Inhaltsverzeichnis

Spurgeon, Charles Haddon - In der Heuernte.

Du lässt Gras wachsen für das Vieh.
Psalm 104, 14.

Zu der bestimmten Jahreszeit ist fast alle Welt mit Heumachen beschäftigt, und man kann kaum eine Meile durch das Land gehen, ohne den Duft des frischgemähten Grases zu riechen, und zu sehen, wie die Mäher ihre Sense schärfen. Es ist eine Lehre in der Betrachtung der Heuwiese, und diese wollen wir uns mit Gottes Hülfe zu Nutzen machen.

Unser Text führt uns gleich an Ort und Stelle, und wir bedürfen daher keiner Einleitung. „Du lässt Gras wachsen für das Vieh.“ Drei Dinge werden wir betrachten: 1. dass das Gras an sich lehrreich ist; 2. dass dies noch viel mehr der Fall ist, wenn man Gott in demselben sieht; 3. dass daran, dass Gott Gras wachsen lässt für das Vieh, die Wirkungen der Gnade illustriert werden.

1.

Zunächst ist das Gras ein passendes Bild unsrer Sterblichkeit. „Alles Fleisch ist wie Heu.“ Die ganze Geschichte des Menschen wird auf der Wiese vorgebildet. Er tritt ins Dasein zart und grün, dem Frost und Reif der Kindheit ausgesetzt, welche sein junges Leben gefährden; er wächst heran zum Manne, schmückt sich wie das Gras; aber nach einiger Zeit schwindet seine Kraft, seine Schönheit erblasst, wie das Gras verdorret, und ein neues Geschlecht entsteht, welches dann zu seiner Zeit ebenfalls wieder verschwindet. Ja, nicht alles Gras gelangt zur Reife, indem es frühe von des Schnitters Sense hingemäht wird; und so ist es auch mit den Menschen, welche frühe von dem flüchtigen Schnitte des Todes übereilt werden. „Gleichwie ein Gras, das doch bald welk wird; das da frühe blühet und bald welk wird und des Abends abgehauen wird und verdorret. Das macht dein Zorn, dass wir so vergehen, und dein Grimm, dass wir so plötzlich dahin müssen.“ Wir sollten niemals auf das Gras treten, ohne zu bedenken, dass wie das grüne Gras unsere Gräber deckt, es uns auch an dieselben erinnert, und jedes Hälmchen hält uns eine Predigt über unsere Sterblichkeit nach dem Texte: „Alles Fleisch ist wie Heu, und alle seine Herrlichkeit wie des Grases Blume.“

Zum Andern wird das Gras in der Schrift oft als Sinnbild der Gottlosen gebraucht. Der Psalmist sah den Gottlosen, wie er sich brüstete, und wie es ihm wohl ging und hatte keine Trübsal. Er fragte, wie das wohl zugehen und sich mit der Führung des gerechten Gottes vertragen könne, und hätte darüber fast gestrauchelt. Dann aber werden wir erinnert, dass der Gottlose, da der Mann Gottes an der Stätte vorüber ging, nicht mehr gefunden wurde, denn er war abgeschnitten wie das Gras und wie das grüne Kraut auf dem Felde. Das Gras ist verdorret, die Blume ist abgefallen, und so wird es Allen gehen, die auf die Vergänglichkeit bauen und ihre Ruhe auf Erden suchen. Wie der Ackermann im Morgenlande das grüne Kraut trotz seiner Schönheit ins Feuer warf und verbrannte, so wird es mit dem eitlen Sünder auch sein. Der Richter wird sagen zu den Engeln: „Bindet sie in Bündel zum Verbrennen.“ Wo ist nun die Freude? Wo ist nun die Sicherheit, der Stolz, der Ruhm, die freche Lästerung? Alles ist verstummt auf ewig, denn wie die Dornen krachen unter dem Topf, aber schnell verzehret werden und nur eine Handvoll Asche zurücklassen, so wird es mit den Gottlosen nach diesem Leben gehen; das Feuer des Zorns Gottes wird sie verzehren.

Es ist erfreulicher, dass das Gras in der heiligen Schrift auch als Sinnbild der Kinder Gottes gebraucht wird. Die Gottlosen sind den Drachen in der Wüste gleich; aber die Heiligen werden ihre Stätte einnehmen, denn es stehet geschrieben: „Da zuvor die Schlangen gelegen haben, soll Heu und Rohr und Schilf stehen.“ Die Gerechten werden mit Heu oder Gras verglichen, wegen ihrer großen Zahl am Ende der Tage und ihres schnellen Wachstums. Ihr erinnert euch des Wortes: „Auf Erden, oben auf den Bergen, wird das Getreide dick stehen; seine Frucht wird beben wie Libanon, und wird grünen in den Städten, wie Gras auf Erden.“ Ach, dass die Zeit bald käme, wo die Kinder Gottes nicht mehr wie einzelne Grasbüschel stehen, sondern dass sie aufwachsen, wie das Gras auf Erden und wie die „Weiden an den Wasserbächen.“ Gras und Weiden gehören zu den Pflanzen, die am schnellsten wachsen, und so sollen dem Herrn Völker geboren werden, Scharen sollen zu ihrem Retter eilen; wenn der Geist Gottes in seiner Kirche mächtig wirkt, dass die Leute zum Kreuze fliehen, wie die Tauben zu ihren Fenstern. Ach, dass wir leben möchten, um dieses goldene Zeitalter zu sehen, die herrliche Zeit, von der die Propheten geweissagt haben, wenn das Volk des Herrn unzählbar sein wird, wie das Gras auf dem Felde, und Gnade und Wahrheit auf Erden regieren werden.

Wie gleichen die Kinder Gottes dem Grase darin, dass sie ganz von den Einflüssen des Himmels abhängen? Unsere Felder vertrocknen, wenn sie vom frischen Regen und Thau des Himmels nicht genährt werden, und was sind unsere Seelen ohne die Segnungen des heiligen Geistes? Manchmal sind unsere Herzen unter dem Druck der Leiden wie das abgemähte Gras, aber der Herr besucht uns mit befruchtendem Regen, dass es wieder wächst und fruchtbar wird.

Wieder kann das Gras mit der Nahrung verglichen werden, womit der Herr sein Volk versorgt. Leset den 23. Psalm, und ihr habt das schönste Bild von der Hirtentreue unseres Herrn: „Er weidet mich auf einer grünen Aue und führt mich zum frischen Wasser.“ So gibt uns der gute Hirte nach Umständen und Bedürfnissen.

Unter seinem sanften Stab,
Geh ich aus und ein und hab'
Unaussprechlich süße Weide,
Da ich keinen Mangel leide
Und so oft ich durstig bin,
Führt er mich zur Quelle hin.

Geliebte, haben wir nicht die Verheißung wahr gefunden: „Und der Herr Zebaoth wird allen Völkern machen auf diesem Berge ein fettes Mahl, ein Mahl von reinem Wein, von Fett, von Mark, von Wein darin keine Hefen sind“? Meine Seele hat sich oft erquickt an Jesum, bis ich fühlte, als könne ich mehr nicht fassen, und dann habe ich mich in ihm zur Ruhe begeben, erfüllt von der Gnade und Güte des Herrn.

2.

Wir sehen den Herrn in dem Wachsen des Grases. Zunächst seine Wirkung: „Du lässt Gras wachsen“; dann seine Fürsorge: „Für das Vieh.“

1) Wir können Gott in jedem Grashalm sehen, wenn wir Augen dafür haben. Die arme blinde Welt, welche immer von Naturgesetzen und den Folgen der Naturgesetze redet und vergisst, dass Gesetze von selbst sich nicht in Bewegung setzen, und dass sogenannte natürliche Ursachen gar keine Ursachen sind, es sei denn, dass sie von der Ursache aller Ursachen veranlasst werden! Die alten Römer pflegten zu sagen: „Gott donnert; Gott regnet.“ Wir sagen: „Es donnert; es regnet.“ Wer „es“? Alle diese Ausdrücke sind dazu angetan, Gott zu vergessen. Gewöhnlich sagen wir: „Wie wunderbar sind die Werke der Natur!“ Was ist die „Natur“? Wisst ihr's? Die Erschaffung des Grases ist kein Erzeugnis der Naturgesetze unabhängig von dem Wirken Gottes; ein bloßes Gesetz wäre wirkungslos, es sei denn der große Meister selbst lässt seine Kraft auf den durch das Gesetz regulierten Gegenstand einwirken, so wie die Dampfmaschine in alle Räder und Rollen einer Baumwollenspinnerei Bewegung und Tätigkeit bringt.

Indem ich euch nun hier die Tätigkeit Gottes gezeigt habe, möchte ich euch bitten, seine Wirksamkeit in gewöhnlichen Dingen zu beobachten. Er lässt das Gras wachsen - Gras ist ein gewöhnlicher Gegenstand. Man sieht es überall, und doch kann man Gott in demselben sehen. Untersucht es, reißt es auseinander; die Eigenschaften Gottes werden durch jede Blume des Feldes, auf jedem grünen Blatte illustriert. Gleicherweise könnt ihr Gott in den gewöhnlichsten Dingen, euren täglichen Leiden und Freuden, euren täglichen Segnungen wahrnehmen. Sprecht nicht: „Ich muss ein Wunder sehen, ehe ich Gott sehen kann.“ In Wahrheit können wir überall Wunder schauen. Seht Gott in dem Brode auf eurem Tische und dem Wasser in eurem Becher. Es ist die glücklichste Lebensweise, wenn man bei jeder Wirkung der Vorsehung sagen kann: „Mein Vater hat dies getan.“ Sehet Gott auch in kleinen Dingen. Die Kleinigkeiten des Lebens berühren uns am Empfindlichsten. Ein Mann wird oft kaum so aufgeregt, wenn er hört, dass sein Haus abgebrannt ist, als wenn er ein schlecht zubereitetes Mittagessen vor sich sieht, wo er ein gutes Mahl erwartet hatte. Es ist der kleine Stein im Schuh des Pilgers, der ihn zum Hinken veranlasst. Es ist wahre Weisheit, Gott in Kleinigkeiten zu sehen; zu glauben, dass die Vorsehung ebenso viel damit zu tun, wenn ein Ast von jener Ulme herabfällt, als wenn die Lawine den Berg herabdonnert und unter ihrer Masse das Dorf begräbt.

Merkt ebenfalls die Wirkung Gottes in denjenigen Gegenständen, welche entfernt und einsam stehen. Das Gras wächst nicht allein da, wo es von Menschen gepflegt wird, sondern auch an den einsamen Alpenschluchten, wo nie der Fuß eines Menschen hinkam. Wo es nur der scheue Blick des Vogels schaut, wächst Moos und Gras in stiller Einsamkeit und bewundernswerter Schönheit. Und du einsames Kind Gottes, der du einsam und unbeachtet in jener entfernten Hütte wohnest, du bist dennoch von der himmlischen Liebe nicht vergessen. Er lässt auch in der Einsamkeit das Gras wachsen, und sollte er dir nicht Gedeihen schenken trotz deiner Einsamkeit? Er kann deine Eigenschaften entwickeln und dich für den Himmel vorbereiten, obschon du verlassen und allein stehst. Das Gras tritt man unbedacht mit Füßen, und dennoch lässt Gott es wachsen. Du bist vielleicht verachtet und verfolgt; aber lass dich das nicht entmutigen, denn der Herr schaffet Recht allen Unterdrückten; er lässt das Gras wachsen, und so wird er auch dir unter dem Druck und den Widerwärtigkeiten des Lebens voran helfen, so dass du glücklich und heilig leben kannst, obgleich die Welt über dich dahin geht. Arme, bedürftige, unbekannte und niedergedrückte Seele, Gott, der das Gras wachsen lässt, wird auch auf dich Acht haben.

2) Ich habe gesagt, der Text stelle uns auch die Fürsorge des Herrn vor Augen. „Er lässt Gras wachsen für das Vieh.“ Sorgt Gott für die Ochsen? „Du sollst dem Ochsen, der da drischt, nicht das Maul verbinden.“ Das zeigt, wie der Herr auch der Tiere des Feldes gedenkt; aber es zeigt noch viel mehr: nämlich, dass Gott Diejenigen, welche für den Herrn arbeiten, nach ihrem Wirken versorgt. Gibt Gott den Tieren ihre Speise - den jungen Raben, die ihn anrufen - wie vielmehr wird er seine Menschenkinder, unsterbliche Seelen, seine Kinder versorgen. Und wenn du auch denken solltest, im Gefühl deiner Sünden und Unwürdigkeit deiner Seele, du wärest schwarz wie die Raben, und so weit vom geistlichen Leben wie ein Tier, lass diesen Text dich trösten. Der Herr, welcher Gras lässt wachsen für das Vieh, der wird deiner sicher nicht vergessen.

Merkt, er sorgt für die Tiere, welche nicht selbst für sich sorgen können. Die Tiere können kein Gras säen und wachsen lassen, aber der Herr tut es für sie. Und auch ihr, die ihr hilflos seid wie die Tiere, die ihr nur euren Jammer beklagen könnt, Gott kann euch helfen in eurer Noth und sorgt für euch mit großer Zärtlichkeit. Lasset euer Gebet zu ihm aufsteigen, lasset eure Seufzer vor ihn kommen, so hilft er euch, die ihr euch selbst nicht helfen könnt. Die Tiere sind stumme, sprachlose Wesen, und dennoch lässt der Herr das Gras für sie wachsen. Hört er die, welche nicht sprechen können, wird er die, welche reden können, nicht hören? Wenn Gott die Tiere des Feldes in Erbarmen anblickt, sollte er seine Söhne und Töchter nicht in Liebe annehmen, wenn sie zu ihm kommen?

Gott gibt nicht allein den Tieren ihr Futter, sondern die Nahrung, welche er ihnen reicht, passt gerade für sie. Ähnlich sorgt der Herr für seine Kinder. Vertraue nur im Glauben auf ihn, liebe Seele, und er wird dir gerade das mitteilen, was am Zuträglichsten für dich ist. Für jedes Bedürfnis hat der Herr die entsprechende Abhülfe.

Wenn wir nun im Grase Gottes Wirkung und Fürsorge abgebildet sehen, so lasst uns in allen Dingen und Zeiten die Hand seiner Vorsehung beobachten, und zwar nicht nur, wenn wir die Fülle haben, sondern auch wenn Mangel uns droht. Ihr Kinder der Sorge und des Kummers, auch euch hat der Herr nicht vergessen. Er wird euch seine Wege zu einem erhabenen und herrlichen Ziele führen. Seid nur stille und schauet die Wunder seiner Gnade.

3.

Unsere dritte Abteilung ist höchst lehrreich: Unser Text bietet Illustrationen der göttlichen Gnadenwirkung. Ich sage zu mir selbst: „Er lässt das Gras wachsen für das Vieh. Darin sehe ich seine Sorge für die Kreatur. Ich bin auch eine Kreatur, aber edler, als das Vieh. Ich kann nicht denken, dass Gott für das Vieh sorgen sollte und nicht für mich. Aber von Natur fühle ich unruhig; was ich suche, finde ich nicht in dieser Welt, und wenn ich die ganze Welt gewönne, so wäre ich doch nicht zufrieden, und wenn ich alle Schätze hätte, die mein Herz nur wünschen kann, so fühlte ich dennoch eine Leere. Irgendwo muss Etwas zu finden sein, dass meine unsterbliche Seele zufrieden stellt. Gott befriedigt das Vieh, er muss darum auch Etwas haben, das mich zufrieden stellt, wenn ich es besitze. Wenn das Tier seine Mahlzeit beendet hat, so legt es sich nieder und scheint vollkommen zufrieden gestellt; aber mich haben alle irdischen Dinge nie recht befriedigt, es muss deshalb irgendwo Etwas zu finden sein, das auch mich ganz zufrieden stellt.“ Das ist doch eine gesunde Folgerung. Ich bitte beide, den Gläubigen und Ungläubigen, dies zu beachten. Das Vieh bekommt, was es braucht; sollte ich nicht dasjenige erhalten, was meine inneren Bedürfnisse erheischen? Darum bete ich: „Herr, sättige du meine Seele mit deiner Güte und Huld.“

Und während ich also bete, denke ich noch: Gott hat den Tieren bereitet, was für sie passt. Sie sind Fleisch, und alles Fleisch ist Heu, darum passt das Heu für sie. Ich bin also Fleisch, aber ich bin mehr als das; ich bin Geist, und um den zu befriedigen, muss ich geistliche Nahrung haben. Wo finde ich diese? Wenn ich das Wort des Herrn frage, so sagt mir dasselbe, dass das Gras verwelket; aber das Wort des Herrn bleibet in Ewigkeit, und dass die Worte, welche Jesus gesprochen hat, Geist und Leben sind. Dann spreche ich: „O, hier ist geistliche Nahrung für meine geistliche Natur, worin ich mich erfreuen kann.“ Möchte Gott mir helfen, dieselbe zu finden; denn obwohl der Herr Gras für das Vieh wachsen lässt, so müssen sie doch selbst die Nahrung zu sich nehmen. Sie werden ohne das nicht gefüttert. So muss denn auch ich die Nahrung, welche der Herr mir bietet, selbst genießen. Was finde ich denn in der Schrift für mich bereitet? Es wird mir gesagt, dass unser Heiland in diese Welt kam, für mich zu leiden, zu bluten und zu sterben, und dass ich selig werden soll, wenn ich an ihn glaube; und dass in diesem Glauben der Gedanke an seine Liebe mich glücklich und zufrieden macht. Was anders habe ich nun zu tun, als an dieser Wahrheit mich zu nähren? Das Vieh bringt keine andere Vorbereitung zur Krippe, als den Hunger, dann nimmt es nach Herzenslust. So muss ich mich im Glauben von Jesu nähren. Herr, gib mir einen Hunger und Durst nach ihm, gib mir Glauben, wodurch ich den Heiland empfangen kann, und dann werde ich in ihm zufrieden und stark sein.

Das Gras wuchs schon, ehe das Vieh da war. Wir finden im ersten Buche Mosis, dass zuerst das Gras und darnach die Tiere geschaffen wurden. Welche herrliche Fürsorge illustriert dies, dass die Gnade Gottes schon vorhanden war, ehe die Menschen sie benutzen konnten. Gott hatte seinen eingebornen Sohn gegeben, ehe Adam fiel; ehe die Sünde in die Welt kam, sah Gott das Unglück der Menschen, und bereitete das Heil für sein Volk. Welch ein Gedanke, dass Gott das Manna bereitet hat, noch ehe ich das Bedürfnis fühle; noch ehe ich Durst empfinde, fließt lebendiges Wasser aus dem Felsen und sendet seine kristallenen Ströme durch die Lande, damit die Armen ihren Durst stillen können. Seht hier, was die Gnade tut! Und dies ist freie Gnade. Wenn das Tier auf die Weide geht, so bringt es kein Geld mit, um zu bezahlen. So kann auch ich, ein armer, bedürftiger Sünder, nichts bringen, darum gibt sich mir Christus ohne Preis und ohne Geld. Es ist alles sein, nichts mein Verdienst.

Und warum, meine Lieben, lässt Gott Gras wachsen für das Vieh? Einfach darum, weil die Tiere sein Eigentum sind. Hier ist eine Stelle, welche dies beweist: „Denn alle Tiere im Walde sind mein, und Vieh auf den Bergen, da sie bei Tausenden gehen.“ Lange ehe noch der Hirte sein Zeichen am Tiere macht, hat Gott ihm sein Schöpfungssiegel aufgedrückt, und so auch, als das Zeichen des traurigen Sündenfalles unsere Stirn trübte, drückte der Herr das Siegel der versorgenden und rettenden Gnade daneben: „Deine Augen sahen mich, da ich noch unbereitet war; und waren alle Tage auf dein Buch geschrieben, die noch werden sollten, da derselben keiner da war.“ Wir sind des Herrn.

Gott versorgt die Tiere auch, weil er einen Bund mit ihnen gemacht hat, es zu tun. „Wie, einen Bund mit den Tieren?“ sagt Jemand. Jawohl, denn als der Herr zu Noah redete, und die Tiere aus der Arche kamen, sprach er auch: „Sieh, ich richte mit euch einen Bund auf, und mit eurem Samen nach euch, und mit allem lebendigen Tier bei euch, an Vögeln, an Vieh, und allen Tieren auf Erden bei euch, von allem, das aus den Kasten gegangen ist, was für Tiere es sind auf Erden.“ So wurde ein Bund mit den Tieren gemacht, dass Saat und Ernte nicht aufhören sollten, Darum bringt die Erde Gras für dieselben hervor. Wenn nun Jehovah seinen Bund mit den Tieren des Feldes hält, sollte er den Bund mit seinem Volke brechen? Nein, nein, sein Volk ist das auserwählte Geschlecht in Christo, und darum gibt er ihnen, was sie glücklich macht, und sättiget sie aus der unerschöpflichen Fülle seiner ewigen Liebe.

Gott, der Herr, versorgt die Tiere, und sie preisen ihn. David singt im 148. Psalm: „Tiere und alles Vieh, Gewürm und Vögel sollen loben den Namen des Herrn.“ Und der Herr nährt, erquickt und versorgt sein Volk, damit sein Name gepriesen und verherrlicht werde. Während die anderen Kreaturen Gott preisen, sollten wahrlich die durch Gnade Erlösten, welche er vom Verderben erkauft hat, nicht schweigen. „Wenn diese schweigen, so werden die Steine schreien.“

Und noch ist unser Text nicht erschöpft. Wir wenden einen Augenblick unser Auge wieder auf das Gras. „Er lässt das Gras wachsen.“ Hier ist eine Lehre. So wie das Gras nicht von selbst wächst, so steigt auch die Gnade im Herzen des Menschen nicht von selbst empor ohne die göttliche Wirkung. Ist nicht die Gnade und ihre Wirkung ein größeres Wunder, denn das Gras auf dem Felde? Und wenn ich ein Tröpflein dieser Gnade besitze, so muss ich dem Herrn dafür alle Ehre geben. Und wenn es nun der Herr der Mühe wert hält, das Gras wachsen zu lassen, wie viel mehr lässt er seine Gnade wohnen und wachsen in unseren Herzen. Wenn der König Himmels und der Erden in gnädiger Herablassung des Gräsleins gedenkt, welches in der Hecke wächst, wie viel mehr wird er seine eigene Natur, welche er den „unvergänglichen Samen“ nennt, in uns pflegen und nähren. Wenn ihr daher die Felder reif zur Ernte sehet, so sollten eure Herzen hüpfen vor Freude, dass der Herr Gras wachsen lässt und seine Kreaturen versorgt. Und so, meine Seele, wenn du auch manchen Frost der Sorgen, manchen Winter der Prüfungen durchzumachen hast, der Herr wird dir helfen, zu wachsen in der Gnade und der Erkenntnis Jesu Christo, welchem alle Ehre gebühret in Ewigkeit. Amen.