(Der König und sein Hochzeitszug. V. 1-13.)
Unser Herr saß noch mit seinen Jüngern auf dem Ölberg (s. Kapitel 24,3.). Das lehrreiche Gleichnis, welches folgt, wurde von Ihm als Fortsetzung der soeben betrachteten Rede gesprochen. Es beabsichtigt augenscheinlich, unter einem bekannten Bilde darzustellen, wie nötig die Bereitung ist für des Königs glorreiches Erscheinen, wenn Er kommt, seine Braut zu holen. Für diejenigen, die bei dem zweiten Kommen Christi nicht am Leben sind, wird der Mitternachtsruf: „Gehet aus, Ihm entgegen“, in der Todesstunde erschallen.
1. 2. Dann wird das Himmelreich gleich sein zehn Jungfrauen, die ihre Lampen nahmen, und gingen aus, dem Bräutigam entgegen. Aber fünf unter ihnen waren thöricht, und fünf waren klug.
Der morgenländischen Sitte gemäß geht der Bräutigam zum hause des Brautvaters, von wo er seine Verlobte zu ihrem künftigen Heim führt. Das Gleichnis beginnt mit dem Zeitpunkt, wo einige seiner Freunde warten, um sich dem Zuge anzuschließen und mit ihm zum Hochzeitsfest hineinzugehen. So warten die, welche sich zur Gemeinde bekennen, auf das Kommen des Herrn. Es war nicht viel Verschiedenheit in der äußeren Erscheinung der “zehn Jungfrauen, die ihre Lampen nahmen, und gingen aus, dem Bräutigam entgegen.“ Sie waren alle Jungfrauen, sie nahmen alle ihre Lampen, und sie gingen alle aus, dem Bräutigam entgegen. Sie legten alle ein Bekenntnis ihrer Anhänglichkeit an ihn ab, welches sie veranlaßte, sich von ihren andren Gefährten und Bekannten zu trennen, um ihm an seinem Hochzeitsabend entgegen zu gehen.
Es war indes ein wichtiger und wesentlicher Unterschied zwischen ihnen: “Fünf unter ihnen waren thöricht, und fünf waren klug.“ Laßt uns hoffen, daß wir aus den Worten unsres Herrn nicht zu entnehmen haben, daß die Hälfte der sich christlich nennenden Gemeinde aus solchen besteht, die Er „thöricht“ nennt. Doch würde unser Heiland nicht von einer verhältnismäßige so großen Zahl gesprochen haben, wenn nicht wirklich sehr viele Thörichte, die nur mit dem Munde bekennen, sich unter den Klugen befänden, welche die Gnade Gottes in Wahrheit besitzen.
3. Die thörichten nahmen ihre Lampen; aber sie nahmen nicht Öl mit sich.
Sie mögen gedacht haben, wenn sie ähnliche Lampen hätten wie die andren, so wäre es genügend. Vielleicht meinten sie, daß der verborgene Vorrat des Öls, da er nicht zu sehen war, unnötig sei. Sie waren willig, eine Lampe in der einen Hand zu tragen, aber die andre Hand zu gebrauchen, um eine Ölflasche zu halten, war mehr als sie zu thun willig waren. Es ist der Mangel an dem Öl der gnade, der verhängnisvoll für manche Lampe eines Bekenners ist. Viele haben den Namen, daß sie leben, aber haben nicht das Leben Gottes in ihren Seelen. Sie legen ein Bekenntnis der Anhänglichkeit an Christum ab, aber sie besitzen den Geist der Gnade nicht innerlich, um es aufrecht zu halten. Ein Flimmern oder ein Blitzen ist da, aber kein anhaltendes Licht, und es kann kein solches da sein, denn obwohl sie „Lampen“ haben, so haben sie “kein Öl bei sich.“
4. Die klugen aber nahmen Öl in ihren Gefäßen samt ihren Lampen.
Sie hatten Öl in ihren Lampen und Öl mit ihren Lampen. Lampen sind nutzlos ohne Öl; doch hat das Öl die Lampe nötig, sonst kann es nicht gebraucht werden. Die Gnade sollte ihre Gegenwart enthüllen, der glaube an Christum sollte bekannt werden; aber es ist schlimmer als nutzlos, ein Bekenntnis der Liebe zu Christo abzulegen, wenn nicht ein verborgener Vorrat von Gnade da ist, durch den der äußere Teil der Religion sogar vor dem allerforschenden Auge des Königs selber aufrecht erhalten werden kann. Wenn nicht der Geist Gottes in der That und in der Wahrheit in uns ist, so mag eine Weile alles einen guten Anschein haben, aber das Ende wird die Schwärze der ewigen Finsternis sein.
5. Da nun der Bräutigam verzog, wurden sie alle schläfrig und entschliefen.
Wie traurig wahr ist es, daß in der Geschichte der Gemeinde Christi echte Heilige und bloße Namenschristen oft miteinander schläfrig geworden und entschlafen sind! Die, welche das Öl der Gnade haben, sind nicht immer wach genug, ihrem Herrn zu dienen und auf seine Erscheinung zu warten. Selbst bei wahren Gläubigen verursacht das Verziehen des Kommens Christi Enttäuschung, Müdigkeit und Schlafsucht, und seine Gemeinde fällt in tiefen Schlaf, während sie auf ihren Herrn warten sollte. Und bei den „Thörichten“, ob sie nun sich selbst täuschen oder Heuchler sind, verschwindet, da kein wahres, göttliches Leben in ihrer Seele ist, nach einer Weile ihr anscheinender Ernst, und Satan läßt sie in einen tödlichen Schlummer fallen.
6. Zur Mitternacht aber ward ein Geschrei: Siehe, der Bräutigam kommt; gehet aus, ihm entgegen!
Dieser Mitternachtsruf: „Siehe, der Bräutigam kommt!“ erweckte alle Schläfer. Es würde gut sein, wenn wir alle mehr an die große Wahrheit der zweiten Zukunft unsres Herrn dächten. Je öfter sie gepredigt wird, in gehörigem Verhältnis zu andren geoffenbarten Lehren, desto mehr wird sie die Schlummernden erwecken, die wirklich die Liebe Christi besitzen, und die Schlafenden, die sie nur zu haben behaupten. Da die Mitternacht dieses jetzigen bösen Zeitalters sich nahet, so wird die Notwendigkeit immer größer, alle zu ermahnen, auf den schrillen Ruf zu horchen: “Gehet aus, Ihm entgegen!“
7. Da standen diese Jungfrauen alle auf, und schmückten ihre Lampen.
Das Plötzliche des Weckrufes machte, daß sie alle aufsprangen und ihre Lampen zu prüfen und zu schmücken begannen. Sie konnten dem Bräutigam nicht entgegen gehen ohne Licht, denn dies war ein wesentlicher Teil ihrer Bereitung zum Anschluß an den Hochzeitszug. Jene Jungfrauen, die Öl in ihren Gefäßen samt ihren Lampen hatten, beendigten ihr Schmücken bald und waren bereit, zu gehen; doch die, welche Lampen, aber kein Öl hatten, waren unfähig, sie in rechter Weise, zu schmücken. Es ist zu bedauern, daß einige ihre Lampen erst zu schmücken beginnen, wenn es mit ihnen zum Sterben geht oder wenn das Zeichen des Menschensohnes am Himmel erscheint, allein wenn dies Werk ohne den Geist oder die Gnade Gottes versucht wird, so wird es mißlingen für alle Ewigkeit.
8. Die thörichten sprachen zu den klugen: Gebt uns von eurem Öle, denn unsre Lampen verlöschen.
Sie begannen jetzt zu schätzen, was sie zuvor verachtet hatten; sie waren so thöricht gewesen, zu denken, daß Öl nicht notwendig sei; nun sahen sie, daß es da seine war, was not ist. Daher ihre Bitte an ihre klügeren Gefährtinnen: “Gebt uns von eurem Öl.“ Sie gaben einen furchtbaren Grund für ihre Bitte an: “denn unsre Lampen verlöschen;“ der trockene Docht flackerte eine Weile und verstarb dann im Dunkel, wie ein ausgelöschtes Licht.
Es sind schreckliche Worte: “unsre Lampen verlöschen.“ Es ist schlimmer, eine verloschene Lampe zu haben, als gar keine. „Unsre Lampen verlöschen.“ Die thörichten Jungfrauen schienen zu sagen: „Wir dachten, alles wäre für diese Nacht bereit, wir rühmten uns sogar unsrer Lampen, wir versprachen uns eine glänzende Zukunft, wir dachten, alles stände gut mit unsrem Anteil an dem Hochzeitsmahl, aber unsre Lampen verlöschen und wir haben kein Öl zum Nachgießen.“ Möge kein Leser dieser Schrift je solche bittere Klage zu erheben haben!
Die, welche ihre Buße bis zu ihrer Sterbestunde verschieben, gleichen diesen thörichten Jungfrauen; ihre Thorheit hat die äußerste Höhe erreicht. Wenn der Todesschweiß kalt auf der Stirn liegt, dann wird das vernachlässigte Öl der Gnade geschätzt werden. Dann wird der verzweifelnde Ruf kommen: „Schickt nach dem Prediger, daß er für mich bete; holt ein paar christliche Leute, damit sie sehen, was sie für mich thun können!“
9. Da antworteten die klugen und sprachen: Nicht also, auf daß nicht uns und euch gebreche; gehet aber hin zu den Krämern, und kaufet für euch selbst.
Kein Gläubiger hat mehr Gnade, als er braucht; „die klugen“ Jungfrauen hatten kein Öl zum Weggeben. Sie gaben den besten Rat, der unter den Umständen möglich war, obwohl er nichts half. “Gehet aber hin zu den Krämern, und kauft für euch selbst.“ Es gibt einen Ort, wo das Öl zur rechten Zeit gekauft werden kann. Uns ist befohlen, „die Wahrheit zu kaufen,“ die Gnade wird auf dem Markte Gottes nach evangelischen Bedingungen verkauft: „umsonst und ohne Geld;“ aber wenn der Mitternachtsruf gehört wird, so ist der Gnadentag zu Ende, und Kaufen und Verkaufen sind auf ewig vorüber.
10. Und da sie hingingen zu kaufen, kam der Bräutigam; und welche bereit waren, gingen mit ihm hinein zur Hochzeit; und die Thür ward verschlossen.
Ohne Zweifel gibt es Bekehrungen auf dem Sterbebett, aber es steht zu fürchten, daß in den meisten Fällen die Leute, welche so spät zu einer wahren Erkenntnis ihres Zustandes erwachen, finden werden, daß „der Bräutigam kommt,“ während sie hingehen, die lange verachtete Gnade zu kaufen. Der arme Kopf mag so von Schmerz gequält sein, daß der Geist nicht mehr im stande ist zu verstehen, was Glaube an Christum ist; die geistige Fähigkeit mag völlig in dieser furchtbaren Stunde versagen. Die Gefahr ist so groß, daß niemand, ausgenommen völlig Thörichte, die Bereitung für des Königs Kommen bis dahin verschieben werden.
“Welche bereit waren, gingen mit ihm hinein zur Hochzeit.“ Ihre Bereitschaft bestand darin, daß sie brennende Lampen oder flammende Fackeln hatten. Unsre Bereitschaft für den Tod oder für das Kommen Christi besteht darin, daß wir die Gnade Gottes im Herzen haben. “Und die Thür ward verschlossen.“ Wenn diese Thür einmal verschlossen ist, wird sie nie wieder aufgethan werden. Es gibt einige, die faseln und träumen von einem Aufthun der Thür nach dem Tode für die, welche unbußfertig gestorben sind, aber es ist nichts in der Schrift, was eine solche Erwartung verbürgt. Jede „weitere Hoffnung“, als die im Worte Gottes geoffenbarte, ist eine Täuschung und eine Schlinge.
11. 12. Zuletzt kamen auch die andren Jungfrauen, und sprachen: Herr, Herr, thue uns auf. Er antwortete aber und sprach: Wahrlich, ich sage euch: Ich kenne euch nicht.
“Die andren Jungfrauen“ waren nicht „bereit,“, als der Bräutigam kam, und es ist kein Wink in dem Gleichnis, daß sie mehr bereit waren, als sie kamen und vor seiner verschlossenen Thür riefen: “Herr, Herr, thue uns auf.“ „Wir gingen Dir entgegen, wir trugen Lampen, wir waren mit den andren Jungfrauen; Herr, Herr, thue uns auf!“ Seine Antwort läutete die Totenglocke für jede eitle Hoffnung des Einlasses, die sie gehegt haben mochten: “Wahrlich, ich sage euch, ich kenne euch nicht.“ „So aber jemand Gott liebt, derselbe ist von Ihm erkannt.“ (1. Kor. 8,3.) Der gute Hirte spricht: „Ich erkenne die Meinen, und bin bekannt den Meinen.“ (Joh. 10,14.) Die, welche Jesus Christus in diesem Sinne kennt, liebt Er, und sie lieben Ihn, weil Er sie zuerst geliebt hat. Die thörichten Jungfrauen hatten behauptet, des Bräutigams Freunde zu sein, doch war es nun bewiesen, daß sie nicht einmal seine Bekannte waren. Möge keiner von uns je von den Lippen des himmlischen Bräutigams das furchtbare Todesurteil hören: „Ich kenne euch nicht!“
13. Darum wachet; denn ihr wißt weder Tag noch Stunde, in welcher des Menschen Sohn kommen wird.
Unser Herr schärft wiederum seinen Nachfolgern die Pflicht der Wachsamkeit ein, wie Kap. 24,32, und wiederholt in einer etwas veränderten Form den vorher angegebenen Grund: “Denn ihr wißt weder Tag noch Stunde, in welcher des Menschen Sohn kommen wird.“ Es ist müßig, zu sagen, daß wir das Jahr, wenn auch nicht Tag und Stunde, des Kommens Christi berechnen können. Die Zeit des Endes ist verborgen und wird nicht bekannt werden, bis Er plötzlich erscheint „in den Wolken des Himmels mit großer Kraft und Herrlichkeit.“ Es sollte unsre eine große Sorge sein, bereit zu sein, Ihm entgegen zu gehen, wann immer Er kommt.
(Das Gleichnis von den Zentnern. V. 14-30.)
14. 15. Gleich wie ein Mensch, der über Land zog, rief seine Knechte, und that ihnen seine Güter aus; und einem gab Er fünf Zentner, dem andren zwei, dem dritten einen, einem jeden nach seinem Vermögen, und zog bald hinweg.
Unser Heiland hatte von sich gesprochen als von dem himmlischen Bräutigam; nun vergleicht Er sich einem “Menschen, der über Land zog,“ „der in ein fernes Land reiste.“ (n.d. engl. Übers.) Das Wort „reiste“ deutet an, daß unser Herr nur auf eine Zeitlang hinweg gegangen ist, und daß Er wiederkehren wird, wenn der Zweck, um deswillen Er in das „ferne Land“ ging, erfüllt ist. Als Er von der Erde zum Himmel zurückging, war es eine lange Reise, aber Er ließ seine Knechte nicht ohne die nötige Versorgung während seiner Abwesenheit. Er “rief seine Knechte,“ seine Leibeignen, die Diener seines Hauses, “und that ihnen seine Güter aus.“ Die Knechte waren sein, und die Güter waren auch sein; seine Sklaven konnten weder ihre Personen, noch ihr Besitztum als ihr eigen beanspruchen, alles gehörte ihrem Herrn und sollte für Ihn gebraucht werden.
Er vertraute nicht allen die gleiche Menge der Güter an: “einem gab Er fünf Zentner, dem andren zwei, dem dritten einen, einem jeden nach seinem Vermögen.“ Er konnte das Vermögen jedes seiner Knechte beurteilen und irrte sich nicht in der Verteilung der Zentner. Wir mögen versichert sein, daß der Herr, wenn wir seine Knechte sind, uns so viele Zentner verliehen hat, wie wir richtig gebrauchen können und ganz genug, um Rechenschaft davon abzulegen, wenn Er wiederkehrt. Die über alles wichtige Sache für uns ist, treu in dem uns Anvertrauten zu sein.
“Und zog bald hinweg;“ unser Herr wußte alles, was geschehen würde, ehe Er die Erde verließ: seine Leiden, seine Kreuzigung und seine Auferstehung; aber Er sprach ruhig davon, wie ein Mann von seinen Vorbereitungen zu einer Reise in ein fernes Land spricht. Er ist gegangen und seine Knechte sind zurückgelassen, um während seiner Abwesenheit den besten Gebrauch, den sie können, von seinen Himmelfahrtsgaben zu machen.
Dieses Gleichnis handelt wie das von den zehn Jungfrauen von wirklichen und bloßen Namenschristen, von allen, die Knechte Christi sind oder zu sein behaupten. Die „Zentner“ sind all und jedes, was unser Herr uns als seinen Haushaltern hier zum Gebrauch gegeben hat.
16-18. Da ging der hin, der fünf Zentner empfangen hatte, und handelte mit denselbigen, und gewann andre fünf Zentner. Desgleichen auch der zwei Zentner empfangen hatte, gewann auch zwei andre. Der aber einen empfangen hatte, ging hin, und machte eine Grube in die Erde, und verbarg seines Herrn Geld.
Es ist sehr bedeutsam, daß unser Heiland sagte, daß der, welcher “einen Zentner empfangen hatte,“ hinging “und machte eine Grube in die Erde, und verbarg seines Herrn Geld.“ Viele, die „fünf Zentner“ oder „zwei“ besitzen, „handeln nicht mit denselben“ und gewinnen nicht „andre fünf“ oder „andre zwei“; aber Jesus wußte, daß der Knecht mit einem Zentner am meisten der Versuchung ausgesetzt war, nichts zu thun, weil er nur wenig thun könne. Es sind Gefahren verknüpft mit dem Besitz von fünf oder zwei Zentnern; aber der, welcher nur einen hat, ist in gleicher, wenn nicht größerer Gefahr. Laßt uns alle daran gedenken, daß, wie es eine Sünde ist, einen Zentner in der Erde zu verbergen, es eine noch größere Sünde ist, zwei oder fünf Zentner zu verbergen. Es war „seines Herrn Geld,“ das der träge Knecht verbarg. Es wäre unrecht gewesen, das zu vergraben, was ihm selber gehörte; aber er war doppelt tadelnswert, weil er das verbarg, was ihm von seinem Herrn anvertraut war, anstatt damit zu handeln und es zu vermehren. Sündigen einige von uns so gegen ihren Heiland?
19. Über eine lange Zeit kam der Herr dieser Knechte, und hielt Rechenschaft mit ihnen.
Es kommt ein Tag der Rechenschaft, selbst wenn “eine lange Zeit“ vergehen mag, ehe “der Herr dieser Knechte“ kommt. Jesus kommt zurück aus dem fremden Lande, wohin Er gegangen ist. Sein eignes Wort ist: „Siehe, ich komme bald.“ Wir müssen diese große Thatsache nicht aus unsrer Rechnung auslassen, und als seine Haushalter müssen wir uns darauf vorbereiten, daß Er jeden Augenblick kommen und Rechenschaft mit uns halten kann über die Zentner, die Er jedem seiner Knechte verliehen hat.
20.21. Da trat herzu, der fünf Zentner empfangen hatte, und legte fünf andre Zentner dar, und sprach: Herr, Du hast mir fünf Zentner gethan; siehe da, ich habe damit andre fünf Zentner gewonnen. Da sprach sein Herr zu ihm: Ei, du frommer und getreuer Knecht, du bist über wenigem getreu gewesen, ich will dich über viel setzen; gehe ein zu deines Herrn Freude!
Haben alle unter uns, die „fünf Zentner“ von unsrem Herrn empfangen, damit andre “fünf Zentner gewonnen“? Ich glaube nicht. Haben wir doppelt so viel Gnade, als wir zuerst hatten? Zweimal so viel Takt, als den, womit wir zuerst unser Werk begannen? Zweifache Geschicklichkeit für das Werk, das Er uns zu thun gegeben? Es war so mit diesem Knecht, und deshalb lobte und belohnte ihn der Herr. Es war kein Verhältnis zwischen seinem Dienst und dessen Belohnung: “Du bist über wenigem getreu gewesen, ich will dich über viel setzen.“ Wer seinem Herrn treu ist, soll größere Gelegenheiten erhalten, seine Treue und Hingebung in einem höheren Wirkungskreise zu bewähren; und dazu soll er an der Seligkeit der Wiederkehr seines Herrn teilhaben: “Gehe ein zu deines Herrn Freude.“ Diese Freude ist nicht des Knechtes Anteil, sondern des Herrn Anteil, den Er mit seinen treuen Knechten teilt. Dies wird die Vollendung aller himmlischen Wonne sein; nicht so sehr, daß wir eine eigne Freude haben, sondern daß wir in die Freude unsres Herrn eingehen.
22. 23. Da trat auch herzu, der zwei Zentner empfangen hatte und sprach: Herr, Du hast mir zwei Zentner gethan; siehe da, ich habe mit denselben zwei andre gewonnen. Sein Herr sprach zu ihm: Ei, du frommer und getreuer Knecht, du bist über wenigem getreu gewesen, ich will dich über viel setzen; gehe ein zu deines Herrn Freude!
Dieses Knechtes Lob und Lohn sind genau dieselben, die seinem mehr bevorzugten Bruder gegeben wurden; als wenn unser Heiland uns lehren wollte, daß nicht die Zahl der Zentner, sondern der Gebrauch, den wir davon machen, das Wesentliche ist. Er erwartet nicht so viel von dem Mann mit zwei Talenten als von dem, welchem Er fünf gegeben; was Er erwartet, ist, daß beide über dem wenigen treu sind, was Er ihrer Sorge übergeben hat. Es war so bei den zwei in diesem Gleichnis genannten Knechten. Der zweite hatte das von seinem Herrn empfangene Kapital verdoppelt, eben wie der erste es mit der größeren, ihm anvertrauten Summe gethan; darum wurden sie gleichermaßen gelobt und gesegnet.
24. 25. Da trat auch herzu, der einen Zentner empfangen hatte, und sprach: Herr, ich wußte, daß Du ein harter Mann bist; Du schneidest, wo Du nicht gesäet hast, und sammelst, da Du nicht gestreut hast; und fürchtete mich, ging hin, und verbarg Deinen Zentner in die Erde. Siehe, da hast du das Deine.
Am Tage der Rechenschaft haben die Treuen sowohl wie die Untreuen Rechnung abzulegen von ihrem Haushalt. Dieses Mannes Worte widersprachen sich, und seine Entschuldigung verurteilte sich selbst. Er sagte, er wisse, daß sein Herr ein harter Mann sei, der schneide, wo Er nicht gesäet, und sammle, wo Er nicht gestreut, dennoch bekannte er, daß der Zentner, den er wiederbrachte, ihm von diesem Herrn, den er als strenge und unbillig darstellte, gegeben worden sei. Er räumte auch ein, daß es seines Herrn Geld sei, das er vergraben: “Deinen Zentner.“ Es war ihm anvertraut, und er gestand selbst, daß es ihm nicht gehöre: “Siehe, da hast du das Deine.“ Ich habe nichts zu Deinem Zentner hinzugefügt, aber ich habe ihn weder verloren, noch ihn weggegeben; ich habe ihn zurückgebracht, siehe, hier ist er. Er schien zu sprechen, als wäre dies alles, was mit Recht von ihm erwartet werden könnte; doch war er augenscheinlich nicht mit sich zufrieden, denn er sagte: “Ich fürchtete mich, ging hin, und verbarg Deinen Zentner in die Erde.“ Seht, wie die Furcht die Mutter der Anmaßung werden kann. Der Glaube an Gott erzeugt heilige Furcht, aber knechtische Furcht gebiert den Zweifel, der seinerseits wiederum ungläubige Empörer hervorbringt.
26. 27. Sein Herr aber antwortete und sprach zu ihm: Du Schalk und fauler Knecht! Wußtest du, daß ich schneide, da ich nicht gesäet habe, und sammle, da ich nicht gestreut habe, so solltest du mein Geld zu den Wechslern gethan haben, und wenn ich gekommen wäre, hätte ich das Meine zu mir genommen mit Wucher.
“Sein Herr“ stellte sich auf denselben Standpunkt, wie dieser “Schalk und faule Knecht“, und richtete ihn aus seinem eignen Munde. Der Herr beabsichtigte nicht, einzuräumen, daß Er so sei, wie der „boshafte und faule Sklave“ (wie es im Grundtext heißt) Ihn genannt hatte, aber gesetzt, des Knechtes Worte wären wahr gewesen, was hätte er thun sollen? Wenn er sich fürchtete, auf eigne Verantwortlichkeit hin mit seines Herrn Zentner zu handeln, hätte er ihn den Wechslern bringen können, die ihn wenigstens sicher verwahrt und Zinsen dazu gelegt hätten, so lange er bei ihnen niedergelegt war.
Wenn wir nicht direkt und persönlich für unsres Herrn Rechnung handeln können, wenn wir nicht das Geschick oder den Takt zur Leitung einer Gesellschaft oder eines Unternehmens für seine Sache haben, so können wir wenigstens zu dem beitragen, was andre thun, und unser Kapital zu dem ihrigen hinzufügen, so daß auf irgend eine Weise unser Herr die Zinsen erhält, zu denen Er berechtigt ist. Sein Zentner muß nicht in die Erde vergraben werden, sondern angelegt, wo es ihm den besten Gewinn bei seiner Rückkehr bringen wird.
28-30. Darum nehmt von ihm den Zentner, und gebt’s dem, der zehn Zentner hat. Denn wer da hat, dem wird gegeben werden, und wird die Fülle haben; wer aber nicht hat, dem wird auch, das er hat, genommen werden. Und den unnützen Knecht werft in die äußerste Finsternis hinaus; da wird sein Heulen und Zähnklappen.
Dem Knecht, der fünf Zentner zu seines Herrn fünf gewonnen hatte, wurde erlaubt, sie alle zu behalten, denn sein Herr sprach von dem, “der zehn Zentner hat.“ Der unbenutzte Zentner des faulen Knechtes ward ihm auch gegeben, denn wer das Anvertraute gut gebraucht, soll mehr empfangen. Wer Glauben hat, soll mehr Glauben haben. Wer Geschmack an göttlichen Dingen hat, soll noch mehr Hunger nach ihnen empfinden. Wer einiges Verständnis für die Geheimnisse des Reiches hat, soll sie völliger verstehen: “Denn wer da hat, dem wird gegeben, und wird die Fülle haben.“
Den Zentner, der müßig gelegen, zu verlieren war nur ein kleiner Teil der Strafe des “unnützen Knechtes.“ Sein Herr befahl, ihn in “die äußerste Finsternis zu werfen,“ und seine Strafe wird angedeutet durch die Worte, die unser Heiland oft hinzusetzte, wenn Er die Schrecken enthüllte, die der verlornen Seelen harren: “Da wird sein Heulen und Zähnklappen.“ Wenn wir eine irgendwie fruchtbare Beschreibung der künftigen Welt geben, so wird angenommen, daß wir sie von Dante oder Milton entlehnt haben, aber die schrecklichsten und entsetzlichsten Beschreibungen, die je über menschliche Lippen kamen, gehen nicht über die Sprache des liebevollen Christus hinaus. Derjenige ist der wahre Liebhaber der Menschen, der sie treulich warnt vor dem ewigen Wehe, das den Unbußfertigen erwartet; während der, welcher das Elend der Hölle schildert, als wenn es eine Kleinigkeit wäre, unter dem Vorwand der Freundschaft die Seelen der Menschen zu morden sucht.
(Der königliche Richter des Weltalls. V. 31-46.)
Hier haben wir des Königs eigne Beschreibung des jüngsten Tages, und in feierlichem Schweigen unsrer Seele können wir wohl unsre Schuhe von den Füßen ziehen, wenn wir uns diesem heiligen Boden nähern.
31. Wenn aber des Menschen Sohn kommen wird in seiner Herrlichkeit, und alle heilige Engel mit Ihm, dann wird Er sitzen auf dem Stuhl seiner Herrlichkeit.
Vor unsres Heilands Augen ging eine wunderbare Reihe von Gegensätzen vorüber, als Er diese erhabene Weissagung aussprach. Innerhalb dreier Tage sollte Er gekreuzigt werden, doch sprach Er von der Zeit, “wenn des Menschen Sohn kommen wird in seiner Herrlichkeit.“ Er hatte eine kleine Gesellschaft von Jüngern bei sich, von denen Er wußte, daß einer Ihn verraten, ein andrer Ihn verleugnen und alle Ihn verlassen würden, doch sah Er im Glauben das himmlische Gefolge, das Ihn bei seinem Kommen begleiten wird: “und alle heilige Engel mit Ihm.“ Müde und erschöpft von seinen Arbeiten und traurig über die Herzenshärtigkeit der Menschen und das nahende Gericht über Jerusalem, saß Er auf dem Ölberg, aber seine Gedanken gingen in die fernen Zeiten, als Er zu den Jüngern von dem Throne sprach, den ER an dem Tage einnehmen würde, wo ER als der königliche Weltrichter wiederkehren würde. “Dann wird Er sitzen auf dem Stuhl seiner Herrlichkeit.“ Der große weihe Thron wird droben hingesetzt werden, ganz rein und glänzend, hell und klar wie ein polierter Spiegel, in dem jeder Mensch sich und seine Sünden zurückgeworfen sieht, und auf diesem Thron soll „des Menschen Sohn“ sitzen. Hinter dem königlichen Richter werden „alle heilige Engel“ aufgestellt sitzen. Hinter dem königlichen Richter werden „alle heilige Engel“ aufgestellt werden, Reihe an Reihe, eine zahllose und herrliche Leibwache, um den Hof ihres Herrn am Tage des letzten großen Gerichts zu zieren und auf sein Geheiß alle, die Er verurteilt, von seinem Angesichte wegzuführen.
32. 33. Und werden vor ihm alle Völker versammelt werden. Und Er wird sie voneinander scheiden, gleich als ein Hirte die Schafe von den Böcken scheidet; und wird die Schafe zu seiner Rechten stellen und die Böcke zur Linken.
Am letzten großen Tage des Herrn werden alle Völker, die je auf der Erde existiert haben, vor dem Richterstuhl Christi versammelt werden. Die Erde, welche immer mehr und mehr ein großer Kirchhof oder ein Beinhaus wird, soll ihre Toten hergeben, und das Meer selbst, in ein festes Pflaster verwandelt, wird auf seinem Busen die Millionen tragen, die in seinen dunklen Höhlen verborgen liegen. Die ganze Menschheit wird vor ihrem Richter versammelt werden: „Und es werden Ihn sehen alle Augen, und die Ihn gestochen haben und werden heulen alle Geschlechter der Erde.“ Zuerst werden sie in einer Mischung versammelt sein, aber die Myriaden werden rasch in zwei Gesellschaften geteilt werden: “und Er wird sie voneinander scheiden.“ Der König wird der Scheidende an jenem furchtbaren Tage sein. Wie Er sie scheiden wird, kann niemand sagen, ausgenommen, daß Er sie scheiden wird, “gleich als ein Hirte die Schafe von den Böcken scheidet.“ Kein einziger Bock wird unter den Schafen gelassen werden, noch ein Schaf unter den Böcken. Die Teilung wird sehr genau und persönlich sein, eins von dem andren. Sie werden nicht in Völker, nicht einmal in Familien geteilt werden; jedem einzelnen wird sein Platz unter den Schafen oder den Böcken zugewiesen werden.
“Und Er wird die Schafe zu seiner Rechten stellen und die Böcke zur Linken.“ Es werden nur zwei Klassen da sein, die eine zur Rechten des Richters und die andre zu seiner Linken. Der Herr Jesus Christus „wird richten die Lebendigen und die Toten bei seiner Erscheinung.“ alle, die Er vor sein furchtbares Tribunal gefordert hat, werden entweder lebendig gemacht aus den Toten oder noch tot in Übertretungen und Sünden sein. Es wird keine Mittelpartei an jenem Tage geben, wie es vor Gottes Augen auch jetzt schon keine dritte Klasse gibt. Unser aller Namen sind entweder in dem Lebensbuch des Lammes oder dem Todesbuch des Richters.
Einige haben gelehrt, das hier das vorhergesagte Gericht sei das der Gemeinde, die sich christlich nennt, und nicht das der ganzen Welt. Es mag etwas Grund zu diesem Glauben da sein, doch scheint es unmöglich, die volle Bedeutung der majestätischen Worte unsres Heilandes auf irgend etwas andres anzuwenden, als auf das allgemeine Gericht des ganzen menschlichen Geschlechts.
34. Da wird dann der König sagen zu denen zu seiner Rechten: Kommt her, ihr Gesegneten meines Vaters, ererbet das Reich, das euch bereitet ist von Anbeginn der Welt!
Der König wendet sich zuerst an die erwählte Schar zu seiner Rechten, die „große Schar, welche niemand zählen konnte,“ und spricht: “Kommt.“ Sie hatten seine frühere Einladung: „Kommt her zu mir,“ angenommen; nun gibt Er ihnen ein andres und herrlicheres „Kommt,“ das indes in dem früheren schon eingeschlossen war, denn wenn Er sagte: „Ich will euch Ruhe geben,“ so war der Himmel selber ihnen verheißen. Der König ruft die, welche Er lieb hat, mit einem köstlichen Namen: “ihr Gesegneten meines Vaters.“ Wir werden nicht wissen, welche Seligkeit in diesem Namen liegt, bis wir ihn von unsres Heilandes Lippen hören, und selbst dann werden wir nur beginnen zu verstehen, was wir die ganze Ewigkeit hindurch genießen werden. alle wahren Gläubigen sind Miterben Jesu Christi, deshalb wird der König zu ihnen sprachen: “Ererbet das Reich, das euch bereitet ist von Anbeginn der Welt.“ Dieses Erbe, das unvergänglich und unbefleckt und unverwelklich ist, ist das unveräußerliche Recht aller, die zu Königen und Priestern vor Gott gemacht sind; und das, was für sie von Anbeginn der Welt bereitet ist, wird in ihrem Besitz sein, wenn die Welt selber den Zweck ihrer Schöpfung erfüllt hat und verbrannt worden ist.
35. 36. Denn ich bin hungrig gewesen, und ihr habt mich gespeist. Ich bin durstig gewesen, und ihr habt mich getränkt. Ich bin ein Gast gewesen, und ihr habt mich beherbergt. Ich bin nackt gewesen, und ihr habt mich bekleidet. Ich bin krank gewesen, und ihr habt mich besucht. Ich bin gefangen gewesen, und ihr seid zu mir gekommen.
Der König verweilt mit großer Freude bei den einzelnen Freundlichkeiten, die seine Diener Ihm erzeigt. Werden wir denn im Grunde doch durch unsre Werke errettet werden? Keineswegs. Doch sind unsre Werke die Zeugnisse davon, daß wir errettet sind. Wenn unsre Handlungen solche sind, die Christus im jüngsten Gericht loben wird, so beweisen sie, daß wir durch Gnade errettet sind, und daß der Heilige Geist wirksam in uns und durch uns thätig gewesen ist. Die Dienste, die der König nennt, waren alle Ihm selber erwiesen: “Ich bin hungrig gewesen, und ihr habt mich gespeist. Ich bin durstig gewesen, und ihr habt mich getränkt. Ich bin ein Gast gewesen, und ihr habt mich beherbergt. Ich bin nackt gewesen, und ihr habt mich bekleidet. Ich bin krank gewesen, und ihr habt mich besucht. Ich bin gefangen gewesen, und ihr seid zu mir gekommen.“ Es wird nicht erwähnt, was die Gerechten gesagt hatten oder welches Bekenntnis der Liebe zu Christo sie abgelegt, das Lob wird erteilt für das, was sie nach der Erklärung des Königs für Ihn gethan hatten, indem sie Ihm dienten.
37-39. Dann werden Ihm die Gerechten antworten und sagen: Herr, wann haben wir Dich hungrig gesehen, und haben Dich gespeist? oder durstig, und haben Dich getränkt? Wann haben wir Dich einen Gast gesehen, und beherbergt? oder nackt, und haben Dich bekleidet? Wann haben wir Dich krank oder gefangen gesehen, und sind zu Dir gekommen?
Sie werden bescheiden das von dem König ausgesprochene Lob ablehnen. Sie hatten keinen Gedanken daran, daß etwas Verdienstliches in dem sei, was sie gethan; sie ließen sich nie träumen, daß sie dafür belohnt würden. Wenn die Heiligen vor dem Richterstuhl stehen, wird der bloße Gedanke an etwas Treffliches in dem, was sie gethan, ihnen neu sein, denn sie haben ihr eignes Thun sehr niedrig angeschlagen. Sie speisten die Hungrigen, kleideten die Nackenden, besuchten die Kranken um Christi willen, weil es das Süßeste in der Welt war, etwas für Jesum zu thun. Sie thaten es, weil es ihnen Freude machte, weil sie nicht anders konnten, weil ihre neue Kreatur sie zwang, es zu thun.
40. Und der König wird antworten und sagen zu ihnen: Wahrlich, ich sage euch: Was ihr gethan habt einem unter diesen meinen geringsten Brüdern, das habt ihr mit gethan.
Christus hat viel mehr mit den Leiden seiner Brüder zu thun, als wir zuweilen denken. Sind sie hungrig? Er sagt: „Ich war hungrig.“ Sind sie durstig? Er spricht: „Ich war durstig.“ Die Teilnahme Christi ist fortdauernd, und alle Jahrhunderte hindurch will Er beständig in den leidenden Körpern der versuchten und angefochtenen Seinen Mensch werden. Daher die Gelegenheit, Ihm Dienste zu thun, so lange wir hier sind.
41. Dann wird Er auch sagen zu denen zur Linken: Gehet hin von mir, ihr Verfluchten, in das ewige Feuer, das bereitet ist dem Teufel und seinen Engeln!
Jedes Wort in dem Urteilsspruch des Königs über die zu seiner Linken wird ihr Herz mit Schrecken füllen. “Gehet hin von mir.“ Aus Christi Gegenwart verbannt zu werden, ist Hölle. “Ihr Verfluchten,“ sie konnten weder geltend machen, daß sie das Gesetz gehalten, noch daß sie dem Evangelium gehorsam gewesen seien; sie waren in der That doppelt verflucht. Es wurde ihnen befohlen, hinzugehen “in das ewige Feuer, das bereitet ist dem Teufel und seinen Engeln.“ Sie hatten sich an den Teufel angeschlossen, da sie dem Herrn Gehorsam weigerten, so war es nur recht, daß sie, da sie seine Empörung nachahmten, seine Strafe teilten.
42. 43. Ich bin hungrig gewesen, und ihr habt mich nicht gespeist. Ich bin durstig gewesen, und ihr habt mich nicht getränkt. Ich bin ein Gast gewesen, und ihr habt mich nicht beherbergt. Ich bin nackt gewesen, und ihr habt mich nicht bekleidet. Ich bin krank und gefangen gewesen, und ihr habt mich nicht besucht.
Das kleine Wort “nicht“ erklärt den Unterschied zwischen ihrem Verhalten und dem der Gerechten. Zu denen zur Rechten wird der König sagen: „Ich bin hungrig gewesen, und ihr habt mich gespeist,“ aber zu denen zur Linken wird Er sagen: “Ihr habt mich nicht gespeist.“ Diese Unterlassung ihrerseits war keine geringe Sache; sie war verhängnisvoll und ward heimgesucht mit dem Urteil des ewigen Todes: „Gehet hin von mir.“ Die Menschen mögen es jetzt leicht nehmen mit ihrem Mangel an Liebe zu Christo und ihrer Vernachlässigung seiner armen Brüder, aber in dem Licht des jüngsten Tages wird ihr Verhalten anders erscheinen. Dennoch werden selbst dann einige versuchen, sich zu rechtfertigen.
44. Da werden sie Ihm auch antworten und sagen: Herr, wann haben wir Dich hungrig gesehen, oder durstig, oder einen Gast, oder nackt, oder krank, oder gefangen, und haben Dir nicht gedient?
Welche Betrügerin ist die Sünde! Wie vermessen, daß sie sogar in Gegenwart des allwissenden Richters ihre wirkliche Natur leugnet und ihre Anhänger behaupten läßt, der göttlichen Vorschrift der Heiligkeit genügt zu haben!
45. Dann wird Er ihnen antworten und sagen: Wahrlich, ich sage euch: Wa ihr nicht gethan habt einem unter diesen Geringsten, das habt ihr mir auch nicht gethan.
Unser Herr will nicht lehren, daß Menschen verdammt werden, weil sie nicht mildthätig gegen Arme und Dürftige gewesen, oder daß sie selig werden, wenn sie barmherzig und freigebig gewesen sind. Das wäre in der That eine Seligkeit durch Werke, mit der in alle Ewigkeit geprahlt werden könnte. Er meint mit diesen Worten, daß nur die, welche solche Früchte wie diese hervorbringen, es beweisen, daß „die Wurzel der Sache“ in ihnen ist. Indem sie aus Liebe zu Ihm seinen armen Brüdern dienen, zeigen sie, daß die Gnade, welche sie von andren unterscheidet, in ihnen ist. Unsre ganze Zukunft hängt von unsrem Verhältnis zu dem Herrn Jesu Christo ab.
46. Und sie werden in die ewige Pein gehen; aber die Gerechten in das ewige Leben.
Die “Pein“ hat dieselbe Dauer wie das “Leben“. Eins ist nicht mehr zeitweilig oder mehr eines Abschlusses fähig als das andre. Im Himmel werden “die Gerechten“ auf immer zukünftiger Seligkeit entgegen sehen, während sie vollkommenes, gegenwärtiges Glück genießen; und in der Hölle werden die Ungerechten ewig dem „künftigen Zorn“ entgegen blicken, während sie erdulden, was unser Heiland hier als die „ewige Pein“ in „dem ewigen Feuer“ (V. 41) beschreibt. Zwischen Himmel und Hülle ist eine große Kluft befestigt, ein furchtbarer Abgrund, der nicht überbrückt werden kann, so daß die Trennung zwischen den Schafen und Böcken ewig und unabänderlich sein wird. Gott gebe, daß niemand von uns auf der unrechten Seite dieser großen Kluft sein möge!