„Wisset ihr nicht, dass ich sein muss in dem, was meines Vaters ist?
Luk. 2,49
Sieh da, welch einen innigen Anteil Gott der Vater am Werk der Erlösung nimmt. So wird „das, was sein ist“ genannt; und obgleich Christus Jesus gekommen ist in die Welt, unser Versöhnung zu vollbringen, obgleich er gekommen ist, uns ein vollkommenes Vorbild zugeben und den Weg des Heils zu bahnen, so kam er doch nicht in eigener Angelegenheit, sondern in seines Vaters Auftrag - denn sein Vater nahm nicht geringeren Anteil an der Erlösung des Menschen als er selbst; das Herz des Vaters war eben so voll Liebe wie das blutende Herz des Sohnes, und der Sinn der ersten Person der heiligen Dreifaltigkeit war ebenso brünstig zu ihren Auserwählten geneigt wie das Gemüt Jesu Christi, der unser Stellvertreter, unsere Burg, unser Alles ist.
„Das, was seines Vaters ist.“ Sieh da, wie sich der Sohn unterwirft unter den Willen des Vaters, und nicht tut, was sein ist, sondern was seines Vaters ist. Sieh, wie er sich demütigt und erniedrigt und ein Kind wird, seiner Mutter untertan; und siehe, wie er sich beugt und ein Mensch wird in der Furcht Gottes. „Er ward gleich als ein Mensch und nahm Knechtsgestalt an,“ Phi 2,7; und ob er gleich der Sohn war, Gott gleich in Ansehen und Macht, der es „nicht für einen Raub hielt, Gott gleich zu sein,“ Phi 2,6 „ward er doch an Gebärden als ein Mensch erfunden, und erniedrigte sich selbst und ward gehorsam bis zum Tode, ja bis zum Tode am Kreuz.“ Phi. 2,7.8. Darum lerne du, der du gläubig geworden bist, alle drei Personen der heiligen Dreieinigkeit gleich sehr lieben. Bedenke, dass das Werk der Erlösung ihnen allen gleich gut angehört; sie stimmen ganz überein; und wie sie in der Schöpfung alle drei sprachen: „Lasst uns Menschen machen in unserem Bilde, nach unserem Gleichnis.“ 1. Mo. 1,26, so stimmen sie auch zusammen zu unserer Erlösung: „Lasst uns die Menschen erretten;“ und jedes von den Drei-Einen wirkt so viel dazu mit, dass dieselbe in Wahrheit eines jeden Werk ist, und dennoch das ungeteilte Werk der dreieinigen Gottheit. Beachte, liebe Seele, den wichtigen Ausspruch des Propheten Jesajas: „Ich will ihm Viele zur Beute geben, und er soll die Starken sich zum Raube nehmen.“ Jes. 53,12. Gott gibt und Christus selber gibt sich. Der Sieg gebührt Gott; der Vater „gibt ihm Viele zur Beute;“ und so ists auch bei Christus: „er nimmt sich die Starken zum Raube.“ Gib nicht einer Person den Vorzug vor der anderen; in Ehrfurcht bringe ihnen alle gleiche Anbetung dar, denn sie sind Eins - Eins im Wollen, Eins im Wirken, Eins im Wesen; und weil sie dennoch wahrhaft Drei sind, so dürfen wir anbetend ausrufen: „Dem einigen Gott Himmels und der Erde sei Ehre, wie es war von Anfang und nun ist, uns sein wird in alle Ewigkeit. Amen.“
Heute aber, liebe Seelen, möchte ich eure Aufmerksamkeit zuerst hinlenken auf den Geist des Heilandes, wie er sich in den Worten kundgibt: „Wußtet ihr nicht, dass ich sein muss in dem, was meines Vaters ist?“ und alsdann möchte ich zweitens die Kinder Gottes mit allem Ernst, mit aller Innigkeit und Kraft, die mir zu Gebote steht, ermahnen, nach demselben Geist zu trachten, auf dass auch sie aufrichtig sagen können: „Wisset ihr nicht, dass ich sein muss in dem, was meines Vaters ist?“
Achtet zuerst auf den Geist Christi. Es war ein Geist ungeteilter Hingebung um den Willen Gottes, seines Vaters. Es war ein Geist, der von einer unwiderstehlichen Kraft im Dienste Gottes getrieben ward. Achtet wohl auf das Wörtchen „muss“. „Wußtet ihr nicht, dass ich hier sein muss?“ Es ist etwas in mir, was mich hindert, anders zu handeln. Ich empfinde einen alles überwachenden, übermächtigen Einfluss auf mich, der mich immer und überall nötigt, in dem zu sein, was meines Vaters ist; der Geist von oben, eine heilige, ganze, ernste, bestimmte Hingabe des Herzens an Gott. „Wußtet ihr nicht, dass ich sein muss in dem, was meines Vaters ist?“
Erstens, welcher höhere Antrieb zwang gleichsam den Herrn Jesus, zu sein in dem, was seines Vaters ist? Und dann zweitens, was war seine Aufgabe, und wie erfüllte er sie?
1) Welch eine Macht war es, die Christus zu dem Ausspruch nötigte: „Ich muss sein in dem, was meines Vaters ist?“
Es war vor allem der Geist des Gehorsams, der seine Seele ganz und gar erfüllte. Da er Knechtsgestalt annahm, empfing er auch den Geist eines gehorsamen Knechts, und ward so vollkommen in seinem Knechtsberuf, wie er es je in seinem Beruf als König und Fürst seines Volks gewesen war, obwohl er alles aufs völligste erfüllt hatte, was ihm als solchem je oblag. Geliebte, gläubige Seele! Erinnerst du dich nicht, wie du im Anfang nach deiner Bekehrung, da das junge Leben deines neugeborenen Geistes noch frisch und kräftig in dir war, so mächtig wünschtest, Gott zu gehorchen, und wie innig dein Eifer war, ihm auf jede Art zu dienen? Ich kann mich wohl entsinnen, wie ich keine fünf Minuten warten konnte, ohne etwas für den Herrn und seine Sache zu tun. Ging ich über die Straße, so hatte ich christliche Schriftchen bei mir; fuhr ich auf der Eisenbahn, so musste ich ein solches Schriftchen durchs Fenster fallen lassen; hatte ich einen Augenblick der Muße, so lag ich auf den Knien oder saß hinter dem Worte Gottes; war ich unter Freunden oder in Gesellschaft, so musste ich das Gespräch auf Christus lenken, auf dass ich auch hier meinem Herrn und Meister dienen möchte. Ach, ich muss es bekennen, es ist gar viel von diesem Ernst des Strebens von mir gewichen, und glaube auch, von manchen unter euch, die mit dem Wachstum der Erkenntnis an Eifer verloren haben. Wohl möglich, dass wir in dem ersten Drang des neuen Lebens manchmal unbedachtsam handelten, da wir der Sache Christi wollten einen Dienst leisten; dennoch sage ich, ach dass jene Zeit wiederkäme, ob ich nur wieder jene erste Liebe zu meinem Herrn gewänne, jenen überwältigenden Einfluss auf meinen Geist, der mich zum Gehorsam trieb, weil Gott gehorsam sein mir Wonne und Freude war.
Nun, etwas Ähnliches empfand der Herr Jesus. Er musste. Er musste Gott dienen; er musste gehorsam sein; er konnte nicht anders. Der Geist wohnte in ihm und wollte wirken, gerade wie der Geist des Ungehorsams die Gottlosen zur Sünde treibt. Die böse Lust verführt manchmal den Sünder mit solch unwiderstehlicher Gewalt zur Sünde, dass er ihr weniger Widerstand zu leisten vermag als das schwankende zitternde Laub dem brausenden Sturm. Wir hatten so mächtige Begierden in uns, dass sie nur zu winken brauchten, so waren wir ihre willigen Sklaven; wir hatten so tyrannische Gewohnheiten, dass wir ihre Ketten nicht zu zerreißen vermochten; wir wurden zum Bösen hingerissen wie Spreu vom Sturm, wie das Schiff im Orkan. Von den Lüsten, die uns umtrieben, wurden wir hin- und hergewiegt, „gereizt und gelockt“ (Jak. 1,14). Gerade so ist es nun auch bei dem neuen Herzen, nur ist die Richtung eine ganz andere. Der Geist des Gehorsams arbeitet in uns und nötigt uns, unserem Gott zu dienen, so dass, wenn dieser Geist ungehindert und frei ist, wir in Wahrheit sagen können: „Wir müssen sein in dem, was unseres Vaters ist.“ Wir können gar nicht anders.
2) Christus aber hatte etwas, was nur wenige Menschen besitzen. Er hatte noch einen anderen Grund, so zu sprechen, eine andere Nötigung. Er hatte eine heilige Berufung zu dem Werke, das er unternommen hatte, und dieses heilige Amt drängte ihn dazu. Ihr denkt vielleicht, es sei doch ein wenig schwärmerisch, wenn man von einer heiligen Berufung rede; aber nennt es nun schwärmerisch oder nicht, das eine halte ich fest - der Glaube an einen besonderen Ruf zu einem bestimmten Werk verleiht dem Menschen gleichsam einen allmächtigen Arm. Wenn ein Mensch die Zuversicht hat, dass Gott ihn zu etwas ausgesondert und berufen hat, so mögt ihr ihn verspotten und verhöhnen; es kümmert ihn nichts. Euer Spott ist ihm ebenso gleichgültig wie euer Beifall; denn er glaubt, dass Gott das Werk durch ihn ausführen wird. Ihr wehret ihm; aber hat er euch denn je um eure Meinung über die Sache gefragt? Er hat die feste Zuversicht, dass er von Gott berufen ist, und bringt unaufhaltsam seinem Ziel entgegen. Ob er auch eine kleine Weile inne hält, so treibt es ihn - er weiß nicht, woher es kommt, aber er fühlt sich unglücklich, wenn er nicht an dem Werke steht, das er als seinen Lebensberuf erkannt hat. Wenn seine Zunge schweigt, wo ihm Gott zu reden befohlen hat, dann ist das Wort wie ein verzehrendes Feuer in seinen Gebeinen, es durchdringet Mark und Bein, bis er zuletzt mit Elihu ausruft: „Ich bin der Rede so voll, dass mich der Odem in meinem Bauch ängstet.“ (Hiob 32,18); ich muss reden oder bersten, ich kann nicht anders. Verlasset euch darauf: Jene Männer, die für unsere teure Religion Gottes gewirkt haben, waren zu solchem Werk besonders auserkoren und berufen. Ich zweifle ebenso wenig an der Berufung Luthers wie an der der Apostel, und er selbst zweifelte nicht daran. Einer der Gründe, warum Luther etwas unternahm, war der, dass andere es nicht anrühren wollten. Als er durch seine Verheiratung mit einer Nonne dem Papsttum einen Stoß versetzen wollte, warnten ihn alle seine Freunde vor einem so gewagten Schritte. Luther hörte ihre Warnung - und führte sein Vorhaben aus, vielleicht nur umso rascher, weil sie davor zurückbebten. Es mag sonderbar erscheinen, dass jemand darum etwas tun sollte, weil man ihn davon abbringen will; aber Luther fühlte, dass es seine Aufgabe sei, dem Papsttum von allen Seiten Streiche zu versetzen; und dafür setzte er alles hintan, sogar der Freund Freundschaft. Es war Tag und Nacht sein Beruf, das Papsttum zu Boden zu beten, zu Boden zu predigen, zu Boden zu schreiben, und er musste es tun, obwohl oft unter größter Beschwerde, unter Verfolgung und Hemmnissen aller Art, ja unter Ritterverkleidung. Es war seine Berufung, die er erfüllen musste. Hättet ihr Luther alles Mögliche angetan, ja hättet ihr ihm die Zunge ausgerissen, so hätte er seine Feder in Feuer getaucht und mit Flammenzügen die Verdammung des Papsttums geschrieben. Er konnte nicht anders, der Himmel hatte ihn zu diesem Werke gezwungen; er hatte einen besonderen Auftrag von Oben erhalten, und niemand hätte ihn aufhalten können, so wenig wie den Sturm in seinem Rasen oder die Zeit in ihrem eisernen Tritt. Christus hatte eine besondere Berufung: „Der Geist des Herrn ist auf mir; der Herr hat mich gesandt, zu verkündigen das Evangelium den Armen.“ (Jes. 61,1; Luk. 4,18). Und er spürte die Kraft dieser Salbung - die Macht seiner Berufung. Und ruhen mochte er nicht, konnte er nicht, durfte er nicht. „Ich muss sein,“ sprach er, „in dem, was meines Vaters ist.“
3) Aber noch eins. Christus hat etwas, was wenige von uns recht kennen. Er hat ein Gelübde auf sich, das Gelübde zur Vollendung des Werkes von Ewigkeit her. Er war der Bürge des Testaments geworden; er hatte gelobt, seines Vaters Auftrag zu vollführen. Er hatte einen feierlichen Eid gelobt, dass er Mensch werden wolle; dass er das Lösegeld bezahlen wolle für alle seine Vielgeliebten; dass er herabkommen und seines Vaters Willen ausrichten wolle. „Sieh, ich komme,“ sprach er, „im Buch ist über mich geschrieben. Deinen Willen, mein Gott, tue ich gern“ (Ps. 40,8.9) Er ist treu und gerecht, darum nötigten ihm das Testament, die Verpflichtung, die Bürgschaft, die beschworne Verheißung und der Eid den Ausruf ab: „Ich muss sein in dem, was meines Vaters ist.“ Wenn ihr je ein Gelübde tut, teure Freunde - tut es aber nicht oft - so seht darauf, dass ihr es auch haltet. Wenige Gelübde sollten von Menschen gelobt, aber dann sollten sie auch immer treu und gewissenhaft erfüllt werden. Gott verlangt keine Gelübde von uns; wenn uns aber sein Geist zu einem Gelübde drängt - und das dürfen wir getrost, wenn wir es nicht in eigener, sondern in seiner Kraft tun - dann sind wir verpflichtet, es zu halten. Und wer fühlt, dass er etwas gelobt hat, der soll sich auch gedrängt fühlen, das Werk, das er gelobt hat, zu vollenden. Und wenn auch die Schwierigkeiten noch so groß entgegentreten; habt ihr gelobt, so vollendets. Ob der Berg noch so hoch sei: habt ihr es Gott gelobt, so erklimmt seinen Gipfel und gebt niemals auf. Ist das Gelübde rechter Art, so wird euch Gott beistehen, es zu erfüllen. O ihr, auf denen des Herrn Gelübde ruht - und eurer viele haben heilige Gelübde auf sich genommen durch ihr christliches Bekenntnis - ich beschwöre euch bei der hochheiligen Feier, wodurch ihr euch eurem Herrn zu eigen ergeben habt, und bei dem heiligen Mahl, in welchem ihr Gemeinschaft mit eurem Heilande gefunden habt, erfüllet nun eure Gelübde, erfüllet sie Tag für Tag, Nacht um Nacht, stündlich, ununterbrochen, unaufhörlich; und sie mögen euch die Worte abdrängen: „Ich muss sein in dem, was meines Vaters ist.“ Das, glaube ich, waren die gewaltigen Gründe, die Christus Jesus in seiner himmlischen Berufung bestärkten.
Zweitens, was war denn das, was seines Vaters ist? Ich denke, es bestand in dreierlei: Vorbild, Besiegelung, Sühne.
1) Ein Teil des Vaterwillens war, ein vollkommenes Vorbild uns zur Nacheiferung in die Welt zu senden. Gott hatte manches Vorbild uns gegeben im Leben vieler Heiligen. Der eine leuchtete vor durch diese Tugend, ein anderer durch jene. Zuletzt entschloss sich Gott, alle diese Lebensbücher in einem Band zusammenzufassen und eine Vereinigung aller Tugenden in der Person unseres Herrn Jesu Christi herzustellen. Er wollte alle Teile in ein Ganzes verschmelzen, alle die köstlichen Perlen zu einem Schmuck verbinden und sie strahlen lassen von der Stirn einer einziger Person. Der Bildhauer findet hier einen Fuß von einem berühmten Künstler, dort eine Hand von einem nicht minder erhabenen Meister. Hier findet er einen Rumpf, dort ein majestätisches Haupt. Er spricht: „Ich will diese Schätze der Kunst sammeln, ich will sie zusammensetzen, das wird ein Idealbild geben. Ich will die Vollkommenheit der Menschengestalt bilden, die strahlen soll in höchster Schönheit und in allen Zeiten soll angestaunt werden als das Ideal in höchster Vollendung. Und so sprach Gott: „Da ist Hiob, er ist geduldig; hier ist Moses, er ist sanftmütig; hier sind alle jene Hohen und Herrlichen mit ihren Tugenden. Ich will sie nehmen und will sie in eines verschmelzen: der Mensch Jesus Christus soll das vollkommene Tugendvorbild für alle Zeiten sein.“ Ich sage aber, dass der Herr Jesus sein ganzes Leben hindurch in diesem Stück den Willen seines Vaters erfüllte. Nie findet ihr, dass Christus etwas tat, was ihr nicht nachahmen solltet. Ihr hättet gewiss nicht geglaubt, dass er die Taufe notwendig gehabt hätte; aber siehe, er geht hinaus an den Jordan und taucht unter die Flut, damit er durch die Taufe begraben werde in den Tod und wieder auferstehe - obwohl er der Auferstehung nicht bedurfte - zu einem neuen Leben. Ihr seht ihn Kranke heilen, auf dass er uns Wohltun lehre; er straft die Heuchelei, uns die Menschenfurcht zu nehmen; er erduldet die Versuchung, um uns tapfer zu machen, auf dass wir als gute Streiter Christi einen guten Kampf kämpfen mögen.
Ihr seht, wie er seinen Feinden vergibt, um uns seine sanftmütige und vergebende Gnade zu zeigen; ihr seht ihn sein eigenes Leben zum Opfer darbringen, um uns zu lehren, wie wir uns selbst Gott übergeben und uns zum Heil anderer aufopfern sollen. Schaut hin auf Christus bei der Hochzeit zu Kana; ahmt ihn nur nach! Ja, liebe Herren, ihr dürftet ohne Sünde, wie er, Wasser in Wein verwandeln, wenn ihr könntet. Schaut Christus am Grad; ihr dürfts ihm nachtun: „Jesus weinte!“ Schaut ihn auf des Berges Spitze; dort weilt er allein, versunken in brünstigem Gebet. Tut nur auch also. Schaut ihn unter dem Volksgetümmel; er redet so gewaltig, dass ihr unübertroffene Redner wäret, wenn es euch genauso gelänge. Schaut ihn inmitten seiner Feinde; er beschämt sie so mit seiner Güte, dass ihr von seinem Beispiel solltet hingerissen sein. Schaut ihn unter seinen Freunden; siehe, so ist er „ein Freund, der fester beisteht denn ein Bruder“ Spr. 18,24; und er ist es wert, dass du seinem Beispiel nachfolgst. Erhebt ihn, rufet ihm zu: Hosianna; siehe, so „kommt dein König zu dir sanftmütig, und er reitet auf einem Esel, auf einem Füllen der lastbaren Eselin.“ Sach. 9,9; Mat. 21,5. Wo er aber verspottet und ins Angesicht gespien wird, erträgt er die Schmach gelassen und geduldig mit eben der Ruhe des Geistes, die er bewahrte, da er in den Augen der Welt hoch erhoben ward. Überall ist Christus euch ein Vorbild der Nachahmung. Ja, liebe Herren, auch darin dürft ihr seinem Beispiel folgen, dass „des Menschen Sohn ist gekommen, isset und trinket,“ Luk. 7,34, und damit seine Absicht erfüllte, das eitle Pharisäertum der Menschen zu stürzen, das da vorgibt, das Reich Gottes bestehe in Essen und Trinken; denn „es ist nichts außer dem Menschen, das ihn könnte gemein machen, so es in ihn geht; sondern das von ihm ausgeht, das ist es, das den Menschen gemein macht.“ Luk. 7,15. Und das ist es, worin wir uns in Acht nehmen sollen, dass der innere Mensch nicht verunreinigt werde. Auch nicht ein einziges Mal hat er sich von diesem klaren, wahren Spiegel der Vollkommenheit entfernt.
2) Und ebenso in dem, was wir eben Besiegelung nannten, d.h. Besiegelung des neuen Testamentes; das war seines Vaters, und Christus ist ebenfalls darin geblieben. Er ging in die Wüste, um vom Teufel versucht zu werden. Ward er denn wirklich versucht? O, meine Teuren, ja wohl, denn es war notwendig, dass er „ein treuer Hohepriester würde vor Gott, zu versöhnen die Sünden des Volkes. Denn darinnen er gelitten hat und selbst versucht ist, kann er helfen denen, die versucht werden.“ Heb. 2,17.18. Wenn er spricht, so könnt ihr fühlen, wie er sein Wort bekräftigt; und ebenso, wenn er schweigsam ernst den Finger auf den Mund legt; denn also erfüllte sich die Weissagung: „Da er gequälet und gemartert war, tat er seinen Mund nicht auf, wie ein Lamm, das zur Schlachtbank geführt wird, und wie ein Schaf, das verstummet vor seinem Scherer.“ Jes. 53,7. Wenn er ein Wunder tut, wenn die stürmenden Winde auf seine Stimme gehorsam ihr Toben und Heulen verstummen lassen, so bekräftigt und besiegelt er damit nur das Evangelium, indem er zeigt, dass er göttlich ist. Wenn er weint, so bekräftigt er wiederum das Evangelium, und zeigt, dass er Mensch ist. Sammelt er Apostel und Jünger um sich, so geschieht es, damit sie ausgehen sollen in alle Welt, das Evangelium zu verkündigen. Sitzt er bei einem Brunnen, so geschieht es, um ein Weib zu lehren, auf dass diese der ganzen Stadt Samaria den Weg des Heils verkündige. Allezeit hat er ein Vorbild gelassen und eine Bestätigung gegeben.
3) Und ach, Geliebte, als die Stunde seines Leidens herbeikam, als ihm die größte aller Arbeiten auferlegt ward, welche kein Mensch je hätte auf sich nehmen können; als er an das große Werk der Versöhnung ging, wie hat er es so ganz und völlig vollbracht!
Ach sieh ihn dulden, bluten, beben;
Am Ölberg dort, in kalter Nacht.
Sieh ihn am Kreuz schmachvoll schweben;
O höre, wie er sterbend ruft:
Es ist vollbracht!
Und das kann dir wohl zeigen, dass er in dem war, was seines Vaters ist. Das, was seines Vaters ist, trieb ihm den Blutschweiß auf die Stirn; das, was seines Vaters ist, zerfleischte ihm den Rücken und schlug ihm blutige Wunden; das, was seines Vaters ist, zerstach seine reine, heilige Stirn mit den Stacheln einer Krone aus Kaktuszweigen; das, was seines Vaters ist, überantwortete ihn der Schmach und Lästerung; das, was seines Vaters ist, lud ihm des Kreuzes Last auf; das, was seines Vaters ist, heftete ihn entblößt und von Todesqualen ermattet, ans Kreuz; das, was seines Vaters ist, bewog ihn, den Tod zu erdulden, ob er gleich nicht hätte zu sterben brauchen, wenn es ihm nicht gefallen hätte; das, was seines Vaters ist, hieß ihn das Tal der Todesschatten durchwandern und hinabzusteigen in die Tiefen der Hölle; das, was seines Vaters ist, berief ihm, zu predigen den Geistern im Gefängnis; und das, was seines Vaters ist, war es, dass er aufgenommen ward in den Himmel, wo er nun sitzet zur Rechten Gottes, des Vaters, und wo er stets fort noch den Willen seines Vaters tut! Das, was seines Vaters ist, heißt ihn Tag und Nacht Tränen und Flehen darbringen für Zion, und es wird ihn auch wiederbringen als Richter der Lebenden und Toten, auf dass er die Schafe von den Böcken scheide; und das wird ihn auch treiben, zu sammeln alle, die da wohnen auf dem Erdboden. O, Ehre sei dir, o Jesu; Du hast es vollbracht; du hast vollendet, was deines Vaters ist.
Ein Vorbild ist euch nun gegeben; lasst euch ermahnen zu seiner Nachfolge.
Sagt mir, so ihr es wisst, warum die Religion unseres Herrn Jesu so langsam sich ausbreitet auf Erden?
Mohammed, ein Verführer, stand auf und predigte auf den Gassen. Nur wenige Jahre, so hat er ein endloses, begeistertes Heer hinter sich. Ein Jahrhundert rauscht vorüber, und tausend Säbel blitzen auf einen Wink der Kalifen aus ihren Scheiden empor. Mohammeds Religion ereilte die Völker wie ein Sturm einen Waldbrand und verzehrte Königreiche. Warum aber das? Die Nachfolger der Kalifen waren seiner Sache von ganzem Herzen zugetan. Als vor Alters jener Moslem sein Pferd ins Meer spornte, um über die Meerenge von Gibraltar zu setzen, und als er es dann am Zügel emporriss und ausrief: „Ich setze hinüber, wenn Allah will!“ so liegt darin etwas, was uns zeigt, wie stark sein Glaube war. Ja, solche Krieger waren damals bereit, für ihre Religion zu sterben, und darum gewann sie Boden. Könnt ihr mir sagen, warum sich das Christentum in den ersten Zeiten so rasch ausdehnte? Darum, dass die Heiligen „ihr Leben auch für sich selbst nicht teuer“ hielten, Apg. 20,24, sondern um „Jesu Christi, ihres Herrn, willen alles drangegeben haben“ Phi. 3,8. Der Apostel Paulus durchzieht viele Länder; Petrus begibt sich zu allerlei Völkern; Philippus und die anderen Apostel gehen aus in verschiedene Gegenden, das Wort Gottes zu bezeugen. Meine Lieben, ich will euch sagen, warum unser Glaube in diesen Tagen so wenig Verbreitung gewinnt. Verzeiht mir - es ist darum, dass seine Bekenner selbst nicht daran glauben! O, glaubt doch! Ja, im Kopf glauben sie wohl, aber nicht im Herzen. Wir haben nicht wahre Hingebung genug an die Sache, sonst würde Gott Zion mit einem viel größeren Wachstum segnen, davon bin ich fest überzeugt. Wie wenige gibt es, die sich ganz und völlig ihrer Religion hingegeben haben! Sie nehmen ihre Religion so, wie mein Freund dort drüben sein Gut in Pacht nimmt. Er hat ein Pachtgut von tausend Morgen, aber er denkt, er will noch mehr gewinnen, nimmt noch eine kleine Pacht von hundert Morgen dazu, die etwas abseits liegt, und übergibt sie einem Unterpächter und kümmert sich wenig darum. Es ist nicht zu hoffen, dass er bei dieser Unterpacht viel aufstecken werde, weil er sie anderen ganz überlässt. So ist es mit der Religion gerade auch. Euer großes Pachtgut ist euer irdischer Beruf; eure Hauptliebhaberei ist der zeitliche Gewinn. Aber eure Religion betrachtet ihr gar zu gern als ein kleines Heimwesen, das wenig Zins einbringt, wo ihr euch aber hinbegeben wollt, wenn es dem Grabe zugeht; aber jetzt wohnt ihr nicht gerne dort. Euer Geschäft trägt euch eben Tag für Tag ein gar hübsche Sümmchen ein, und die Religion ist auch nichts für alle Tage. Meine Lieben, der Grund, warum eure Religion nicht fröhlich gedeiht, liegt darin, dass sie in eurem Herzen nicht genug Wurzel gefasst hat. Wie wenige sind doch unter uns, die bereit wären, sich ganz, mit Seele und Leib, der Sache des Evangeliums Christi hinzugeben! Und wenn ihr versuchen wollt, es zu tun, wie vielen Widersprüchen würdet ihr begegnen! Geht in die Gebetsversammlungen und werdet ein wenig ernst gestimmt - was sagt man gleich? Nun, man wartet euch auf, gerade wie Elia, Davids Bruder, dem David, als er sich über den Streit mit Goliath erkundigte. „Ich kenne deine Vermessenheit wohl und deines Herzens Bosheit. Denn du bis herabgekommen, dass du den Streit sehest.“ Da heißts: „Gehe fort, bleibe davon; denke nicht, du könnest etwas dabei tun; hebe dich hinweg!“ Und wenn es euch ein ganzer Ernst ist, besonders beim Gottesdienst, so ists gerade ebenso. Eure Brüder beten jeden Sonntag: „Herr, sende Arbeiter in deinen Weinberg!“ Wenn sie aber Gott senden wollte, so möchten sie um alles, dass sie ihnen vom Halse blieben und ja nicht in ihren eigenen Winkel im Weinberg des Herrn kämen. Ja, sonst mögen sie überall hin gehen, aber ihnen selbst sollen sie nur fern bleiben; ihre Gemeinde könnte in Aufregung kommen und aufgerüttelt werden, und die Leute möchten denken, es sei ihnen bis dahin nicht recht Ernst gewesen mit ihrem Amte. „Du hast hier nichts zu tun!“ sagen sie. Aber, teure Brüder, kümmert euch darum nicht. Könnt ihr das Schelten und Schimpfen nicht aushalten, dann verlasst euch darauf, dass ihr auch noch nicht recht erleuchtet seid. Tretet aller Menschenweisheit fest entgegen, so klopft man euch doch zuletzt auf die Schulter und begrüßt euch mit „lieber Bruder“. Jeder findet Unterstützung und Anerkennung, wenn er an seiner Höhe steht. Duckt ihr euch aber, gleich heißts: „Duckt ihn hinunter!“ Tretet ihr dagegen unerschrocken auf, so ist man euch zu Diensten, sobald ihr euch Bahn gebrochen habt; und dann werden euch die Menschen beistehen wollen, wenn ihr es nicht mehr verlangt. Aber euer Feldgeschrei muss sein: „Wisset ihr nicht, dass ich sein muss in dem, was meines Vaters ist?“
Noch etwas: Euer allerbester Freund kommt zu euch und sagt zu euch, wenn ihr so um Gott eifert, im liebevollsten Ton: „Du musst aber doch etwas besser auf deine Gesundheit achten, du musst dich mehr schonen; überarbeite dich nicht, ich bitte dich dringend!“ Oder wenn du Beiträge gibst: „Du musst etwas vorsichtiger sein; denke doch vor allem an deine eigene Familie. Wahrlich, so darfst du es nicht treiben. Oder wenn du ein eifriger Beter bist, so sagen sie etwa: „So übertrieben brauchst du es doch auch nicht zu treiben; du kannst wohl fromm sein, aber sei nur nicht zu fromm; alles hat doch sein Maß!“ Und so zeigt sichs, dass Freunde und Feinde dich hindern wollen am Umgang mit Christus. Darum höre ich immer wieder gern, was der alte Rowland Hill erwiderte, als ihm einer sagte: „Ich bin doch nicht zu fromm.“ „Gut, dann aber bist du gottlos, denn ein Mensch, der nicht zu ehrlich ist, ist doch gewiss ein Spitzbube, und so ist auch einer, der nicht zu fromm ist, gewiss ein Gottloser.“ Wenn die Frömmigkeit etwas gilt, so gilt sie ganz. Die Gottesfurcht kann mit nichts anderem halbpart machen, sie muss alles sein. Haben wir den Geist Christi, so müssen wir Christus darin nachfolgen, dass wir alles Gott opfern, so dass wir in Wahrheit sagen können:
„Alles sei dir übergeben,
Du sollst Rat und Helfer sein!
Dir mein Gott, mein Heil, mein Leben,
Dir vertrau ich mich allein.“
Ich werde nie vergessen, wie mir zu Mute war, als ich mich ganz meinem Heilande hingegeben hatte und ein verleumderisches Gerücht über meinen Charakter mir zu Ohren kam; mein Herz verging vor Qual und Ängsten, weil ich das verlieren sollte, was mit meinem Herzen ganz verwachsen war, die Predigt des Evangeliums Jesu. Ich fiel auf die Knie nieder und schrie: Herr, ich will mein Innerstes nicht vor dir verbergen. Soll ich auch noch das verlieren, nun, dann nimms hin; es ist das Teuerste, was ich habe; aber ich will mich drein ergeben, lieber Herr, wenn man sagt, ich habe den Teufel und sei unsinnig, wie mans von dir, meinem Herrn, gesagt hat; oder ich sei ein Fresser und ein Weinsäufer. Es gehe hin, wenn ich nur sagen darf: Um meines Herrn Jesu Christi willen habe ich alles drangegeben und achte es für Unrat, auf dass ich Christum gewinne!“ Phi. 3,8.
Und ihr, liebe Christen, begebet euch nie recht Gott zu Dienste, wenn ihr ihm nicht alles hingebet. Was ihr noch vorenthaltet, ist vom Übel. Wenn ihr den geringsten Teil eurer Zeit, eures Eigentums oder eurer Kräfte euch vorbehaltet und nicht alles Christus hingebet, so müsst ihr erfahren, dass ein Stachel und ein Unsegen daran haftet; denn Christus segnet euch in allem, wenn ihr ihm alles weiht; was ihr ihm aber vorenthaltet, wird er euch fluchen, verzehren und verderben. Er will alles von uns haben, unser ganzes Wesen, sonst ist er nicht mit uns zufrieden.
Und nun möchte ich etliche Einwände widerlegen und euch, die ihr euch zu Christus bekennt, auffordern, alles, was ihr habt, ihm zu weihen. Ihr sagt: „Ach, das kann ich nicht; ich stehe nicht im rechten Glauben.“ Ganz recht, mein Lieber, da hast du wahr gesprochen; denn wenn wir einen solchen Glauben haben, der uns nicht zulässt, dass wir alles dem Heiland hingeben, dann ists kein rechter Glaube, und wir sollten uns damit nicht zufrieden geben. „Aber,“ sagst du, „wie kann ich das tun?“ Nun, was bist du denn? Was du bist, kümmert mich nicht, sondern ich behaupte, dass es dir möglich ist, alles im Namen Gottes zu tun, um Christus die Ehre zu geben. Glaube nicht, du müsstest Prediger und Seelsorger sein, um dich Christus ganz hingeben zu können. Schon mancher hat die Kanzel verunziert, und mancher hat dafür Schaufel und Hacke geschmückt. Mancher hat das Predigtpult entheiligt und mancher den Pflug, mit dem er den Boden durchpfurcht, geheiligt. Wir sollten bei all unseren Geschäften nicht minder als beim Gottesdienst alles für Christus tun. Ich will euch das an einem Beispiel deutlicher zeigen. Ein Kaufmann in Amerika hatte einen großen Teil seines Einkommens für die Sache des Reiches Gottes bestimmt, und da sagte jemand zu ihm: „Wie viel sie doch jährlich aufopfern!“ Antwortet er: „Nicht also. Ich habe einen Schreiber: denken sie nun, ich gebe meinem Schreiber 600 $, damit er meinen Hauslehrer bezahle; wenn er nun zu diesem sagte: Hier ist ihre Besoldung; welch ein Opfer für mich Schreiber, dass ich ihnen diese Summe geben muss! Da würde doch der Lehrer sagen: Herr, das geht nicht aus ihrem Beutel, das ist für sie ganz und gar kein Opfer.“ Darum sprach der wackere Mann: „Ich habe alles hingegeben, da ich Gott fand; ich ward sein Verwalter und war von da an nicht mehr das Haupt meines Hauses. Ich machte Gott zu meinem Prinzipal und ward sein Geschäftsführer. Und wenn ich nun von meinem Vermögen mitteile, so bin ich nur sein Almosenverwalter, und von einem Opfer kann gar keine Rede sein.“ Wenn wir von Opfern sprechen, so ist das ein Missverstand. Es sollte zuerst alles geheiligt und dann willig hingegeben werden, das ist der Geist des Christentums. Es hat einer gesagt: „Ich habe meinen Kaufladen dazu, dass ich meinem Gott Geld gewinne. Ich und die Meinigen leben davon - das erlaubt uns der Herr, denn gleichwie ein Prediger lebt vom Evangelium, so lebe ich von meinem Beruf, der Gottes ist, und er gestattet mir, auch fürs Alter etwas zurückzulegen, aber darauf sehe ichs nicht ab.“ Ein anderer sprach: „Ich verkaufe diese Waren, aber der Gewinn, der daran gemacht wird, ist Gottes; was ich für Nahrung, Wohnung und Kleidung bedarf, gibt mir Gott zurück, denn er hat gesagt: Sein Brot wird ihm gegeben, sein Wasser bleibt ihm gewiss. Jes. 33,16; das Übrige aber gehört Gott, nicht mir; ich tue es alles um Gottes Willen.“ Eine solche Auffassung ist euch unverständlich, nicht wahr? Das wäre ja kein Geschäft! O meine Lieben, wenn eure Herzen aufrichtig wären, so könntet ihrs begreifen, denn es ist Gottes heiliges Evangelium: Alles Christus hinzugeben, alles der Sache seines Vater zu weihen. Wenn wir das tun, dann können wir das Wort verstehen: Wisset ihr nicht, dass ich sein muss in dem, was meines Vaters ist?“ Denn das, was euer ist, wird zwar von Menschen in eurem eigenen Namen getan, aber, von Menschen unerkannt, bleibts dennoch Gottes Sache.
Aber davor möchte ich euch warnen, tragts nicht vor Jedermann zur Schau, wenn ihrs so haltet. Ich kanns nicht leiden, wenn einer, bei dem ihr Bänder kauft oder eine Rechnung bezahlt, euch in sein Kabinett kommen heißt, um mit ihm zu beten; ihr seht bald, was nachkommt. Er möchte seiner Wechselbank einen heiligen Firnis geben, damit er euch mit der Religion so fange, wie man Fliegen mit Honig fängt. Scheut euch nicht, eure Religion zu bekennen, aber hängt sie nicht an die große Glocke. Wenn ein Fremder euch anreden und sogleich ausrufen würde: „Lieber Bruder, wir wollen zusammen beten.“ so wäre die Beste Antwort die: Ihr überlasst ihm die Straße zur Ausübung seiner Andacht und sagt zu ihm: „Danke, ich verrichte mein Gebet meistens im Kämmerlein!“ Man sieht ja sogleich, was daran ist. Wenn ich dächte, ein solcher hätte einen Gebetsgeist und es sei die rechte Zeit zum Beten, so hätte ich mich sogleich herzlich mit ihm zum Gebet vereinigt. Aber die Gottesfurcht eines Menschen, der euch mir nichts dir nichts ins Haus kommt, um euch zu zeigen, was für ein frommer Mensch er sei, ist entweder etwas Ungesundes oder Übertünchtes. Ich betrachte das Gebet als etwas sehr Heiliges. „Wenn du betest, so gehe in dein Kämmerlein; und wenn du Almosen gibst, so lass deine Linke nicht wissen, was deine Rechte tut.“ Mat. 6,6.3. Denn wahrlich, wenn du das tust, auf dass du von den Leuten gesehen und gepriesen werdest, so hast du deinen Lohn dahin, und das einen recht armseligen; ein geringes Lob für einen Augenblick, und siehe, es ist vorbei. Aber darum fliehe nicht von einem Extrem ins andere, sondern heilige deinen Beruf in der Furcht Gottes. Male deine Religion nicht auf den Aushängeschild, sondern halte sie zur Hand, wo du ihrer bedarfst, und ich weiß, du hast sie allezeit nötig.
Wenn einer sagt: „Wie kann ich für Gott tätig sein? Ich habe keine Gaben, kein Vermögen; was ich in der Woche verdiene, muss ich ausgeben, und ich habe kaum Geld genug für den Hauszins. Ich habe keine Kenntnisse, ich könnte nicht einmal an einer Sonntagsschule mitwirken!“ dann sage ich dir: Lieber Bruder, hast du ein Kind? Sieh, das ist etwas, wo du dich nützlich machen kannst. Liebe Schwester, du bist recht bedürftig. Niemand kennt dich. Du hast aber einen Mann, und wie sehr er sich auch dem Trunk ergebe, so hast du doch eine Aufgabe. Ertrage all sein Lästern; halte geduldig stille unter seinen Spott- und Hohnreden, so dienest du Gott und tust, was Gottes ist. „Aber ich bin krank, bloß heute habe ich ein wenig aufstehen können; ich bin sonst immer an mein Schmerzenslager gefesselt.“ Dennoch kannst du sein in dem, was deines Vaters ist, wenn du liegest und leidest um seinethalben und geduldig bist. Der Soldat, der in den Laufgräben liegen muss, ist ebenso gehorsam, wie der, der zum Sturm auf die Bresche kommandiert wird. In allem, was du tust, kannst du Gott dienen. O, wenn das Herz in der rechten Stimmung ist, so findet ihr keinen Anlass zu Ausreden, um sagen zu können: „Ich kann nicht sein in dem, das meines Vaters ist.“ Wir können immer etwas für ihn zu tun finden. Aus den Heldenkämpfen der Schweizer finden wir berichtet, dass Mütter und Bräute den Kämpfenden Kanonenkugeln zutrugen und Kinder herbeiliefen, um des Feindes ermattete Wurfgeschosse aufzuheben, wenns an Kugeln fehlen wollte. Also taten alle etwas. Wir verabscheuen den Krieg, aber wir bedienen uns dieses Gleichnisses für den Kampf Christi. Es gibt für alle etwas zu tun. Ach wir, die wir unseren Herrn und Heiland lieben, wir, die wir durch Bande der Dankbarkeit verpflichtet sind, ihm zu dienen, wir wollen doch sagen: „Wisset ihr nicht, dass er sein muss in dem, was meines Vaters ist?“
Und nun will ich schließen mit einer Aufforderung an alle Gotteskinder hier und sie ermuntern, Gott von ganzem Herzen zu dienen.
Seid in dem, was eures Vaters ist, mit ganzem Ernst, weil dies der Weg zu einer nützlichen Tätigkeit ist. Ihr könnt nicht euch dienen und Gott dazu. Es ist nicht leichter, zugleich Gott zu dienen und euch, als Gott zu dienen neben dem Mammon. Wenn ihr aber euren Beruf zu Gottes Sache macht, so besorgt ihr eure Geschäfte gut, und ihr seid nützlich eurer Zeit und eurem Geschlecht. Nie haben wir eine große Erweckung in der Kirche oder irgend einen großen Sieg des Christentums zu erwarten, bis dass die christliche Welt mehr von dem Geist durchdrungen ist, der alles Gott hingibt. Wenn die Welt sieht, dass wir Ernst machen, dann wird der Herr die Menschen herzubringen, vorher nicht. Wir gehen mit halbem Herzen in die Kirche, wir wallen zum Hause Gottes mehr äußerlich als innerlich; wir geben die Miene her, halten aber unser Herz ferne. Darum können wir das Reich Gottes nicht zum Siege kommen sehen. Wollet ihr aber nützlich werden? Wollet ihr eures Herrn Reich vermehren helfen? Dann seid in dem, was eures Vaters ist.
Noch etwas? Wollt ihr glücklich werden? Dann seid in dem, was eures Vaters ist. Ach, wie süß und lieblich ists, dem Vater im Himmel zu dienen. Ihr braucht euch nicht abzukehren vom Wege der Tätigkeit, um das zu tun. So euer Herz recht gerichtet ist, so könnt ihr Gott so gut dienen, wenn ihr ein Pfund Tee abwiegt, wie wenn ihr eine Predigt vortragt. Ihr könnt Gott ebenso gut dienen, wenn ihr Ross und Karren führt, wie wenn ihr ein geistliches Lied singt, so gut hinter dem Zahltisch zu rechter Zeit und Stunde wie im Gotteshaus. Und ach, wie lieblich ist doch der Gedanke: „Ich tue das für Gott. Mein Kaufladen steht im Dienste des Herrn offen; ich trachte für Gott etwas zu gewinnen, damit ich ihm umso mehr wieder hingeben kann.“ Eine nie empfundene Freude wird euch beim Erwachen durchströmen, wenn ihr denkt: „Heute will ich Gott dienen!“ und wenn ihr abends euer Tagewerk beschließt, so braucht ihr nicht zu seufzen: „Heute habe ich so und so viel verloren!“ sondern ihr sagt getrost: „Nicht mir, sondern meinem Gott ists verloren. Aber sein ist Beides, Silber und Gold (Hag. 2,8), und machts ihm nichts, beides zu verlieren, gut, so fahren sie hin, sein bleibts doch so wie so. Ich brauchs nicht. Erwählt er das Seine so oder so von mir zu nehmen, so kommts zuletzt aufs Gleiche heraus; ich will seine Wege ehren in allen seinen Führungen.“
Und dies, meine teuren Freunde, ist der Weg, auf welchem ihr endlich zu Ehren angenommen werdet; nicht um deswillen, was ihr tut, sondern als der gnadenreiche Lohn Gottes für das, was ihr um seinetwillen getan habt. „Die, so viele zur Gerechtigkeit weisen, werden leuchten wie die Sterne immer und ewiglich.“ (Dan 12,3). Möchtet ihr wohl vereinsamt zum Himmel eingehen? Ich glaube nicht. Mein seligster Gedanke ist der, dass, wenn ich sterben und durch meines Heilandes Gnade zum Himmel eingehen soll, ich gewiss nicht einsam gehen werde. Tausende sind hier gewesen, haben im Herzen einen Stachel empfunden und sind unter dem Ruf des Evangeliums an dieser Stätte zu Christus hingezogen worden. O, wie herrlich, an der Spitze einer Schar dem Himmel entgegen zu fliegen und an der Pforte des Paradieses zu sagen: „Hier bin ich und die Kinder, die du mir gegeben hast!“ Ihr könnt vielleicht nicht predigen, aber ihr könnt auf andere Weise geistlich Kinder gebären; denn das, wozu ihr mithelft, wird euch auch der Lohn mit zufallen. Ihr tut vielleicht das, was den Menschen unbekannt bleibt, dennoch seid ihr das Mittel, und Gott wird euch euer Haupt mit Ehren krönen inmitten derer, die da „scheinen wie die Sterne immer und ewiglich.“ Ich denke, liebe christliche Freunde, ich brauche euch nichts weiter zu sagen. Nur das eine rufe ich euch noch zu: Vergesset nicht, wie viel ihr Christus schuldig seid dafür, dass er euch aus der Hölle und aus dem Rachen des Todes erlöst hat; jenem Blut, das euch selig macht, verdankt ihr so unendlich viel, dass ihr nun sagen könnt:
„Ich geb dir ganz zu eigen mich,
Mehr kann ich nicht, o Herr!“
So geht denn nun hin. Der Glaube an den Herrn Jesus ist der einzige Weg zur Seligkeit. Wer von euch seine Schuld erkannt hat, klammere sich an den Herrn und weihe sich ihm ganz und gar; so werdet ihr hier Freude haben, und im Lande der Seligen ewige Herrlichkeit; daselbst wird Freude und Wonne sein ohne Aufhören!