„Fürchte dich nicht, du lieber Mann; Friede sei mit dir, und sei getrost, sei getrost.„
Dan. 10, 13.
Engl. Üb.: „O Mann, hochgeliebt, fürchte dich nicht: Friede sei mit dir, sei stark, ja, sei stark.“
Ich sehe einen Einwurf voraus, wenn ich über diesen Text predige und ihn mit bezug auf Personen in dieser Versammlung gebrauche. „Die Worte wurden zu Daniel gesprochen und wir sind keine Daniele,„ — das ist wahrscheinlich die Form, welche der Einwurf in manchen Gemütern annehmen wird, und meine Erwiderung ist: „Wenn wir nicht Daniele sind, so sollen wir wenigstens wünschen, es zu sein, und daran denken, dass eine Möglichkeit dazu da ist; es sind manche Seiten im Charakter Daniels, bei denen wir durch göttliche Gnade in seine Fußstapfen treten können. Daniel ist nicht weit über uns hinausgestellt als einer, der nicht nachgeahmt werden kann, sondern er ist ein Beispiel, dem zu folgen unsre Freude sein sollte. „Aber,“ schreit jemand, „wir werden nie Daniels Höhe der Gnade erreichen.„ Ich bitte Gott, dass wir es tun. In allen Zeitaltern sind Menschen der Klasse gewesen, zu der Daniel gehört. Die vorsündflutliche Periode erzeugte einen Henoch, der „mit Gott wandelte und nicht war, denn Gott nahm ihn hinweg,“ und der weissagte wie Daniel von dem Kommen des Herrn. In der patriarchalischen Periode war ein Abraham, welcher „der Freund Gottes„ genannt ward, mit dem der Herr in ganz besonderer Weise verkehrte. In den späteren Tagen, unter dem Gesetz, war da nicht ein David, ein Mann „nach dem Herzen Gottes,“ und obwohl sein Charakter fehlerhafter war, stellt ihn doch seine nahe Gemeinschaft mit Gott, von der wir in den Psalmen lesen, in dieselbe Reihe. Wenn ihr mir sagt, dass all diese und viele mehr, die ich nennen könnte, zu den alten Zeiten und den Tagen der Wunder gehören rc. rc., so möchte ich euch daran erinnern, dass heutzutage das Kind Gottes unter dem Evangelium Vorrechte hat, die dem größten Gläubigen in früheren Zeiten unbekannt waren; denn selbst Johannes, der Täufer, von dem gesagt ward, dass unter allen vom Weibe Gebornen keiner größer sei als er, wird doch kleiner als der Kleinste im Himmelreich genannt. Mit dem klareren Licht und der reicheren Einwohnung des Heiligen Geistes sollten wir anstatt geringer als Henoch, Abraham, David und Daniel zu sein, diese alle übertreffen. Ferner möchte ich euch daran erinnern, dass die Zeit des Neuen Testaments einen Johannes erzeugte, und gibt es irgendwo ein näheres Ebenbild von Daniel als Johannes? Diese zwei, obwohl so sehr verschieden an Stellung und Umständen, waren in ihrer Sinnesart, ihrem Wandel mit Gott, ihrer Vertrautheit mit dem Höchsten, und in den außerordentlichen Gesichten der Zukunft, deren sie gewürdigt wurden, einander so verwandt, dass ich sagen möchte, Daniel war der Johannes der Propheten, und Johannes der Daniel der Evangelisten. Nun, wenn ein Johannes unter dem Evangelium hervorgebracht wird, warum nicht ein andrer? Wenn zwei, warum nicht zweitausend oder zwanzigtausend? Und warum kann ich nicht einer von ihnen sein? mag jeder Christ fragen. Der Geist Gottes ist nicht eingeschränkt, der Tau vom Himmel ist nicht erschöpft, weil er auf Daniels Zweig fiel und auf dem Blatt des Johannes ruhte. Du kannst ihn haben, mein Bruder, und unter seinem fruchtbar machenden Einfluss magst du knospen und blühen, und mit jeder Blüte den Duft der Gemeinschaft Gottes um dich her verbreiten.
Überdies, wenn ich die Frage über unsre Nachahmung Daniels fahren lasse, so möchte ich hinzufügen, dass ich mich um einer andren Erwägung willen gerechtfertigt fühle, meinen Text sehr frei zu gebrauchen; denn jeder wahre Christ ist in einem Sinne, und das in einem sehr tiefen und wahren Sinne, ein „hochgeliebter„ Mann. Obwohl Verschiedenheiten in der Kundgebung der Liebe Gottes sind, so dass wir sagen können, es gibt Erwählte ans den Erwählten, so sind doch alle Erwählten „hochgeliebt.“ Es sind auserlesene Geister unter den Auserlesenen, wie die siebzig, die aus den Jüngern erwählt waren, die zwölf aus den siebzig, die drei: Petrus, Jakobus und Johannes aus den Zwölfen und Johannes aus den dreien: die Erwählung erhebt sich immer wieder aus sich selbst heraus und steigt gleich einer Pyramide in die Höhe; aber dennoch sind die gewöhnlichen Jünger in der Basis der Pyramide „hochgeliebt,„ mit einer unendlichen Liebe geliebt. Die schwächsten Kindlein in der Gnade sind ebenso wahrhaft geliebt als die, welche zum vollen Mannesalter in Christo Jesu gekommen sind. Es gibt köstliche Stätten, wo der Sonne Licht beständig zu ruhen scheint, aber dennoch scheint die Sonne der Liebe Gottes auf das ganze Feld, das Er erwählt hat. Das gelobte Land erkannte die höhere Trefflichkeit seines Karmel und seiner Ebene Saron an; dennoch war von Dan bis Ber-Seba jeder Acker Land von dem Herrn gesegnet. Jeder Himmelserbe ist mit demselben Blut erkauft, in dasselbe Buch des Lebens eingeschrieben, von demselben Geist berufen, bewahrt durch dieselbe göttliche Macht, und reift unter denselben geistlichen Einflüssen für die ewige Herrlichkeit; gewiss, dann ist jeder Gläubige „geliebt,“ und „hochgeliebt„ dazu. Große Liebe hat in der Errettung eines jeden von uns sich gezeigt und in unserer Bewahrung bis auf diesen Tag. Wenn deshalb keiner von uns kühn genug sein sollte, zu hoffen, dass der Ausdruck des Textes in irgend einer eigentümlichen und besonderen Weise auf ihn angewandt werden könnte, so wagt doch unser Glaube ohne Vermessenheit zu erkennen, dass wir hochgeliebt sind, da wir durch die unumschränkte Gnade Gottes errettet, und Ihm durch das Blut Jesu Christi nahe gebracht sind. Wir erwarten indes, dass jeder Christ, wenn er die große Liebe erkennt, die er genießt, auch die großen Verpflichtungen anerkennt, die ihm daraus entspringen. Dies ist nur gewöhnliche Ehrlichkeit; wenn wir das Brot der Kinder essen, müssen wir den Gehorsam der Söhne leisten.
Nun wollen wir zu den Worten selber übergehen. In ihnen sehe ich zuerst: einen köstlichen Titel: „O Mann, hochgeliebt;“ zweitens: eine gewöhnliche Schwachheit sehr sanft getadelt: „fürchte dich nicht;„ und dann drittens: sehr gnädige Tröstungen gegeben, um dieser Schwachheit aufzuhelfen: „Friede sei mit dir; sei stark, ja, sei stark.“
Am Beginn des Textes glänzt ein köstlicher Titel. Daniel wird ein Mann genannt, der „hochgeliebt„ ist, oder wie einige es lesen, „ein Mann der Wünsche,“ ein wünschenswerter Mann vor Gott, mit dem Gott Gemeinschaft zu haben wünschte, an dessen Gesellschaft der Herr Freude hatte. Er war ein Mann, „hochgeliebt.„
Nun, die große Liebe Gottes zu Daniel wird sehr deutlich in seinem Charakter gesehen. Ich werde nicht seinen Charakter als den Grund beschreiben, weshalb Gott ihn liebte, weit entfernt, aber ich will seinen Charakter bezeichnen als die Wirkung der großen Liebe Gottes zu ihm. Gott liebte ihn sehr, und deshalb gab Er ihm dies und jenes.
Das erste Zeichen von des Herrn großer Liebe zu Daniel, das wir betrachten wollen, war dies: Gott gab ihm frühe Frömmigkeit. Von seiner Jugend an fürchtete Daniel Gott. Wir wissen nicht die Zeit, wann er dahin gebracht wurde, den Herrn völlig zu kennen, aber es muss in seinen Kinderjahren gewesen sein; denn während er noch ein Knabe war, finden wir ihn für den Gott seiner Väter als ein Mann handeln. Es ist wahr, seine Jugendjahre wurden in der Gefangenschaft zugebracht. Er war ans dem königlichen Hause Juda und ward hinweggeführt nach Babylon, aber es war etwas Bedeutsames darin, dass er zu derselben Zeit gefangen geführt wurde, als die heiligen Gefäße aus dem Tempel zu Jerusalem genommen wurden. Wie, wenn ich sagte, er selbst war eins der heiligen Gefäße? Denn er war in der Tat ein Gefäß, das zum Gebrauch des Meisters geeignet war, und er und die goldenen Gefäße aus dem Hause des Herrn waren zusammen in Gefangenschaft, doch immer noch unter göttlicher Obhut, so dass sie nicht durch unheiligen Gebrauch entweiht werden durften. Meine lieben Freunde, niemand kann je das große Vorrecht überschätzen, in der Kindheit oder Jugend zu Gott gebracht zu werden. Wenn es nur wäre, vor dem Schaden bewahrt zu sein, den eine Sündenlaufbahn der Seele bringt, wenn es nur wäre, der Neue über das Vergangene zu entgehen, die eintreten wird, wenn das Gewissen später von der Sünde gereinigt ist, wenn es nur wäre, jene köstlichen Stunden des frühen Morgens des Lebens gerettet und sie in: Dienste des Herrn benutzt zu haben, wenn es nur aus diesen drei Gründen wäre, — und sie sind nur ein Teil einer großen Anzahl, — so sind sie etwas, wofür wir ewig die besondere Liebe Gottes zu preisen haben. Ich berufe mich auf die, welche in reiferen Jahren dahin gebracht sind, den Herrn zu lieben und auf die besonders, die Ihn erst im Greisenalter kennen gelernt haben. Geliebte Brüder, ihr liebt den Herrn, der euch zu sich berufen hat, aber habt ihr nicht oft in eurem Herzen gesagt: „Wollte Gott, ich hätte Ihn gekannt wie Timoteus, auf meiner Mutter Knien!“ Und ist es nicht zu dieser Zeit der liebste Wunsch eurer Seele, dass eure Kinder die Entscheidung für Gott nicht so lange aufschieben, wie ihr es getan, sondern dass sie sich dem Volk Gottes anschließen, während noch der rosige Hauch der Jugend auf ihren Wangen ist? Ich weiß, ich spreche euch aus dem Herzen. Ihr seid deshalb Zeugen dafür, dass frühe Frömmigkeit ein köstlicher Segen ist, und der, welcher ihn empfangen, mag heute morgen meinen, einen Engel sagen zu hören: „O Mann, hochgeliebt, als du noch Kind warst, hatte der Herr Freude an dir.„
Aber zweitens, die große Liebe Gottes zu Daniel zeigte sich in seiner frühen und gründlichen Nichtübereinstimmung mit der Welt. Er war in eine besonders gefährliche Lage versetzt, fern von jeder gottesfürchtigen Gesellschaft, hinweggenommen von jedem geheiligten Einfluss eines frommen Vaterhauses oder einer gottseligen Vormundschaft; er war hinweggeführt in ein götzendienerisches Land und an einem götzendienerischen Hofe zu einem abergläubischen! Berufe herangebildet. Alles ward getan, was getan werden konnte, den jungen Hebräer den Gott seiner Väter vergessen zu machen. Sogar sein Name ward verändert sowohl wie der seiner drei würdigen Mitgefangenen. Sie hatten großartige Namen im Hebräischen, von denen jeder eine heilige Wahrheit bezeichnete, aber diese wurden in bloße babylonische Titel verwandelt, damit sie vergäßen, dass sie Juden seien und den Namen Gottes selbst vergäßen! Allenthalben um sich herum sahen sie Abgötterei, Lüste und Verbrechen. Es war nichts da, wenn sie umhergingen oder wenn sie zu Hause blieben, was sie nicht an die Gräuel der Heiden erinnerte. Doch war es hier, als er nur noch ein Knabe war, wo Daniel sich „vorsetzte in seinem Herzen, dass er sich mit des Königs Speise und mit dem Wein, den er selbst trank, nicht verunreinigen wolle, und bat den obersten Kämmerer, dass er sich nicht verunreinigen müsse.“ Das Fleisch und der Wein, die Daniel gebracht worden wären, würden nicht von der Art gewesen sein, wie ein Israelit sie genießen durfte. Das Fleisch hätte mit Blut verunreinigt oder das Tier durch Erdrosseln getötet sein können, das gegen das levitische Gesetz war; und oft war das Fleisch, was die Babylonier aßen, das eines unreinen Tieres. Der Wein war auch wahrscheinlich den falschen Göttern geweiht, indem ein Teil desselben zum Trankopfer gemacht ward, und das Fleisch war den Götzen dargebracht; deshalb beschloss Daniel, lieber weit zu gehen, als nicht weit genug, und wollte sich überhaupt gar nicht mit des Königs Fleisch und Wein verunreinigen. Es ist immer am sichersten, wenn ihr im Kampf mit einem tödlichen Feinde seid, eine sehr hohe Mauer zwischen euch und ihm zu haben. Es wird kein Fehler sein, dass sie zu hoch ist, wenn der euch zu verderben sucht. Eine Scheidewand, die wir zwischen uns und der Sünde aufrichten, wird nie zu breit oder zu tief sein. Daniel beschloss mit überraschender Entschiedenheit, dass er sich nicht mit des Königs Speise verunreinigen wolle. Nun, das war eine entschiedene Stellung für ein Kind — einen bloßen Schulknaben nenne ich ihn, denn er war damals in der Schule der Wahrsager und wurde in der Weisheit der Chaldäer unterrichtet — er war nur ein Schüler, und doch war er hierin sehr entschlossen. Entschlossen, aber nicht unklug: er forderte die Verfolgung nicht heraus, sondern ging mit jener sanften Höflichkeit zu Werke, die stets eine so geziemende Gefährtin der Festigkeit ist. Sanfte Manieren sind ein passendes Kleid für feste Grundsätze. Wir lesen deshalb: Daniel „bat den obersten Kämmerer, dass er sich nicht müsste verunreinigen. Und Gott gab Daniel, dass ihm der oberste Kämmerer günstig und gnädig ward,„ so dass er, nachdem er die Furcht geäußert, dass Daniels Gesundheit leiden möchte, wenn er nicht die vorgeschriebene Speise äße, ihm erlaubte, einen Versuch zu machen. Der Versuch einer Kost von Gemüse und Wasser fiel sehr befriedigend aus. Daniel und seine Freunde hatten sowohl bessere Gesundheit und schärferen Verstand als die übrigen jungen Studenten in dem College. War es nicht ein Großes für diesen jungen Helden, einen solchen Standpunkt eingenommen zu haben? Wir mögen hoffen, dass der, welcher gut beginnt, auch gut weitergehen wird; aber o, verabscheue, junger Christ, alles Schwanken am Anfang, alles Schachern mit der Welt, alle Bemühungen, mit dem Bösen zu unterhandeln, alle Versuche, zu sehen, wie nahe du an die Sünde heran gehen kannst. Wenn du nicht gleich beim Beginn gründlich für Gott bist, so fürchte ich, wirst du es niemals sein. Christen sollten in der Gnade wachsen, aber es tut mir leid, zu sagen, dass viele von ihnen von Schwachheit zu Schwachheit gehen, und all das, fürchte ich, weil kein gesunder Anfang da war. Jeder Baumeister wird euch sagen, dass es notwendig sei, einen guten Grund zu legen. Lasst die Grundlage eurer Religion Entschiedenheit, Entschlossenheit, Aufrichtigkeit und Gründlichkeit sein. Ein halb und halber Christ hat einen schönen Schein der Gottseligkeit, baut sehr rasch und streicht mit seinem ungelöschten Kalk an, nur um einen Fall zu sicheren. Möge Gott uns zu tiefen Christen machen, die wissen, was sie wissen, und meinen, was sie meinen und beabsichtigen, für Gott und seine Wahrheit mit seiner Hilfe entschieden zu sein. Daniel war ein hochgeliebter Mann, weil er so früh sich durch seine Nichtübereinstimmung mit der Welt auszeichnete.
Im späteren Leben finden wir ein andres liebliches Ergebnis der Liebe Gottes in seinem mutigen Vertrauen auf Gott. Er ward bei wenigstens zwei Gelegenheiten berufen, den höchsten, nur erdenklichen Mut zu beweisen. Nebukadnezar hatte einen Traum gehabt. Daniel hatte ihm früher einen Traum ausgelegt und erhielt deshalb bei dieser Gelegenheit Zutritt zum König. Er hörte des Königs Traum, aber die Deutung war eine, die dem Tyrannen das schwerste Unglück verkündete, wie sollte er ihm die Nachricht bringen? Wenn der Monarch nur seinen Finger aufhebt, so rollt Daniels Kopf auf den Fußboden. Das ganze Reich Babylon war unter der absoluten Herrschaft des Despoten Nebukadnezar, und dennoch zauderte Daniel nicht, ihm zu sagen, dass er wahnsinnig werden und sein Haar so groß als Adlersfedern und seine Nägel wie Vogelsklauen wachsen sollten, und dass er von den Leuten verstoßen werden würde. Mich deucht, ich sehe ihn mit furchtloser Miene und Stimme den Monarchen heißen, sich von seinen Sünden durch Gerechtigkeit loszumachen und von seiner Missetat ledig durch Wohltat an den Armen, damit Gott Geduld haben möge mit seinen Sünden. Nun, in unsren Tagen gehört kein großer Mut dazu, die Wahrheit zu sprechen, weil kein schneller Tod den kühnsten Boten Christi erwartet. Wir leben in Tagen der Freiheit, in denen wir glauben können, was uns gefällt und beinahe sagen, was wir wollen; aber es gehörte heroischer Mut dazu, damals gleich einem Natan zu kommen und zu sprechen: „Du bist der Mann,“ nicht zu einem David mit Gnade Gottes in seinem Herzen, sondern zu einem, der keine Furcht Gottes hatte, einem Nebukadnezar, der sich selbst für einen Gott hielt. Und das war eine tapfere Tat, in jener entsetzlichen Nacht, als Daniel vor Belsazar und seinem Hofe stand, während die Fürsten und Herren der verschiedenen Provinzen versammelt waren, und dort die Schrift an der Wand deutete. Erinnert euch, er war von Kriegern umgeben, die ihn im Augenblick hätten töten können, und er stand vor einem jungen und stolzen Monarchen, der ausschweifend und herrisch war, und Blutvergießen für nichts achtete, und er hatte ihm zu sagen: „Man hat dich in einer Wage gewogen und zu leicht erfunden; dein Königreich ist den Medern und Persern gegeben.„ Es gehörte kein kleiner Geist dazu, der strenge Ausleger des Endurteils eines Monarchen zu sein: als er jung war, hatte er Nebukadnezar gegenübergestanden, und als er grau in Jahren war, stand er mit demselben ruhigen, tapferen Geiste Belsazar gegenüber und tadelte ihn wegen seiner Sünden und seines stolzen Trotzes gegen den Herrn, den Gott Israels. Er war ein hochgeliebter Mann, dass er ein solcher Löwe war inmitten aller seiner Feinde.
Hiermit verbunden als ein andrer Beweisgrund der Liebe Gottes zu ihm war sein wunderbares Ertragen des Glücks. Wenn ich gesagt habe, dass frühe Frömmigkeit ein großer Beweis von Gottes besonderer Zuneigung zu einem Menschen ist, so denke ich, kann ich wohl sagen, dass die Kraft, Achtung des Volkes, Erfolg im Leben, Reichtum und Rang zu ertragen, auch ein sehr besonderes und eigentümliches Zeichen göttlicher Gunst ist. Er war noch ein Jüngling zu der Zeit, als er zu Nebukadnezar ging und ihm seinen Traum und die Deutung desselben sagte. Ich nehme an, er war ungefähr siebzehn Jahre alt, als er in des Königs Tor saß und das Oberhaupt aller Weisen des Königs in Babylon war. Kaum war diese Zahl von Jahren über seinem Haupte dahingerollt, als Hesekiel von ihm sprach als einem, der als der weiseste Mann seiner Zeit bekannt war. In der Anrede an den König von Tyrus sagt Hesekiel: „Bist du weiser denn Daniel?“ Nun, wenn ein junger Mann zu einer solchen Stellung erhoben ist, so kennen wir alle, oder meinen es zu tun, die Gefahren, von denen er umgeben ist. Sogar ein Mann, der Erfahrung hat, findet nicht immer, dass die hohen Plätze der Macht ihm einen leichten Platz für seine Füße gewähren; aber wenn ein junger und unerfahrener Mann dort stehen kann, so muss er ein hochgeliebter Mann sein. Und dann denkt daran, dass während der dreiundvierzig oder mehr Jahre der Negierung Nebukadnezars Daniel einer der Großen des Reiches war; die ganze Negierung Belsazars hindurch bis zur Zeit Darius des Meders finden wir stets noch Daniel als einen der Großen in der Regierung. Belsazar hatte ihn zum drittelt Mann im Königreich gemacht, weil damals, wie ich annehme, zwei Könige waren, und deshalb nicht zum zweiten Mann gemacht werden konnte, aber er war der nächste nach den Königen im ganzen Reich; doch seht ihr ihn nie ein Gefühl seiner eignen Größe verraten. Sein Buch ist ungemein frei von dem Wunsche, sich selbst darzustellen. Habt ihr nicht oft zu wissen gewünscht, wo er war, als die drei heiligen Männer in den brennenden Feuerofen geworfen wurden? Ich denke, wenn ich das Buch Daniel geschrieben, so hätte ich gern ein oder zwei Verse hineingesetzt, um zu erklären, wo ich gewesen. Aber Daniel vergisst sich selbst so, er rechtfertigt sich nicht, er sucht nicht, Verdacht abzuwenden und lässt uns frei, zu denken, was wir wollen. Wir können gewiss sein, dass er edel handelte, aber er versucht nicht, uns den Gedanken zu erwecken. Er selbst ist nichts, der Dienst seines Volkes und seines Gottes — dies war es, was alle seine Gedanken in Anspruch nahm. O, es ist edel, einen Mann auf die hohen Plätze des Reichtums und des Standes erhoben, Krolle und Purpurmantel tragen und dennoch demütig mit seinem Gott wandeln, und seine Pflicht ohne Versäumnis erfüllen zu sehen, gerade wie die, die nicht so hohe Dinge haben, mit denen sie versucht werden. Ich las diese Woche von einem Schiff auf der See, das von einem Sturm überfallen wurde; eine bergartige Welle, eine wahre Wasser-Alpe ging über dasselbe hinweg, löschte die Maschinenfeuer sogleich aus, fegte das Rad und Steuer hinweg, so dass das Schiff wie ein Log zwischen zwei Wellen lag. Nun, mancher Mann ist ebenso gewesen, eine große Masse Reichtum und Glück ist über ihn gekommen, hat die Feuer seines früheren Eifers ausgelöscht, alle Steuerkraft seiner Seele hinweggenommen und er hat wie ein Log gelegen, das zwischen den Wellen der Weltlichkeit und des Stolzes hin- und hergeworfen wird, und ist ein gänzliches Wrack geworden. Aber Daniel war ein hochgeliebter Mann, denn Gott stellte ihn auf seinen hohen Platz und machte seine Füße wie die Füße der Hinden.
Ein weiteres Beispiel von Gottes großer Liebe zu ihm erscheint in seiner Festigkeit in der Prüfung. Es wird für die meisten Menschen eine besondere Zeit kommen, in der sie auf die Probe gestellt werden, und dies geschah bei Daniel in seinem Greisenalter. Es waren einige, die es nicht ertragen konnten, dass er immer in den politischen Sachen an der Spitze stand, und diese machten ein Komplott wider ihn, aber sie fanden nichts gegen ihn, ausgenommen seinen Gottesdienst. Sie verlangten einen Erlass, dass niemand in dreißig Tagen etwas bitten sollte, ausgenommen vom König. Aber Daniel kümmerte sich wenig um Erlasse: es war seine Gewohnheit, sich dreimal am Tage vor seinem Gott zu beugen bei offenen Fenstern nach jenem teuren Lande hin, das er immer noch liebte, obgleich er diese vielen Jahre daraus verbannt gewesen; und mit jener strengen Herzenseinfalt, die so hervortretend in ihm war, ging er hin, um zu beten zu derselben Zeit, um die er gebetet haben würde, wenn kein Erlass gewesen wäre: er änderte nichts am Fenster, weder im Auf- noch Zumachen, sondern wie er es früher zu tun pflegte, so beugte er das Knie und betete. Die Löwengrube war ihm nichts — seine Pflicht war alles, und wenn der Weg der Pflicht durch den Rachen wilder Bestien ging, so verfolgte er ihn dennoch. Und ihr kennt das Resultat und wie Gott seinen Knecht rechtfertigte. Wahrlich, ich hätte sagen können, als er in die Grube geworfen ward, in der die Löwen wüteten, dass der Märtyrer ein hochgeliebter Mann war; aber alle bekennen dies, wenn sie ihn von Darius geehrt, lebendig aus der Grube gebracht sehen, wohin Gott seinen Engel gesandt hatte, ihn zu bewahren — da bekannten alle, die ihn sahen, dass er ein hochgeliebter Mann war.
Lasst mich hinzufügen, dass wir hier nicht vergessen dürfen, wie Gottes Gnade und Liebe sichtbar darin leuchteten, dass sie Daniel zu einem Manne so beständiger Andacht machten. Jeder Tag war Zeuge seiner steten Regelmäßigkeit im Gebet. Nicht, dass er ein Pharisäer war und die eine Zeit für besser als die andre hielt, sondern weil er wahrscheinlich fühlte, wie die meisten von uns es getan haben, dass, wenn wir nicht eine bestimmte Zeit zum Gebet haben, wir es leicht ganz versäumen. Dreimal des Tages, was auch vorfallen mochte — ungeachtet des ungeheuren Druckes der Geschäfte aus des Staatsmanns Seele — dreimal des Tages schrie er zu seinem Gott. Und dann hatte er seine besonderen Zeiten außerdem. Drei Wochen finden wir ihn mit Gebet und Fasten zubringen. Das Dach seines Hauses war Zeuge seiner regelmäßigen Andachten, aber seine besonderen Gebete waren bei den einsamen Weiden des Baches, und da schrie er und rang mit seinem Gott; und wir finden, dass er infolge davon mit Offenbarungen von oben begnadigt ward, die er niemals hätte empfangen können, wäre seine Andacht weniger regelmäßig oder andauernd gewesen. Es ist kein geringes Zeichen der Liebe Gottes zu einem Manne, wenn dieser im Geist des Gebetes lebt, wenn das Gebet seine Freude ist, und wenn Jahr auf Jahr das Gebet ihm nichts Einförmiges wird, wenn es ihm ein wirkliches ist, ja, wenn er so hungert nach mehr Gebet, dass er längere Zeiten der Übung desselben widmet. Wenn Gott ihm das Vorrecht gibt, mächtig im Gebet zu werden, dann ist er ein hochgeliebter Mann. Macht im Gebet ist eine der göttlichsten Gaben unsres Herrn. Ich könnte hier heute den Namen eines nennen, einen euch wohlbekannten Namen, eines, dessen Gebete Gott diese vielen Jahre erhört und ihm geholfen hat, Tausende von Waisen zu ernähren und eine große Zahl Missionare auszusenden. Jedesmal, wenn wir an ihn denken, denken wir an ihn als einen hochgeliebten Mann. Und jedesmal, wenn ich auf einen Mann blicke, der mächtig im Gebete ist, der durch Flehen Segnungen auf seine eigne Familie, die Gemeinde und seine Nachbarschaft herabbringt, so weiß ich, dass dies ein Mann ist, der in der Tat hochgeliebt ist. Ich denke, ich habe euch gezeigt, dass die äußeren Zeichen der Liebe Gottes zu Daniel solche waren, wie viele von uns sie in einem Maße genossen haben und noch mehr genießen können, denn hier sind einige, die in ihrer Jugend errettet wurden, einige, die früh anfingen, entschieden für Gott zu sein, einige, die mutig für Christum gewesen sind und die den Glauben nicht verleugnet, die Glück ertragen haben und Unglück dazu, und die durch die Gnade gelernt haben, mit Gott zu ringen. Vielleicht werden sie sich selber nicht erkennen, aber wir mögen imstande sein, sie zu erkennen und sie hochgeliebte Männer zu heißen.
Mit einem Wort, es war ein Zeichen der Liebe Gottes zu Daniel, was allem die Krone aufsetzte, und das war die vollkommene Gleichförmigkeit in seinem ganzen Leben. Daniel scheint mir so sehr wie möglich ein vollkommener Charakter zu sein. Wenn mich jemand fragte, um welcher besonderen Tugend willen ich ihn hervorhebe, so wüsste ich kaum zu antworten. Es ist eine Vereinigung aller Vorzüge in seinem Charakter. Ebensowenig meine ich irgend etwas entdecken zu können, worin er fehlerhaft war. Ein Sünder war er unzweifelhaft vor dem Auge Gottes; vor Menschen ist er fehlerlos. Er war ein wohl abgewogener Charakter. Es ist ein Gleichgewicht aufrecht gehalten zwischen den verschiedenen Gnaden eben wie in dem Charakter des Johannes, der auch außerordentlich schön ist. Es ist vielleicht ein Allstrich von Lieblichkeit beim Johannes, eine zarte Weichheit, die wir nicht im Daniel finden; es ist etwas mehr von dem Lamm in dem Apostel, aber doch sind beide, jeder in seiner Art, vollkommen. Das ganze Leben Daniels hindurch finden wir keinen Fehler; nirgends unterliegt er. Es war ein großes Ereignis da, bei dem er hätte unterliegekönnen, aber Gott half ihm hindurch. Hier stand er, ein Geschäftsmann, eine lange Lebenszeit durch, ein Mann, der die Bürde des Staates trug, und dennoch konnte keine Anklage des Unrechttuns gegen ihn vorgebracht werden. Ein Mann, der große Geschäfte abzumachen hat, wird gewöhnlich beschuldigt, dass das eine oder andre Unrecht durch seine Unterbeamten getan sei, sogar, wenn er selber streng redlich ist; aber hier war ein Mann, der durch die Gnade so redlich und aufrichtig in allem, was er tat, gemacht war, dass nichts, nicht einmal von seinen Feinden gegen ihn vorgebracht werden konnte, ausgenommen seine Religion. Ein großes Merkmal der Gnade dies, ein viel zu seltenes Zeichen der Frömmigkeit. Viele sind Christen und werden hoffentlich in den Himmel kriechen; aber ach! ach! ach! je weniger von dem Mangel an Übereinstimmung zwischen ihrem Glauben und Leben gesagt wird, desto besser. Es ist ein besonderes Merkmal eines hochgeliebten Mannes, wenn von Anfang bis zu Ende durch Gottes Gnade Glauben und Wandel bei ihm übereinstimmen.
Aber die Zeit wird mir zu kurz, ich muss eilen, um zweitens zu bemerken, dass Daniel einer gewöhnlichen Schwachheit unterworfen war. Er war bei einer Gelegenheit voll Furcht, und deshalb sprach ein Engel zu ihm: „Fürchte dich nicht.„ Ich freue mich hierüber, weil es uns lehrt, dass selbst die besten Menschen sehr großer Furcht unterworfen sein können. Ich war froh, vorhin in unsrem Bibelabschnitt zu lesen, dass Daniel ans seinem Angesicht lag, stumm war n. s. w., denn es zeigt, dass er unsren Schwachheiten unterworfen war, und dass er, groß wie Gott ihn machte, doch nichts in sich selbst war und alle seine Größe der Gnade Gottes verdankte. Diese Furcht von Seiten Daniels war damals nicht eben das Ergebnis persönlichen Leidens, sie kam vielmehr über ihn, nachdem er durch Offenbarungen von Gott hochgeehrt war; seine Furcht entsprang aus dem Anblick seines Herrn und aus einem Gefühl seiner eignen Unwürdigkeit. Nur eben ein Wort hierüber. Du magst ein hochgeliebter Mann sein und deshalb einen klareren Anblick des Herrn Jesu haben als andre; und gerade aus diesem Grunde magst du vielleicht größere Scham und Verwirrung empfinden, sobald du an dich selbst denkst. Erinnert euch, wie Daniel von sich sagt: „Es blieb aber keine Kraft in mir, und ich ward sehr ungestaltet und hatte keine Kraft mehr.“ O Geliebte, wenn der Herr euch je mit viel Liebe und mit nahem Zutritt zu sich selber begnadigt, so müsst ihr auch die andre Seite davon erwarten — das heißt, ihr müsst euer Nichts, eure Schlechtigkeit und Unwürdigkeit fühlen, und wenn ihr dies fühlt, so wunderts mich nicht, wenn ihr beinahe wünscht, nie geboren zu sein, und fühlt, als wenn je eher dies Leben endete, desto besser es wäre — fühlt, als wenn ihr untüchtig wäret, irgend etwas für Gottes Volk zu tun, untüchtig sogar, Christi Namen zu tragen, und doch mögt ihr die ganze Zeit über hochgeliebt und außerordentlich gesegnet sein. Blickt auf Hiob; als er ganz bedeckt mit bösen Schwären ist, rechtfertigt er sich in gewissem Grade, aber in dem Augenblick, wo er seinen Gott sieht, was sagt er da? „Ich habe von Dir mit den Ohren gehört, aber nun stehet Dich mein Auge; darum verabscheue ich mich selbst.„ Es ist sicher stets so — große Liebe Gottes wird große Demut der Seele in euch bewirken und euch tief in den Staub daniederlegen. Spreche ich zu einem Bruder, der kürzlich mehr von der Missgestalt seines Herzens herausgefunden hat, als je zuvor? Kam er heute morgen hierher, rufend: „Ach, wehe mir.“ Nein, lieber Bruder, nicht „wehe dir,„ sondern: „O hochgeliebter Mann,“ obwohl du dies durch einen Anblick deines Herrn herausgefunden hast, so fürchte dich nicht, dies ist ein Segen und kein Fluch für dich.
Vielleicht war auch die große Furcht Daniels erweckt durch die Aufschlüsse, die ihm gegeben waren über die Geschicke der Nationen und besonders seines eignen Volkes. Gerietet ihr je in diesen Zustand und begannt auf die Welt und auf euer Land und auf die Gemeinde zu blicken, und hattet ihr dann einen Anfall von Zittern? Ich versichere euch, es ist ungemein leicht, das Kleid Jeremias,„ des weinenden Propheten, anzulegen. Wenn wir auch nur im eignen Vaterlande umherblicken, so sehen wir überall Unheil hervortreten und Irrtum herrschen, und die Sache der Wahrheit scheint wie eine vom Sturm umhergeworfene Barke, fast ein Wrack. Gewiss, wir können Raum genug für Weinen und Klagen finden. Und wenn wir auf die Welt im ganzen und großen blicken, und sehen, wie der Unglaube sich verbreitet: „Weh ist mir!“ mögen wir sagen. Ja, Daniel hatte die Geschichte der Welt ans eine lange Periode der Zukunft hinaus gesehen, deshalb war er voll Furcht. Und seid ihr auch voll Furcht? Nun, es ist ein Teil des Loses der Männer, die Gott sehr liebt, dass sie die Not der Zeiten tragen, und in bezug auf ihr Zeitalter Christo gleich sind, und die Sünden der Menschen auf ihrem Herzen tragen, und für sie bei dem lebendigen Gott bitten.
Ich denke auch, dass Daniels Schmerz zum Teil durch die Wiederholung der Worte veranlasst war: „Das Gesicht ist wahr, aber es ist noch eine lange Zeit dahin.„ Es schien immer wieder Daniel zu übermannen. „Die Zeit ist lang.“ Ich kenne kein Leid, das mein Herz schwerer drückt, als dies. Es scheint eine entsetzlich lange Zeit, seit Gott ein Wunder getan hat — solch eine Zeit, seit in der Kirche irgend etwas Großes geschehen ist Das Christentum hält, nur eine erbärmliche Minderzahl der Menschheit unter seiner Macht: die Zahl der evangelischen Christen in der Welt ist eine elende Fraktion im Vergleich mit der Masse von Götzendienern, Mohammedanern, Katholiken und dergleichen. Die wahren Gemeinden scheinen nicht zu wachsen und mittlerweile ergehen die Herausforderungen der Ungläubigen an uns, und wir scheinen nicht den Mut zu haben, darauf zu antworten, wie man darauf antworten sollte. Ein taufend und achtundert Jahre und mehr sind vergangen, und kein Fortschritt oder kaum einer! O Herr, wie lange! Wie lange! Wie lange! Wie lange! Und doch, Jehovah ist der Herr, ja. Er ist der alleinige Gott, und Er könnte in einem Augenblick die Finsternis der Menschheit erleuchten, und sein Geist könnte Männer erwecken, die gleich Feuerflammen durch die Mitternacht der Zeiten blitzen. Warum zögert Er? Dies ist der Ruf, den die Gemeinde überall emporsendet, wo sie in Gottes Nähe lebt. Und wenn einige hier so begnadigt sind, von Gott geliebt zu werden, so bin ich gewiss, dies wird auf ihnen lasten: „Wie lange, Herr, wie lange? Warum verziehst Du?„
Nun schließen wir, indem wir die Tröstungen beachten, die der Engel dem Daniel brachte, und welche er in dem Maße, wie wir hochgeliebt und von gleicher Furcht befallen sind, auch uns bringt.
Er sagte ihm zuerst: „Friede sei mit dir.“ So sagt er zu jedem von den Gottgeliebten hier: „Friede sei mit dir.„ „Warum sorgst du, warum grämst du dich, wirst hin- und hergeworfen in deinem Gemüt? Friede sei mit dir.“
Lass zuerst Friede mit dir sein, weil du „hochgeliebt„ bist. Was immer geschieht oder nicht geschieht, du bist hochgeliebt. Der Herr liebte dich, noch ehe die Erde war. Er erlöste dich mit dem Blute seines eignen Sohnes, Er hat dich zur Gemeinschaft mit Jesu berufen — Friede — du bist geliebt, gibt dir das nicht Friede? „Still, mein Kindlein,“ sagt die Mutter, „liege still und schlummere,„ und der süßeste Ton in ihrem Schlummerlied ist die Erwähnung ihrer eignen Liebe. So, teures Kind Gottes, sei still, sei ruhig, du bist vom Himmel geliebt.
Und danach, fürchte dich nicht, Friede sei mit dir, Gott regiert noch — Er regierte die Welt, ehe du geboren wärest und führte seinen Willen aus; Er wird sie regieren, wenn du tot bist, und wird seine Ratschlüsse erfüllen. Warum quälst du dich? Wozu nützt dein Sorgen? Du bist an Bord eines Schisses, das du nicht steuern könntest, selbst wenn der große Kapitän dich an den Helm stellte, von dem du nicht einmal ein Segel reffen könntest, doch sorgst du und quälst dich, als wenn du Kapitän und Steuermann wärest. O, sei ruhig — Gott ist Meister — meinst du, all dieser Lärm und Wirrwarr in der Welt bedeute, dass Gott seinen Thron verlassen habe? Nein, Mann, seine Renner stürzen wild vorwärts und sein Wagen ist der Sturm, aber es ist ein Gebiss in ihrem Maule, und Er hält die Zügel fest und führt sie wie Er will! Jehovah ist noch der Herr — glaube es, Friede sei mit dir — sei nicht bange!
Und wenn du unruhig bist über die Länge der Zeit, — womit missest du? Mit deinem eignen Alter von siebzig Jahren oder mit Tagen und Wochen — missest du so? Hast du je die Meßschnur des Ewigen gesehen und weißt du, dass, wenn diese Welt Millionen auf Millionen Jahre dauern sollte, sie nur ein Punkt sein würde zwischen den zwei Ewigkeiten, die vorhergegangen und folgen? Gottes Leben! Es ist nicht aus dem Ticken der Uhr zusammengesetzt! Er kann warten, Er kann warten! Er kann Generationen böser Menschen aufeinander folgen lassen, ja, Er könnte zehntausend mal zehntausend Jahre dem Teufel gestatten, seine Kette durch die Welt zu schleppen und dennoch am Ende weit überwinden und ein umso glorreicherer Überwinder sein, um der Lauge des Kampfes willen. Es ist ein Kinderstreit, der nur eine Stunde währt, aber gewaltig ist der Kampf der Nationen, wenn sie von Jahr zu Jahr miteinander ringen, wenn ein Feldzug den Krieg nur eröffnet, wenn ein zweiter nur den Streit anfacht, wenn ein dritter nur die Leidenschaften entflammt und ein andrer nur alle Wut der Kämpfer hervortreten lässt und erst lange nachher zum Schluss der große Krach kommt, der alles endet. Sollen die Kriege Gottes kürzer von Dauer sein, als die Kämpfe der Menschen? Du hast erst einen Feldzug gesehen oder vielleicht die erste Salve der Artillerie, die den Kampf eröffnet; du hast nicht das Kreuzen der Bajonette gesehen, das noch kommen mag, denn eine Zeit der Trübsal, wie sie die Welt noch nie gesehen, ist noch aufbehalten. Aber bleibe du dessen gewiss, es ist alles kurz vor Ihm, bei dem tausend Jahre sind, wie ein Tag und ein Tag wie tausend Jahre. Komm herab von dem Meßplatz, Kind, komm herab! Es ist Gott, der wiegt und misst. Bleibe du davon, sitze zu seinen Füßen und sei still. Sei still, es ist alles gut, es wird sicherlich gut enden. Gott ist noch der Herr.
Dann fügt er hinzu: „sei stark,“ als wenn diese Befürchtungen Daniel schwach machten und als wenn es wichtig sei, dass er stark wäre. Nun, wenn überhaupt irgend eine Wichtigkeit in uns ist, und es ist nicht viel, so wird das, was wir an unsrem gegenwärtigen Platze tun können, sicherlich all unsre Stärke erfordern. Und da unsre Furcht uns ganz entschieden für alle praktischen Zwecke schwächt, so sollte sie abgeschüttelt werden. Daher sagt der Engel zweimal: „Sei stark, ja, sei stark;„ und, Geliebte, wir sollten stark im Glauben sein, denn Gott verdient es. Er hat uns Verheißungen unserer Sicherheit, seines endlichen Sieges und des Triumphes seiner Sache gegeben, und Gott hat noch nie gelogen. Warum sollten wir denn an Ihm zweifeln? Die, welche Ihm trauen, sind noch nie zu schänden geworden. Er verdient, dass wir uns auf Ihn verlassen, und wenn die Dinge noch schwärzer würden und die Zeiten schlimmer und die wahre Religion fast ganz unterdrückt wäre und nur noch in eines einzigen Mannes Herzen lebte, so sollte dieser Mann glauben, dass Gott dennoch Sieger bleiben würde und sollte keine Zweifel haben, denn warumsollte er dem Vater unsres Herrn Jesu Christi misstrauen, dem Unfehlbaren, dem Unveränderlichen und Wahrhaftigen! O Bruder, da du diesen Grund und Halt für deine Stärke hast, so gedenke daran, dass dein Werk alle deine Stärke von dir verlangt. Wie kannst du beten mit diesen Zweifeln im Innern? Wie willst du andre lehren, während du selber zweifelst? Wie kannst du deinen Dienst ausrichten, wenn Seufzer von dir aufsteigen? Gesang, lieblicher Gesang ist das, was von dem Arbeiter für den Herrn, den Gott Israels, ausströmen sollte. Sei also stark. Falle nieder vor dem Herrn in ernstem Gebet und bitte Ihn, dein ängstliches Sorgen hinwegzunehmen, und dich, da du hochgeliebt bist, stark zu machen.
Bedenkt, Geliebte, besonders ihr, die irgendwie hervorragend sind, dass andre sich nach euch richten werden, und wenn ihr mit verhaltenen! Atem, mit Zitternden Worten sprecht, so werden andre auch schwach sein. Deshalb fürchtet euch nicht — seid stark, ja, seid stark. Und bedenkt, es ist im Grunde gar keine Ursache zur Angst da! Habt ihr nicht lange genug gelebt, um zu sehen, dass stets, wenn Menschen gemeint haben, die Sachen gingen am schlimmsten, sie am besten gegangen sind. Es ist eine Strömung unter der Oberfläche, die das Auge nicht sieht, die oft stärker ist als der obere Fluss.
Und außerdem, wenn es nicht so wäre, habt ihr nie gesehen, haben eure Väter euch nicht gesagt, dass der dunkelste Teil der Nacht der ist, der dem aufdämmernden Tage vorhergeht? Habt ihr nie bemerkt, dass, wenn die wahre Religion entweder in eurer eignen Seele oder in der Welt zurückgegangen scheint, sie plötzlich wieder einen Sprung vorwärts tut? Es kommen Wellen ans Ufer und jede scheint stärker als die vorige; aber dann kommt eine, die sie alle zurücknimmt, und ihr mögt denken, dass das Meer von seiner Stärke nachlässt: doch die Flut kommt heran, sie kommt, selbst während die Welle so weit zurückweicht. Alles wirkt für den Fortschritt, obgleich hier und da ein Rückschritt scheinen mag. Dort rauscht der Strom daher wie ein mächtiger Niagara, und du bist nah am Ufer in einen: kleinen Strudel, drehst dich rund und rund in einem einzigen Wirbel, und du sagst: „Der Strom fließt in verkehrter Richtung, er hat keinen Fortschritt gemacht, ich bin dieser Kreisbewegung müde.“ Ah! aber du bist nie in dem breiten Strom gewesen, oder wenn dein Auge darauf geschaut hat, so ist es von dem Anblick seiner Breite und Länge geblendet worden, und du hast ihn nicht verstanden. Der Herr regiert, der Herr, der allmächtige Gott, regiert und Jesus sitzt an seiner Seite, während die Wahrheit, gleich seinem Engel, seiner Fußspur folget, immer noch mächtig. Und der Geist, der eine Zeitlang seine große Macht verhüllt und sich in den geheimen Kammern seiner Gemeinde verborgen hat, wird hervorgehen, und der Tag soll kommen, wo des Herrn Wahrheit unter dem Volk mit Macht verkündet wird, ja, mit solcher Macht, dass die Welt sich davor beugen soll, und der Lobgesang emporsteigen wird zum Herrn, dem allmächtigen Gott, denn Er soll angebetet werden vom Aufgang der Sonne bis zu ihrem Niedergang!
O, ihr jungfräulichen Seelen, die ihr dem Lamme nachfolget, wo es hin- geht, folget Ihm stets nach! Haltet eure Kleider unbefleckt von der Welt. Seid der Wahrheit und dem Gewissen streng treu. Ihr seid Hochgeliebte, lasst euren Geist nicht verzagen. Es entfalle keinen! Menschen das Herz um des Goliaths willen, der uns entgegentritt! Er ist nur ein Geschöpf und wird schwinden und sterben. Fürchtet euch nicht, Friede sei mit euch, seid stark, ja, seid stark! Der Herr stärke euch. Amen.