Geliebte Brüder!
Ich bin heute nachmittag von Ihnen weggerufen worden und würde dies sehr bedauern, wenn es mir nicht in den Sinn gekommen wäre, Sie zu bitten, die gewöhnliche Zeit unseres Zusammenseins mit Gebet zuzubringen statt mit Lehren und Lernen. Mir ist das Herz oft schwer in den Leiden, die aus dem Werk des College entspringen, welches mir so teuer ist, dass ich vielleicht zu ängstlich betreffs desselben bin. Ich werde tief in den Staub gebeugt, wenn ich fürchte, dass irgendein Bruder in der Lehre irrt, nicht Gnade genug im Herzen hat oder zu sorglos in seinem Wandel ist. Ich habe so wenig zu beklagen, wie es nur möglich ist, da wir alle so unvollkommene Geschöpfe sind.
Aber, meine Brüder, ich möchte gern, dass Sie alle die besten Männer wären, und wenn Sie es nicht sind, so bin ich überaus traurig. Gerade jetzt hat ein Bruder durch ein allgemeines, bequemes Sich-gehen-lassen die Achtung seiner Gemeinde verloren und muss aus ihr entfernt werden. Ich wünsche nicht, einer anderen Gemeinde einen, Fluch aufzulegen, und ich wünsche nicht, ihn ganz auszustoßen. Zwischen diesen zwei Dingen habe ich die Wahl und weiß nicht, was ich tun soll. Beten Sie für mich, für ihn, für alle Brüder und für sich selber!
In Ihrer Gesellschaft fühle ich mich immer so zu Hause, dass es Ihnen scheinen muss, als sei ich lauter Fröhlichkeit und Heiterkeit. Ach, es ist nicht so; ich bin fröhlich in dem Herrn und gesegnet in ihm; aber ich bin oft ein armer, niedergeschlagener Sterblicher, seufzend unter der Last übermäßiger Arbeit und traurig im Herzen über die Torheiten derjenigen, von denen ich gehofft, dass ich sie dem Herrn mit Eifer und Erfolg würde dienen sehen. Geben Sie mir einen warmen Anteil in Ihren Fürbitten! Glauben Sie mir, wenn ich Ihnen versichere, dass Sie mir um Christi willen sehr teuer sind! Lassen Sie sich nicht abwendig machen von dem Glauben, den Sie alle bei Ihrem Eintritt ins College bekannten! Halten Sie fest an den zwei großen parallel laufenden Wahrheiten von der göttlichen Unumschränktheit und der menschlichen Verantwortlichkeit! Leben Sie in Gottes Nähe und lieben Sie die Seelen der Menschen! Ich bringe um Ihretwillen einige Opfer; allein ich rechne sie für Gewinn, und meine Arbeit für Sie ist eine Freude. Aber flehen Sie, dass mehr Gnade auf uns allen ruhen möge und auf denen, welche schon im Amte stehen! Leichtsinniges Verhalten meiner Brüder macht mir das Herz schwer; und was für sie ein nicht mit ihrem Bekenntnis übereinstimmendes Vergnügen ist, das ist ein furchtbarer Schmerz für mich. 0, wie können die Diener Gottes rauchen und trinken, wenn Seelen sterben, wie können sie leicht und ausgelassen schwatzen, wenn Sünder umkommen? Es darf nicht so unter uns sein. Möge der Herr es verhüten!
Stets Ihrer Seelen bestes Wohl suchend und Ihre brünstigen Gebete wünschend, bin ich, teure Brüder,
Ihr Sie liebender Bruder
C. H. Spurgeon