Gehalten am Sonntag Morgen, den 25. März 1877.
„Die Starken bedürfen keines Arztes, sondern die Kranken. Ich bin gekommen zu rufen den Sündern zur Buße und nicht den Gerechten.“ Mark. 2,17.
„Christus ist für uns Gottlose gestorben.“ Röm. 5,6.
„Darum preist Gott seine Liebe gegen uns, dass Christus für uns gestorben ist, da wir noch Sünder waren.“ Röm. 5,8.
„Denn das ist je gewisslich wahr und ein teuer wertes Wort, dass Christus Jesus gekommen ist in die Welt, die Sünder selig zu machen.“ 1. Tim. 1,15.
Letzten Donnerstag Abend stand ich, obwohl es mir recht schwer ward, hier, um das Evangelium von Jesu Christo zu predigen, und ich führte einen der einfachsten Texte aus, die sich denken lassen, der nichts enthielt, als die allerschlichtesten Elemente des Evangeliums. Innerhalb weniger Minuten hatte ich eine Ernte von der Predigt. Die Versammlung war nicht zahlreich, denn ihr wisst, wie schlechtes Wetter es war und wie wenig ihr erwartetet, dass euer Pastor im Stande sein würde, zu predigen; aber drei Seelen kamen nachher unaufgefordert, um zu bezeugen, dass sie Frieden mit Gott gefunden hätten. Wie viele mehr da gewesen sind, weiß ich nicht, aber diese drei suchten die Brüder auf und legten ein gutes und herzliches Bekenntnis ab für die selige Tatsache, dass sie zum ersten Mal in ihrem Leben den Plan der Seligkeit verstanden hätten. Nun, es schien mir, dass, wenn ein einfaches evangelisches Thema so schnell Nutzen brachte, ich besser täte, bei ähnlichen Gegenständen zu bleiben. Wenn ein Landmann weiß, dass ein gewisser Same ihm so gut gelohnt hat, dass er nie früher eine bessere Ernte hatte, so wird er bei diesem Samen bleiben und mehr davon säen.
Jenes Verfahren in der Landwirtschaft, das guten Erfolg gehabt hat, sollte beibehalten und selbst in größerem Maßstabe angewandt werden. So will ich diesen Morgen nur das A-B-C des Evangeliums predigen, die Anfangsgründe der Kunst des Heils, und ich danke Gott, dass mir dies nichts Neues sein wird. Möge Gott, der Heilige Geist, in Erhörung eurer Gebete, uns heute Morgen einen Lohn gewähren in demselben Verhältnis wie vorigen Donnerstag, dann wird unser Herz außerordentlich fröhlich sein.
Aus einer sehr großen Anzahl habe ich die vier Texte ausgewählt, die ich eben verlesen habe, um die Wahrheit darzulegen, dass die Sendung unseres Herrn sich auf Sünder bezog. Wozu kam Jesus in die Welt? Für wen kam er? Dies sind Fragen der größten Wichtigkeit und sie sind klar in der Schrift beantwortet. Als die Kinder Israel zuerst das Manna außen vor dem Lager fanden, sprachen sie zu einander: „Man?“ oder: was ist es? denn sie wussten nicht, was es war. Da lag es, rund und klein wie der Reif auf dem Land. Ohne Zweifel betrachteten sie es, rieben es in ihren Händen und rochen daran, aber wie froh waren sie, als Moses sagte: „Es ist das Brot, das euch der Herr zu essen gegeben hat.“ Es dauerte nicht lange, bis sie die gute Botschaft auf die Probe stellten, denn ein Jeglicher sammelte sein Gomer und nahm es heim und bereitete es nach seinem Gefallen. Nun, in Betreff des Evangeliums sind Viele, die ausrufen könnten: „Man?“ denn sie wissen nicht, was es ist. Sehr oft sind sie auch im Irrtum über seine Absichten und Zwecke, und wähnen, es sei eine Art verbessertes Gesetz, oder ein leichterer Weg zur Seligkeit durch Werke, und deshalb irren sie auch in ihrer Vorstellung von den Personen, für die es bestimmt ist. Sie bilden sich ein, dass die Segnungen des Heils sicher für die seien, die ihrer würdig sind und dass Christus der Erlöser derer sei, die ein Verdienst besäßen. Nach dem Grundsatz: „Gutes für die Guten“ schließen sie, dass Gnade. für die Vortrefflichen ist und Christus für die Tugendhaften. Deshalb ist es etwas sehr Nützliches, wenn wir beständig die Menschen daran erinnern, was das Evangelium ist, und für wen es in die Welt gesandt ist; denn obgleich die große Masse von euch gut genug weiß und nicht nötig hat, dass es ihr gesagt wird, so sind doch eine Menge um uns her, die in schweren Irrtümern beharren, und wieder und wieder in den allereinfachsten Lehren der Gnade unterrichtet werden müssen. Mühsame Erklärungen tiefer Geheimnisse tun weniger Not, als deutliche Erklärungen einfacher Wahrheiten. Viele haben nur einen kleinen Schlüssel nötig, um das Schloss zu öffnen und die Tür des Glaubens aufzutun, und solchen Schlüssel, hoffe ich, möchte Gottes unendliche Barmherzigkeit heute Morgen in ihre Hand legen. Unsere Aufgabe ist, zu zeigen, dass das Evangelium für Sünder bestimmt ist, dass es ein Auge auf Schuldige hat; dass es nicht in die Welt gesandt ist als eine Belohnung für die Guten und Trefflichen oder für die, welche meinen, sie hätten irgend ein Maß von Tauglichkeit oder Bereitung für die göttliche Huld, sondern dass es bestimmt ist für die, welche das Gesetz gebrochen, für die Unwürdigen, für die Gottlosen, für die, welche in der Irre gegangen sind wie verlorene Schafe, oder ihres Vaters Haus verlassen wie der verlorene Sohn. Christus starb, um Sünder zu retten und er macht die Gottlosen gerecht. Diese Wahrheit ist deutlich genug in dem Wort, aber da das menschliche Herz sich dagegen aufbäumt, wollen wir um so ernstlicher sie hervorheben.
Zuerst, selbst ein oberflächlicher Blick auf unseres Herrn Sendung genügt, zu zeigen, dass sein Werk für die Sündigen war. Denn, lieben Brüder, die Herabkunft des Sohnes Gottes in diese Welt, als ein Heiland, setzt voraus, dass die Menschen von einem großen Übel durch eine göttliche Hand befreit werden mussten. Das kommen eines Heilandes, der durch seinen Tod Vergebung für menschliche Sünde bewirken sollte, zeigt, dass die Menschen sehr schuldig waren und unfähig, sich durch eigenes Tun Vergebung zu schaffen. Ihr hättet nie einen Heiland gesehen, wenn kein Fall gewesen wäre. Das Welken Edens ging notwendig dem Seufzen Gethsemanes vorher. Ihr hättet nie von einem Kreuz gehört und von einem blutenden Heiland an demselben, wenn ihr nicht zuerst von einem Baum der Erkenntnis des Guten und Bösen gehört und von einer ungehorsamen Hand, welche die verbotene Frucht abpflückte. Wenn die Sendung unseres Herrn nicht für die Schuldigen war, so war sie ganz und gar unnötig, so weit wir sehen können. Was rechtfertigt die Menschwerdung, ausgenommen das Verderben des Menschen? Was erklärt das leidende Leben unseres Herrn, als die Schuld des Menschen? Vor allem, was erklärt seinen Tod und die Wolke, unter welcher er starb, als die menschliche Sünde? „Wir gingen alle in der Irre wie Schafe, aber der Herr warf unser Aller Sünde auf ihn.“ Das ist die Antwort auf ein sonst nicht zu beantwortendes Rätsel.
Wenn wir einen Blick werfen auf den Bund, unter dem unser Herr kam, nehmen wir bald wahr, dass dieser sich auf schuldige Menschen bezieht. Der Segen des Bundes der Werke hat mit Menschen zu tun, die unschuldig sind, und ihnen verheißt er große Segnungen. Wenn Seligkeit durch Werke wäre, so würde sie durch das Gesetz gewesen sein, denn das Gesetz ist aufrichtig und gerecht und gut; aber der neue Bund hat augenscheinlich mit Sündern zu tun, denn er spricht nicht von dem Lohn des Verdienstes, sondern er verheißt frei: „Ich will gnädig sein ihrer Untugend und ihren Sünden und ihrer Ungerechtigkeiten will ich nicht mehr gedenken.“ Wenn keine Untugend und Sünden und Ungerechtigkeiten da gewesen wären, so wäre der Gnadenbund nicht nötig gewesen, dessen Bote und Gesandter Christus ist. Der flüchtigste Blick auf unseres Herrn amtlichen Charakter als der Adam des neuen Bundes, sollte hinreichen, uns zu überzeugen, dass seine Botschaft für schuldige Menschen ist. Moses kommt zu zeigen, wie die Heiligen handeln sollen, aber Jesus kommt zu offenbaren, wie die Unheiligen gereinigt werden mögen.
Wenn wir von der Sendung Christi sprechen hören, wird sie immer beschrieben als eine der Gnade und Barmherzigkeit. In der Erlösung, die in Christo Jesu ist, ist es immer die Barmherzigkeit Gottes, die gepriesen wird - nach seiner Barmherzigkeit errettete er uns. Er vergibt uns unsere Übertretungen um Christi willen, nach seiner reichlichen Barmherzigkeit. „Das Gesetz ist durch Mosen gegeben, aber Gnade und Wahrheit durch Jesum Christum. Gottes Gnade und Gabe ist vielen reichlich widerfahren durch die Gnade des einigen Menschen, Jesu Christo.“ Der Apostel Paulus, der am völligsten das Evangelium auslegte, macht Gnade zu dem Einen Wort, auf dem er die Töne anschlägt: „Wo aber die Sünde mächtig geworden ist, da ist doch die Gnade viel mächtiger geworden.“ Aus Gnaden seid ihr selig geworden durch den Glauben, und dasselbige nicht aus euch, Gottes Gabe ist es.“ Gnade herrscht durch die Gerechtigkeit zum ewigen Leben, durch Jesum Christum, unseren Herrn.“ Aber, Brüder, Barmherzigkeit setzt Sündigkeit voraus; auf den Gerechten kann keine Barmherzigkeit ausgedehnt werden, denn die Gerechtigkeit selber sichert ihnen alles Gute zu. Die Gnade kann auch nur für Übertreter sein. Welche Gnade brauchen die, welche das Gesetz gehalten haben und vor Jehova sich ein Verdienst erworben? Für sie wäre das ewige Leben etwas, das ihnen gebührte, ein wohl verdienter Lohn; aber wenn ihr von Gnade sprecht, so schließt ihr sogleich Verdienst aus und führt einen ganz anderen Maßstab ein. Barmherzigkeit kann nur geübt werden, wo Sünde ist, und Gnade kann keinen Anderen erwiesen werden, als den Unwürdigen. Dies ist deutlich genug - und doch ruht die ganze Religion einiger Menschen auf einer ganz anderen Theorie.
Die Sache ist, wenn wir das Evangelium von der Gnade Gottes zu erwägen beginnen, so sehen wir schon, dass es sein Auge auf die Sünde richtet, wie ein Arzt nach der Krankheit ausschaut oder wie die christliche Liebe nach dem Elend. Das Evangelium lässt seine Einladungen ergehen; aber was sind die Einladungen? Sind sie nicht an die gerichtet, die von einer Last der Sünden niedergedrückt sind und sich abmühen, den Folgen derselben zu entgehen? Es lädt jedes Geschöpf ein, weil jedes Geschöpf seine Bedürfnisse hat, aber es sagt besonders: „Der Gottlose lasse von seinem Wege und der Übeltäter seine Gedanken.“ Es lädt die ein, die „nicht Geld“ haben oder mit anderen Worten „nicht Verdienst.“ Es ruft die herbei, welche elend sind und durstig und arm und nackt, und all dieses ist nur als Bild gebraucht von den Zuständen, die durch die Sünde herbei geführt werden. Die Gaben des Evangeliums sogar setzen die Sünde voraus; Leben ist für die Toten, Gesicht ist für die Blinden, Freiheit ist für die Gefangenen, Reinigung ist für die Unreinen, Freisprechung ist für die Sündigen. Rein Segen des Evangeliums wird als eine Belohnung vorgehalten und keine Einladung ergeht an diejenigen, welche die Segnungen der Gnade als ein Recht beanspruchen; die Menschen werden eingeladen, zu kommen und sie umsonst von der Gnade Gottes anzunehmen. Und was sind die Gebote des Evangeliums? Tut Buße. Aber wer anders tut das als ein Sünder? Glaubt. Aber glauben ist nicht nach dem Gesetz; das Gesetz spricht nur vom Tun. Glauben hat es mit den Sündern zu tun und mit der Seligkeit aus Gnaden.
Die Art, wie das Evangelium sich selbst darstellt, bezieht sich gewöhnlich auf den Sünder. Der große König, der ein Abendmahl machte, findet keinen Gast für seinen Tisch unter denen, die natürlicherweise erwartet wurden, sondern von den Landstraßen und Zäunen werden die Menschen genötigt, hereinzukommen. Wenn das Evangelium sich selber als ein Gastmahl beschreibt, so ist es ein großes Gastmahl für die Blinden, die Krüppel, die Lahmen; wenn es sich als einen Born beschreibt, so ist es ein Born, offen für Sünde und Unreinigkeit. Allenthalben, in Allem, was es tut und sagt und bereitet für die Menschen, beweist sich das Evangelium als des Sünders Freund. Die Bezeichnung für den Stifter und Herrn desselben ist noch stets: „Dieser nimmt die Sünder an.“ Das Evangelium ist ein Hospital für die Siechen, keine Andern als die Schuldigen werden je die Wohltaten desselben annehmen; es ist Arznei für die Kranken, die Gesunden und die Selbstgerechten werden nie seinen heilenden Trank schätzen. Denen, welche sich einbilden, etwas Gutes vor Gott zu haben, wird nichts daran liegen, durch freie Gnade errettet zu werden. Das Evangelium, sage ich, wendet sich an die Sünder. In dieser Richtung und in dieser Richtung allein teilt es seine Segnungen aus.
Und Brüder, ihr wisst, dass das Evangelium immer seine größten Trophäen unter den Allersündigsten gefunden hat; es wirbt seine Krieger an, nicht nur unter den Schuldigen, sondern unter den Aderunschuldigsten. „Simon,“ sprach unser Herr, „ich habe dir etwas zu sagen: Es hatte ein Wucherer zwei Schuldner. Einer war schuldig fünfhundert Groschen, der andere fünfzig. Da sie aber nicht hatten zu bezahlen, schenkte er es beiden. Sage an, welcher unter denen wird ihn am meisten lieben?“ Das Evangelium geht von dem Grundsatz aus, dass der, welchem viel vergeben ist, viel liebt, und deshalb ist es die Freude unseres gnädigen Gottes, die Schuldigsten auszusuchen und sich ihnen mit reichlicher und überfließender Liebe zu offenbaren, indem er sagt: „Ich vertilge deine Missetat wie eine Wolke und deine Sünde wie den Nebel.“ Unter großen Missetätern findet es seine wärmsten Liebhaber, wenn es sie einmal errettet hat, von diesen empfängt es das herzlichste Willkommen und in ihnen erhält es die begeistertsten Anhänger. Große Sünder krönen, wenn sie errettet werden, die freie Gnade mit ihren strahlendsten Diademen. Wohl können wir sicher sein, dass es sein Auge auf die Sünder richtet, da es unter den größten Sündern seinen höchsten Ruhm findet.
Es ist noch eine andere Bemerkung, die sehr auf der Oberfläche liegt, nämlich, wenn das Evangelium nicht sich an die Sünder wendet, an wen anders kann es sich wenden? Es scheint in letzter Zeit eine Wiederbelebung des alten murrenden Sinnes stattgefunden zu haben, so dass stolze Pharisäer uns beständig sagen, die Predigt von der Rechtfertigung durch den Glauben würde übertrieben, und wir führten die Leute dahin, geringer von der Sittlichkeit zu denken, indem wir die Gnade Gottes predigten. Dieser oft widerlegte Einwurf wird wieder erhoben, weil der Protestantismus Saft und Kraft verliert. Der Nerv und die Stärke der Lehre der Reformatoren war die große Lehre von der Gnade, dass die Seligkeit nicht durch Werke ist, sondern allein durch Gottes Gnade; und weil die Menschen von der Reformation sich abwenden und in den Romanismus hineintreiben, so schieben sie diese erhabene Wahrheit von der Rechtfertigung durch den Glauben allein in den Hintergrund und geben vor, davor bange zu sein. Aber o, welche Schurken und Narren sind die Meisten in dieser Sache! Ich lege ihnen allen diese Eine Frage vor: Für wen, ihr Herren, wäre das Evangelium bestimmt, wenn nicht für Sünder, denn was seid ihr anders, als Sünder? Ihr, die ihr davon schwätzt, dass die Sittlichkeit Schaden litte, dass die Heiligkeit nicht beachtet werde, was habt ihr mit beiden zu tun? Die Leute, welche gewöhnlich diese Einwände erheben, täten in der Regel besser, über solche Dinge zu schweigen. Im Allgemeinen sind diese gewaltigen Verteidiger der Sittlichkeit und Heiligkeit außerordentlich lasch, während die, welche an die Gnade Gottes glauben, oft des Puritanismus und der Strenge beschuldigt werden. Der, welcher auftritt und am meisten gegen die Lehre von der Gnade spricht, ist oft der, welcher am meisten der Gnade bedarf , während gerade der Mann, welcher gegen die guten Werke als Grund des Vertrauens eifert, sein Leben sorgfältig von den Geboten Gottes leiten lässt. Wisst, o Menschen, dass auf dem ganzen Erdboden kein Mensch lebt, auf den Gott mit Wohlgefallen blicken kann, wenn er ihn nach seinem Gesetz beurteilt. „Sie sind alle abgewichen, und allesamt untüchtig geworden; da ist nicht, der Gutes tun; auch nicht Einer,“ - nicht Ein Herz ist gesund und recht vor Gott von Natur, nicht Ein Leben ist rein und lauter, wenn der Herr es mit seinem allerforschendem Auge prüft. Wir sind alle in demselben Gefängnis eingeschlossen, als schuldig: wenn nicht gleichermaßen schuldig, doch schuldig im Verhältnis zu unserem Licht in unserer Erkenntnis und Jeder mit Recht verdammt, denn wir haben im Herzen geirrt und haben den Herrn nicht geliebt. Auf wen denn könnte das Evangelium blicken, wenn es sein Auge nicht auf Sünder richtete? Für wen anders könnte der Heiland gestorben sein? Wer anders ist in der Welt, für den die Wohltaten der Gnade bestimmt sein könnten?
Zweitens, je genauer wir zusehen, desto klarer wird diese Tatsache, denn, Brüder, das Werk des Heils ward sicherlich nicht getan für jemand von uns, die wir errettet sind, wegen' irgend etwas Gutem in uns. Wenn etwas Gutes in uns ist, so ward es durch die Gnade Gottes in uns hineingelegt und es war gewiss nicht da, als zuerst die Eingeweide der Barmherzigkeit Jehovas sich gegen uns zu regen begannen. Wenn ihr das erste Anzeichen des Heils nehmt, das auf der Erde sichtbar warb, nämlich das Kommen Christi, so wird uns davon gesagt: „Denn auch Christus, da wir noch schwach waren, nach der Zeit, ist für uns Gottlose gestorben. Nun stirbt kaum Jemand um eines Gerechten willen; um eines Guten willen dürfte vielleicht jemand sterben. Darum preist Gott seine Liebe gegen uns, dass Christus für uns gestorben ist, da wir noch Sünder waren. So dass unsere Erlösung, mein Bruder, bewirkt war, ehe wir geboren wurden. Dies war die große Liebe des Vaters, „damit er uns geliebt, da wir tot waren in den Sünden.“ Es war nichts in uns vorhergegangen, was diese Erlösung verdient haben könnte, in der Tat, der bloße Gedanke, den Tod Jesu zu verdienen, ist ungereimt und lästerlich. Ja, und als wir in Sünde lebten und sie liebten, wurden Anstalten zu unserem Heile getroffen; die göttliche Liebe war für uns geschäftig, während wir in Empörung geschäftig waren. Das Evangelium ward uns nahe gebracht, ernste Herzen wurden zum Gebet für uns getrieben, der Spruch ward geschrieben, der uns bekehren sollte; und wie ich schon gesagt habe, das Blut ward vergossen, was uns reinigt und der Geist Gottes ward gegeben, der uns erneuern sollte. All dieses ward getan, während unsere Seele noch nicht einmal nach Gott per: langte. Ist das nicht eine wundervolle Stelle im Ezechiel, wo der Herr vorüber ging und das hilflose Kind liegen sah, das aufs Feld geworfen und nicht gebadet oder in Windeln gewickelt war, sondern befleckt und besudelt mit seinem eigenen Blut? Es sagt, dass es eine Zeit der Liebe war, und doch war es eine Zeit der Verunreinigung und des Ekels. Er liebte nicht das erwählte Kindlein, weil es gut gewaschen und ordentlich gekleidet war, sondern er liebte es, als es schmutzig und nackend war. Lasst jedes gläubige Herz das freie Mitleid der göttlichen Liebe bewundern.
„Der Grund der Welt war nicht gelegt,
Der Himmel war noch nicht gemacht,
So hat Gott schon den Trieb geheget,
Der mir das Beste zugedacht,
Da ich noch nicht geschaffen war,
Da reicht er mir schon Gnade dar.“
Als dein Herz hart war, als dein Nacken steif war, als du nicht Buße tun wolltest, noch dich ihm ergeben, sondern dich immer mehr empörtest, da liebte er dich, ja dich, mit höchster Liebe? Warum solche Gnade? Warum in der Tat, als weil seine Natur voller Güte ist und er seine Lust an der Barmherzigkeit hat. Seht ihr es nicht, dass die Barmherzigkeit klar auf die Sündigen ausgedehnt wird und nicht gewährt, weil irgend etwas Gutes in ihnen dazu bewegt?
Seht noch ein wenig genauer zu. Was wollte unser Herr in der Welt tun? Hier ist die Antwort: „Er ist um unserer Missetat willen verwundet und um unserer Sünde willen zerschlagen. Die Strafe liegt auf ihm, auf dass wir Frieden hätten und durch seine Wunden sind wir geheilt.“ Er kam, um ein Sündenträger zu sein: und meint ihr, er sei nur gekommen, die kleinen, unbedeutenden Sünden der besten Menschen hinweg zunehmen, wenn es solche Sünden gibt? Setzt ihr voraus, dass er ein kleiner Heiland ist, der kam, uns von kleinen Übertretungen zu retten? Geliebte, es ist Jehovas einiger Sohn, der zur Erde kommt und die Last der Sünde trägt, einer Last, die er im Tragen keiner bloß scheinbaren Bürde findet, denn sie presste ihm blutigen Schweiß aus. So schwer ist diese Last, dass er sein Haupt zum Grabe beugt und selbst bis in den Tob, unter ihr. Diese furchtbare Last, die auf Christo lag, war unsere Sündenmenge; und daher, wenn wir in die Sache hineinblicken, nehmen wir wahr, dass das Evangelium mit Sündern zu tun hat. Keine Sünde! Dann ist das Kreuz ein Fehler. Reine Sünde! Dann war das Lama Asabthani eine gerechte Klage über unnötige Grausamkeit. Reine Sünde! Dann, o Erlöser, was sind diese Ehren, die wir dir so eifrig zugeschrieben haben? Wie kannst du Sünde hinwegtun, die nicht existiert? Das Vorhandensein großer Sünde ist in dem Kommen Christi angedeutet, und dieses Kommen war veranlasst und notwendig gemacht durch Sünde, gegen welche Jesus kommt als unser Befreier. Er erklärt, dass er einen Born geöffnet habe, gefüllt mit dem Blut seiner eigenen Adern. Aber wofür? Eine reinigende Quelle deutet auf Schmutz. Es muss sein, Sünder, dass irgendwo schmutzige Sünder sind, sonst würde es keine solche Staunen erregende Quelle geben wie diese, gefüllt von dem Herzen Christi. Wenn du schuldig bist, so bist du Einer, der die Quelle nötig hat und sie ist offen für dich. Komm mit all‘ deiner Sünde und Fäulnis und wasche heute Morgen dich und sie rein.
„Für die Sünder war es, dass er litt
Qual, die nicht auszusprechen ist.
Kannst du zweifeln, dass du sündig bist?
Wenn du's kannst, dann, Hoffnung fahre hin!
Aber glaubst du, was geschrieben steht:
Alle schuldig All' in Sünden tot,
Schaust du auf zum Kreuz, zu deinem Gott,
Dann wird Hoffnung in dir aufersteh'n.“
Brüder, alle Gaben, welche Jesus Christus zu erteilen kam, oder wenigstens die meisten derselben, setzen voraus, dass Sünde vorhanden ist. Was ist seine erste Gabe anders, als Vergebung? Mie kann er einem Menschen vergeben, der nicht übertreten hat? Mit aller Ehrfurcht sage ich es, es kann keine Vergebung sein, wo keine Übertretung stattgefunden. Sühne für Sünde und Austilgen der Missetat erfordern beide, dass Sünde da sein muss, die ausgetilgt wird, was wäre sonst Wirklichkeit daran? Christus kommt, Rechtfertigung zu bringen und das zeigt, dass ein Mangel an natürlicher Heiligkeit in den Menschen sein muss, sonst würden sie durch sich selber und ihre eigenen Werke gerechtfertigt werden. Und weshalb all dieses Reden von der Rechtfertigung durch die Gerechtigkeit des Sohnes Gottes, wenn die Menschen schon durch ihre eigene Gerechtigkeit gerechtfertigt sind? Die zwei Segnungen und andere derselben Art sind augenscheinlich nur auf sündige Menschen anwendbar. Reinen anderen Menschen können sie von Nutzen sein.
Unser Herr Jesus Christus kam auch mit göttlicher Macht umgürtet. Er sagt: „der Geist des Herrn ist auf mir.“ Wozu ward er mit göttlicher Macht umgürtet, wenn es nicht war, weil die Sünde alle Macht und Stärke dem Menschen genommen und er in einem Zustand war, aus dem er nur durch die Kraft des ewigen Geistes herausgehoben werden konnte? Und was folgt hieraus, als dass Christi Sendung für die ist, welche durch die Sünde ohne Kraft und ohne Verdienst vor Gott sind? Der Heilige Geist ist gegeben, weil der Geist des Menschen gefehlt hat: weil die Sünde das Leben aus dem Menschen genommen hat, und ihn tot in Sünden und Übertretungen gemacht hat, deshalb kommt der Heilige Geist, ihn zu einem neuen Leben zu erwecken und dieser Geist kommt durch Jesum Christum. Deshalb ist die Sendung Jesu Christi offenbar an die Schuldigen.
Ich will nicht unterlassen zu sagen, dass die großen Taten unseres Herrn, wenn ihr sie sorgfältig betrachtet, sich alle auf Sünder beziehen. Jesus lebt; es ist, um zu suchen und selig zu machen, was verloren ist. Jesus stirbt; es ist, um eine Sühne darzubringen für die Sünden der schuldigen Menschen. Jesus ersteht; er steht auf um unsrer Rechtfertigung willen, und wie ich gezeigt habe, wir würden keine Rechtfertigung brauchen, wenn wir nicht von Natur schuldig wären. Jesus fährt gen Himmel und er empfängt Gaben für die Menschen; aber beachtet dies besondere Wort: „Auch für die Abtrünnigen, dass Gott, der Herr, dennoch daselbst bleiben wird.“ Jesus lebt im Himmel, aber er lebt da, um Fürbitte zu tun. „Daher er auch selig machen kann immerdar, die durch ihn zu Gott kommen und lebt immerdar und bittet für sie.“ So nehmt, welchen Teil seines glorreichen Tuns ihr wollt, ihr werdet finden, dass er eine deutliche Beziehung hat auf die, welche in Schuld eingetaucht sind.
Und Geliebte, alle Gaben und Segnungen, die Jesus Christus uns gebracht hat, erhalten viel von ihrem Glanz dadurch, dass sie sich auf Sünder beziehen. In Christo Jesu sind wir erwählt, und für mein Gefühl liegt die Herrlichkeit der erwählenden Liebe darin, dass sie sich auf solche unwürdige Gegenstände richtet. Wie hätte irgend eine Erwählung stattfinden können, wenn es nach Verdienst gegangen wäre? Dann würden die Menschen ihren Rang eingenommen haben von Rechtswegen nach ihren eigenen Taten, aber die Herrlichkeit der Erwählung strahlt von Gnade, und Gnade hat immer zu ihrem Hintergrund und ihrer Folie die Unwürdigsten derjenigen, denen sie erzeigt wird. Die Erwählung Gottes ist nicht nach unseren Werken, sondern eine gnädige Wahl der Sünder. Betet an und staunt.
Wendet euch zu der wirksamen Berufung, und seht, wie lieblich es ist, dies zu betrachten als eine Berufung von den Toten, als eine Berufung von dem, das Nichts ist zu dem, das Etwas ist, als eine Berufung von den Verdammten zu Vergebung und Gunst. Dann blickt auf die Kindschaft. Was ist die Herrlichkeit der Kindschaft, als eben dies, dass Gott die zu Kindern angenommen hat, welche Fremde und Empörer waren? Was anders ist die besondere Schönheit der Wiedergeburt, als dass er im Stande gewesen ist, aus diesen Steinen Abraham Kinder zu erwecken? Was ist die Schönheit der Heiligung, als dass er solche unheilige Geschöpfe, wie wir sind, genommen hat, um uns zu Königen und Priestern vor Gott zu machen und uns ganz zu heiligen Geist, Seele und Leib? Für mein Gefühl ist es die Herrlichkeit des Himmels, zu denken, dass jene weißgekleideten Chorsänger meist faul und befleckt waren; jene selig Anbetenden einst Empörer wider Gott. Es ist ein froher Anblick, die ungefallenen Engel zu sehen, die ihren ersten Stand behalten haben, vollkommen rein und ewig Gott preisend; aber der Anblick gefallener Menschen, die Gott wiederhergestellt hat, ist noch voller von der Herrlichkeit Gottes. Wenn die Engel ihre frohen Stimmen auch noch so hoch in beständigen Chorälen erheben, so können sie doch nie die besondere Lieblichkeit des Liedes erreichen: „Wir haben unsere Kleider gewaschen und helle gemacht im Blut des Lammes.“ Sie können nicht durch eigene Erfahrung in die Wahrheit eindringen, welche der Herrlichkeit des Namens Jehovas die Krone aufsetzt: „Du bist erwürget und hast uns Gott erkauft mit deinem Blut.“ So habe ich überflüssig gezeigt, dass je weiter wir blicken, desto klarer ist es, dass das Evangelium auf Sünder abzielt und gerade für ihr Wohl bestimmt ist.
Nun, drittens ist es klar, dass es weise von uns ist, das Heil anzunehmen. Ich weiß, dass dies für Viele eine Lehre ist, die ihrem Geschmack nicht zusagt. Wohl, Freund, du tätest besser, deinen Geschmack zu ändern, denn du wirst nie im Stande sein, die Lehre zu ändern. Es ist die Wahrheit des ewigen Gottes und kann nie verändert werden. Das Beste, was du tun kannst, da das Evangelium auf die Sünder blickt, ist, dahin zu geben, wohin das Evangelium blickt, und ich kann dir dies empfehlen, nicht nur, weil es klug ist, sondern auch weil es ehrlich ist, denn du wirst nur an deinem rechten Platze sein, wenn du da bist. Ich meine, ich höre Einwände erheben. „Mir gefällt diese Lehre nicht. Soll ich auf dieselbe Weise selig werden, wie der sterbende Schächer?“ Genau so, mein Herr, es wäre denn, dass Ihnen vielleicht noch mehr Gnade er: zeigt würde, als Jenem. „Aber wollen Sie denn behaupten, dass ich in Sachen des Heils auf gleiche Linie mit dem Weibe, das eine Sünderin war, gestellt werden solle? Ich bin rein und keusch gewesen und soll ich meine Seligkeit eben so sehr der freien Gnade Gottes danken, als sie es tat?“ Ja, Herr, ich sage das, gerade so, wie es da steht. Es ist nur Eine Weise, auf welche der Herr Menschen errettet, und das ist die der bloßen Gnade. Ich wünsche, dass du dies verstehst. Selbst wenn es unter deinen Zähnen knistert wie Gries und dich zornig macht; es soll mir nicht leid tun, wenn du nur weißt, was ich meine; denn die Wahrheit mag vielleicht noch Eingang in deine Seele finden und du magst noch vor ihrer Macht dich beugen. O, ihr Kinder gottesfürchtiger Eltern, ihr jungen Leute mit trefflicher Moral und zartem Gewissen, zu euch spreche ich, selbst zu euch. Freut euch eurer Vorrechte, aber rühmt euch derselben nicht, denn auch ihr habt gesündigt, ihr habt gesündigt wider besseres Wissen und Licht, ihr wisst, dass ihr es habt. Wenn ihr nicht in gröbere Sünden im Tun und Handeln euch gestürzt habt, so seid ihr doch in Wünschen und in Vorstellungen weit genug abgeirrt, und in vielen Dingen habt ihr schwer gegen Gott gesündigt. Wenn du mit diesen Betrachtungen von dir deinen Platz als ein Sünder einnimmst, wirst du nicht entwürdigt, sondern stehst nur da, wo du hingehörst.
Und dann erinnere dich, wenn du den Segen auf diesem Wege erhältst, so hast du ihn auf den sich ersten Wege, der möglich ist, erhalten. Gesetzt, da sind eine Reihe Zimmer für Gäste, und ich habe meinen Sitz in einem der besten, so habe ich vielleicht kein Recht, da zu sein. Ich esse und trinke, was für höhere Gäste bereitet ist, aber mein Billett bezeichnet mich nicht als einen Solchen und deshalb fühle ich mich unbehaglich. Bei jedem Mundvoll, den ich esse, denke ich: „Ich weiß nicht, ob mir erlaubt werden wird, hier zu bleiben, vielleicht wird der Herr des Festes hereinkommen und sagen: „Freund, wie bist du hereingekommen?“ und ich muss mit Schanden das unterste Zimmer nehmen.“ Brüder, wenn wir am untersten Ende anfangen und im untersten Zimmer sitzen, so fühlen wir uns sicher, wir sind zufrieden, dass das, was wir erhalten, für uns gemeint ist und nicht von uns genommen wird. Vielleicht auch, dass der König, wenn er kommt, uns in ein höheres Zimmer versetzt. Es geht nichts über das Beginnen mit dem untersten Platze. Wenn ich eine Verheißung ergreife als ein Heiliger, habe ich meine Zweifel daran, aber wenn ich sie als ein Sünder erfasse, so kann ich sie nicht in Frage stellen. Wenn der Herr mich von seiner Gnade leben heißt, als sein Kind, so tue ich es, aber der Teufel flüstert mir zu, dass ich anmaßend sei, weil ich niemals die Kindschaft durch die Gnade erlangt; aber wenn ich zu Jesu komme als ein schuldiger, unwürdiger Sünder und nehme, was mir der Herr freiwillig anbietet, wenn ich glaube: so kann der Teufel selber mir nicht sagen, dass ich kein Sünder bin, oder wenn er es tut, so ist die Lüge zu offenbar und verursacht mir keine Not. Es geht nichts über einen unveräußerlichen Rechtstitel und wenn du in demselben als ein Sünder beschrieben bist, so ist der Titel ein unbestreitbarer, denn verlass dich darauf, ein Sünder bist du. So ist des Sünders Platz dein rechter Platz und dein sicherster Platz.
Ein anderer Segen ist: es ist ein Platz, an den du sogleich gelangen kannst, in diesem Augenblicke selbst. Wenn das Evangelium nur für Menschen in einem gewissen Herzenszustande, in dem sie lobenswerte Tugenden in sich finden, wäre, wie lange Zeit würde ich brauchen, mein Herz in diesen Zustand zu erheben? Wenn Jesus Christus in die Welt kommt, Menschen zu erretten, die ein gewisses Maß Vortrefflichkeit haben, wie lange werde ich brauchen, dieses zu erreichen? Ich kann krank werden und in einer halben Stunde sterben, und den Spruch des ewigen Gerichts hören, und es wäre ein armseliges Evangelium, das mir sagte, ich könnte möglicherweise selig werden, wenn ich in einem Zustand wäre, den ich erst im Verlauf einiger Monate erreichen könnte. Zu dieser Stunde weiß ich, ein sterbender Mensch. dass ich aus dieser Welt gegangen und aus dem Bereich der Gnade sein mag innerhalb einer Stunde; was für ein Trost ist es, dass das Evangelium kommt und sich mir gibt eben jetzt, so wie es mich findet!
Ich bin schon in dem Zustand, in dem die Gnade mit dem Menschen beginnt, denn ich bin ein Sünder und ich habe nur anzuerkennen, dass ich es bin. Nun denn, arme Seele, sitze nieder vor dem Herrn und sage: „Herr, kommt dein Sohn, die Schuldigen zu retten? Ich bin ein Solcher und ich traue auf ihn, dass er mich errettet. Starb er für die Gottlosen? Ich bin ein solcher, Herr, ich traue auf sein Blut, für meine Reinigung. War sein Tod für Sünder? Herr, ich stelle mich als solcher dar. Ich bekenne mich schuldig. Ich nehme den Spruch deines Gesetzes als gerecht an, aber rette mich, Herr, denn Jesus starb.“ Es ist getan; du bist errettet. Geh' in Frieden, mein Sohn, deine Sünden sind dir vergeben. Geh', meine Tochter, gehe hin und freue dich: der Herr hat deine Sünden hinweg genommen; du sollst nicht sterben, denn wer da glaubt, der ist gerechtfertigt von aller Sünde. Wohl dem Menschen, dem der Herr die Missetat nicht zurechnet, in des Geist kein Falsch ist. Stelle dich denn an deinen rechten Platz, nimm die Stellung an, welche die Gnade dir anweist. Rede nicht von Gerechtigkeit und Verdienst; sondern rufe das Erbarmen und die Liebe an. Ein gewisser Mann hatte mehrere Mal ein Komplott gegen Napoleon I. gemacht und am Ende, als er ganz in des Kaisers Händen war, wurde das Todesurteil über ihn ausgesprochen. Seine Tochter flehte ernstlich um sein Leben und zuletzt, als sie eine Audienz beim Kaiser erhalten, fiel sie vor ihm auf die Knie nieder. Mein Kind,“ sagte der Kaiser, „es nützt nichts, für den Vater zu bitten, denn ich habe den klarsten Beweis seiner wiederholten Verbrechen und es ist nur Gerechtigkeit, wenn er den Tod erleidet.“
Das Mädchen erwiderte: „Sire, ich bitte nicht um Gerechtigkeit, ich flehe um Gnade. Es ist die Barmherzigkeit Ihres Gemütes und nicht die Gerechtigkeit der Rache, auf die ich traue.“ Sie ward geduldig angehört, und ihres Vaters Leben ward auf ihre Bitten geschont. Ahmt dieser Berufung nach und schreit: „Sei mir gnädig, Herr, nach deiner großen Güte.“ Die Gerechtigkeit ist dir nichts schuldig, als den Tod, die Gnade allein kann dich schonen. Wirf jeden Gedanken daran weg, als gut zu erscheinen, gestehe, dass du schlecht bist und bekenne dich als schuldig. Übergib dich der Gnade des Gerichtes und bitte um Gnade, freie Gnade, unverdiente Gnade, bloße Huld. Das ist's, um das du bitten musst, und wie man im Rechte eine Form des Bittstellens hat, die in forma pauperis genannt wird, das heißt, in der Form eines Armen. Komme in dieser Weise und als ein Mensch, der voller Bedürfnisse ist, bitte um Gunst von der Hand Gottes, in forma pauperis, und sie wird dir verliehen werden.
Nun schließe ich diesen Vortrag mit dem nächsten Punkte, welcher ist, diese Lehre hat einen sehr heiligenden Einfluss. „Ah,“ sagt Jemand, „ich glaube das nicht. Gewiss, du bietest eine Prämie aus für die Sünde, wenn du sagst, dass Christus nur zur Rettung der Sünder gekommen ist und Niemanden zur Buße ruft, als die Sündigen.“ Meine lieben Herren, ich habe diese Art Reden so oft gehört, dass ich sie auswendig weiß; dieselben Einwürfe wurden gegen diese Lehre in Luthers Tagen von den Papisten erhoben, und seitdem von Werkheiligen aller Art. Es ist nichts Wirkliches in ihrer Vorstellung, dass freie Gnade im Gegensatz zur Sittlichkeit steht; es ist nur ihre Einbildung. Sie träumen, dass die Lehre von der Rechtfertigung durch den Glauben zur Sünde führen wird, aber es kann aus der Geschichte bewiesen werden, dass, wann diese Lehre am besten gepredigt worden, die Menschen am heiligsten gewesen sind und wo immer diese Wahrheit verdunkelt ward, da ist alle Art Verderben eingerissen. Die Lehre von der Gnade und ein Leben voll Gnaden gehen gut zusammen, und gesetzliche Lehre und ungesetzliches Leben sind gewöhnlich vergesellschaftet.
Lasst mich euch nun die heiligende Kraft dieses Evangeliums zeigen. Seine erste Wirkung in dieser Beziehung ist diese: wenn der Heilige Geist die Wahrheit von der freien Vergebung einem Menschen nahe bringt, so verändert diese gänzlich alle seine Gedanken über Gott. „Was,“ sagt er, „hat Gott mir frei alle meine Übertretungen um Christi willen vergeben? Und liebt er mich ungeachtet aller meiner Sünden? Ich wusste nicht, dass er so wäre, so gnädig und freundlich! Ich meinte, er wäre hart; ich nannte ihn einen Tyrannen, der sammelte, wo er nicht gestreut; aber ist dies sein Gefühl gegen mich?“ Dann,“ spricht die Seele „will ich ihn wieder lieben.“ Es entsteht eine völlige Umwälzung des Gefühls; der Mensch ist ganz und gar verwandelt, sobald er die erlösende Gnade und die sterbende Liebe versteht. Bekehrung folgt, sobald die Gnade gesehen wird.
Überdies tut diese erhabene Wahrheit mehr noch, als den Menschen bekehren, sie begeistert, schmilzt, belebt und entflammt ihn. Dies ist eine Wahrheit, welche die Tiefen des Herzens erregt und den Menschen mit lebendiger Bewegung erfüllt. Ihr spracht zu ihm vom Gutestun und vom Recht und Gerechtigkeit und Lohn und Strafe, und er hörte alles an und es mochte etwas Einfluss auf ihn haben, aber er fühlte es nicht tief. Solche Lehre ist zu kalt, das Herz zu wärmen. Die Wahrheit, welche dem Menschen zu Herzen geht, erscheint ihm neu und aufregend. Sie lautet: Gott vergibt aus freier Gnade dem Schuldigen und er hat dir vergeben. Ja, dies erweckt ihn, erregt ihn, rührt die Quelle seiner Tränen an und bewegt sein ganzes Wesen. Vielleicht ist das Evangelium ihm beim ersten Hören gleichgültig und er hasst es vielleicht sogar, aber wenn es mit Kraft kommt, so gewinnt es eine wunderbare Herrschaft über ihn. Wenn er wirklich die Botschaft desselben annimmt, dann wird sein kaltes, steinernes Herz in ein fleischernes verwandelt; warme Bewegung, zarte Liebe, demütiges Verlangen und eine heilige Sehnsucht nach dem Herrn werden in dem Busen erregt. Die lebendig machende Kraft dieser göttlichen Wahrheit, eben so wohl wie ihre bekehrende, kann nie zu sehr bewundert werden. Diese Wahrheit, wenn sie in das Herz kommt, versetzt dem menschlichen Dünkel einen schweren Schlag. Mancher wäre weise geworden, wenn er nicht gemeint, dass er es schon wäre; und Mancher wäre tugendhaft gewesen, hätte er nicht den Schluss gezogen, dass er es schon sei. Seht, diese Lehre schlägt alles Vertrauen auf euer eigenes Gut zu Boden und lässt euch eure Schuld fühlen; und indem sie das tut, nimmt sie das große Übel des Stolzes hinweg. Ein Gefühl der Schuld ist die wahre Schwelle der Gnade. Ein Bewusstsein der Mängel, ein Schmerz über vergangene Übertretungen ist eine notwendige Vorbereitung für ein edleres und höheres Leben. Das Evangelium gräbt in den Grund, macht einen großen leeren Raum, und legt da die köstlichen Grundsteine eines edlen geistlichen Lebens.
Überdies, wo diese Wahrheit aufgenommen wird, entspringt sicherlich in der Seele ein Gefühl der Dankbarkeit. Der, welchem viel vergeben ist, wird auch viel lieben. Dankbarkeit gegen Gott ist eine große Triebfeder zu heiligen Handlungen. Die, welche recht tun, um dafür belohnt zu werden, handeln selbstsüchtig. Selbstsucht ist auf dem Grunde ihres Charakters, sie enthalten sich der Sünde, damit sie selbst nicht leiden, und sie gehorchen nur, damit ihr Ich sicher und glücklich sein möge. Der Mensch, welcher recht tut, nicht wegen Himmel und Hölle, sondern weil Gott ihn errettet hat und er den Gott liebt, der ihn errettet hat, liebt in Wahrheit das Recht. Wer das Rechte liebt, weil Gott es liebt, ist aus dem Sumpf der Selbstsucht emporgestiegen zu der erhabensten Tugend, er hat einen lebendigen Brunnen in sich, der aufquellen wird und in heiligem Leben dahinfließen, so lange er existiert.
Und, lieben Brüder, ich denke, ihr werdet alle sehen, dass freie Vergebung für Sünder die rechte Triebfeder ist für die Bereitwilligkeit, Andern zu vergeben, denn der, welchem viel vergeben ist, ist gerade der, welcher es leicht findet, die Übertretungen Anderer zu übersehen. Wenn nicht, so mag er wohl zweifeln, ob ihm selber vergeben ist; aber wenn der Herr seine Schuld von tausend Talenten ausgetilgt hat, so wird er willig genug die hundert Pfennige vergeben, welche sein Bruder ihm schuldig ist.
Zulegt noch: Einige von uns wissen und wir wünschten, Alle wüssten es aus persönlicher Erfahrung, dass ein Gefühl unverdienter Fuld und freier Vergebung die wahre Seele des Enthusiasmus ist, und Enthusiasmus ist für das Christentum, was das Lebensblut für den Körper ist. Wurdet ihr je zur Begeisterung entflammt durch einen kalten Vortrag über die Vorzüge der Sittlichkeit? Fühltet ihr je eure Seele in euch erregt beim Hören einer Predigt über den Lohn der Tugend?
Wurdest du je begeistert, wenn dir die Strafen des Gesetzes verkündet wurden? Nein, Mann; aber predigt die Lehre von der Gnade, lasst die freie Barmherzigkeit Gottes erhoben werden und beachtet die Folgen. Es gibt Leute, die manche Meile weit gehen, und ohne müde zu werden, Stunden lang stehen, um dies zu hören. Ich weiß Viele, die manche lange Meile weit gingen, um diese Lehre verkünden zu hören. Weshalb? Weil der Mann beredt war oder weil er es wohl einzukleiden wusste? Nicht so: es ward manchmal schlecht geredet und in roher Sprache, und doch hat diese Lehre immer die Leute erregt. Es ist etwas in der Seele des Menschen, das nach dem Evangelium der Gnade ausschaut und wenn es kommt, so ist ein Hunger da, es zu hören. Seht auf die Seiten der Reformation, als der Tod die Strafe für das Anhören einer Predigt war: wie die Leute sich um Mitternacht drängten; wie sie in die Wüsten und Höhlen wanderten, um auf die Verkündigung dieser großen alten Wahrheiten zu lauschen. Es ist eine Süßigkeit in der Gnade, der göttlichen, frei erteilten Gnade, die das Ohr des Menschen fesselt und sein Herz erregt. Wenn diese Wahrheit in die Seele kommt, so erzeugt sie Eiferer, Märtyrer, Bekenner, Missionare, Heilige. Wenn irgend Christen es ernstlich meinen und voll von Liebe zu Gott und Menschen sind, so sind es die, welche wissen, was die Gnade für sie getan hat. Wenn irgend welche unter Schmach treu bleiben, unter Kreuz und Leid freudig, so sind es die, welche sich bewusst sind, wie viel sie der göttlichen Liebe verdanken. Wenn irgend welche ihre Freude in Gott haben, so lange sie leben und in ihm ruhen, wenn sie sterben, so sind es die, welche wissen, dass sie gerechtfertigt sind durch den Glauben an Jesum Christum, der die Gottlosen gerecht macht. Ehre sei dem Herrn, der den Bettler von dem Dunghaufen erhebt und ihn unter die Fürsten setzt, ja, unter die Fürsten seines Volkes. Er nimmt die Ausgestoßenen der Welt auf unter seine Kinder, und macht sie zu Erben Gottes durch Jesum Christum. Der Herr gebe uns Allen die Macht, das Evangelium über unser sündiges Selbst zu erkennen. Der Herr mache uns den Namen, das Werk und die Person des Sünderfreundes immer lieber. Mögen wir niemals die „grausame Grube“ vergessen, aus der wir gezogen wurden, noch die Hand, die uns errettete, noch die unverdiente Freundlichkeit, welche diese Hand bewegte. Lasst uns hinfort immer mehr und mehr von der uns endlichen Gnade zu sagen haben. „Freie Gnade und sterbende Liebe.“ Wohl mag das Negerlied sagen: „Läute diese köstlichen Glocken.“ Freie Gnade und sterbende Liebe - des Sünders Fenster der Hoffnung! Unser Herz frohlockt bei den bloßen Worten. Ehre sei dir, o Herr Jesu, der du stets voll Erbarmen bist. Amen.