Lasset euch nicht verführen. Schlechter Umgang verdirbt gute Sitten
1. Kor. 15, 33.
Wir bedenken viel zu wenig, welchen Einfluss unsere Freunde auf uns haben. Viele Menschen sind bei der Wahl eines Pferdes viel vorsichtiger, als bei der Wahl eines Freundes. Wenn wir einen Mitarbeiter brauchen, so erkundigen wir uns eingehend nach einer passenden Person; aber wir lassen oft den Zufall entscheiden, aus was für Leuten unser Bekannten- und Freundeskreis bestehen soll. Weil unser Beruf uns vielleicht mit ungläubigen und gottlosen Menschen in Berührung bringt, so meinen wir, es schade nichts, wenn wir auch freundschaftlichen Verkehr mit ihnen haben. Das ist aber ein gefährlicher Irrtum, und wenn wir darin beharren, werden wir vielleicht erst durch Schaden klug.
Es ist nun einmal nicht anders: von der Farbe unserer Freunde bleibt etwas an uns hängen. „Wer mit den Weisen umgeht, wird weise,“ sagt Salomo; mit demselben Recht kann man sagen: „Wer mit Toren umgeht, wird töricht.“ Mit manchen Menschen kann man gar nicht umgehen, ohne stark von ihnen beeinflusst zu werden. Selbst unbedeutende Menschen sind nicht ganz ohne Einwirkung auf andere, und ganz unbemerkt geraten wir unter ihren Einfluss.
Die Juden haben das Sprichwort: „Zwei trockene Hölzer zünden ein grünes an.“ Wenn ein schlimmer Freund dich nicht verderben kann, so vermag es doch das Beispiel und die Überredungskunst von Zweien oder dreien. Wenn zwei oder drei Menschen unter der Macht der Sünde zusammenkommen, so ist der Teufel auch dabei und fördert ihr sündhaftes Tun und Treiben. Wer Pech angreift, besudelt sich. Dein Verkehr mit den Bösen hinterlässt dir leicht einen Fleck oder jedenfalls einen Eindruck; die Berührung ist vielleicht tödlich, jedenfalls aber gefährlich.
Besonders Menschen von weichem, biegsamem Charakter lassen sich gar zu leicht durch ihre Umgebung formen und modeln. Es ist für sie darum besonders wichtig, den Umgang frommer Menschen zu suchen und den gottloser zu meiden wie die Pest. Ich kenne ganz junge Leute, die durch schlechten Umgang verdorben worden sind. Der eine wurde schlecht, weil er seine Sonntage mit den Kameraden nur zu Ausflügen und allerhand Vergnügungen verwendete; ein anderer geriet in die Gesellschaft von Spielern und wurde schließlich ein Betrüger; mit einem Dritten war nichts mehr anzufangen, seit er seinen Himmel in den Versammlungen der Freimaurer fand, und ein Vierter sank immer tiefer, weil er sich zu denen hielt, die über die Sittenreinheit lachen und das Laster anziehend finden.
Wenn zweifelhafte Genossen uns nicht geradezu überreden können, Böses zu tun, so hindern sie in jedem Falle unser Wachstum in der Gottseligkeit. Die Keime und Sprossen der Gnade sind zart, und gar zu leicht wird das Wachstum der zarten Pflanze gehemmt - oft schon durch die bloße Gegenwart ungöttlicher Menschen. Haben doch selbst manche Heiden bei ihrem feierlichen Gottesdienst den Warnungsruf ertönen lassen: „Hinweg ihr Unreinen!“ Wir fühlen es: Wenn wir uns Gott nahen, sollten keine Gottlosen um uns sein. Ein Wort, ein Blick, eine Gebärde eines angesehenen, aber weltlich gesinnten Mannes hat die Andacht manches frommen Herzens gestört. Ein paar Takte einer Melodie erinnern den Frommen an ein leichtfertiges Lied, das er um jeden Preis vergessen möchte, und das ihn jetzt vom Umgang mit Gott abhält. Die Diener der Bosheit können uns in keiner Weise fördern, aber sie haben eine schreckliche Macht, uns aufzuhalten, wenn wir zu Gott nahen möchten.
Wer kann im Glauben wachsen, solange er vertrauten Umgang mit Ungläubigen pflegt? Wer kann rein bleiben, wenn er mit der Unreinheit spielt? Der Weg zu den Höhen der Heiligkeit ist schon steil genug und wir haben genug an unserer eigenen Last zu tragen, wir brauchen uns nicht noch an die zu ketten, die uns hinterziehen. „Aber,“ heißt es, „wir müssen doch Umgang haben.“ Ganz gewiss, und wenn wir mit frommen Christen umgehen, werden wir dauernden Gewinn davon haben. Ein alter, frommer Mann hat ganz richtig gesagt: „Nichts entzündet und entflammt so sehr das Streben nach der Heiligung, wie der Umgang mit denen, die geheiligt sind. Ich wollte tausendmal lieber mit frommen Menschen in einem dunkeln Gefängnis leben, als mit gottlosen in eines Königs Schloss. Urbanus Regius, der einen Tag mit Luther zugebracht hatte, erklärte diesen Tag für den schönsten seines Lebens.“ Wenn ein paar wahre Christen zusammenkommen und über die großen Wahrheiten unsres Glaubens reden, so ist ihr Zusammensein ebenso rein und fröhlich wie Gewinn bringend. Ich habe mit manchen berühmten Männern freundschaftlichen Verkehr gepflogen, und dieser Verkehr war umso schöner und freundlicher, je frömmer diese Menschen waren. Ich weiß auch manche Christen, die gar nicht berühmt sind, deren Namen die Welt nicht kennt, und doch ists ein hoher Genuss, ein Stündchen mit ihnen zu plaudern.
Glaubt nur nicht, dass man gute Unterhaltung nur in der Gesellschaft von Weltmenschen finde. Im Gegenteil: durch die Frömmigkeit werden alle Geisteskräfte angeregt und Gemütlichkeit findet man besonders bei denen, deren Herz Frieden gefunden hat. Das höchste Vergnügen ist in der Goldgrube der Gottseligkeit verborgen. Wie langweilig und oberflächlich ist oft die Geselligkeit der vornehmen Welt, wie vergänglich und unbeständig sind ihre Freundschaften; wie gediegen, wie anregend und belebt hingegen ist eine wahrhaft christliche Geselligkeit. Die Welt geht auf Stelzen; sie schminkt und pudert ihr altes, runzeliges Gesicht; sie schielt, sie ziert sich, sie lügt. Wer einen Blick hinter die Kulissen getan hat, mag nichts mehr von solcher Geselligkeit wissen. Wie anders die christliche Geselligkeit! Mag es auch dann und wann etwas an dem äußeren Schliff fehlen - hier ist die Rede wahr, hier herrscht Leben und Freiheit. Wenn wir mit denen umgehen, die aus Liebe zu Gott für das Wohl ihrer Mitmenschen wirken, und besonders, wenn wir auch an dieser Arbeit teilnehmen, so haben wir niemals Langeweile, brauchen uns nie zu beklagen, dass unsere Zeit so prosaisch sei.
Mag man aber über den Umgang mit weltlich Gesinnten denken wie man will, niemals darf ein Christ mit lasterhaften Menschen, mit Spöttern, mit Verächtern der Religion Umgang pflegen. Darüber, ob der Alkohol ein Gift ist, sind die Ansichten verschieden, aber jedermann weiß, dass schon ein wenig Blausäure tödlich ist. Die Gesellschaft schlechter Menschen muss man meiden wie die eines Tigers oder einer Klapperschlange. Und wenn sie noch so begabt sind, wir können nichts Gutes von ihnen lernen. Von dem Bösen kann nur Böses kommen.
Im Kampf des Lebens sind wir so unter dem Einfluss unserer Kameraden, dass wir nur in ein Regiment von edlem und ehrenhaftem Charakter eintreten dürfen. Wir müssen uns den Besten anschließen und uns um das ruhmvollste Banner scharen. Zu gut können wir niemals werden, auch nicht durch den Einfluss der allerbesten Menschen. Wir haben kein solches Übermaß von Tugenden, dass wir ohne Schaden durch schlechten Umgang etwas von unserem Überfluss einbüßen könnten.
Wir müssen den Berg des Lebens erklimmen, da gibt es unterwegs Gletscherspalten, Abgründe und steile Abhänge. Wir sind alle ohne Ausnahme bei unserer Bergfahrt an unsre Mitwanderer angeseilt. Der Weise nimmt nur den zum Reisegefährten, der den Weg des Glaubens und der Tugend geht, denn nur auf diesem Weg erreicht er den Gipfel.