg hassen. Wir müssen streiten, wenn wir unsre Sünden überwinden wollen.
Der geistliche Kampf muss nach sehr ernsten und weisen Grundsätzen geführt werden. Sie sollten Männer auswählen. Der Beste Teil eines Menschen sollte mit dem Kriege gegen die Sünde beschäftigt sein. Gewisse Sünden können nur durch den Verstand bekämpft werden; wir müssten alsdann niedersitzen und nachdenkend das Übel betrachten und seine Schlechtigkeit verstehen lernen, indem wir seine Triebfedern und Folgen überlegend beurteilen und erwägen. Vielleicht wird, wenn wir klar sehen, was die Sünde ist, der „Herr Verstand,„ wie Bunyan ihn nennt, fähig sein, ihr das Gehirn einzuschlagen. Eine besondere Art von Sünden ist nur durch schnelle Flucht, wie die des keuschen Joseph, zu überwinden. Mit Sünden des Fleisches kann man niemals argumentieren oder unterhandeln; man kann nicht mehr mit ihnen argumentieren als mit den Winden. Der Verstand wird zum Schweigen gebracht, denn die Lust blendet die Augen wie ein Sturm von Sand. Wir müssen fliehen. Es ist wahre Tapferkeit in solchem Falle, den Rücken zu kehren. „Widerstehet dem Teufel,“ sagt Paulus, aber er sagt nicht: widerstehet der Lust; er drückt es so aus: „Fliehe die Lüste der Jugend.„ Wenn wir mit den Legionen der Ungerechtigkeit Krieg führen, so werden wir die besten Kräfte unsrer erneuerten Natur nötig haben, denn der Kampf wird schwer sein. O Gläubiger, du musst deine Veteranen, deine auserlesensten Gedanken, in den Streit mit Amalek führen; der Glaube, welcher den Sturm ausgehalten hat, muss dem Feind gegenübertreten, die Liebe, welche alles erträgt, muss in den Krieg ziehen. Es ist kein Kinderspiel, mit der Sünde zu fechten. Es bedurfte aller Kraft des Heilandes, sie in der Kelter zu treten, als Er hienieden war, und es wird all eurer Kraft, und mehr bedürfen, sie zu überwinden — ihr werdet sie nur durch das Blut des Lammes überwinden.
Dies führt mich zu der Bemerkung, dass, obgleich die Männer Israels streiten und die erwählten Männer auserlesen werden sollten, sie doch unter dem Befehl Josuas streiten mussten, das ist, unter dem Befehl Jesu, des Heilandes. Es gibt kein Streiten anders als unter der Führerschaft Christi. Wir müssen die Sünde mit seinen Waffen bekämpfen, wir müssen ihre Größe in dem Lichte seiner Leiden sehen, ihr Unheil in den Schmerzen seines Todes, ihre Vernichtung in den Triumphen seiner Auferstehung. Wir müssen zu dem Starken um Stärke flehen und Hilfe suchen, wo Gott sie hingelegt hat, nämlich auf Ihn, der mächtig ist. (Ps. 89, 20.) Wenn Jesus führt, brauchen wir uns nicht zu fürchten. Bereitwillig Jesu folgen, heißt einen Sieg sichern. Sein bloßer Name schlägt die Feinde in die Flucht; wer kann den Schrecken seines Armes widerstehen?
Die Erzählung zeigt uns, dass Anstrengung allein nicht genügend ist. Drei Männer sieht man die steile Seite des Hügels hinaufgehen, sie wandeln ernst dahin, als hätten sie gewichtige Arbeit vor. Sie suchen einen vorteilhaften Punkt, von wo aus sie den Feind mit der Artillerie des Gebetes auftreiben können. So mächtig war Mose Gebet, dass alles davon abhing. Das Flehen des Mose schlug den Feind mehr danieder als das Fechten des Josua. Die Schneide von Mose Gebet war mächtiger als die Schneide von Josuas Schwert. Es nützt nichts, wie laut Josua auch seinen Kriegern zuruft, wenn nicht Mose inbrünstig zu seinem Gott schreit. Der junge Soldat würde bald das Feld verlassen haben, wenn der alte Befehlshaber sein Betkämmerlein verlassen hätte. Fechten und Flehen, Arbeit und Andacht, kühner Mut und kühnes Gebet müssen ihre Kräfte vereinen, und alles wird gut sein. Ihr müsst mit eurer Sünde ringen, aber der größte Teil eures Ringens muss in der Einsamkeit mit Gott getan werden.
Gebet, wie das des Mose, hält das Zeichen des Bundes vor Gott empor. Der Stab war das Sinnbild von dem Wirken Gottes durch Mose, das Symbol der Herrschaft Gottes in Israel. Lerne, o flehender Heiliger, die Verheißung Gottes und seinen Eid vor Ihm empor zu halten. Er kann seine eignen Erklärungen nicht leugnen. Halte den Stab der Verheißung empor, und habe, was du willst.
Mose wurde müde, und dann standen seine Freunde ihm bei. Wenn zu irgend einer Zeit euer Gebet matt wird, lasst den Glauben die eine Hand stützen und die heilige Hoffnung die andre aufrecht halten, und das Gebet, sitzend auf dem Steine Israels, dem Fels unsres Heils, wird anhalten und obsiegen. Hütet euch vor Mattigkeit in der Andacht; wenn Mose sie fühlte, wer kann ihr dann entgehen? Es ist weit leichter, mit der Sünde öffentlich zu kämpfen, als gegen sie in der Einsamkeit zu beten. Alan hat die Bemerkung gemacht, dass Josua nie beim Kämpfen müde wurde, aber Mose beim Beten; je geistlicher eine Übung, desto schwieriger ist es für Fleisch und Blut, sie fortzusetzen. Lasst uns deshalb um besondere Kraft bitten, und möge der Geist Gottes, der unsrer Schwachheit aufhilft, wie Er Mose Hilfe verstattete, auch uns fähig machen, unsre Hände steif zu halten, bis die Sonne untergeht. Es ist nicht, heute beten, oder morgen beten, was die Schlacht des Lebens gewinnen wird, es ist beten, bis die Sonne untergeht. Es ist nicht, einen Monat lang bitten und dann mit Flehen aufhören, Christ, es ist, „bis die Sonne untergeht,“ bis der Abend des Lebens vorüber ist; bis du zum Aufgang einer besseren Sonne kommst, oder zu dem Land, wo man keiner Sonne bedarf, musst du fortfahren zu beten.
„So lang' sie leben, müssen Christen beten,
Denn nur so lang' sie beten, leben sie.„
Lasst uns also lernen, dass Handeln da sein muss, aber auch Gebet. Wir können nicht erwarten, Amalek zu besiegen, ohne eine Verbindung von beiden.
Ich will euch nicht viel länger bei diesem Punkte aufhalten, nur noch bemerken, dass, wo heilige Tätigkeit mit ernstem Gebet vereinigt wird, der Erfolg betreffs unsrer Sünden durchaus sicher ist — der Feind muss besiegt werden; wir werden unsren Fuß auf den Nacken aller unsrer Sünden setzen. Es ist nicht zu fürchten, dass sie uns überwinden, wenn wir nur die göttliche Kraft ergreifen.
Und wenn wir einmal Sünde besiegt haben, so sollte dies das Signal zur Erklärung eines allgemeinen Krieges gegen alle Sünde sein. Der Kampf und Sieg über Amalek brachte die feierliche Erklärung aus Gottes Munde, dass auf immer Krieg mit Amalek sein solle. So muss es bei euch sein. Habt ihr eine Sünde bezwungen? Tötet die nächste und die nächste. Könnt ihr eure Heftigkeit jetzt bändigen? Nun erschlagt euren Stolz. Ist euer Stolz gedemütigt? Nun treibt einen Pfeil recht durchs Herz eurer Trägheit. Und ist eure Trägheit überwunden? Nun sucht durch göttliche Gnade der nächsten Versuchung den Hals abzuschneiden. Vorwärts zur gänzlichen Vernichtung jedes Amalekiters muss das Kind Israels gehen.
Aber beachtet, dass bei der ganzen Sache die Ehre Gott gegeben ward. Keine Säule ward auf jenem Schlachtfelde Israels zum Gedächtnis Josuas errichtet, sondern ein Altar als ein Gedächtnis dem Herrn. An jenem Tage erhob Israel nicht das Banner Josuas und sang nicht von ihm wie von dem siegreichen Makkabäers:
„Sieh', er kommt, mit Preis gekrönt!“
sondern an jenem Tage hieß es: „Jehovah, Nissi,„ der Herr ist unser Panier, denn sie legten Ruhm und Ehre Ihm bei, dessen Rechte ihnen allein den Sieg verliehet! hatte. So müssen wir bei all unsren Erfolgen tun, denn wenn wir eine Sünde überwinden und dann uns selber rühmen, so sind wir von der Sünde überwunden. Wenn wir beim Rückblick auf die Vergangenheit uns beglückwünschen, und sprechen: „Ich danke Dir, Gott, dass ich nicht bin, wie andre Leute; ich danke Dir für dies und dass“ und dabei denken, dass wir viel mehr Ursache haben, uns selbst zu danken, so zeigen wir, dass wir immer noch mit den Fesseln an unsren Handgelenken als Gefangene umher geschleppt werden. Ich verlasse diesen Punkt in der Hoffnung, dass irgend ein junger Christ eine Lehre aus der Erfahrung erhalten haben möge. Und doch fürchte ich, dass wir alle für uns selber Erfahrung lernen müssen, und dass das, was uns von andren erzählt wird, nur eine müßige Geschichte ist. Ich bete, dass ihr, die ihr als eine neue Generation unter uns aufspringt, nicht so sein möget, wie eure Väter waren, ein halsstarriges Geschlecht, sondern dass ihr mit größerer Heiligkeit vor dem Herrn wandeln und Amalek mit strengerer Entschlossenheit schlagen möchtet als eure Väter es getan, so dass der Sieg Gottes sei durch euch.
Die ganze Erzählung kann ausgelegt werden als die Geschichte jeder christlichen Gemeinde. Ich mache einen Unterschied zwischen der allgemeinen Gemeinde und einer besonderen Gemeinde. In alten Zeiten waren die Gemeinden unsres Henn Jesu Christi dadurch, dass sie sich gegenseitig anerkannten und ihre Einheit anerkannten, bestimmte Organisationen, die ihre eignen Angelegenheiten leiteten. Und hier will ich soweit abschweifen, um zu sagen, dass die einzig christliche Einheit, die ihr und ich je zu sehen erwarten können und zu suchen haben, nicht die Verschmelzung aller Gemeinden in ein kolossales Regierungssystem ist, sondern die geistliche Einheit aller Gemeinden im Werke für den Herrn, wobei jede Gemeinde ihre Zucht in ihren eignen Grenzen übt und Christi Gebote innerhalb ihrer eignen Mauern ausführt und zu gleicher Zeit alle andren wahrhaft christlichen Gemeinden als Teile des einen Leibes Christi anerkennt. Anstatt zu versuchen, alle diese verschiedenen Gemeinden zu zerstören, um Einigkeit zu schaffen, sollten wir die Mauern jedes Hauses aufbauen, so dass die ganze Stadt fest zusammenstehen möge. Selbst die Namen, welche die Verschiedenheit unsrer gewissenhaften Überzeugungen beschreiben, sind nützlich und werden nur von einer Partei bemäkelt, die unter dem Mantel der Nicht-Sektiererei sektiererischer ist, als die schlimmsten von uns selbst von Verleumdern genannt werden könnten. Gesetzt, alle Zünfte in London gäben ihre besonderen Namen auf, so dass es keine Zunft der Goldschmiede, der Zimmerleute, Schneider rc. gäbe, sondern alle Bürger genannt würden, das würde ein wunderbares Stück Politik sein und die Bürger der Stadt außerordentlich vereinigen, nicht wahr? Wir glauben, das Umgekehrte würde der Fall sein. Das Dasein bestimmter Körperschaften, von denen jede ihr besonderes Interesse aufrecht hält, aber alle mit dem Wohlstand der Stadt verbunden sind, hilft die Einigkeit schaffen; so wird auch die Einheit des Leibes eher bewahrt als zerstört dadurch, dass jeder Gläubige nach seiner Überzeugung von dem Willen des Herrn handelt und sich nicht weigert, sich mit denen zu verbinden, die so denken, wie er, und den Namen zu tragen, der sie beschreibt. Gewisse Sektierer rufen: „Wir heißen Christen.„ „Ja,“ sage ich, „sind wir das nicht auch?„ Sie sind „Brüder?“ Wir auch. Sind sie Christen? Wir auch. Suchen sie Nachfolger Christi zu sein? Wir auch. Es ist für einige um so weniger nötig, den Namen „Christen„ zur Schau zu tragen, wenn sie wissen, dass sie Christen sind. Lasst uns versuchen, unser Christentum lieber in unsrem Leben zu zeigen, als es auf unsre Türpfosten zu malen.
Ich mache keinen unbiblischen Unterschied, wenn ich sage, dass ich zuerst die Erzählung als ein Bild einer Gemeinde und dann nachher als ein Bild der ganzen Gemeinde betrachten will. In jeder Gemeinde wird und muss, wenn es eine Gemeinde Gottes ist, ernster Kampf für die Wahrheit und gegen den Irrtum sein. Wir als eine Gemeinde, sind, wie ich hoffe, aus Ägypten herausgeführt und durch eine gemeinsame Befreiung zusammen verbunden. Wir haben mit Amalek zu streiten. Für die Verteidigung jener Lehren, die wir gelernt haben und von denen wir glauben, dass sie die Wahrheit sind, wie sie in Jesu ist, sind wir zu streiten berufen. Wir sollen sie nicht nur festhalten, wie der ungetreue Knecht sein Pfund ins Schweißtuch wickelte, sondern wir sollen verkünden, was wir als wahr erkennen, und wenn jemand widerspricht, sollen wir unsre oder vielmehr des Meisters Wahrheit mit fester Hand halten und uns nicht fürchten, auf jede Gefahr hin dafür zu kämpfen. Unser Hauptkrieg muss stets mit der Sünde sein — mit der Sünde in uns selber, mit der Sünde in andren, mit der Sünde überall. Dies ist der große Punkt in dem Kampf des Christen, und mit diesem Kriege muss der Gläubige nie aufhören. Greift die Sünde an jedem Orte an, und das aus diesem Grunde, wenn aus keinem andren, weil Sünde und Irrtum uns immer angreifen würden. In dieser einzelnen Gemeinde weiß ich, sind verschiedene Irrtümer, die uns immer überfallen und einige von den Hintersten, Schwächsten und Gebrechlichsten schlagen. Man tut die Augen zuweilen mit Erstaunen auf, wenn man sieht, in welche sonderbare Irrtümer Leute fallen, die es besser wissen sollten; aber wenn man daran denkt, wie weit dahinten und wie sehr schwach sie waren, so ist es kein so großes Wunder, dass sie vom Feind geschlagen werden. Die Wahrheit ist, wenn wir in einer solchen Zeit, wie die gegenwärtige, den Irrtum nicht angreifen, so wird der Irrtum uns verschlingen; und es kommt darauf hinaus — wir müssen entweder die Sünde bekämpfen oder die Sünde wird wie eine nagende Motte und ein fressender Krebs uns gänzlich aufzehren. Wenn nicht ein ernstliches Streiten für die Wahrheit unter allen Gemeindegliedern ist, so werden bald Verkürzungen auf dieser und Verkürzungen auf jener Seite stattfinden. Jede Gemeinde sollte ihre eignen, unterscheidenden Grundsätze mit kräftiger, ernster, schriftgemäßer Bestimmtheit lehren. Wenn wir in der Tat die Wahrheit, wie sie in Jesu ist, haben, so müssen wir tapfer dafür kämpfen, denn wenn wir nicht mit Amalek streiten, so wird er es sicher mit uns, und die Hintersten werden immer leiden und die Schwächsten zu Grunde gehen. Um der schwachen Brüder willen, die leicht abgekehrt werden, müssen wir beständig wachen und kämpfen.
Mit aller christlichen Arbeit in jeder Gemeinde muss unaufhörliche Fürbitte verbunden werden. Der christliche Pastor ist in einiger Hinsicht dem Mose vergleichbar, denn er ist zu einem Führer in der Schar der Brüder abgesondert; und als solcher ist sein Geschäft nicht nur, das Volk zu lehren, sondern für dasselbe bei Gott zu bitten. Ich wünsche, dass einige unsrer Pastoren von ihren Aarons unterstützt würden, wie sie es sollten. Ach! ich kenne manchen ermattenden Pastor, dessen Hände herabhängen, und der einen Aaron findet, der sie noch mehr herunterzieht und einen Hur, der sein Gemüt noch tiefer niederdrückt. Ich möchte ein Trauer- und Klagelied anstimmen für meine Brüder, die in ehrenwerten, aber dunklen Sphären schwer arbeiten, wo kalte Vernachlässigung und kühle Gleichgültigkeit ihr Teil sind. Wehe andren in der Mitte von Gemeinden, die von Schismen zerrissen und von Ketzerei befleckt sind, deren Leben eine beständige Bürde für sie ist. Ich wollte zu Gott, es wäre weit anders mit ihnen! Ich habe Gott zu danken und unter Gott euch zu danken, dass so viele von euch Aaron und Hur gleichen und willig sind, die Hände des Pastoren und die Hände aller meiner Mithelfer, der Arbeiter für Christi Reich, aufrecht zu halten. Aber einige von euch tun es nicht. Einige von euch vernachlässigen das Gebet im Kämmerlein für das Werk der Gemeinde. Ich hoffe, ihr vernachlässigt nicht das Gebet für euch selber, aber ihr betet nicht, wie ihr es solltet, dass der Herr die Sache der Wahrheit in der Welt fördere; ihr vernachlässigt die Betstunden, und haltet euch fern von den Gnadenmitteln der Wochentage. Bruder, dies sollte nicht so sein. Wenn du nicht Mose sein kannst, so magst du Aaron sein. Wenn du nicht kämpfen und Josua beistehen kannst, so magst du den Hügel hinan klimmen und Mose unterstützen. Wenn du weder in den Bibelklassen oder in der Sonntagsschule lehren, noch auf der Straße predigen und auf diese Weise kämpfen kannst, so kannst du wenigstens viel im Kämmerlein und viel im Gebet sein. O, der unsagbare Nutzen, den die christliche Kirche von ruhigen, gebetsvollen Mitgliedern hat! am wenigsten auf Erden gekannt und am besten im Himmel gekannt. Lasst uns beide Anteil am Werke haben. Möge der Herr Jesus uns helfen, von Kraft zu Kraft zu gehen in ernsten Bemühungen jeder Art, und möge Er zur selben Zeit unsre Kraft auf dem Berge sein, wenn wir uns im Gebet dem Throne nahen.
Aber zuletzt, die Geschichte der ganzen christlichen Gemeinde ist hier vor wie in einem Bilde.
Das geweihte Heer der Erwählten Gottes kämpft noch hienieden unter Jesu Christo, dem „Herzog unsrer Seligkeit.“ Er hat gesagt: „Sieh, ich bin bei euch alle Tage, bis an der Welt Ende.„ Obgleich es jetzt die Weltperiode des Heiligen Geistes ist, so ist es doch nicht unrichtig, zu sagen, dass der Herr Jesus immer noch an der Spitze seines Volkes ist. Horcht auf das Kriegsgeschrei. Vorwärts kommen die Scharen des Pfaffentums, Mönche mit ihren Kutten, Priester mit ihren Glatzen, und ein verbündetes Heer von Englands einfältigen Geistlichen, angetan mit bunten Gewändern und herausgeputzt mit kindischen Zierraten. Eine gewaltige Anstrengung wird gemacht, den römischen Antichrist wieder auf seinen alten Sitz zu bringen. Nun lasst das Volk Gottes fest stehen in seinen Reihen, und es entfalle keinem Menschen das Herz um deswillen. Es ist wahr, dass gerade jetzt in England die Schlacht sich gegen uns wendet, und wenn nicht der Herr Jesus und der ewige Josua sein Schwert aufhebt, so weiß ich nicht, was aus der Gemeinde Gottes in diesem Lande werden mag; aber lasst uns guten Mutes sein und uns als Männer beweisen. Es gab nie eine Zeit, wo der Protestantismus mehr in der Waagschale zu zittern schien als jetzt. Der Weg nach Rom, und so der Weg nach der Hölle wird gepflastert (ich nehme an, mit guten Absichten) von jener anglikanischen Geistlichkeit, deren Beruf es scheint, die langmütige Geduld eines protestantischen Landes vor Augen zu stellen.
Hier haben wir eine Volkskirche, die die Helferin Roms geworden ist, und wir bedürfen sehr einer kühnen Stimme und einer starken Hand, um das alte Evangelium zu predigen und zu verkünden, für das Märtyrer bluteten und Bekenner starben. Der Heiland ist durch seinen Geist stets noch auf Erden; möge dies uns getrost machen. Er ist immer in der Mitte des Kampfes, und deshalb ist die Schlacht nicht zweifelhaft. Mittlerweile, welche süße Befriedigung ist es, unsren Herrn Jesus gleich einem größeren Mose auf jenem Hügel zu sehen im Gebet für sein Volk! Er ist besser als Mose, denn seine Hände werden nie schwer; und wenn die prophetische Hand Jesu schwach werden sollte, so ist sein priesterliches Amt da, gleich Aaron, um die eine Hand aufrecht zu halten, und sein fürstliches Amt gleich Hur, einem Fürsten, um die andre zu halten; und so sind die drei zusammen, Prophet, Priester, König. Er hebt den Wunder wirkenden Stab hoch empor — Israel gewinnt den Sieg und Amalek wird geschlagen. O ängstlich Schauender! blicke nicht so sehr auf die Schlacht hienieden, denn da wirst du in Rauch eingehüllt werden und bestürzt über in Blut getränkte Gewänder, sondern hebe deine Augen dorthin, wo dein Heiland lebt und bittet, denn so lange Er sie vertritt, ist die Sache Gottes sicher. Lasst uns streiten, als wenn alles von uns abhinge, aber lasst uns hinaufsehen und wissen, dass alles von Ihm abhängt. Nun beschwören wir euch, die ihr Jesum lieb habt, bei den Lilien der christlichen Reinheit und bei den Rosen des Sühnopfers Christi, bei den Rehen und bei den Hinden des Feldes, tapfer in dem heiligen Kriege zu sein, für Wahrheit und Gerechtigkeit, für das Reich und die Kronjuwelen eures Herrn, gegen die Hure Rom und das vielhäuptige Tier, auf dem sie sitzet, kämpfet mit unerschrockenem Mut. Lasst die, welche eure Väter den Flammen gaben und eure Vorfahren in den Kerkern verfaulen ließen, es wissen, dass der Geist eurer Väter immer noch in euch lebt; lasst sie sehen, dass noch ein Same auf der Erde ist, in dessen Brust die Wahrheit eine Stätte findet — Männer, die für die Wahrheit leiden, und sie kühn in der Mitte ihrer Feinde verkünden können. Werdet nie feige und niedrig, verzweifelt nie. Wie könnt ihr das? Christus an eurer Spitze wie Josua, und Christus im Himmel wie Mose; Christus hier mit dem heiligen Evangelium in der Hand gleich einem zweischneidigen Schwert, und Christus dort mit seinem versöhnenden Verdienst gleich einem wundertätigen Stab. Seid stark und unverzagt und mit Hilfe seiner Rechten, die den Sieg behält, werdet ihr noch das Halleluja! Halleluja! Halleluja! hinauf senden, denn der Herr, der allmächtige Gott, herrscht. Der Herr segne euch alle um Jesu willen. Amen.