Spener, Philipp Jakob - Pia Desideria (ältere Fassung)

PIA DESIDERIA: Oder
Hertzliches Verlangen/
Nach Gottgefälliger Besserung der wahren Evangelischen Kirchen/
sampt einigen dahin einfältig abzweckenden Christlichen Vorschlägen/
Philipp Jacob speners/ D.
Predigers und senioris zu Franckfurt am Mayn;

Franckfurt am Mayn/
in Verlegung Johann David Zunners.
Druckts Johann Dieterich Friedgen.

M DC LXXVI.

Der gesampten Christ-Evangelischen Kirchen treuen Vorstehern und Hirten/ Meinen in CHristo JEsu unserm Ertz-Hirten treugeliebten und hochgeehrten Vätteren und Brüderen/ Wünsche Von dem Vatter deß Liechts und Geber alles guten:

Erleuchtete Augen deß Verständnüß/ zu erkennen/ welche da seye die Hoffnung unsers Beruffs/ und welcher sey der Reichthum seines herrlichen Erbes an seinen Heiligen/ und welche da sey die überschwengliche grösse seiner krafft in uns/ die wir glauben nach der würckung seiner mächtigen stärcke:

Fleiß und Eiffer/ wacker zu seyn/ und zu stärcken/ das andere das sterben wil:

Krafft und Muht/ durch die Waffen unserer Ritterschafft/ die nicht fleischlich sind/ sondern mächtig für GOtt/ zu verstören die befestigungen/ zu verstören die Anschläge und alle Höhe/ die sich erhebet wider das erkänntnüß Gottes/ und gefangen zu nehmen alle vernunfft unter den Gehorsam Christi/ auch bereit zu seyn zu rächen allen ungehorsam/ wann der Glaubigen gehorsam erfüllet ist: segen und Fortgang/ mit freuden warzunehmen/ wie das Wort so auß GOttes Munde gehet/ als der Regen und schnee/ so vom Himmel fället/ nicht wieder zu ihm leer komme/ sondern thue was ihm gefället/ unn ihm gelinge/ worzu es gesendet wird: und zusehen/ wie die durch ihren dienst gebauete Erde bringe/ zum ersten das Graß/ darnach die ähren/ darnach den vollen Weitzen in den ähren:

Völlige Vergnügung in Erkanntnüß/ wie Göttlicher Name durch ihren dienst geheiliget/ sein Reich erweitert/ und sein Wille vollbracht werde/ zu seinen heiligsten Ehren/ vieler seelen Heyl/ ihres eigenen Gewissens beruhigung und dermahleins ewiger Herrlichkeit.

In dem geliebtesten geliebte Vätter und Brüdere. ALs vor einem halben Jahr von dem Verleger deß theueren Arndii neuaußgehender Postill an mich gesonnen wurde/ eine Präfation solchem lieben Werck vorzusetzen: Habe mich erkühnet/ in der enge der darzu vergönten zeit/ in solche Vorrede das meiste einzutragen/ was mich/ seyt der zeit Ich durch GOttes Willen und Gnade in seinem Weinberg arbeite/ offters hertzlich betrübet/ das Gewissen beschwehret/ und viele sorgen gemacht hat; Wissende/ daß der jenigen noch unzählich viele seind/ welche mit mir gleiches bejammern/ und offt einer in deß andern schooß die wehemütige klagen außgiessen.

Das Elend so wir beklagen liget vor augen/ und ist je niemand verbotten/ seine Thränen über dasselbe nicht nur in geheim zuvergiessen/ sondern sie auch an den orten fallen zu lassen/ wo sie andere sehen/ und so zu mitleiden als mit rathen mögen bewogen werden. Wo man aber noht und kranckheit sihet/ ists natürlich/ daß man umb mittel sich umbthut. Und daher liget allen ob/ in der noth und kranckheit deß so edlesten geistlichen Leibes Christi/ der unserer sorge jedem in gewissen stücken/ auch sampt und sonders ins gemein/ anvertrauet ist/ ja an dem wir alle Mitglieder seyn müssen/ und deßwegen sein gebrechen keines orts vor frembd zu achten haben/ darvor zu sorgen/ wie tüchtige Artzeney zu seiner heilung möge gefunden und appliciret werden.

Vorweilen war das kräfftigste mittel/ daß die vornehmste Vorsteher der Kirchen und Abgeordnete aller nahmhafften particular Kirchen in Conciliis zusammen kämen/ und über den gemeinen schaden rathschlagten. Wolte GOtt wir stünden in dem stande/ daß wir auch solches jetzo fruchtbarlich zn geschehen hoffen könnten:

Wie gottselige Gemühter solches offt sehnlich verlanget. Wollen wir aber darauff warten/ so werden wir über unserem wünschen sterben/ und die besserung/ nicht weiß ich wie verantwortlich/ immmer auffs ungewisse auffschieben.

Stehet also dahin/ ob nicht ein zu dieser zeit zulängliches Mittel seye/ daß in ermangelung jener zusammenkunfft/ Christliche Prediger unter einander selbst in der furcht deß HERRN durch so wol schreiben unter sich/ als auch damit den jenigen/ welche sich das Werck deß HErren lassen angelegen seyn/ zur nachricht und nachdencken anderer Mitbrüder gedancken kund werden möchten/ offentlichen Truck diese wichtige sachen mit einander überlegten/ und was etwa der gemeinde Gottes dienlich/ reifflich erwegeten.

Wie nun andere Christeifferige Theologi hin und wieder in ihren offentlichen schrifften längst hiervon den anfang gemacht haben/ und Ich also der erste nicht bin/ welcher dergleichen verlangen offentlich bezeuget/ oder darzu Vorschläge gethan; so hätte zwar billich bedencken tragen sollen/ mit meinen einfältigen Gedancken außzubrechen/ wo in dem Reich deß HErrn wie in der Welt die suffragia etwa nach ordnung und würde der Personen gegeben werden müsten/ in welcher absicht Ich mich billich unter den letzten zu seyn erkenne. Wann aber nicht nur in der Christlichen Kirchen auff solches eben nicht zu achten/ sondern auch so gar in der Welt in einigen versamlungen auß sonderbaren Ursachen eingeführet ist/ daß die ordnung deß votirens von unten angefangen/ und sowol den untersten mit mehrer freyheit ihre Hertzens-meynung ohne praeoccupation zu offenbaren anlaß gegeben/ als den Obern mit reifflicherem nachsinnen/ was in jener Vorschlägen zu verbessern/ ihre würde gelassen wird: Als habe davor gehalten/ es werde auch mir zu keiner vermessenheit außgedeutet werden können/ was (wie der Hertzenkündiger dessen Zeuge ist) auß inniglicher liebe der Gemeinde Gottes und verlangen nichts zu unterlassen/ was zu Göttlicher Ehre möchte dienlich wissen/ in solche Vorrede außgeschüttet habe.

Damit aber auch nicht mir selbsten allein trauete/ und etwa dergleichen dinge an das Tags-liecht gebe/ deren die Kirche mehr schade als nutzen hätte/ so habe meinen vielgeliebten Collegis und Ampts Brüdern allhie (weil anderwärtliche Communication bey annahender Meß nicht müglich war) meinen Auffsatz vorgeleget/ und als die Geister der Propheten den Propheten unterthan sind/ ihnen solche nicht nur von wort zu wort vorgelesen/ sondern völlige freyheit die ihnen ohne das gehöret gegeben/ mich brüderlich zu erinnern/ worinnen sie es nöthig befinden. Wie sie nun ein und anders noch ferner mit beygetragen/ so zur auferbauung dienlich/ so Ich auch willig mit inseriret, also haben sie mich in dem übrigen mit genehmhaltung alles darinnen enthaltenen/ und hertzlicher anwünschung/ daß GOTT sein Werck nicht ohngesegnet lassen wolle/ stattlich bekräfftiget. Worauff in dem Namen deß HErrn solche Vorrede zum Truck gegeben habe.

Es ist aber sobald von vielen guten Gemüthern verlangen getragen worden/ weil Arnden s. Postill zu kauffen/ theils einigen deß Preises wegen zu schwehr/ theils weil sie schon die vorige Editionen hätten unthunlich/ daß diese Vorrede möchte auch à part zu haben seyn/ und also getruckt werden: so gar/ daß auch an den Verleger von andern Orten her schreiben eingelauffen/ daß etliche gute Leute solche in ermanglung/ daß man sie von ihm nicht haben könte/ selbst aufflegen lassen wolten. Deßwegen als derselbe mit mir darauß conferiret, Ich selbst vor nicht undiensam gehalten/ weil anderwertlicher Nachtruck niemahlen ohne gefahr vieler einschleichenden Fehler/ die Aufflage sobald zu beschleunigen.

So vielmehr/ weilen mir etliche Monat nach dem ersten Truck zu zu handen gekommmen/ eines Christlichen und in dem Weinberg deß HERRN treulich arbeitenden superintendenten, so darumb ersucht worden/ schön/ nützliches und aufferbauliches Bedencken; auß dessen Publication mehr als auß meiner ringfügiger Arbeit nutzen zu entstehen/ sobald als solches mir zugesendet/ angefangen zu hoffen. Es hat aber derselbe noch in bedacht gezogen/ seines Namens meldung darbey thun zu lassen/ sowol auß der ursach/ daß er eigene Ehre zu suchen nicht gesonnen/ als auch/ weil auf solche weise/ wo ohne passion und absicht auff einen Verfasser eine schrifft allein/ wie sie an sich selbst ist/ erwogen wird/ offters mehrer nutzen zu hoffen stehet. Jedoch daß er endlich/ dafern es der Kirche nützlicher und nöthig geachtet würde/ nicht scheue trägt/ sich wissen und kennen zu lassen: Als der seines GOttes Ehr und deren beförderung seinen einigen Zweck und seiner verrichtungen Regel seyn zu lassen beflissen.

Als nun aber solches Bedencken fast zu ende gebracht/ und eben die Meß jetzo eintretten wolte/ kam mir weiter zu handen ein Judicium eines andern Christlichen/ und von GOTT so herrlich begabten als durch lange erfahrung in dem was dem gemeinen besten nützlich seye/ stattlich geübten Theologi, den Ich stäts als einen Vatter ehre. Wie dasselbe gelesen/ so hatte sobald verlangen/ andern es gleichfals durch den Truck zu com̃uniciren. Es stund mir aber in dem weg/ daß von solchem lieben Mann dessen außdrückliche Erlaubnüß nicht hätte/ und hingegen die entlegene deß Orts in so wenig Tagen iu der Meß sie zu suchen und darauff zu warten/ nicht zuliesse. Weßwegen mit einigen vertrauten Freunden die sache überlegt habe/ und weil mir sonsten solches werthen Vatters tragender eiffer vor die beförderung der gemeinen Kirchen Wolfahrt genugsam bekannt ist/ auch uns keine wichtige Ursach/ die Jhn zu der heraußgebung solches Bedenckens ungeneigt machen möchte/ im nachsinnen vorgekommen/ endlich vor rathsam geachtet ist worden/ daß Ich in dem Namen deß HErren/ auch solches mit anhängen möchte. Ich habe aber auß ermangelung deß Consensus deßwegen auch es nicht wagen wollen/ den Namen zu exprimiren/ auff daß sofern die Edition wider verhoffen Ihm entgegen solte seyn/ dieses/ weil seines Namens geschwiegen die schuld verringern möchte. Der gäntzlichen Zuversicht/ so auch hiermit von Ihme bitte/ diese meine kühnheit/ ohne gehabte erlaubnüß das übersandte andern gemein zu machen/ nicht übel zu deuten/ sondern dem Verlangen jederman damit zu dienen/ daher es auch gekommmen ist/ freundlich zu zuschreiben.

Ich habe aber auch solches gelassen/ wie es hie stehet/ ob es wol in ein oder zwey stücken/ nach unter uns billich behaltender freyheit/ von meinen gedancken etwas abgehet: Damit dem Leser es frey bleibe/ der sache reifflich nachzudencken/ und allemahl das jenige/ so er am gegründetsten befindet zu erwählen. Gehen also hiermit diese mit anderer gottseliger Arbeit vermehrte Blätter wiederumb/ und also das andere mahl auß der Presse an das Liecht; in keiner andern absicht/ als ob nur jemand/ und wo nicht viele doch etwa wenige/ dardurch erbauet/ ja wo nicht anders außgerichtet/ doch damit etwa andere erleuchtete und von GOtt mehr begabte Männer nur auffgefrischet werden möchten/ diese wichtigste Arbeit/ wie die wahre gottseligkeit zu befördern/ mit ernst vor zunehmen/ und eine zeitlang solches ihre vornehmste Arbeit seyn zu lassen/ daß sie heilsame Mittel nach der Regel Göttlichen Worts ersinnen/ untersuchen/ und wie sie werckstellig gemachet werden möchten/ reiflich nachdencken wolten.

Es hat vorweilen der selige D. Dorscheus, als einen heylsamen Rath die Orthodoxiam zu erhalten vorgeschlagen/ daß unter den Doctoribus Academicis eine vertrauliche brüderliche Correspondenz eingeführet und unterhalten würde/ worauß nicht weniges zu hoffen wäre. Wie nun solcher Vorschlag nützlich und gut/ und zu erhaltung der reinen Lehre ersprießlich; Also wird nicht weniger nützlich seyn/ wo auch/ was die Praxin und das Regiment der Kirchen betrifft/ eben solche Correspondenz unter den so Academischen als den Kirchen-ämptern vorgesetzten Lehrern gepflogen/ und theils mit privat, theils offentlichen schrifften die sache weiter zu bringen versucht würde.

Nun lasset uns alle ins gesammt/ das jenige eiffrig thun/ wozu wir gesetzt sind/ zu weiden die Gemeinde/ die GOTT durch sein eigen Blut/ und also auff das theureste erworben hat!

Lasset uns gedencken/ geliebte Vätter und Brüder/ was wir unserm GOtt/ da wir unsern diensten gewidmet worden/ versprochen haben/ und was dannenhero unsere einige sorge seyn müsse!

Lasset uns gedencken/ an die schwehre Rechenschafft/ die uns vor dem jenigen vorstehet/ der die auff einige weise verwarlosende seelen von unsern Händen fordern wil.

Lasset uns gedencken/ daß dermaleins nicht werde gefragt werden/ wie gelehrt wir gewest und solches der Welt vorgelegt haben: in was gunst der Menschen wir gelebt/ und dieselbe zu erhalten gewust: in was Ehren wir geschwebt/ und grossen Namen in der Welt hinterlassen: Wie viel wir den unsern schätze von irrdischen Gütern gesamlet/ und damit den Fluch auf uns gezogen: sondern wie treulich und mit einfältigen hertzen wir das Reich Gottes zu befördern getracht/ mit was rein- und gottseliger Lehre/ sodann würdigen Exempeln/ in verschmähung der Welt/ verläugnung unser selbst/ auffnehmung deß Creutzes und nachfolge unsers Heylands wir unserer Zuhörer erbauung gesuchet/ mit was Eiffer wir uns nicht nur den Irrthummen/ sondern auch gottlosigkeit deß Lebens widersetzet/ mit was beständigkeit und freudigkeit wir die deßwegen von der offenbar gottlosen Welt oder falschen Brüdern zugestossene verfolgung oder ungemach getragen/ und unseren GOTT in solchem Leyden gepriesen haben?

Lasset uns demnach dahin beflissen seyn/ daß wir die mängel unser selbst und der übrigen Kirchen immer weiter untersuchen/ und die kranckheiten kennen lernen: Aber auch die Mittel mit eifferiger anruffung GOttes umb seines Geistes Liecht/ forschen und überlegen.

Aber lasset uns auch darbey nit bestehen bleiben/ sondern was wir nöthig und nützlich befunden/ trachten/ wie jeglicher bey seiner Gemeinde es vermag/ ins Werck zu setzen. Dann worzu dienet sonst alle berathschlagung anders als zum zeugnüß über uns/ wo wir nicht begehren dem guten auch nachzuleben?

Müssen wir darüber von widrig-gesinnten etwas leiden/ so lasset es uns ein so viel gewisser merck zeichen seyn/ daß unser werck dem HERREN gefalle/ weil Er es auch zu solcher probe kommen lässet: Und hingegen deßwegen nicht müde werden/ oder von unserm Eiffer nachlassen.

Lasset uns erstlich die jenige/ welche noch selbst willig sind/ was man zu ihrer aufferbauung thut/ gern anzunehmen/ am meisten befohlen seyn/ jeglicher in seiner Gemeinde dieselbe vor allen zu versorgen/ daß sie mehr und mehr mögen wachsen zu dem maaß der gottseligkeit/ damit nachmahl ihr Exempel auch andern vorleuchte: Biß wir folgends auch die jenige/ bey denen es noch zur Zeit verlohren scheinet/ durch Göttliche Gnade allgemach näher herbeybringen/ ob auch noch dieselbe endlich möchten gewonnen werden.

Wie dann alle meine Vorschläge noch fast einig und allein dahin gehen/ wie jenen folgsamen erstlich möge geholffen/ und alles an ihnen gethan werden/ was zu ihrer aufferbauung nöthig ist. Ist dieses geschehen und zum grund geleget/ so mag nachmal der Ernst gegen die Ungehorsame mehrers fruchten.

Lasset uns auch nicht gleich alle Hoffnung/ stang und stab fallen lassen/ ehe wir das werck angreiffen/ oder wo es nit gleich anfangs den erwünschten success hat! Was bey Menschen unmüglich ist/ bleibet bey GOTT müglich! GOttes stunde muß endlich kommen/ wo wir ihrer nur erwarten! Müssen andere Frucht bringen in gedult/ so müssen wir auch unsre früchten bringen/ und bey anderen die ihrige befördern mit gedult. Deß HErrn Werck gehet wunderlich/ wie Er selbst wunderbarlich ist. Aber eben deßwegen gehet es gantz verborgen/ jedoch soviel gewisser/ wo wir nicht nachlassen.

Gibt dir dein GOtt die freude nit/ daß du sobald sehest den nachtruck deiner arbeit: vielleicht wil Er es dir verbergen/ daß du dich dessen nit überhebest. Es stehet graß da/ das meynest du etwa/ es seye unfruchtbar Graß: Thue du mit dem begiessen das deinige ferner/ es werden die ähren gewiß endlich herauß wachsen/ und zu seiner zeit zeitig werden.

Vielmehr lasset uns in solchem fall nebens fortsetzung unserer Arbeit/ die sache dem Hauß-Vatter befehlen/ Jhn eifferig beten/ und auch darinnen zu frieden seyn/ was Er uns wolle vor success von unserer Arbeit sehen lassen. Also lasset uns dann alle mit hertzlicher Andacht einander helffen kämpffen mit Gebet und Flehen/ daß uns GOTT wolle hier und dar eine Thür deß Worts nach der andern auffthun/ fruchtbarlich zu reden das geheimnüß Christi/ daß wir darinn freudig handeln und reden wie sichs gebüret/ und seinen Namen mit Lehre/ Leben und Leyden zu verherlichen. in versicherung solches meines armen aber inbrünstigen Gebets/ und so bitte als hoffnung gleich brüderlicher Vorbitte/ empfehle allesampt in deß grossen GOttes treue Huld und Regierung.

Franckfurt am Mayn/ den 8. sept. 1675. Philipp Jac. spener/ D.


Gnade/ Liecht und Heyl von GOTT dem Himmlischen Vatter durch CHristum JEsum in dem Heiligen Geist/ allen denen die den HERRN suchen! WO wir mit Christlichen und nur etwas erleuchteten augen/ (nach unsers Erlösers vermahnung/ die zeichen der zeiten und dero beschaffenheit zu beurtheilen) den jetzmahligen zustand der gesammten Christenheit ansehen/ so möchten wir billich mit Jeremia 9. v. 1. in die klägliche wort außbrechen: Ach/ daß wir wassers gnug hätten in unsern häuptern/ und unsere augen thränenquellen wären/ daß wir tag und nacht beweinen möchten den jammer unsers Volcks. Und hat zu denen noch güldenen zeiten/ jener liebe alte Vatter sprechen mögen: Ah in quae nos tempora reservasti Domine; so haben wir es heut zu tag mit so viel mehrerm fug nicht nachzusprechen/ sondern/ wie die gröste betrübnuß fast einige wort zu machen nicht vermag/ nachzuseuffzen.

Ich wil jetzo nicht reden von dem elend der Christlichen Kirchen/ in deroselben gliedern/ welche unter den unrecht-lehrenden/ in dem Babylonischen gefängnüß deß Antichristischen Roms; unter der nicht nur so schweren Türckischen tyranney/ sondern auch theils unglaublicher unwissen heit/ theils vielen vermengten irrthumen/ insgesampt erschröcklichen ärgernüssen in Griechen- und den Morgen-ländern/ und unter so vielen irrigen lehren anderer von dem Pabst zwar abgetrettenen/ aber zu der reinigkeit der lehr nicht gekommenen/ gemeinden/ verborgen ligen/ und in höchster gefahr mit furcht und zittern ihre seligkeit würcken müssen: An dero jammer ohne innigliche bewegung von einer gottseligen seele nicht gedacht werden kan, sondern wo wir allein bleiben bey unserer Evangelischen kirchen/ die das theure und reine Evangelium/ so durch den seligen Rüstzeug GOttes D. Lutherum in dem vergangenen seculo wiederumb deutlich gezeiget worden/ der äusserlichen bekanntnuß nach annimmt/ und also in welcher wir deßwegen die wahre Kirche allein noch sichtbar zu seyn erkennen müssen: so können wir doch auch auff dieselbe die augen nicht wenden/ daß wir sie nicht so bald auß betrübnüß und scham wiederumb niederschlagen müssen.

Dann sehen wir das leibliche an/ so müssen wir bekennen/ daß von ziemlicher zeit her die solcher kirchen angehörige Reiche und Lande/ obwol in unterschiedlichen graden und zu unterschiedenen fristen/ alle die jenige plagen in pest/ hunger/ und sonderlich stäts-wehrenden oder doch offters wieder erneuerenden kriegen offtmahls erfahren haben müssen/ mit welchen nach der schrifft der gerechte GOtt seinen zorn zu bezeugen und anzudeuten pfleget. Ich halte aber gleichwol solche trübsalen vor die geringste/ ja vor eine wolthat/ dardurch GOTT noch viele der seinigen erhalten/ und dem schaden/ daß derselbe nicht durch stätes leibliches wolergehen noch verzweiffelter würde/ etwas gewehret hat.

Aber wie zwar fleischlichen augen unkanntbarer/ also hingegen ist unvergleichlich schwehrer und gefährlicher das geistliche elend unserer armen Kirchen: Und solches vornehmlich auß zweyen ursachen.

Die eine bestehet in den verfolgungen/ welche die wahre lehre/ sonderlich von dem Antichristischen Babel/ leyden muß. Nun ist es zwar an dem/ daß die verfolgungen nicht weniger ein herrliches mittel sind/ dadurch der kirchen wachsthum offt befördert wird; Also/ daß wir die Christliche kirche nimmermehr von der Apostelzeit in besserem und vor Gott herrlicherm stande antreffen/ als sie unter den grausamsten verfolgungen gestanden/ wo ihr gold ohnauffhörlich in dem schmeltz-ofen gelegen/ dessen flamme keine schlacken daran wachsen lassen/ oder je dieselbe bald verzehret hat. Aber wir sehen zweyerley an den bißherigen verfolgungen/ so uns dieselbe betrübter machet.

Einmahl daß der tenffel/ nachdem er erkandt/ daß seine gewaltthätige und blutige verfolgungen nichts vermocht/ sondern die leute zu einer obwol schrecklichen doch etwa kürtzern marter so freudig gewesen/ daß sie ziemlichen theils mehr darzu geeilet als sich darvon zurück gezogen/ nunmehr klüger worden ist/ und eine andere art der verfolgung angefangen hat/ die der wahren Religion zugethane mit langwierigen trangsalen/ und stäts-anhaltenden einerseits trohworten/ anderseits verheissungen und vorstellungen der welt herrlichkeit/ sonderlich aber entziehung und vertreibung der wahren lehrer/ allgemach/ von der erkannten warheit abzuziehen/ aufs wenigste die kinder und nachkömmlinge wieder zu falscher Religion zu bringen. Welche art der verfolgung/ gleichwie sie vor altem von dem heydnischen Käyser Juliano dem abtrünnigen gebraucht worden/ und der kirchen/ obwol weniger blut vergossen worden/ doch (wie Ruffinus klärlich bezeuget) viel gefährlicher als die vorige grausamste gewesen; Also/ hat sie biß daher der Römische Pabst auch gegen uns zu gebrauchen mehr beliebet/ daß er deßwegen solche ins werck zu richten/ die seines stuls devotion zugethane häupter offters angefrischet: Und dardurch wird mehrer schaden zugefüget/ als wo feur und schwerdt vor die hand wären genommen worden.

Das andere ist/ so auß dem vorigen folget/ da vor deme die verfolgungen allezeit dieses gewürcket/ daß die Christen sich vermehret/ und deßwegen das blut der märtyrer für die kräfftigste dunge derselben gehalt en ist worden/ daß die glaubige/ so vor der welt unten zu ligen geschienen/ in dem allen gleichwol weit überwunden/ und einen sieg nach dem andern darvon getragen haben: (Welches nach andern in seinem neulich hier getruckten erbaulichen Creutzund Gedult-spiegel/ Herr D. Christian Korthold/ mein in dem Herrn Vielgeehrter Freund/ Cap. 14. auß der Kirchen-historie klärlich darthut) daß hingegen durch bißherige verfolgung das Römische Pabstthum unterschiedliche Reiche und Provintzen/ die entweder gantz die wahrheit der lehr erkandt/ oder doch in welchen viel saamen außgestreuet gewesen/ wiederumb würcklich unter sich gebracht/ daß keine oder wenige bekenner der Evangelischen Warheit mehr in denselbigen sind/ auch etwa durch der noch übrigen allmählige absterbung jenes weit er zu seinem zweck zu gelangen vorsiehet/ und also den äusserlichen begriff der wahren kirchen immer enger einspannet/ seine gräntzen aber weiter außbreitet.

Daher wir über solchen unglücklichen success der leydenden verfolgungen vielmehr/ als über dieselbe selbsten/ zu klagen und uns zu betrüben haben. Nicht anders als dorten Josua thät/ weil sein vorher sieghafftes heer von denen zu Ai einen ob zwar geringen streich erlitten: sodann die Jsraeliter/ da die vor Benjamin zweymahl hatten flihen müssen/ und solche darauß abnahmen/ daß umb begangener sünde willen der HERR von ihnen müste gewichen seyn/ und Jhn daher mit demüthiger busse wiederumb suchten. Jos. 7/ 5. 6. seq. Richt. 20/ 21. 22. 23. 25. 26. Wie dann solche macht/ welche GOtt dem gegentheil verhänget/ uns ein gewisses zeugnüß ist/ daß unsere kirche sämptlich nicht in dem stande stehe/ wie sie stehen solte/ und sich also sehr viel golds befinde/ welches von aussen gleisset/ aber in dem schmeltzen die probe nicht haltet.

Die andere und vornehmste ursach deß jammers unserer kirchen ist/ daß in derselben selbsten (außgenommen/ daß uns GOtt noch nach seiner überschwenglichen güte sein wort und Heil. sacramenten gelassen hat) es fast an allen orten manglet. Wo ist ein stand/ den wir rühmen könten/ also zu stehen/ wie die Christliche regeln erfordern?

Sehen wir den weltlichen stand an/ und in demselben die jenige/ welche nach Göttlicher von dem N. Testament gethanen verheissung Esa. 49/ 23. pfleger und säugammen der kirchen solten seyn: Ach/ wie wenig sind unter denselben/ welche sich erinnern/ daß ihnen GOtt ihre scepter und regiments-stäbe darzu gegeben/ umb sich ihres gewalts zu seines Reichs beförderung zugebrauchen? sondern leben nicht die allermeiste/ was grosse Herren anlangt/ in den jenigen sünden/ allen welt-wollüsten/ welche das hof-lebenmeistens mit sich führet/ und fast als ohnzertrennlich darvon geachtet werden; Andere magistraten in suchung eigenen nutzens; daß man auß solchem leben mit seufftzen abnehmen muß/ daß wenig unter denselben nur wissen/ was das Christenthumb seye/ geschweige/ daß sie selbst solches an sich haben und üben solten? Wieviel sind deren/ welche sich umb das geistliche durchauß nicht bekümmern/ sondern mit jenem Gallion darvon halten/ es gehe sie nichts an als das zeitliche? Auch unter denen/ die sich noch der ersten tafel annehmen wollen/ und sich umb die kirche wol zu verdienen gedencken/ wieviel sind wiederum der jenigen/ die es nicht alles nur auff das jenige ziehen/ daß die hergebrachte reine Religion möge erhalten/ und vor eintrag der falschen verwahret werden/ damit es gleichwol noch lange nicht außgemachet ist. Ja/ von wie vielen ist zu sorgen/ daß ihr noch zeigender eiffer vor unsere Religion/ vielmehr darvor als eine faction, auß absicht eines politischen interesse, als auß liebe der Warheit herrühre? Wie undanckbar werden ihrer viele der grossen güte GOttes/ welche sie deß harten jochs der Päbstischen Clerisey/ welches vor etlichen hundert jahren die damals gelebte/ auch gekrönte häupter/ gnugsam erfahren/ befreyet/ und was sie seyen/ ihnen gezeiget hat? Daß sie hingegen jetzo ihre gewalt/ so zu beförderung nicht aber unterdruckung der kirchen gegeben/ durch eine unverantwortliche Caesaropapiam mißbrauchen/ und damit/ wo etwa einige von GOTT gerührte diener der kirchen etwas gutes zu stifften meynen/ solches muhtwillig hindern. Also das zu bejammern ist/ daß in einigen orten denen gemeinden besser gerathen/ welche unter anderer obrigkeit lebende/ in anderen etwa vieles leiden müssen/ aber doch in der übung dessen/ so zu der erbauung dient/ nicht eben gantz gehindert werden/ als den jenigen/ welche die obrigkeit von ihrer Religion/ aber von deroselben mehr hindernüß als fördernüß haben.

Wie es nun in dem weltlichen stande betrübt gnug außsiehet. Ach/ so mögen wir Prediger in dem geistlichen stande nicht läugnen/ daß auch dieser stand gantz verderbet seye/ und also von unsern beyden obern ständen/ die meiste verderbnüß unter die gemeinde außbreche. Jener alte Kirchen-vatter hat vor dem also zu schliessen befohlen: Quemadmodum videns arborem foliis pallentibus, marcidam, intelligis, quod aliquam culpam habeat circa radicem: ita cum videris populum indisciplinatum, sine dubio cognosce, quod sacerdotium ejus non est sanctum. Gleichwie wo du einen baum sihest/ dessen blätter bleich sind/ und er verdirbet/ du darauß schliessest/ es müsse ein mangel an der wurtzel seyn: Also wo du sihest/ daß das volck ohne zucht ist/ so schliesse ohnezweiffel/ daß es mangele an einer heiligen priesterschafft. Ich erkenne gern unsers Göttlichen beruffs heiligkeit; so weiß ich auch/ daß GOTT in unserm orden die seinige übrig behalten/ die das werck deß HErrn mit eiffer meynen. Ich bin auch nicht deß gemüths/ mit einem Elia Praetorio auff die extrema zu gehen/ und kind und bad zusammen außzuschůtten. sondern der allsehende Hertzenkündiger sihet/ mit was betrübnuß meiner seelen ich offt hieran gedencke/ und jetzo dieses schreibe: Daß ich gleichwol nicht anders sagen kan/ als daß wir prediger in unserm stande so viele reformation bedürffen/ als immer einiger stande bedürffen mag. Wie gemeiniglich GOTT/ so offt er eine reformation, zum exempel in dem Alten Testament durch die gottselige könige/ vorgehabt/ solche an dem geistlichen stand hat lassen anfangen. Ich nehme mich auch nicht auß der zahl der jenigen/ welche in unserm stand bißher deß ruhms manglen/ den wir vor Gott und der kirchen haben solten/ sondern sehe mehr und mehr/ woran es mir auch selbst mangele/ bereit auch von andern fernere erinnerungen brüderlich anzunehmen. Ja/ es betrübt mich nichts mehr/ als daß ich fast nicht sehe/ wie in solcher greulicher verderbnuß unser einer sein gewissen retten möge.

Wir müssen ja bekennen/ daß nicht nur in unserm stande hin und wieder leute gefunden werden/ die gleichwol auch von offentlichen ärgernussen nicht frey sind/ sondern/ daß etwa der jenigen viel weniger sind/ als das erste ansehen zeigen solte/ welche das wahre Christenthum (so je nicht bloß dahin in enthaltung von äusserlichen lastern und einem äusserlichen moral guten leben bestehet) recht verstehen und üben: sondern es blicket auch bey vielen/ deren leben/ wo es mit gemeinen und von der welt mode eingenommenen augen angesehen wird/ unt adelhafftig scheint/ gleichwol der welt-geist in fleischeslust/ augenlust/ und hoffärtigem leben/ ob schon etwas subtiler/ jedoch also herausser/ das sich erkennen lässt/ man habe noch das erste practische principium deß Christenthums/ die verläugnung sein selbst/ niemals mit ernst vorgenommen.

Man sehe auff die art der suchenden beförderungen/ änderungen/ lehr/ und allerhand verrichtungen; aber mit so liebreichen als auch mit dem liecht deß geistes erleuchteten augen. Was gilts/ ob man nicht von vielen/ von denen man gern auß Christlicher liebe besser urtheilen wolte/ endlich doch dergleichen finden werde/ was solcheselbst nicht sehen/ wie tieff sie noch in der alten geburt stecken/ und die rechte kennzeichen der wiedergeburt in nichts thätlich haben? so möchte Paulus noch an vielen ortenklagen Phil. 2/ 21. sie suchen alle das ihre/ nicht das Christi Jesu ist.

Nun gibt solches nicht nur grosses ärgernuß/ wo es erkannt wird. Ja/ das gröste ärgernüß ist schon vorhanden/ da es nicht erkannt wird/ und die leut (die allezeit/ nach der unart unser natur/ lieber nach exempeln als der lehr urtheilen) in die gedancken kommen/ das seye schon das rechte Christenthum/ so sie an ihren predigern sehen/ und dörfften sie nit weiter gedencken. sondern das allerbetrüblichste ist/ daß von solchen vielen Predigern ihr leben und der mangel der glaubens früchten anzeiget/ daß es ihnen selbst an dem glauben mangele: Und das jenige/ so sie vor glauben halten/ auch auß welchem sie lehren/ durchauß nicht der rechte/ auß deß Heiligen Geistes erleuchtung/ zeugnuß und versieglung auß Göttlichem wort erweckte/ glaube/ sondern eine menschliche einbildung seye. Da sie auß der schrifft/ aber allein dero buchstaben/ ohne würckung deß Heiligen Geistes auß menschlichem fleiß/ wie andere in andern studiis dardurch etwas erlernen/ die rechte lehr zwar gefast/ solcher auch beypflichten/ und sie andern vorzutragen wissen/ aber von dem wahren himmelischen liecht und leben deß glaubens gantz entfernet sind.

Worauß ich zwar dieses nicht folgern wil/ ob möchte durch solche leute und dero dienst allerdings nichts gutes gewürcket/ oder bey jemanden der wahre glaube und wahre bekehrung zuwegen gebracht werden: indem das wort seine Göttliche krafft nicht von der person dessen der es vorträgt/ empfänget/ sondern in sich selbst hat: Und Paulus deßwegen sich auch freuet/ Phil. 1. v. 15. 16. 18. Obwol Christus von etlichen umb haß und haders willen geprediget werde/ von welchen wir also nicht vermuthenkönnen/ daß sie liebreiche wiedergebohrne kinder Gottes gewesen: Wo er aber auch sich nicht zu freuen ursach gehabt hätte/ wann/ benebens/ daß solche leut sich selbst in ihrer predigt versůndiget/ auch niemanden daher nutzen gehabt hätte.

Aber gleichwol wird mir ein verständiger Christ nicht in abred seyn können/ daß dergleichen leute/ die selbst den wahren Göttlichen glauben nicht haben/ ihr ampt/ umb denselben durch das wort bey den zuhörern zu erwecken/ nicht dermassen zu thun vermögen/ wie es sich gehörete/ sondern nechst dem/ daß sie zu erhörlichem gebet/ dardurch ein gottseliger prediger vielen segen erlanget/ untüchtig sind/ die geziemende weißheit nicht haben können/ welche von dem jenigen erfordert wird/ welcher andere mit allem erforderenden nachdruck lehren und auff den weg deß Heils fůhren solte. Wie dann mir kein zweiffel ist/ daß wir bald eine gantz andere kirche haben würden/ wo wir lehrer derselben grösten theils die jenige wären/ daß wir mit Paulo ohnerröthet unsern gemeinden zuruffen dörfften: 1. Cor. 11. v. 1. seyd meine nachfolger gleich wie ich Christi.

Hingegen finden wir der jenigen eine nicht geringe zahl/ die selbst nicht vonnöthen zu seyn halten/ was wiederumb der Apostel Ephes. 4. v. 21. seinen Ephesern/ als längft gelernet/ vorhält/ daß in JESU ein rechtschaffen wesen seye: Und also/ daß die gemeine art selig zu werden/ wie der gröste hauffe sich einbildet/ Göttlicher ordnung nicht gemäß seye. Wo dann der Prediger selbst nicht anders darvor hält/ wie wil er dann die zuhörer soweit bringen als es nöthig ist?

Ich erschrecke und schäme mich fast/ so offt ich daran gedencke/ daß die lehre von der ernstlichen innerlichen gottseligkeit etlichen so gar verborgen oder unbekandt solle seyn/ daß/ wer dieselbe mit eiffer treibet/ kaum bey einigen den verdacht eines heimlichen Papisten/ Weigelianers oder Quäckers vermeiden kan. Der s. und der reinigkeit der lehr wegen bekandte D. Balthasar Meißner hat zu seiner Zeit geklagt: Daß man kaum mehr deß Weigelianismi und neuen sectirer lehre unverdächtig bleiben könne/ wann wir mit billichem eiffer die gottseligkeittreiben/ und was gelehret wird in die übung zu bringen stäts anmahnen. Welches auch neulich beklagt/ mein vielgeliebter schwager Herr D. Johann Ludwig Hartmann/ in seinem Pastoral. Evangel. (welches nützliche werck ich bald zusammen gedrucket zu werden sonderlich verlange) disput. 3. und die jenige verse/ welche dem so Hochverdienten sel. D. Johann Gerharden/ ein dergleichen verläumbderischer verdacht außgedruckt/ beysetzet: Qui studium hoc aevo pietatis gnaviter urget, Er sophies partem tractar utram que sacrae. Ille Rosaecrucius vel Weigelianus habetur, Er nota turpis ei scribitur haereseos. De me non verita est virosa calumnia id ipsum spargere, & his nugis conciliare fidem. O cœcas hominum mentes! O pectora cœca! O sine judicio debile judicium! Discite quaeso prius, quis verè Weigelianus? Quisve Rosaecrucius, discite quaeso prius. Dispellunt radii solares nubila cœli, Lux veri è falsis clarior emicuit.

Wie könnte fast grösser elend und verderbnüß seyn/ als daß eines verdachts und böser nachrede ursach solle darinnen gesucht werden/ was seines billichen lobs werth ist? das heisset je: sie reissen den grund umb/ was solte der gerechte außrichten?

So sind auch sonsten der jenigen viel/ die den schaden Josephs in vielen dingen nicht verstehen: sondern wo wir nur eben von den widersachern falscher Religion keine noht hätten/ und äusserlicher friede wäre/ meyneten/ die kirche stünde in dem glückseligsten stande; sehen also deroselben gefährliche wunden durchauß nicht: wie sollen sie dann solche verbinden oder heylen?

Daher kommets/ da die controversien zwar freylich auch mit zu der Theologi gehören/ und wir nicht nur wissen sollen was wahr ist/ demselben zu folgen/ sondern auch was falsch ist/ demselben zu begegnen/ aber sie doch weder das einige noch vornehmste sind; daß ihrer nicht wenige fast alles allein auff die controversien setzen: und meynen/ es seye der sachen stattlich gerathen/ wo wir nur wissen/ wie Papisten/ Reformirten/ Wiedertäuffern/ rc. auff ihre irrthume zu antworten seye. Es gehe nachmahl mit den früchten der jenigen articul/ welche wir etwa auch noch mit ihnen gemein haben/ und mit denen von allen erkennenden lebens-regeln wie es wolle. Es klagte der alte und erfahrne Kirchenlehrer Gregorius Nazianzenus (Epist. 21. oder nach der Griechischen edition Ep. 1.) sehr bedächtlich zu seiner zeit über solche streitsucht/ (welche klage der s. D. Christoph scheibler in seiner schönen und merckwürdigen Vorrede über das Manuale ad Theol. pract. so vor das nūtzliche werck seiner aurifodinae auch vorgesetzet ist/ nicht unbillich auff unsere zeiten ziehet) Omnes uno hoc nomine pii sumus, quia alii alios impietatis condemnamus. Das ist: Wir sind alle allein darinnen gottselige leut/ daß wir einer den andern als gottlose verdammen. Malos & bonos non vitae sed dissidii vel concordis doctrinae signo notamus: Wer gut oder böse seye/ urtheilen wir nicht nach dem leben/ sondern nach dem sie in der lehr mit uns einig oder nicht eins sind. Jtem: Quod nonnulli sunt qui de levibus rebus, nec quicquam utilitatis habentibus, digladiantur, sociosque mali quoscunque possunt admodum stultè temereque adsciscunt, hisque omnibus deinde fides praetexitur, atque illustre hoc nomen privatis illorum contentionibus dissidiisque convellitur. Daß etliche seynd/ welche unter sich streiten/ über geringe und unnütze dinge/ und suchen ihnen dann thörlich und vermessen anhängere/ so viel sie ihrer zu wege bringen können/ und schützen dann vor/ als wäre es umb den glauben zu thun: so wird solcher vortreffliche name durch ihre eigene streit und gezänck zerrüttet. Wer erkennt aber nicht/ da er auff den augenschein gehet/ wo der liebe Vatter solte auff stehen/ daß er eben zu solcher klage würde guugsam ursach finden? so bedörffte es wol/ daß deß der kirchen bestens so hochverständigen D. Dav. Chytraei oration (de studio Theologiae non rixis disputationum sed exercitiis pietatis potius colendo, wie man das Theologische studium nicht so wol in zancksüchtigen disputationen/ als übung der gottseligkeit suchen solte) gleichsam jährlich etliche mahl allen studiosis vorgelesen würde. Wohin auch zielet der sel. Rostockische Theologus D. Johann Affelmann/ wann er (nach dem zeugnüß seines getreuen discipuls deß sel. Henr. Varenii Christ. Rett. Joh. Arnds Wahres Christenthum p. 2. p. 149.) die studiosos Theologiae also in einem programmate angesprochen. Maledictos pronunciare non dubitamus, qui serio sincerae pietatis studio & accuratiore interioris hominis cultura posthabita apicem Theologiae in disputando constitutum censent, adeoque linguam Deo, animam dant Diabolo, ut Bernhardus loquitur serm. 24. sup. Cant. pag. 565. Novimus enim Christum esse conjunctè non disjunctive, viam, veritatem, vitam. Joh. 14, 6. viam ratione vitae, quae serio studio est imitanda; veritatem ratione doctrinae, quae fideli corde est apprehendenda; vitam ratione meriti, quod vera fide amplectendum. Wir zweifflen nicht/ dieselbige verflucht zu halten/ die alle rechtschaffene eifferige übung der wahren gottseligkeit/ und deß innwendigen menschen hindansetzen/ und die Theologiam oder das fürnehmste darinnen auffs disputiren setzen/ und also GOTT nur die zunge/ dem teuffel aber die seele ergeben/ wie Bernhardus redet. Dann wie wir wissen/ daß Christus/ zugleich und nicht von einander gescheiden/ sey der weg/ die warheit und das leben. Der weg ist er wegen seines heiligen lebens/ worinnen wir mit höchstem fleiß ihm müssen folgen; die wahrheit wegen seiner lehr/ die mit glaubigem hertzen ist anzunehmen. Das leben nach seinem verdienst/ welches mit wahrem glauben ist zu ergreiffen. Ach/ würde hieran fleissiger gedacht/ wieviel besser solte es stehen?

Aber wir können je nicht in abrede seyn/ ob wir wol durch GOttes gnade/ die reine lehr auß GOttes wort noch übrig haben/ daß gleichwol hin und wieder allgemach in die Theologi viel fremb des/ unnützes und mehr nach der welt weißheit schmeckendes eingeführet werde. Worinnen mehr gefahr stecket als man gedencken möchte. Es sollen uns billich im sinn ligen/ die wort deß hocherleuchten Lutheri. Tom. 2. Altenb. pag. 160. b. an die von Erffurth: Hůtet euch/ satan hat es im sinn/ daß er euch mit dem unnöthigen auffhalte/ und das nöthige damit hindere/ und wann er ein handbreit zu euch einbricht/ wil er hernach den gantzen cörper mit secten voll unnützer fragen einführen/ wie er bißher in den hohen-schulen durch die Philosophia gethan hat. Also hören wir/ wie nicht geringer schade seye/ wo man ausser und über die schrifft wil klug und witzig seyn: Und doch wird es an exempeln nicht mangeln.

Man vergleiche unsers theuren Lutheri schrifften/ wo derselbe mit erklärung Göttlichen Worts umbgehet/ oder die Christliche glaubens-articul handelt/ sodann vieler anderer zu und gleich nach seiner zeit gelebter Theologorum noch vor augen ligende wercke/ hingegen einen grossen theil der heut herauß-kommenden. Man wird wahrhafftig finden/ wann man es redlich herauß bekennen wil/ daß so viel geistreiche krafft/ und in höchster einfalt vorgetragene weißheit in jenen angetroffen und darauß gefühlet wird/ so lähr sind fast diese gegen jenen/ und findet sich an den neuern etwa ein mehrer apparat von menschlicher prächtiger erudition, und verkunsteltes wesen/ ja auch fürwitzige subtilitäten in dingên/ wo wir nicht über die schrifft weise seyn solten. Und weiß ich nit ob unser sel. Herr Lutherus/ wo er wieder auffstehen solte/ nicht auch an unsern Academien offters ein und anders straffen würde/ was er mit eiffer zu seiner zeit den damahligen verweißlichen vorgerückt.

Es ist zwar diese klage nicht neu. Der stattliche mann D. David Chytraeus, welcher vor vielen andern die mängel der kirchên eingesehen/ und wegen seiner vortrefflichen erfahrung unn Christlicher klugheit von König und Fürsten zu anordnung kirchen und schulen mehrmahl erfordert worden/ klagte schon dergleichen in dem vergangnen seculo in einem schreiben an Hier. Mencelium (in Epist. pag. 348.) Wolte GOTT/ spricht er/ wir gewehneten unsere und unserer zuhörer gemühter/ mit forcht deß HErrn/ buß und bekehrung/ schrecken gegen den zorn und gericht GOttes über diesünde/ zur übung der wahren gottseligkeit/ gerechtigkeit und liebe Gottes und unsers nechsten/ vielmehr als disputirlichen zancksachen/ dardurch nur angezeiget wird/ daß die bey vorigên zeiten gewesene sophisterey nicht weggenommmen/ sondern nur auffanderefragen und strittigkeiten um̃gewechslet oder verändert seye. Wiederumb an einem andern an Joh. Judicem. Es schmertzet mich/ nachdem die Theologia kaum auß der finsternüß der Päbstischen sophisterey herfür gekommen/ daß sie allzusehr auf eine neue sophisterey unnützer und vorwitziger fragen zurück schlägt/ da doch die Christliche Religion nicht eben in wissenschafft und spitzigkeit der vorwitzigen fragen/ so zu dieser zeit allzuviel erneuert werden/ sondern darinnen bestehet/ daß wir den wahren GOtt und unsern Erlöser JEsum Christum auß seinem wort recht erkennen/ inniglich förchten/ und auß wahrem glauben lieb haben/ Jhn anruffen/ Ihm in Creutz und gantzem leben gehorsam seyn/ auch andere leute von hertzen lieben/ denen mildiglich helffen/ in aller gefährlichkeit in unserm leben/ ja auch im todt selbsten mit vestem vertrauen auffdie in Christo uns erworbene gnade ruhen/ und erwarten/ daß wir mit Gott ewiglich leben mögen.

Wie sehnlich klaget auch der Wolverdiente sel. D. Nic. Selneccerus, in der Vorred über die Psalmen/ da er sagt: Man finde allewege mehr bücher/ die voll disputirens und zanckens und scheltens/ und lästerens/ und voll streittiger händel sind/ die doch zu nichts als zu dênschulgezänck allein dienen/ dann daß man feine lehr und trostbücher finden und kauffen könnte/ die fein schlecht und recht das wort Gottes außlegeten/ und rechte reine lehre führeten? Noch soll es alles köstlich ding seyn/ besser als kein heiligthum/ so es doch gemeiniglich voll privat affect und heimlicher rachgierigkeit und verwirrung der warheit stecket. Man thue hinweg menschen gedancken/ die bloß ohne GOttes Wort und Heiligen Geist gehen/ und thue davon unnöchiges gezänck und disputiren/ und eigene rachgierigkeit/ ehrgeitz und lästern/ so wird man gewißlich jetziger zeit wenig guter bücher finden/ die jetzt geschrieben werden. Womit einstimmt auch weyland M. Dünckel Coburgischer superintendens in einer vorrede über Lutheri büchlein/ da er auch den schaden dabey bemercket/ der darvon entstehet: Darüber wird die rechte Theologia practica, das ist die lehre von glauben/ liebe und hoffnung/ hindan gesetzt/ und wird dadurch wiederum eine Theologia spinosa, eine stachlichte/ dornichte lehr auff die bahn gebracht/ welche hertzen und seelen ritzet und kratzet/ wie vor den zeiten Lutheri auch gewesen.

Aber wie hertzlich dieses nun alle diese und andere wolmeinen de lehrer beklagt und besserung gewünschet/ so ist doch fast nichts damit außgerichtet worden/ sondern gibts der augenschein/ daß solche unart etwa mehr zu- als abgenommen: Wie zu anfang dieses seculi der tieffsinnige sel. D. Johan. Valent. Andreae in vielen scriptis so wol sehnlich beklagt/ als dergleichen leute ziemlich empfindlich offters angestochen hat. Aber surdis fabulae!

Also lernen wir vieles/ so wir offters wünschen solten/ nicht gelernet zu haben: indessen wird das jenige versäumet/ daran uns mehr/ ja alles gelegen ist/ wie wir oben auß Lutheri worten gehöret. Ach/ wie erfahren solches so manche Christliche Theologi, wo sie durch GOttes gnade erstlich in ein ampt kommen/ daß ihnen etwa ihr lebetag ein grosses theil der dinge/ worauff sie ihre saure arbeit und schwehre kosten gewandt/ nichts nutzen: Hingegen wie sie fast erst auffs neue anfangen müssen/ das mehr nohtwendige zu studiren/ so sie wünscheten vorhin erkannt zu haben/ und darzu mit fleiß und weißlich geführet seyn worden? Es mangelt auch selbst zu unsern zeiten nicht an solchen männern/ die es mit der kirchen Gottes wol meynen/ und diesen fehler beobachten: und habe ich nit ohne sondere bewegung (so zur freude/ als folgends/ weil die frucht unterbliebên/ traurigkeit) gelesen/ was der Christliche Wirtenbergische Theologus Herr D. Balthasar Raith/ mein in der that erkannter und in dem Herrn geehrter gönner/ in der laudatione funebri deß berühmten seligen Herrn D. Zelleri, 1669. zu Tübingen gehalten/ gedencket: Wie noch erst vor wenig jahren der umb die sächsische kirche wolverdiente Theologus D. Weller sel. als derselbige auff dem Reichstag zu Regenspurg war/ mit jenem persönlich um̃zugehen verlangt/ umb weiter unter einander handlung zu pflegen/ wie doch die scholastische Theologia, so Lutherus zur fordern thür hinauß getrleben/ aber von andern zu der hindern wieder eingelassen werden wolte/ auffs neue von der Evangelischen Kirchen außgeschaft/ und die rechte Biblische Theologi wiederumb herfür gebracht würde (D. D. Weller Comes Electoris sui ad comitia novissima Ratisponae habita, flagrantissimo desiderio Zellerum nostrum, cui amicissimus erat, expetiit, ut de Theologia scholastica, quae eliminata per anticam à Luthero, per posticam Zelosis Theologis reduci videbatur, ac revocanda Theologia Biblica serio cum eo ageret) Ach solte GOtt solcher tapfferer Theologorum damahlige Consilia gesegnet haben/ oder noch künfftig/ welche eben dergleichen verlangen/ segnen/ so würde es wol eine der grössesten gutthaten seyn/ wovor wir seiner himmelischen güte zu dancken hätten.

Weil einmahl dieser mangel mehr schaden thut/ als ihnen die meisten einbilden. indem die gemüeher gewehnet werden an dergleichen ding/ wovor längsten s. Paulus seinen Timotheum gewarnet/ und befihlet ihm zu lehren/ daß sie nicht acht hätten auff die fabeln/ und der geschlechte-register/ die kein ende haben/ und bringen fragen auff/ mehr dann besserung zu GOtt im glauben; da doch die hauptsumma deß gebotts ist liebe von reinem hertzen/ und von gutem gewissen/ und von ungefärbtem glauben/ welcher haben etliche gefehlet/ und sind umbgewandt zu unnůtzem geschwätz: Wollen der schrifft meister seyn/ und verstehen nicht/ was sie sagen oder was sie setzen. 1. Timoth. 1/ 4. 5. 6. 7.

Wiederumb cap. 6/ 3. 4. 5. sagt er: so jemand anders lehret/ und bleibet nit bey den worten unsers HErrn Jesu Christi (solche sind aber lauter einfalt/ und nit menschliche spitzfindigkeit/ sondern Göttliche weißheit) und bey der lehr von der gottseligkeit (hier lasst uns den zweck unser er studiorum wahrnehmen?) der ist verdüstert und (da er der gelehrteste meister in Jsrael/ der alles wisse/ zu seyn ihm selbst einbildet/ unn darvor gerühmet wird) weißt nichts/ sondern ist seuchtig in fragen und wort-kriegen/ auß welchen entspringet neid/ hader/ lästerung/ böse argwohn/ schul-gezäncke/ solcher leute diezurüttete sinne haben/ und der wahrheit beraubet sind/ die da meynen/ gottseligkeit seye ein gewerbe. so hat er auch seine Colosser 2/ 8. treulich gewarnet: sehet zu/ daß euch niemand beraube durch die Philosophia und lose verfůhrung nach der menschenlehre und nach der welt satzungen und nicht nach Christo. Wo dann ein gemüht angefüllet ist mit einer solchen Theologi, die zwar das fundament deß glaubens auß der schrifft behalten/ aber so viel holtz/ heu und stoppeln menschlichen fürwitzes darauff gebauet hat/ daß man jenes gold kaum mehr sehen kan/ so wird es über alle massen schwer/ wo es weiter die rechte einfalt Christi und seiner lehr fassen und belieben soll: indem es den geschmack an andere unserer vernunfft anmüthigere dinge gewehnet/ daß ihm nach mahls jenes gantz abgeschmackt vorkommt. Und ein solches wissen (so ohne die liebe bleibet) blähet auff. 1. Corinth. 8/ 1. Es lässet den menschen in seiner eigenen liebe/ ja heget und stärcket dieselbe mehr und mehr. Dann wie dergleichen der schrifft unbekante subtilitäten gewöhnlich bey den jenigen/ die sie erst vorgebracht/ auß einer begierde hergekommen/ ihre scharffsinnigkeit/ und wie weit sie es andern zuvor thäten/ vor den tag zu legen/ und ihnen einen grossen namen/ darvon sie etwa auch in der welt nutzen haben mögen/ zuwege zu bringen/ also sind sie an sich selbst der art/ daß sie bey den jenigen die damit umbgehen ebenfals ehrsucht und andere einem wahren Christen unziemliche affecten vielmehr als wahre gottesfurcht erregen.

Es fangen die leute an/ wo sie in solchen dingen sich geübet/ ob sie schon von dem einig nothwendigen/ daß ihnen viel zu gering scheinet/ nichts oder ja wol wenig verstehen/ grosse einbildungen zu bekommmen/ die sie alsdann in die kirche Christi bringen: Da kan man dann schwerlich lassen/ zu marckt zu tragen/ worinn man ihm am besten gesället/ und treibet gemeiniglich das jenige allein/ darvon die ihres heils begierige zuhörer wenig erbauung finden; und wo solche leut den gantzen zweck den sie vorgesetzt erlangt haben/ bestehets darinnen/ daß sie unter den zuhörern die jenige/ so fertigern verstands sind/ dahin bringen/ daß sie eine ziemliche wissenschafft der Religions-streittigkeiten bekommen/ und mit andern zu disputiren ihre vornehmste ehre achten: Allerseits aber lehrer und zuhörer in den gedancken stehen bleiben: Das einige nohtwendige seye/ die behauptung und freybehaltung der wahren lehre/ daß sie nicht mit irrthumen umbgestossen werde: ob sie wol mit menschlichem fürwitz sehr verdunckelt wird.

Ach wie kan man alsdann so gar nicht S. Paulo nachsprechen/ wann derselbe 1. Corinth. 2. v. 4. sich darauff beruffet: Mein wort und meine predigt war nit in vernünfftigen reden menschlicher weißheit/ sondern in beweisung deß geistes und derkrafft/ auff daß euer glaub bestehe nicht auff menschen weißheit/ sondern auff GOttes krafft. Ja/ wir solten wol sagen mögen: Der so hocherleuchte Apostel/ wo er jetzo zu uns käme/ solte wol selbst vieles nicht verstehen/ so zuweilen solche lüsterende Ingenia, an heiligen stätten vorbringen: Das macht/ er hatte seine weißheit nit von menschen kunst/ sondern der erleuchtung deß Geistes/ die als himmel und erde von einander sind. Und so wenig diese von jener begriffen werden kan/ so wenig sind die mit dieser angefüllte seelen bequem sich zu jenen krafftlosen phant asien herab zu lassen.

Da es nun also in den ständen gehet/ welche den dritten stand/ und in demselben die meiste/ solten regieren und zu der wahren gottseligkeit führen/ mag nun leicht errathen werden/ wie es dann in demselben gehet; Nehmlich wie es abermahl vor augen ligt/ daß man der regeln Christi keine in offenem schwang sihet.

Unser liebe Heyland hat uns vorlängst das merckmahl gegeben/ Johan. 13. v. 35. Daran wird jederman erkennen/ daß ihr meine Jünger seyd/ so ihr liebe unter einander habt. Hie wird die liebe zum kennzeichen gemacht/ und zwar eine solche liebe/ die sich offentlich hervor thue/ und nicht bloß in dem vorwandt einer in dem hertzen habenden aber unfruchtbahren liebe/ 1. Johan. 3. v. 18. bestehe. Urtheilen wir nun nach diesem kennzeichen: wie schwehr wird es unter einem grossen hauffen vorgegebener/ nur eine geringe anzahl recht wahrer Jünger Christi zu finden? und gleichwol trieget deß Herrn wort nicht/ sondern wird wahr bleiben nun und in Ewigkeit.

Man sehe doch das gemeine leben an/ auch derer unter den unseren so genannten Lutherischen (die aber auch solches namens nit werth sind/ als die die lehre deß theuren Lutheri von dem lebendigen glauben nit erkennen) finden wir nicht schwehre ärgernüß/ ja solche ärgernüssen/ die völlig in offenem schwange gehen? Ich wil nicht sagen von dergleichen lastern/ die auch in der welt unrecht zu seyn erkannt werden:

Dann derselbigen ärgernüß thut endlich so viel schaden nicht. Aber viel schwerer ist das jenige/ welches herkommt von sünden/ die man nicht mehr vor sünden erkennet/ oder je dero schwehre nicht achtet. Wir müssen bekennen/ daß die Trunckenheit unter die zahl gehöre/ welche nicht nur an hohen und geringen orten bey geist- und weltlichem stande regieret/ sondern auch ihre vertheidiger findet/ welche ob sie wol bekennen/ daß der jenige/ welcher gar ein handwerck drauß machen wolte/ sich damit versündigte/ dannoch immer darvor halten wollen/ daß bey gelegenheit einem guten freund zu gefallen/ da es eben nicht zu offt geschehe/ einen rausch zu trincken/ keine/ oder eine kaum deß andens würdige sünde seye. Daher wird solche niemahl bußfertig erkannt; dann solte sie erkannt werden/ so muß einmahl der haß gegen sie gefasset seyn/ nun und nimmermehr dieselbe jemand zu gefallen zu begehen. Wem kommt aber bey dem gemeinen hauffen dieses nicht gantz frembd und ungereimt vor/ daß er auch diese sünde ein vor alle mahl verschweren müsse/ solle er ein kind GOttes seyn?

Vielmehr gedencken solche leute/ die jenige/ welche wider solche sünde eiffern/ müssen sonst seltzame leute/ oder auß andern ursachen dieser ergötzlichkeit seind seyn/ als/ daß sie dero lehre in diesem punct vor Göttlich solten erkennen; und gleichwol ist sie Göttlich. Massen s. Paulus 1. Cor. 6/ 10. die trunckenbolden unter keine (vor GOTT) ehrlichere gesellschafft setzet/ als zu den hurern/ ehebrechern/ weich lingen/ knabenschändern/ dieben/ geitzigen/ lästerern/ raubern: Die alle überhaupt vom reich GOttes von ihm außgeschlossen werden.

Und gilt hie nicht/ die distinction vorzusuchen/ daß ein unterscheid seye unter einem/ welcher es eben alle tage thut/ und seine freude selbst darinnen suchet/ und anderen die es seltener nach ereignender gelegenheit anderen zu gefallen thäten: gleich ob wären nicht diese/ sondern jene nur gemeynet: dann zugeschweigen/ daß die nichtigkeit dieses einwurffs auch anderwertlich auß der schrifft darzuthun ist/ so wolte ich nur solcheleute fragen/ ob sie nur derer jenigen leute leben vor verdammlich halten/ welche alle tag hureten/ ehebrechen/ knabensch ändeten/ stehlen/ raubeten/ rc. oder ob sie nicht glauben/ daß auch deß jahrs einmal/ geschweige dann jeglichen monat einmal/ solches zu thun zuviel seye/ und wo sie nicht solche sünde allerdings mit eifferigem vorsatz ablegeten/ solche lasterhaffte unbußfertige leute der seligkeit fehl gehen? Wie ich mich nun/ daß dieses letztere von allen werde erkannt werden/ so nur etwas von Göttlicher erkantnuß haben/ versehe: Wie kommts dann/ daß wir allein von dieser sünde so gering achten/ und sie kaum anders als auß dero öfftern begehung straffbar erkennen wolten? Dann was haben wir mehr zu deroselben vertheidigung/ als die alte der Teutschen und Nordländer hergebrachte und von einigem dero temperament beförderte gewonheit? Meynen wir aber/ daß solche GOttes wort auffhebe? Gewiß solches vermag sie so wenig zu schützen/ als Pauli außspruch an die Corinther mit bestand hätte dieses mögen entgegen gehalten werden/ daß bey den Griechen solche gewonheit auch eingerissen gewesen. Ja/ so wenig wir andern Völckern/ die etwa zu unzucht/ diebstal/ und dergleichen mehr möchten geneigt seyn/ gestehen/ daß deßwegen solche ihre laster geringer zu achten; so wenig werden sie uns in unserer trunckenheit lassen entschuldiget seyn/ und noch so vielweniger wird der gerechte GOTT ihm von uns einen strich durch sein Gesetz machen lassen.

Wann dann nun einige mit diesem argument auffgezogen kommen/ daß die trunckenheit nicht müsse so schwere sünde seyn/ well in dem gegensatz die wahre Christen unter uns gar zu dūnne möchten gesäet seyn. so lasse ich vielmehr diese folge gelten/ und schliesse noch weiter/ daß solche sünde so viel gefährlicher/ so vielmehr sie überhand genommen und von wenigen erkannt wird. Also/ daß man sich auch mit jenen zu sodom/ derselben rühmet/ oder sie je schmücket/ oder für ein Peccatillum geachtet haben wil.

Man sehe ferner an/ die allgem eine gewonheit der Rechts processen/ und bekenne/ wo man sie recht untersucht/ ob es nit etwas seltzames seye/ daß einige darvon ohnver letzt der Christlichen liebe und in dero schrancken von einiger seite geführet werden. Da doch zwar nicht unrecht ist/ sich der Göttlichen hülffe in der Obrigkeit zu bedienen/ und sie gerichtlich zu suchen/ aber auch in solchem gesuch gegen den nechsten alles geübet werden solle/ was wir von andern uns zu geschehen verlangen. Daß ein solches ins gemein nicht geschiehet/ sondern die meiste rechtende der obrigkeitlichen hülffe nicht anders gebrauchen/ als zu einem instrument ihrer rachgier/ unbillichkeit/ und unziemlicher begierden/ ist abermahl eine sünde/ welche nicht darvor gehalten/ und dahero auch in der Buß daran fast nicht gedacht wird.

Siehet man auff Handlungen/ Handwercke und andere arten deß lebens/ damit von jeglichem seine nothdurft gesuchet wird/ so wird in solchen so gar nicht alles nach den regeln Christi eingerichtet/ daß vielmehr nicht wenig offentliche verordnungen und auctorisirte gebräuche in denselben ihnen schnurstracks entgegen sind. Wo gedencket leicht jemand/ daß er in allen denselben seines GOttes ehr und deß nechsten bestes/ so wol müsse die absicht solcher seiner verrichtungen in seinem stande seyn lassen/ als seine eigene erhaltung und erwerbung seiner nothdurft/ darauff man fast allein siehet? Daher geschiehets/ daß man es auch nicht vor sünde achtet/ wo man solche vortheile gebrauchet/ die in der welt keinen bösen namen nach sich ziehen/ sondern wol vor klugheit und vorsichtigkeit gerühmet werden/ ob sie gleich dem neben-menschen neben uns sehr beschwerlich sind/ ja ihn gar unterdrucken und außsaugen. Die auch die beste Christen seyn wollen/ machen ihnen wol hierüber kein gewissen: so gar hat die leidige gewonheit die regeln unsers Christenthums verdunckelt/ daß uns vor ungereimt vorkommen wil/ wo man in gewissen stücken treibet/ was in dem allgemeinen satz von allen gestanden wird/ wir solten den nechsten lieben als uns selbst: Ob wol die krafft solcher wort wenig erwogen wird.

Wer gedencket wol/ ob schon die gemeinschafft unter den Christen/ welche in der ersten Hierosoly mit anischen kirchen gewesen/ nicht gebotten; daß gleichwol eine andere gemeinschaft der güter gantz nohtwendig sey? daß weil ich erkennen muß/ ich habe nichts eigens/ sondern es seye alles meines GOttes eigen/ Ich aber allein ein darüber bestellter haußhalter/ mir durchauß nicht frey stehe/ das meinige vor mich zu behalten/ wann und als lang ich wil/ sondern wo ich sehe/ daß zu ehren deß haußvatters und meiner mit knechte noth durfft/ das meinige anzuwenden die liebe erfordert/ daß ich als dann kein bedencken habe/ sobald dasselbige darzugeben/ als ein gemeinschafftliches gut/ welches der neben-mensch von mir zwar mit weltlichem Recht nicht erfordern/ ich aber ohne verletzung deß Göttlichen Rechts der liebe/ dafern ihm anders nit nach nothdurfft geholffen werden kan/ ihm das sonst vor mein haltende nicht vorenthalten darff. sind das nicht fast frembde lehren/ wo man darvon redet? und ist doch die nöthigste folge der Christlichen Liebe/ und in der ersten Kirchen durch und durch gewesen; daß also weder die gantze Gemeinschafft/ da niemand nichts eigenes hätte/ die gelegenheit der Tugend und Christlichen Liebe auffhebte/ noch das weltliche Eigenthum ein hindernüß der brüderlichen Liebe würde.

Daher bey den ersten Christen die reiche nit andern vortheil hatten/ als weil sie auch reich seyn musten in guten wercken/ 1. Tim. 6/ 18. daß sie die sorge und mühe hätten/ das jenige zu verwalten/ welches sie all augenblick dahin anzuwenden bereit waren/ worinnen sie ihre liebe gegen GOtt und den nechsten bezeugen könnten/ und sie dessen nothdurfft sahen: Die arme aber hatten keine andere beschwerde (wo auch dieses vor beschwerde zu achten;) Als/ daß sie nicht auß eigener hand/ sondern ihrer brüder handreichung lebeten: Und bedorffte unter den brüdern keines bettlens: Welches sie gewiß ihnen so unanständig gehalten hätten/ es zu dergleichen kommen zu lassen/ als GOTT in dem Alten Testament in seiner wolverfasten policey der Juden es nicht gestatten wolte/ Deut. 15/ 4. Jetzo aber ist es dahin gekommen/ daß nicht nur allein das bettlen/ so doch als ein mittel/ fördernüß und deckmantel vieler grausamen sünden/ eine beschwerde der recht nohtdürfftigen/ und auch zu Christlicher mildigkeit geneigter personen/ ein schädlicher mißstand deß gemeinen wesens/ unn gar ein schandfleck unsers Christen thums angesehen werden solte/ gantz gemein ist: sondern die meiste gedencken fast schwerlich an andere pflicht/ dem nothdürfftigen nechsten guts zu thun/ als ein und andere mahl einem bettler mit unwillen einigen heller darzuwerffen: Aber ferne ist von ihnen/ daß sie erkennen solten/ daß sie auch zu solchen liebesthaten verbunden/ da sie die anßgaben mercklich in ihrer nahrung spüreten. Und da die im Alten Testament auß Göttlicher verordnung mehr als den zehenden (dann derselbigen waren etliche arten/ wie auß dem Gesetz zu sehen) zu unterhalt deß Predigampts Gottesdienst/ und der Armen zurück legen und anwenden musten/ so gedencken wir nit/ daß die uns von Christo reichlicher erzeigte wolthaten als jene gehabt/ uns verbinden/ daß so die nothdurfft deß nechsten solches erfordert wir bereit sollen seyn/ nicht weniger/ sondern noch mehr und alles was wir haben/ dahin anzuwenden. Daß ein solches nicht geschiehet/ und der auch meistens der gutthätigkeit sich befleissenden leute mildigkeit/ fast niemal weiter gehet/ als auß dem überfluß/ Marc. 12/ 44. mitzutheilen/ ist eine ziemliche anzeigung/ daß wir so fern von übung der recht ernstlichen bruderliebe seyen/ daß wir auch kaum glauben wollen/ was sie erfordert.

Es ist hier der ort nicht/ alles auß zuführen; Auß diesen exempeln aber erhellet gnugsam/ daß solche sünde unter uns im schwang gehen/ die gleichwol nicht vor sünden (welcherley/ daß sie dannoch seyen/ die gegenhaltung unserer pflicht/ wie sie in der schrifft beschrieben wird/ anzeiget) gehalten werden/ und deren ärgernüß destomehr schadet.

Darbey bleibet es auch nicht/ sondern sehen wir an die art GOTT zudienen/ wie sie in deß grossen hauffens gedancken ist/ so ist sie nicht gemäß unserer heylsamen Lehr/ wie so herrlich dargethan der selige D. Paulus Tarnovius in seiner Oration de novo Evangelio, auß welcher zu erkennen/ wie gründlich der eifferige Mann das jenige/ wo es mangele/ eingesehen/ sie auch deßwegen würdig wäre/ in aller händen allezeit zu seyn.

Wir erkennen gern/ daß wir einig und allein durch den glauben selig werden müssen/ und daß die wercke oder gottseliger wandel weder viel noch wenig zu der seligkeit thun/ sondern solche allein als eine frucht deß glau bens zu der danckbarkeit gehören/ darzu wir GOTT verbunden sind/ da Er bereits unserm glauben die gerechtigkeit und seligkeit geschencket hat: Und seye fern von uns/ von dieser Lehr nur einen fingers-breit zu weichen/ da wir lieber das leben und die gantze welt solten fahren/ als das geringste von derselben zurücke lassen. Also erkennen wir auch gern die krafft deß Göttlichen gepredigten Worts/ wie dasselbe eine krafft GOttes seye/ selig zu machen alle die daran glauben/ Rom. 1. Also/ daß wir nit nur umb deß befehls willen Göttliches Wort fleissig zu hören verbunden sind/ sondern auch deßwegen/ weil solches die Göttliche hand ist/ welche die gnade anbeut und überreicht dem glauben/ den das wort selbst durch deß Heiligen Geistes gnade erweckt. so weiß ich auch die Tauff und dero krafft nicht hoch gnug zu preisen/ und glaube/ daß sie das eigentliche bad der wiedergeburt und erneuerung deß H. Geistes seye. Tit. 3. Oder wie unser Lutherus in dem Catechismo saget: daß sie würcke vergebung der sünden/ erlöse vom todt und teuffel/ und gebe (nit nur verspreche) die ewige seligkeit. Nicht weniger erkenne ich gern die herrliche krafft der/ nicht nur geistlichen/ sondern auch sacramentlichen mündlichen/ niessung deß Leibes und Blutes deß HERRN in dem H. Abendmahl; Daß ich umb solcher willen den Reformirten von hertzen widerspreche/ wann dieselbe mit verneinung/ daß wir solchepfand unserer Erlösung/ in mit und unter dem Brodt und Wein empfangen/ auch die krafft desselben schwächen/ und keine andere darinnen erkennen/ als welche auch ausser dem H. sacrament bey der geistlichen niessung befindlich. Wie ich nun unserer Kirchen-lehr von allen diesen stücken mit hertz und mund führe/ und daher Lutheri schrifften mir so viel angenehmer sind/ in welchen wir mehr hiervon als irgend einem Autore finden: Also kan ich doch nicht in abred seyn/ daß ich finde/ wie daß wider unsere Lehr und der kirchen bekanntnuß bey dem grossen hauffen/ so gleichwol auch mit Evangelisch heissen/ gar andere gedancken und einbildungen von der sache gemacht werden.

Wieviel sind der jenigen/ welche ein so gar offenbahr unchristliches leben führen/ daß sie selbst nicht in abrede seyn können/ es gehe in allen stücken von der regel ab/ ohne vorsatz auch hinkünfftig anders zu leben/ die gleichwol bey allem deme ihnen eine veste zuversicht einbilden/ daß sie ohneracht dessen selig werden wollen? Fraget man/ worauff sich dasselbe gründe/ so wird es sich finden/ sie auch selbst bekennen/ daß sie sich darauff verlassen/ weil wir ja nicht dörfften auß unserm leben selig werden/ so glaubten sie ja an Christum/ und setzten all ihr vertrauen auff denselbigen/ daher könne es nicht fehlen/ sie würden gewiß auß solchem glauben selig/ halten deßwegen die fleischliche einbildung eines glaubens (dann je der Göttliche glaube nicht ohne den Heiligen Geist/ dieser aber bey vorsetzlichen und herrschenden sünden nicht seyn kan) vor den glauben/ der da selig mache/ welches ein so schrecklicher betrug deß teuffels ist/ als irgend ein irrthum gewesen oder seyn mag/ einem solchen hirngespänst eines sichern menschen die seligkeit zu zuschreiben. Ach/ wie redet unser theure Lutherus so gar anders von dem glauben:

Wo er in der Vorrede über die Epistel an die Römer spricht: Glaube ist nicht der menschliche wahn und traum/ den etliche für glauben halten: Und wann sie sehen daß keine besserung deß lebens und gute wercke folgen/ und doch vom glauben viel hören und reden können/ fallen sie dann in den irrthum/ und sprechen/ der glaube sey nicht gnug/ man můsse werck thun/ soll man fromm und selig werden. Das macht/ wann sie das Evangelium hören/ so fallen sie dahin/ und machen ihnen auß eigenen kräfften einen gedancken im hertzen/ der spricht/ ich glaube/ das halten sie dann für einen rechten glauben/ aber wie es ein menschliches gedicht und gedancken ist/ den deß hertzengrund nimmer erfähret/ also thut er auch nichts/ und folget keine besserung hernach. Aber der glaube ist ein Göttlich werck in uns/ das uns wandlet und neu gebieret auß GOtt/ Joh. 1/ 13. und tödtet den alten Adam: Machet uns gantz andere menschen von hertzen/ muth/ sinn und allen kräfften/ und bringet den Heiligen Geist mit sich. O es ist ein lebendig/ schäfftig/ thätig ding umb den glauben/ daß unmüglich ist/ daß er nicht ohne unterlaß solte gutes würcken. Er fraget auch nicht/ ob gute werck zu thun sind/ sondern ehe man fraget/ hat er sie gethan/ und ist immer im thun. M. f. w. Andere ort führen wir nicht an/ wo er eben auff dergleichen schlage redet. sonderlich lese man in der Kirchenpost. sommer-Fest. fol. 65. a. Wo er den Göttlichen und menschlichen glauben recht nachtrücklich beschreibet/ und bey de gegen einander hält. Also ist es einmahl an dem/ daß bey allen denen/ die in herrschenden sünden leben/ und also deß Heiligen Geistes/ daher auch deß rechten glaubens/ nicht fähig sind/ kein anderer glaube seyn kan/ als ein dergleichen menschlicher wahn: Wie groß ist aber jener zahl?

Gleich wie nun die vergebene einbildung deß glaubens als deß von unser seiten einigen mittels der seligkeit grossen schaden thut/ also von seiten der göttlichen mittel deß worts und sacramenten kommt eine andere schändliche einbildung deß Operis operati darzu/ die nicht weniger der Kirchen schädlich ist/ und viele menschen zur verdamnüß führet/ auch die andere falsche einbildung deß wahren glaubens stärcket. in dem wir nicht läugnen können/ sondern durch die tägliche erfahrung dessen überzeuget werden/ daß der jenigen nicht wenig sind/ die da meynen/ ihr gantz Christenthum stehe darinnen/ und alsdann hätten sie dem Gottesdienst übrig gnug gethan/ wo sie eben getaufft wären/ Göttliches wort in predigten hörten/ beichteten/ die Absolution empfingen und zu dem H. Abendmahl giengen: Es seye nun das hertz bey solchem dienst wie es wolle/ die früchten folgen nicht oder wie sie mögen/ auffs äusserste wo sie nur darbey ein solch leben führeten/ darinn eben die Obrigkeit nichts straffbares finde. Oder wie der theure Johann Arnd/ solcher leute einbildung beschreibet Wahren Christenth. 2/ 4. Ich bin ein Christ getaufft/ habe Gottes Wort rein/ höre dasselbe/ brauche das H. sacrament deß Abendmals/ ich glaube und bekenne auch alle Articul deß Christlichen glaubens/ darumb kan mirs nicht mangelen: Mein thun muß GOTT gefallen/ und ich muß selig werden. so schleust jetzo alle welt/ und hälts auch darvor/ darinnen bestehe die gerechtigkeit. Man sehe an solchem ort auch die Antwort.

Aber damit kehren solche blinde leute Gottes heilige Intention gantz umb. Dein Gott hat dir freylich die Tauff gegeben/ daß du nur einmahl getaufft werden darffst. Aber er hat mit dir den bund gemacht/ welcher auff seiner seiten ein gnaden-bund/ von der deinigen aber ein bund deß glaubens und guten gewissens ist: solches muß nun dein lebenlang wären. Und getröstest du dich vergeblich deiner Tauff/ und der darinn zugesagten gnade der seligkeit/ wo du auff deiner seiten nicht auch in dem bund deß glaubens und guten gewissens bleibest. Oder da du abgetretten/ wiederumb durch hertzliche busse zurück kehrest. Also muß deine Tauff/ soll sie dir nutz seyn/ in stätiger übung deß gantzen lebens bleiben.

Wiederumb du hörest Göttliches Wort. Ist recht gethan: Aber es ist nicht gnug/ daß dein ohr es höret; lässest du solches auch innerlich in dein hertz dringen/ und solche himmelische speise daselbst verdauet werden/ damit du safft und krafft darvon empfangest/ oder gehet es zu einem ohr ein zum andern auß: Ist jenes/ so gilt dirs freylich/ was der Herr sagt: Luc. 11/ 28. selig sind die GOttes Wort hören und bewahren: Ist aber dieses letztere/ so mag das werck/ daß du es gehöret hast/ dich nicht selig machen/ wol aber deine verdamnüß vergrössern/ daß du die empfangene gnade nicht besser angewendet. Nun aber/ ach wie viel sind der jenigen/ welche selbst nicht einmahl sagen dörffen/ daß sie GOttes Wort bey sich lassen frucht bringen/ und dannoch meynen/ daß sie ihrer meynung nach GOTT solchen gehorsam und dienst geleistet/ solle sie selig machen.

So gehets auch mit der Beicht und H. Absolution/ die wir freylich vor ein kräfftiges mittel deß Evangelischen Trosts und vergebung der sünden halten: Aber sie ist solches keinen andern als den Glaubigen.

Warumb trösten sich dann ihro so viele/ bey denen nicht das geringste von dem oben beschriebenen wahren glauben sich findet/ beichten und lassen sich absolviren bey aller fortwährender unbußfertigkeit: Und soll doch ihre Beicht und Absolution/ ihrer meynung nach/ weil sie jene gethan/ diese gesprochen empfangen/ ihnen nützlich seyn? Welches gleichermassen bey dem H. Abendmahl geschiehet: Da der leute über die massen viel sind/ die nur gedencken/ daß sie das heilige Werck mögen verrichten/ und ob sie es offt verrichtet haben. Aber ob sie auch das geistliche leben dardurch bey sich lassen gestärcket werden/ ob sie mit hertzen/ mund und nachfolge den Todt deß Herrn verkündigen/ ob der Herr bey ihnen würcke und herrsche/ oder ob sie den alten Adam noch auff seinem Thron lassen/ wird kaum daran gedacht. Das heisst ja recht unvermerckter weiß den schädlichen irrthum deß Operis operati, so wir an den Papisten straffen/ einigerley massen wieder einführen.

Nun ist hieran unserer Kirchen Lehr nicht schuldig/ welche solchen einbildungen eifferig widerspricht/ sondern das ist der menschen boßheit/ und deß teuffels list/ welcher bey jenen die Göttliche mittel der seligkeit/ suchet zu gelegenheit mehrer sicherheit/ und also schwerer verdamnüß zu machen. Nebens dem das nicht zu läugnen stehet/ daß unterschiedliche Prediger mit mehrerem fleiß solcher sicherheit und falschen einbildungen widersprechen und den leuten die augen öffnen solten: Wodurch mehrere noch auß dem schlaff erweckt und auß dem verderben gerissen werden möchten.

Nun in solchem zustand sehen wir leider mit betrübten augen an/ die äusserliche gestalt der Evangelischen obwol wahren und in der Lehr reinen unserer Kirchen.

Uber solches nun ärgern sich zum forderisten die Jüden/ so unter uns wohnen/ und werden in dem unglauben gestärcket/ ja den namen deß Herrn zu lästern bewogen: als die da nicht können glauben/ müglich seyn/ daß wir CHristum vor einen wahren GOtt halten/ dessen Gebotten wir so gar nicht folgeten/ oder es müsse unser JEsus ein böser mensch gewesen seyn/ wo sie Jhn und seine Lehr auß unserm leben urtheilen: Also/ daß wir nicht können in abrede seyn/ daß dieses der bißherigen verstockung der Jüden/ und hindernüß dero bekehrung eine grosse ursach gewesen/ das ärgernuß so die arme leute von uns nehmen. Welches wie andere/ also mit recht nachtrücklichen worten beseufftzet der Hochberühmte straßburgische/ nachmahl aber Rostockische Professor D. Joh. Georg. Dorscheus sel. Wann er in einem zu Herrn L. Jacob Helwigs über die Materi deß Apostolischen geheimnusses/ Rom. 11/ 25. 26. haltenden Disp. inaugur. gemachten Programmate also redet: sicut olim Judaei quantum in ipsis fuit prohibuerunt annuntiari gentibus Evangelium, ita Christiani scandalis nocentissimis, velut impietate, hypocrisi, injustitia, fraudibus, immunditia, horrendis flagitiis aliis, schismatibus, odiis, dissidiis, bellis immanibus ac truculentis, & quod caput est rupto eheu ac lacerato sanctissimae ἀδελφότϰ_ς vinculo & suam ipsorum salutem abjiciunt, & Judaeorum aliorumque infidelium, quam procurare ac promovere debebant, impediunt. Ista verò, quae cum fide salvifica stare nequaquam possunt, quando inter nos quam maxime dominatur, quis corruptissimum, periculosissimum & tantum non desperatum Ecclesiarum nostrarum statum non acerbe deploret? Quis dies nostros dubitet esse dies extremos, & in iis ϰαιϱȣ̀ς χαλεπȣ̀ς? quis non plerosque eorum, qui Christi nomen profitentur, censui incredulorum severitate Dei ab olea resecandorum includat? quid namque dissoluti & impii Christianorum, pietatem licet simulantium, virtutem tamen ejus negantium, & accedente abusu divinae longanimitatis atque χϱηϛότητας iram velut thesaurum sibi coacervantium mores hodie aliud sunt, quam nefandae incredulitatis testes atque praecones publici. Wie vor diesem die Juden/ soviel an ihnen war/ verwehret/ das den Heyden das Evangelium nicht verkündiget würde/ also thun die Christen nicht anders mit ihren schädligsten ärgernüssen/ gottlosigkeit/ heucheley/ nngerechtigkeit/ triegerey/ unreinigkeit/ andern erschrecklichen lastern/ spaltungen/ haß/ streiten/ grausamen und erschrecklichen kriegen/ sonderlich aber welches das hauptwerck ist/ in dem sie leider das band der heiligsten brüderschafft zurissen/ als daß sie so wol ihr eigen heil wegwerffen/ als auch die seligkeit der Jůden und anderer Unglaubigen/ welche sie befördern und zu wege bringen solten/ verhindern. Wann dann aber solche dinge/ die mit dem seligmachenden glauben durch auß nicht stehen können/ unter uns am stärckesten herrschen/ wer solte dann nicht den verderbtesten/ gefährlichsten und fast verzweiffelten zustand unserer kirchen bitterlich beweinen? Wer solte zweifflen/ daß nicht unsere tage von den letzten und recht schwere zeiten seyen? Wer solte nicht die meiste unter den jenigen/ so Christi Namen bekennen/ unter die zahl setzen der jenigen/ die umb ihres unglaubens willen durch GOttes strenges gericht sollen außgehauen werden? dann was ist das gottlose und verruchte leben der Christen/ die sich der gottseligkeit äusserlich annehmen/ aber dero krafft verläugnen/ und durch mißbrauch der göttlichen langmuht und gütigkeit ihnen den zorn als einen schatz zusammen sammlen/ heut zu tag anders/ als ein zeuge/ so sie offentlich deß boßhafftigen unglaubens überzeuget/ und als solche außruffet.

Nechst denen ärgern sich auch an uns allerhand irrglaubige/ vornemlich aber die gegen uns seindselige Papisten machen deß pralens darüber kein ende: gleich als wäre dieses die frucht der lehre deß Evangelii und Reformation Lutheri. Wie dann ihre vorwürffe in offentlichen schrifften an dem tage ligen/ und obwol solche einwürffe von gottseligen lehrern längstens beantwortet worden (wie noch erst kůrtzlich/ mein in dem Herrn vielgeliebter Freund und Bruder Herr D. Wilh. Zeschius, in seinem 2. Theil der vertheidigung wider P. sevenstern. c. 5. art. 2. p. 940. den widersachern den mund gestopffet) unterlassen sie gleichwol nicht/ solches immer zu widerholen/ und mit solchem vorgeben/ die schwache unter uns irr zu ma chen/ die ihrige aber in dem eckel vor unserer Religion zu stärcken.

Nechst denen sind viel andere/ auch einige gute gemüther/ die herauß auff die gedancken gekommen: Wir steckten noch so wol in Babel/ als die Römische kirche/ und könnten also deß außgangs uns nicht rühmen.

Sonderlich aber ist es allein GOtt bekannt/ mit was wehemuht gottselige hertzen/ solches betrübliche wesen ansehen/ und mit wie viel tausend seufftzen und thränen sie den schaden Josephs bejammern/ daß sie der gleichen mit augen schauen/ und doch keine nahe hülffe absehen/ sondern/ daß es fast immer ärger werden wolle/ bemercken müssen: Wie offt entlehnen sie dem lieben David seine wort? Psal. 119/ 53. Ich bin entbrannt über die gottlose/ die dein gesetz verlassen. v. 136. Meine augen fliessen mit wasser/ daß man dein gesetz nicht hält. v. 139. Ich habe mich schier zu todte geeiffert/ daß meine widersacher deine wort vergessen. v. 158. Ich sehe die verächter und thut mir wehe/ daß sie dein wort nicht halten/ und dergleichen. Es schmertzet sie so vielmehr dergleichen greuel zu sehen/ als hertzlicher sie ihren GOtt lieben/ und warumb sie täglich beten/ seines Namens heiligung/ seines Reichs erweiterung und vollbringung seines willens/ befördert sehen möchten. Es jammert sie so vieler seelen/ die sie in solcher gefahr wissen. Es wird thnen selbsten schwer unter solchen ärgernüssen sich von der welt unbefleckt zu halten/ und sorgen/ ob nicht etwa sie/ oder ja die ihrige/ noch durch solchen strom deß bösen endlich mit hingerissen und verführet werden möchten. Da kan etwa der in dem äusserlichen ruhige wolstand/ wo sie GOTT damit gesegnet/ sie nicht so sehr freuen/ als solch allgemeiner jammer ihnen betrüblich zu hertzen gehet. Und wäre nicht die starcke hand GOttes die sie erhielte/ und sie bey ihnen selbst versicherte/ ob sie die allgemeine besserung nicht erleben würden/ so solten sie doch mit jenem Baruch/ Jerem. 45/ 5. Jhre seele zur beute darvon bringen/ so würden sie allerdings in ihrem betrübnüß versincken.

Hingegen ist dieses recht die vornehmste hinderung/ daß vile gute gemüther/ die unter andern irrglaubigen gemeinden sonderlich aber der Römischen kirchen noch befindlich sind/ und diesen greuel ziemlicher massen erkennen/ (so gar/ daß in der äusserlichen Römischen kirchen/ welches unglaublich solte scheinen/ einige sich befinden/ die wahrhafftig den Pabst und seinen stuhl vor den von GOTT verkündigten Antichrist erkennen/ und zuweilen ihres hertzens-grund in wehemüthigen klagen blicken lassen) sich nicht/ gleichwie sonsten geschehen würde/ zu uns verfügen. Dann ob sie wol/ jene bey ihnen ein und andere irrthume/ diese sowol irrthume als auch andere greuel sehen/ und daher willig wären/ wo sie eine rechte offenbahre gemeinde Christi sehen/ sich deroselben mit freuden einzuverleiben/ so kommen sie gleichwol endlich auff die gedancken/ es müsse keine reine kirche mehr anff der welt seyn/ sondern die kinder GOttes noch gefangen in Babel ligen/ daher mit gedult der Göttlichen erlösung erwarten/ und in solcher Babylonischen knechtschafft so viel sie noch könnten mit furcht und zittern/ und enthaltung der gröbsten greuel/ der übrigen aber beseufftzung/ GOtt dienen.

Ausser diesem sehen sie kein ander mittel/ und leben also in steter unruhe und angst ihres hertzens. Dann/ weil sie unsere Kirche nicht anders ansehen/ als wie sie in die augen fället/ indeme ihrer vielen unsere lehr nicht bekannt/ und die/ welchen sie bekannt ist/ die lehre wornach das leben sich nicht richtet vor einen blossen vorwand halten/ und das Reich GOttes nicht in worten/ sondern in der krafft bestehend erkennen wolten/ so halten sie dieselbe so wenig vor die wahre kirche als die ihrige/ sondern alles vor ein Babylonisches mischmasch/ da kein theil dem andern viel herauß zu geben habe/ und es daher nicht werth seye/ von einer zu der andern zu gehen.

Nun ist es zwar an dem/ daß wir solche leute nicht entschuldigen können/ indem sie die Lehr unserer Kirchen zu fassen gelegenheit gnug finden/ und wo sie dann mit GOttes wort einstimmig/ die ihrige aber dargegen streitend/ antreffen würden/ in ihrem gewissen verbunden wären/ daß sie dann zu der auffs wenigste in der Lehr reinen kirchen/ bey dero sie sich also/ krafft Göttlichen verspruchs/ Esa. 55. versichern können/ daß auch wahre fromme kinder GOttes anzutreffen sind/ sich zugesellten/ wo sie mit der bekanntnuß keinem irrthum beypflichten oder dergleichen zu thun/ in dem Gottesdienst aber keiner abgötterey oder anderer dergleichen sünden mit theilhafftig zu machen/ getrungen würden/ und also ob sie wol viele ärgernuß vor sich sehen müssen/ dannoch sich rein behalten könten.

Dann es ist gleichwol an dem/ daß uns damit zuviel geschiehet/ wo man auß angezogenen ärgernüssen unsere kirche mit zu Babel ziehen wil. Was die geistliche Babel seye/ haben wir von niemand anders als dem Heiligen Geist zu lernen. Nun hat derselbe Offenbahr. 18/ 5. 9. 18. durch Johannis feder sie also beschrieben/ daß man sie mit halb geschlossenen augen doch noch finden solte: Daß es nichts anders seyn kan/ als Rom/ die grosse statt/ die das Reich hatte ůber die Könige auff erden/ und zwar mit ihrem geistlichen regiment/ da sie nachdem sie das weltliche regiment über den erdenkreiß verlohren/ solches in dem geistlichen wieder suchet. Uber dieses haben wir nicht macht/ das geistliche Babel nach eigenem gutbefinden ausser der schrifft anleitung zu erkennen: so kan demnach keine gemeinde zu Babel gehören/ welche die Babel und dero Regiment off entlich verwirfft/ und ihr in dem geringsten nichts zu willen ist/ noch sich von derselben regieren lässet: Ob sie schon sonsten mängel und etwas von denen in Babel angenommenen bösen sitten an sich haben möchte. Wir können einmahl GOtt nicht gnugsam danck vor solche wolthat sagen/ daß Er uns durch das selige Reformations werck (wie dorten die Jüden durch Cyri edict unter dem Hohenpriester Josua und Fürsten serubabel) auß der Römischen Babylonischen gefängnüß auß geführet/ und in die selige freyheit gesetzet hat. Wie es aber bey den alten Juden/ so ist es fast mit uns auch ergangen. Es waren die Juden zwar wieder gekommen/ sie hatten statt und land innen/ man finge an zu bauen/ auch wurde in dem andern jahr der grund deß hauses deß Herrn gelegt. Aber es gab widerwärtige/ die ihnen im weg stunden/ auch von dem König Arthasastha einen widerigen befehl erlangten/ daß das Werck gar unterbleiben muste/ biß in das zweyte Jahr Darii: darzu kam auch die grosse nachlässigkeit der Jüden/ die damit zu frieden waren/ daß sie auß Babel erlöset/ etlicher massen wiederumb ihren Gott esdienst haben könten/ waren nicht eifferig denselben in den rechten stand zu bringen/ sondern genossen ihres zeitlichen friedens und ruh: Daß der Herr ihnen auch durch Haggai zuruffen lässt: Cap. 1/ 2. 4. Weil sie gesagt: Die zeit ist noch nicht da/ daß man deß HErrn hauß baue: Aber eure zeit ist da/ daß ihr in getäffelten häusern wohnet/ und diß hauß muß wüste stehen. Da waren die Jüden zwar auß der gefängnüß/ aber ihr zustand in geist- und weltlichem war noch gar nicht/ wie er seyn solte/ und die in Babel ihnen angewehnte geringhaltung deß Hauses deß HErrn klebte ihnen starck an/ daß vielleicht in dem geistlichen es nicht gar viel besser gestanden/ als in der gefängnüß. Biß endlich durch ernstliches zusprechen Haggai und Zachariä der Propheten/ unter der auffsicht serubabels und Josua der Tempel vollendet wurde. Und gleichwol war damit/ noch nicht alles gethan was geschehen solte/ noch wieder auffgerichtet/ was der König von Babel vor diesem verstöret. sondern es kam auch Esra der schrifftgelehrte/ und eine gute zeit nach ihm Nehemia/ so zu bestellung deß kirchenwesens/ wieder auffrichtung der mauren der stadt/ und verfassung deß regiments vieles thaten. Wie hiervon die beyde bücher Esrä und Nehemiä zu lesen. Da sich vieles antreffen lässt/ welches sich auff heutige zeit schicket. so wenig dann nun auß deme/ weil eine lange zeit das Jüdische wesen in Jerusalem nicht in dem stand war/ wie es seyn solte/ hätte geschlossen werden mögen/ daß sie dann noch in der Babylonischen gefängnuß wären/ so wenig folger jetzt eben dieses/ wann wir von denen gegen die Göttliche wolthat undanckbaren/ wegen deß mangelhafften unsers zustandes/ wiederumb gen Babel wollen verwiesen werden.

Aber gleichwie dann den Juden nicht solte gnug seyn/ auß Babel außgegangen zu seyn/ sondern sie solten trachten/ auch das Hauß deß Herrn und die schöne seine Gottesdienst wieder auffzurichten/ also solten wir eben sowol dabey nicht stehen bleiben/ daß wir wissen/ wir seyen auß Babel gegangen/ sondern wir müssen einmahl sorgfältig seyn/ die noch befindliche mängel zu bessern.

Und eben dahin zielen gottseliger hertzen klagen/ wo sie unsern elenden zustand beseuffzen/ nehmlich damit wir uns unter einander ermunteren/ und das werck deß Herrn immer ernstlich er getrieben werde/ als etwa biß dahin geschehen. Wie dann eben damit auch einiger leute einrede zu beantworten/ welche darvor halten/ wir solten solche fehler und schande unserer Kirche nicht auffdecken/ daß die widersacher deroselben nicht gewahr würden/ sondern sie verborgen blieben. Nemlich/ daß gleichwie unverantwortlich es wäre/ wo jemand solche gebrechen/ nur sich damit zu kützeln/ der welt vor augen legete; Wo freylich einen Cham oder Canaan/ der seines Vatters Noah blösse mit wolgefallen und spott ansiehet/ der fluch treffen wird: Also gehen die klagen gottseliger gemüther/ wie der Hertzen kündiger selbst sihet/ auß gar einer andern absicht oder trieb/ nehmlich auß inniglicher liebe und eiffer vor GOttes Ehre/ daß wir beseufftzen was wider diese streitet/ und verlangen tragen/ ob ein und andere bewogen werden möchten/ sich der sache ernstlicher anzunehmen. Es ist ja eine liebe wo ich gefährliche schäden auffdecke/ umb sie denen zu zeigen/ die sie heylen sollen.

So decken wir auch nichts auff/ was nicht leider ohne das vor augen liget/ und wollen der heimlichern gebrechen dieses und jenes nicht gedencken. Was aber jene die widersacher betrifft/ ist vergebens vor ihnen sie bedecken zu wollen. Meynen wir/ man solte sie geheime halten wegen der widersacher/ ach/ so müssen wir uns sehr schmeichlen/ wo wir gedencken/ als sehen sie dieselbe nicht viel schärpffer als wir selbsten. Der feind hat luchs-augen; und sihet manches/ was der andere an sich selbsten nicht wahrnimmt/ daher wo wir/ was jene vorlängst angesehen/ auch zu verhelen gedencken/ gewinnen wir damit nichts/ als daß uns nachmal allen ins gesampt mit mehrerm sug solches aufgeruckt werde/ ob wir noch etlicher massen es vertheidigen wolten Da hingegen/ wo man die fehler erkennet/ und sein hertzlich mißfallen daran bezeuget/ so viel kundbarer wird/ daß die gantze Kirche gleichwol nicht daran schuld habe.

Ja/ da gegentheil solche gebrechen gar auff eine andere art anstehet/ als fliessen sie nehmlich auß der Religion selbsten/ und seye auch das gantze hertz vergifft so können wir anders nicht weisen/ wie der schade gleichwol allein in den gliedern und äusserlichem stecke/ wir zeigen dann denselben ohne verhalten. so haben auch gegentheil/ sonderlich die Römische kirche/ unserer bekennenden äusserlichen gebrechen/ sich zu ihrem vortheil nicht zu mißbrauchen. Als dero (zugesch weigen was von den Unserigen deroselben vor greuel und haupt-gebrechen vor der gantzen welt unter augen gelegt) auch so alte als neue redliche leute und discret-gesinnete/ geistlich und weltliche/ auß deren eigenen kindern/ dergleichen vorgehalten und täglich vorhalten/ was sie nit läugnen kan/ und noch vielmehr darüber zu erröthen/ daher sie vor ihrer thür den unrath weg zu kehren hat/ ehe sie/ das bey andern nit alles rein/ zu ihrem ruhm ziehe. Ja/ wir mögen der Römischen kirchen einen grossen theil der fehler/ die sich bey uns noch finden/ mit gutem recht heimweisen/ daß sie von ihro ererbet/ unn auff dergleichen oder andere unn noch viel gröbere art bey ihnen im schwang gehen.

Unterdessen soll uns sowol GOttes Ehr als liebe der Kirchen solche zu bessern/ frommer hertzen verlangen zu erfüllen/ und den irrenden die pforte zu der erkant nüß der warheit weiter zu eröffnen/ dahin treiben/ daß wir doch sorgfältigseyen/ alle diese gebrechen fleissiger zu erwegen/ und da sie die widersacher/ ohne unser zeigen von selbsten alles gnugsam sehen/ nicht allein die augen zu zuschliessen zu eigenem schaden. Einmahl wer hierinnen deß Herrn ist/ der muß auch so gut er kan/ die hand mit anlegen/ als in einer all gemeinen sach.

Sehen wir die heilige schrifft an/ so haben wir nicht zu zweifflen/ daß GOTT noch einigen bessern zustand seiner Kirchen hier auff Erden versprochen habe. Wir haben 1. die herrliche weissagung s. Pauli und von ihm geoffenbahretes geheimnüß/ Rom. 11/ 25. 26. Wie/ nach dem die fülle der Heyden eingegangen/ gantz Jsrael solle selig werden. Daß also/ wo eben nicht das gantze/ gleichwol ein merckliches grosses theil/ der biß daher noch so verstockt gewesenen Juden zu dem HERRN bekehret werden sollen. Wohin auch/ wo sie recht unter suchet werden/ viele ort der Propheten in dem Alten Testament/ Hos. 3/ 4. 5. rc. zielen werden. Wie dann nechst den alten Kirchenvättern/ auch fast die vornehmste unserer Kirchenlehrer dieses geheimnüß auß gedachtem Apostolischem ort bekannt haben. Obwol wir nicht bergen/ daß nebens unserem sonst werthen Praeceptore D. Luthero unterschiedliche der Unserigen/ auch vornehme Doctores, dergleichen von Paulo gemeynt zu seyn/ wie der Buchstabe gleichwol lautet/ in zweiffel haben ziehen wollen/ und darvor halten/ es seye solche verheissung schon allerdings in den von der Apostel-zeiten biß daher bekehrten Juden zur gnüge erfüllet. Wie wir nun eins theils zwar uns diesen nicht mit weitläufftigem widersprechen viel widersetzen wollen/ noch solche meynung mit mehrerem straffen (wol wissende/ daß ehe die propheceyung erfüllet/ es leicht geschehen könne/ daß auch erleuchtete leute deß rechten verstands einer weissagung fehlen mögen:) Als können wir doch andern theils von dem Buchstaben/ mit deme die gantze absicht deß Paulinischen Contexts lieblich einstimmet/ uns auch nicht abtreiben lassen/ hoffen auch nicht/ daß uns jemand solches verargen könne.

Nechstdeme/ haben wir auch noch einen grössern falle deß Päbstlichen Roms zu erwarten. Dann ob zwar ihm ein mercklicher stoß von unserm s. Herrn Luthero gegeben worden/ so ist doch desselben geistliche gewalt noch viel zu groß/ als daß wir sagen solten/ daß die weissagung Offenbahr. c. 18. und cap. 19. gantz erfüllet seye/ wo man betrachtet/ mit was nachtrücklichen worten an solchem ort dieselbe von dem Heiligen Geist beschrieben wird.

Erfolgen nun diese beyde stücke/ so sihe ich nicht/ wie gezweiffelt werden könne/ daß nicht die gesamte wahre kirche werde in einen viel seligern und herrlichern stande gesetzt werden/ als sie ist. Dann wo die Juden sollen bekehret werden/ so muß entweder bereits die wahre Kirche in heiligerem stande stehen/ als sie jetzund ist/ daß deroselben heiliger wandel zugleich ein mittel jener bekehrung werde/ auffs wenigste damit die hindernuß derselben/ so wie wir oben gesehen in bißherigen ärgernüssen mit bestanden/ weggeräumet seye: Oder/ wo sie sonsten von Gott durch seine krafft/ auff uns jetzo noch vorzusehen unmügliche art/ werden bekehret werden/ ist wiederumb nicht zugedencken/ daß nit das exempel eines solchen neubekehrten volcks (bey dem ohne zweiffel eben der eiffer sich zeigen wird/ wie bey den ersten auß den Heyden bekehreten Christen zusehen gewesen/) eine merckliche änderung unn besserung bey unserer Kirchen nach sich ziehen solte. Vielmehr ist zu hoffen/ daß mit heiligem eiffer gleichsam in die wette die gesammte auß Juden und Heyden versamlete Kirche in einem glauben und dessen reichen frůchten GOtt dienen/ und sich an einander erbauen werde.

Wozu vieles thun mag/ wo danebenst nit nur das ärgernüß deß Antichristischen Roms abgethan/ sondern auch die jenige/ welche jetzt in demselben unter der schweren tyranney leben/ und/ ohne daß sie sich anders wohin zuwenden wüsten/ denen welche vor Luthero gewesen gleich mässig/ nach der erlösung sehnlich seufftzen (deren es hin und wieder sonderlich in Clöstern einige gibet/) ihrer bande befreyet mit freuden zu der freyheit deß Evangelii/ da solches ihnen in die augen heller leuchten wird/ geführet werden sollen.

Wann denn nun solches uns von GOtt verheissen ist/ so muß nohtwendig auch dessen erfüllung zu seiner zeit folgen/ in dem nicht ein wort deß Herrn auff die erden fallen/ noch ohne erfüllung bleiben solle. in dem wir aber solche erfüllung hoffen/ so wil nicht gnug seyn/ derselben bloß dahin zu warten/ und mit jenen/ die salomo narren heisset/ über dem wünschen zu sterben/ sondern es liget uns allen ob/ daß wir so viel eins theils zu bekehrung der Juden und geistlicher schwächung deß Pabsthums/ oder andern theils zu besserung unserer kirchen gethan werden mag/ zu werck zu richten nicht säumig seyen: Und ob wir wol vor augen sehen solten/ daß nicht eben der gantze und völlige zweck erhalten werden könnte/ auffs wenigste so vieles thun als müglich ist.

Es ist zwar kein zweiffel/ daß auch ohne uns/ wir mögen uns darzuschicken/ wie wir wollen/ Göttlicher rath wird zu werck gerichtet/ und das in der schrifft geoffenbarte erfüllet werden. Aber wir sollen gedencken/ was dorten Mardochai seiner Baasen Esther sagen lässet: cap. 4/ 14. Wo du wirst zu dieser zeit schweigen/ so wird eine hülffe und errettung auß einem andern ort den Juden entstehen/ und du und deines Vatters hauß werdet umbkommen: Daß auch solches uns gelte: Wo wir/ welchen GOTT durch den dienst Lutheri das helle Liecht deß Evangelii wiederumb geschencket/ säumig sind/ hierinnen das jenige zu thun/ was unsers amptes ist/ so werde GOTT anderwertlich hülffe schaffen/ und seine Ehre retten: Aber besorglich mit schwerer straff/ über unsere saumseligkeit/ die wir ohne das mit grosser undanckbarkeit tausendmahl verschuldet haben/ daß GOtt solches liecht von uns nehme/ und damit zu andern gehe. Ich kan nicht wol unterlassen hieher zu setzen eine sehnliche klage/ deß vortrefflichen und vor vielen andern der wolfahrt der kirchen verständigen Theologi Erasmi sarcerii in seinem Buch von mittel und wegen die rechte und wahre Religion zu befördern und zu erhalten. f. 344. a. f. b. Wo GOttes Wort fället/ da fället zugleich die gantze rechte und wahre Religion. Wo die fällt/ da kan und mag niemand selig werden/ nun wil man unsere sünden/ unser ruchloß/ gottloß/ schand/ sicher und buben leben/ ja frevel und muhtwillen mit der Juden und unserer Vorfahren missethaten vergleichen/ so achte ich/ wir werden nicht weit von einander seyn. Und ist das meine endliche meynung/ daß es nit můglich sey/ nach unserm urtheil und gerichte/ daß die rechte und wahre Religion bey unserem teufelischen Epicurischen unn sardanapalischen leben/ bestehen könne. Ist aber das nit ein jammer/ daß wir blinden und verstockten Teutschen/ die rechte wahre Religion/ mit unserm unverstand/ unordentlichem leben verjagên sollen? so ist auch keines auffhören/ niemand gedencket sich zu bessern. Noch wäre sündigen menschlich/ aber das ist der teuffel gar/ daß man nit wil leyden/ daß man sünde straffen soll. Und ist noch ein grosse hoffnung/ wo man sundiget/ und dannoch die straff darüber leiden kan. Darauß ich nun schliessen muß/ es seye mit der rechten und wahren Religion am besten gewesen. Ich fürchte leider/ daß dz Evangelium noch gepredigt werde/ geschicht mehr zum zeugnüß/ dann zur besserung Wie dann auch Christus gesagt/ Matt. 25. und dz Evangelium wird in den letzten tagen (dann von diesen zeiten redet er) geprediget werden zum zeugnüß/ und sol es auch noch dahin gelangen/ wie Christus weiter geweissaget (wann der sohn deß menschên kommmen wird/ ob er auch einen glauben auff Erden wird finden) so muß es also zugehen/ und muß niemand keiner zucht und disciplin achten/ wie dann (Gott erbarm) geschicht/ daß ein jeder uns arme Prediger lehren und schreyen läst/ thut buß und bekehret euch/ und thut doch gleichwol ein jeder/ was er wil. Die Obrigkeit thut nichts zur Disciplin/ die Unterthanen wollen ihr nicht. Etliche treue Prediger wollen sie gerne auffrichten/ und ist ihnen in einem solchen zurütten und ruchlosen leben nicht möglich. Noch müssen sie das beste thun/ und darumb die sache nicht verlohren geben.

Es helffe dann an wem es wolle. Nun wie uns die rechte und wahre Religion angelegen ist/ also dencken wir auch auff mittel und wege dieselbe zu behalten. Ich weiß keinen rath/ und ob ich ihn gleich wůste/ so folget niemand/ ich muß für meinen Augen sehen/ und vielleicht auch noch erleben/ (daß ich doch nicht begehre) daß die liebe Religion muß auß ungnaden GOttes von wegen unserer sünden und missethat/ wieder dahin und zu boden gehen/ wie sie auß GOttes gnaden zu uns kommen ist. Hat der liebe Mann schon vor mehr als hundert Jahren dieses sorgen müssen/ so haben wir/ bey denen es nichts gebessert/ es nicht weniger zu besorgen/ weil der zorn immer mehr und mehr gehäuffet worden: Und möchte wol anderer bekehrung mit unserer verlassung geschehen. Daher haben wir hohe ursach/ nicht sicher zu seyn/ sondern auff uns selbst acht zu geben/ und nichts zu versäumen/ damit es doch mit unserer kirchen in andern und bessern stande gebracht werden möchte.

Und darff hier niemand gedencken/ wir intendirten und suchten zuviel; Wir lebten ja nicht in republica Platonica, und seye es nit müglich/ alles in solcher vollkommenheit und nach der regel zu haben/ daher die böse beschaffenheit der zeit mehr mit erbarmung zu tragen als mit unwillen zu beklagen seye: Wo man die vollkommenheit suchen wolle/ müsse man auß diesem leben/ in jenes gehen/ da würde man allein etwas vollkommenes antreffen/ ehe aber nichts zu hoffen haben. Denen/ welche also einwenden/ antworte ich. Einmahl zwar/ daß die vollkommenheit zu suchen so gar nicht verbotten/ daß wir auch darzu angetrieben werden. Und wie wäre zu wůnschen/ daß wir sie erlangen möchten? Aber andern theils gestehe ich gern/ daß wir es hier in diesem leben darzu nicht bringen werden/ sondern je weiter ein frommer Christ kommet/ je mehr wird er noch sehen/ ihm zu manglen: und also/ daß er von der einbil dung der vollkommenheit/ nie weiter wird entfernet seyn/ als wo er sich derselben am meisten befleisset: Gleichwie wir sehen/ daß gemeiniglich die jenige/ die in ihren studiis am weitesten gekommen/ sich vielweniger vor gelehrt achten werden/ als andere die erst ein halb jahr in die bücher haben zu sehen angefangen. indem jene je länger je mehr erkennen/ was zu der wahren erudition gehöre/ so sie vorhin noch nicht also verstanden. Also auch dorten wäre viel eher von einigen anfangenden zu sorgen/ daß sie sich vollkommen zu seyn achten möchten/ als von den jenigen/ die schon ziemlich nach derselben sich bearbeitet. indessen ob wirs wol freylich nimmermehr in diesem leben werden zu dem jenigen grad der vollkommenheit bringen/ daß nichts mehr darzu gethan werden könnte oder solte/ so sind wir gleichwol verbunden zu einigem grad der vollkommenheit zu gelangen. Und wie von jeglichen Christen es gilt/ wo Paulus sagt: 2. Cor. 13/ 11. Zuletzt lieben Brüder/ freuet euch/ seyd vollkommen/ und v. 9. dasselbige wünschen wir auch/ nemlich eure vollkommenheit. Col. 1. v. 28. Wir verkündigen und vermahnen alle menschen/ und lehren alle menschen/ mit aller weißheit/ auff daß wir darstellen einen jeglichen menschen vollkommen in CHristo JEsu: 2. Tim. 3/ 17. Daß ein mensch GOttes sey vollkommen/ zu allem guten werck geschickt. Phil. 3/ 15. Wie viel nun unser vollkommen sind/ die lasset uns also gesinnet seyn (obwol Paulus von einem höhern und hier unmüglichen grad vorher vers. 12. sagt: nicht/ daß ichs ergrieffen habe oder vollkommmen seye) also mögen wir auch sagen/ daß es der gantzen Kirchen gelte/ daß sie mehr und mehr vollkommen werde/ und von allen sowol als jeglichen wahr werden solte/ was wiederumPaulus spricht: Eph. 4/ 13. Daß wir alle hin an kommen/ zu einerley glauben und erkanntnüß deß sohns Gottes/ und ein vollkommen mann werden/ der da sey in dem maß deß vollkommenen alters Christi.

Wir ziehen aber solche vollkommenheit/ die wir von der Kirchen verlangen/ nit dahin/ daß kein einiger Heuchler mehr unter derselben seye/ wol wissend/ daß der weitzen-acker niemal so rein angetroffen werde/ daß nit einig unkraut auf demselben sich findt sondern dahin/ daß gleichwol dieselbe von offenbaren ärgernüssen frey/ und kein darmit behaffteter ohne gebührende andung und endlich außschliessung darinnen gelassen/ die wahre Glieder derselben aber mit vielen Früchten reichlich erfůllet werden. Also/ daß das unkraut nicht mehr den weitzen bedecke und unscheinbar mache/ wie leider jetzo geschiehet/ sondern von demselben bedeckt werde/ daß man solches nicht sonderlich wahrnehme.

Wolte man auch dieses vor unmüglich halten/ so führe ich dessen ein Exempel an/ die erste Christliche Kirche/ darauß erweißlich/ was deroselben müglich gewesen/ seye nicht blosser dings unmüglich. Es bezeugen aber die Kirchen-historien/ daß die erste Christliche Kirche in solchem seligen stande gestanden/ daß man die Christen ins gemein an ihrem gottseligen leben gekannt/ und von andern leuten unterschieden habe: Dann so spricht Tertullianus: Quid enim insigne praeferimus, nisi primam sapientiam, qua frivola humanae mentis opera non adoramus; abstinontiam qua ab alieno temperamus __udicitiam quam nec oculis contemnimus: Misericordiam qua super indigentes flectimur: ipsam veritatem, qua offendimus: ipsam libertatem, pro qua mori novimus. Qui vult intelligere, quid sint Christiani, istis indicibus utatur necesse est. Was ists/ daß wir vor andern zum kennzeichen an uns sehen lassen: Als die höchste weißheit/ indem wir eitele wercke deß menschlichen hertzens nit anbeten wollen: Die vergnügsamkeit/ da wir andern nach dem ihrigen nicht trachten: Die zucht die wir auch nicht gern mit den augen verletzen: Die barmhertzigkeit/ damit wir uns zu den dürfftigen wenden: Die warheit selbst/ die andere nit leiden mögen: Die freyheit/ vor welche wir auch gern sterben. Wer wissen wil/ was Christen seyn/ der muß sie an solchen merckmahlen kennen. Wiewol stunde es es damahl! Ja/ ach wie herrlich war es/ wann der liebe alte Ignatius, epist. ad Ephes. sagen konte/ daß/ welche sich zu Christo bekannten/ nicht nur auß dem was sie sagten/ sondern auch was sie sagten/ sondern auch was sie thäten/ erkannt würden/ Wie stattlich lautet es/ wann Eusebius. L. 4. H. E. c. 7. sagen kan/ es seye zwar/ sonderlich durch der ketzer böses leben/ die Christliche Kirche bey den Heyden in bösen ruff gekommen: Aber Es seye die allgemeine Kirche/ so allein die wahre und allezeit einerley art und sinnes ist/ stätig gewachsen/ unn habe zugenommmen/ daß sie mit erbarkeit/ redlichkeit/ freymütigkeit/ zucht und reinigkeit deß Göttlichen lebens unn weißheit allen so Griechen als Barbaren unter augen geleuchtet. Wie grosse ehre wars/ daß ernennter Tertull. c. 4. ad scap. und also gegen einen feind und Landpfleger sich nicht scheuet im namen der gesampten Kirchen zu rühmen. Depositum non abnegamus, matrimoniũ nullius adulteramus, pupillos pie tractamus, indigentibus refrigeramus, nulli malum pro malo reddimus. Das vertraute verläugnen wir nit/ niemand verletzen wir seine ehe/ mit den Waisen gehen wir gottsfürchtig umb/ die mangelleiden erlaben wir/ niemand vergelten wir böses mit bösem. Also gedencket auch Justinus apol. 2. daß einige bekehret worden sind/ durch die redlich- und gerechtigkeit der Christen in handlungen. Wie ein schönes lob war es von den Christlichen Weibspersonen/ wo Tatianus contra gentes, als er den Heyden die Hurerey vorgeworffen/ sagen darf: . Dann alle weibspersonen bey uns sind züchtig. so rühmet Origenes, daß die lehre Jesu habe bey allen gewürcket eine wunderwürdige sanfftmuht/ erbarkeit/ freundlichkeit/ gütigkeit/ versönlichkeit/ die nit wegen der sorge dises lebens und anderer menschlichen notturfft/ sondern von hertzen die Predigt von GOtt/ Christo und dem kůnfftigen gericht auffgenommen haben. Daher sie auch so sorgfältig vorher der jenigen/ welche sich zu ihnen begaben/ leben examinirten und auff die probe setzten/ nicht ehe sie in die Kirche auffnehmende/ biß sie sahen/ daß sie ihr leben würdiglich nach dem beruff/ darzu sie beruffen worden/ führen würden. Wie eben solcher Orig. 8. contr. Cels. bezeuget. War dann jemand/ der einig ärgernüß begienge/ so wurde mit solchem ernst gegen denselben verfahren/ daß man sich verwundern muß/ wie zu solcher zeit/ da die Christen die Obrigkeit nicht auff ihrer seit hatten/ müglich gewesen/ eine solche strenge zucht und disciplin unter sich zu erhalten: Da wurden die begangene fehler von den Kirchenältisten/ deren versamlung der Bischoff regierte/ vorgenommen/ erwogen und gerichtet/ auch die verbrecher nach befinden der sachen von der Gemeinde außgeschlossen/ auch nicht anders als nach gnugsamer versicherung der besserung wieder auffgenommen. Damit die Kirche zeugete/ wie gar sie ihrer Glieder sünde nicht billigte/ andere von dergleichen sünden abschreckte/ und die gefallene besserte. Daher erkannten sie auch keine andere vor ihre Mitbrüder als die also lebeten. Also sagt Justinus: Welche man antrifft/ nicht also lebende/ wie er gelehret/ das ist ein klares zeugnüß/ daß sie keine Christen seyen/ ob sie wol Christi Lehre mit der zunge bekenneten: von denen spricht er auch außtrücklich an die Käysere/ sie bittende/ sie wolten doch selbst die jenige/ welche ein ihres Meisters Gebotten nicht gemässes leben führeten/ und sich nur Christen nennen liessen/ zu straffe ziehen. Daher Plinius der Heyde in seiner bekannten Epistel (Lib. 10. Epist. 97.) an den Käyser Trajanum selbst bekennet/ daß ob er wol einige zu erfahrung der warheit foltern lassen/ er doch nicht erfahren können/ daß sie einiger laster/ ausser ihrer von den Römern verworffenen Religion/ sich schuldig machten. Welche bekanntnüß eines offentlichen feindes und darzu Richters von nicht weniger wichtigkeit ist. Lieset man die absonderliche Exempel der herrlichen tugenden/ die an ein und andern hervor geleuchtet/ so kan man nicht anders als hertzlich dardurch bewogen werden. Was war es vor eine hertzliche Liebe zu GOTT/ da sie zum zeugnüß derselben zu den grausamsten martern mehr eileten/ als sich dieselbe schrecken liessen/ wo es an die bekanntnüß ihres liebsten Heylandes gieng? Wie brünstig war die liebe unter ihnen selbst/ da sie sich nicht nur unter einander mit dem lieben namen Brüder und schwestern nenneten/ sondern auch recht brüderlich unter sich lebeten/ daß auch einer vor den andern zu sterben/ wo es noht seye/ stätig bereit war. Von welcher Materi und den absonderlichen tugenden der ersten Christen/ wo jemand verlangen hat/ einige zeugnüssen der alten zu sehen/ wüste ich denselben fast nirgend besser hinzuweisen/ als in meines Hochgeehrten Praeceptoris deß sel. D. Ioh. Conradi Dannhaueri Christeid. Act. 1. opt. dram. Theatr. 1. Phaen. 4. sodann meines sehrwerthen Freundes/ und zu straßburg vorweilen gewesenen so Com̃ilitonis als nachmals Collegae Herrn D. Baltasar. Bebelii, antiq. Eccles. trium à N. Chr. seculorum, in jeglichem seculo an seinem ort/ wo solche tugenden mit fleiß erzehlet.

Wie nun der zustand der Christlichen kirchen solcher zeit/ unser kaltes und laues wesen gantz zu schanden machet/ also zeiget er gleichwol/ es seye das jenige so wir suchen nicht unmüglich/ wie ihrer viel ihnen die einbildung machen: Daher seye es unsere schuld/ daß dergleichen Lob so ferne von uns ist. Dann es ist ja eben der H. Geist/ welcher vor dem in solchen ersten Christen alles gewürcket/ der uns von GOtt geschencket ist/ und heut zu tag weder unvermöglicher noch säumiger ist/ das werck der Heiligung in uns zu verrichten. so muß es allein die ursach seyn/ daß wir ihm solches nicht lassen/ sondern ihn selbsten hindern: Deßwegen dann je nicht vergebens hiervon gehandelt wird/ wie doch die sache in bessern stand gebracht werden möchte.

Nun erkenne ich gern meine wenigkeit/ und daß ich mich weder vermessen könne/ noch solches einbilden wolle/ daß ich vor andern dienern Gottes/ wie dem gemeinen übel zu helffen wäre/ sonderbaren verstand habe: sondern ich finde täglich in mir/ woran mirs selbsten manglet. Daher ich von grund der seelen wünsche/ daß wie auch ein und andere gethan/ begabtere und mit mehrerm liecht/ verstand und erfahrung außgerüstete Männer diese Materi mit fernerm eiffer vor sich nehmen/ der sache in der furcht deß Herrn nachdencken/ und wie sie etwa zu rathen nöthig finden/ der gesampten Christlichen Evangelischen Kirch vorlegen/ sodann auff mittel und wege bedacht seyn mögen/ wie durch Göttliche Gnade heilsame rathschläge/ die etwa gefunden worden/ heilsamlich zu werck gerichtet würden. indem sonsten alle berathschlagung ein vergebenes thun ist.

Wann aber in der sache/ die uns alle angehet/ allen Christen/ vornehmlich aber allen die der HERR an einigen orten seiner Kirchen zu wächtern gesetzet hat/ obliget/ auff den jemahligen zustand der Kirchen zu sehen/ und wie ihm zu helffen bedacht zu seyn: sonderlich weil die Kirche ein solcher Leib ist/ der aller orten einerley natur hat/ und deßwegen wo nicht mit einerley kranckheiten jederzeit behafftet/ dannoch derer gefahr stätig unterworffen ist: Und deßwegen wer das jenige/ was ihm bey seiner Gemeinde zu besserung derselben diensam/ fleissig untersucht und erkannt hat/ ziemlicher massen auch erkennen wird/ wie anderwertlich mit weniger beobachtung der etwa verschiedenen umbstände/ andern Gemeinden ebener massen zu helffen seye: Zu jenem aber ohn-disputirlich jeder Prediger gesetzt ist: Als erkühne Ich mich auch/ nachdem ich bißher nach dem vermögen das GOtt verliehen acht gegeben/ wie der mir und meinen geliebten Ampts Brüdern anvertrauten hiesigen Kirchen mängel gebessert/ und sie mehr erbauet werden möchte/ das jenige/ was Ich in gottseliger nachdenckung/ nach anleitung der schrifft nützlich und nöthig erachtet/ hier auch zu papier zu bringen: Ob etwa andern erleuchtetern und hierinnen vermöglichern/ aufs wenigste möchte anlaß gegeben werden/ auch ihres orts dem wichtigen Werck weiter nach zudencken/ und woran es diesen vorschlägen manglen solte/ zu ersetzen: Oder/ wo dieselbe nicht thunlich befunden würden/ bessere vor die hand zu geben: Wie Ich dann willig bin/ jedem auch einfältigsten/ der mir in meinen Ampts-verrichtungen und allem andern/ so zu der erbauung gehöret/ etwas bessers und vorträglichers zeigen wird/ zu weichen/ und bessern berichts wegen danck zu sagen. Dann/ es ist ja alles solches nicht unsere/ sondern GOttes sache/ so stehet diesem frey durch auch vor der welt unscheinbare oder verachtete Mittel-personen dergleichen dinge vorzutragen/ die Er zu segnen beschlossen hat.

In diesem vertrauen/ und williger unterwerffung gegen andere der Kirchen bestens kündigeren/ so giengen meine unvorgreiffliche gedancken in dieser sach dahin. Daß unserer gesampten Kirche (eben so verhält sichs mit jeglichem theil derselben) unter andern/ (dann ich nicht alle mittel hier anführe/ zum exempel die aufrichtung der Kirchenzucht/ welche gleichwol von der höchsten wichtigkeit/ aber von dem theuren und eifferigen Theologo Joh. sauberto sel. in seinem nie gnug gepriesenen ZuchtBüchlein zur gnüge gehandelt ist: Jtem die aufferziehung der Jugend und dergleichen) auff folgende weise vermittels Göttlicher Gnade geholffen/ und sie in einen wiederumb herrlichern stand gesetzt werden möchte.

1. Daß man dahin bedacht wäre/ das Wort GOttes reichlicher unter uns zu bringen. Wir wissen/ daß wir von natur nichts guts an uns haben/ sondern soll etwas an uns seyn/ so muß es von GOtt in uns gewůrcket werden/ und darzu ist das Wort das kräfftige mittel/ indem der glaube auß dem Evangelio entzündet werden muß/ das Gesetz aber die regel giebet der guten wercke/ und viel herrlichen antrieb denselben nachzujagen. Je reichlicher also das Wort unter uns wohnen wird/ je mehr werden wir glaubens und dessen früchte zuwegen bringen. Nun solte es zwar scheinen/ daß das Wort GOtt es reichlich gnug unter uns wohnete/ indem an unterschiedlichen orten (und zwar auch in hiesiger statt) täglich/ anderswo gleichwol zum öfftern/ von der Cātzel gepredigt wird. Wo wir aber der sache reifflich nachdencken/ werden wir auch in diesem stück vieles finden/ das noch weiter nöthig seye. Ich verwerffe die haltende Predigten durchauß nit/ da auß einem gewissen vorgelegten Text und dessen erklärung die Christliche Gemeinde unterrichtet werde/ als der ich selbst dergleichen vortrage und verrichte. Aber ich finde nicht/ daß dieses gnug sey. 1. Wissen wir/ daß alle schrifft von GOtt eingegeben/ seye nutz zur lehr/ zur straff/ zur besserung/ zur züchtigung in der gerechtigkeit. 2. Tim. 3. Daher auch alle schrifft ohne außnahm der Gemeinde bekannt solte seyn/ wollen wir anders allen den nöthigen nutzen erhalten. Nun wo man endlich alle die Text/ die in vielen jahren nach einander in einem ort der gemeinde vorgetragen werden/ zusammen nimmet/ so wird es noch gar ein geringer theil/ der uns vorgelegten schrifft seyn: Das übrige höret die Gemeinde gar nicht/ oder nur wie ein und andere sprüche oder sonsten allegata darauß in den Predigten angezogen werden/ ohne daß sie die gantze folge/ darinnen gleichwol ein grosses stecket/ vernehmen könnte. 2. Haben auch die leute wenig gelegen heit den verstand der schrifft anders/ als nach den Texten die ihnen etwa außgelegt werden zu fassen/ weniger aber sich recht darinnen soviel zu üben/ als die erbauung erforderte: indem das einige lesen zu hauß/ so an sich selbst herrlich und löblich/ doch noch nicht bey allen gnug thun mag.

Dahero noch zu gedencken stehet/ ob nicht der Kirchen wol gerathen wäre/ wann nebens den gewöhnlichen Predigten über die verordnete Text noch auff andere weiß die leute weiter in die schrifft gefůhret würden:

1. Mit fleissiger lesung der H. schrift selbst/ sonderlich aber deß N. Testaments. Das ist je nicht schwer/ daß jeglicher Haußvatter seine Bibel oder auffs wenigste das Neue Testament bey handen habe/ und täglich etwas in solchem lese/ oder wo er je deß lesens unerfahren/ ihm von andern lesen lasse. Wie nöthig und nützlich solches allen Christen in allen ständen seye/ hat stattlich und kräfftig in dem vergangenen seculo dargethan Andreas Hyperius, dessen zwey Bücher von solcher Materi/ bald darnach G. Nigrinus verdeutschet/ nachdem aber das Wercklein fast unbekandt worden/ neulich Herr D. Elias Veyel/ mein werthester vor deme gewesener Commilito zu straßburg und in Christo geliebter Bruder/ durch nochmahlige aufflage den leuten wiederum bekannt gemacht.

Nechstdeme/ daß also die leute zu der privat Lection angetrieben würden/ wäre rathsam.

2. Wo man es einführen könnte/ daß zu gewissen zeiten in offentlicher Gemeinde die Biblische bücher nach einander ohne weitere erklärung/ es wäre dann sache/ daß man kurtze summarien darzu thun wolte/ verlesen würden/ zu aller/ vornemlich aber der jenigên/ erbauung/ welche gar nicht oder nicht bequem und wol lesen könnten/ oder auch die Bibel nicht zu eigen hätten.

3. solte auch (welches zu anderer reifflichem nachdencken setze) vielleicht nicht un dienlich seyn/ wo wir wiederumb die alte Apostolische art der Kirchen-versamlungen in den gang brächten: Da neben unseren gewöhnlichen Predigten/ auch andere versamlungen gehalten würden/ auff die art wie Paulus 1. Corinth. 14. dieselbe beschreibet/ wo nicht einer allein aufftrette zu lehren/ (welches zu andernmahlen bleibet) sondern auch andere/ welche mit gaben und erkanntnüß begnadet sind/ jedoch ohne unordnung und zancken/ mit darzu reden/ und ihre gottselige gedancken ůber die vorgelegte Materien vortragen/ die übrige aber darüber richten möchten. Welches etwa nicht unfüglich folgender art geschehe: Wo zu gewissen zeiten unterschiedliche auß dem Predigampt (nehmlich an orten da solches auß mehrern bestehet) oder doch unter dirigirung deß Predigers andere mehrere auß der Gemeinde/ welche von GOtt mit ziemlicher erkanntnüß begabet/ oder in derselben zu zunehmen begierig sind/ zusammen kämen/ die Heilige schrifft vor sich nehmen/ darauß offentlich lesen/ und über jegliche stelle derselben von dem einfältigen verstand/ und was in jeglichem zu allerhand unser erbauung dienlich wäre/ brüderlich sich unterredeten: Wo sowol jeglichem/ welcher die sach nicht gnugsam verstünde/ seine Dubia vorzutragen und dero erleuterung zu begehren/ als denen jenigen die nunmehr weiter gekommen/ sampt den Predigern/ ihren verstand/ den sie bey jedem ort hätten/ beyzubringen erlaubt; was jeglicher vorgebracht/ wie es der meynung deß Heiligen Geistes in der schrifft gemäß seye/ von den übrigen/ sonderlich den beruffenen Lehrern/ examiniret, und die gantze versamblung erbauet würde. Es müste aber alles in rechter absicht auff GOttes Ehr und den geistlichen wachsthum/ daher auch in den schrancken die derselben gemäß wären eingerichtet/ und hingegen/ wo sich fürwitz/ zancksucht/ gesuch eigener ehre und was dergleichen ist/ einschleichen wolte/ verhütet/ und sorgfältig/ sonderlich von denen Predigern/ als die das Directorium darbey behalten/ abgeschnitten werden. Hierauß wäre nicht geringer nutzen zu hoffen. Es lerneten die Prediger selbst ihre Zuhörer/ und deroselben schwachheit oder zunahm in der Lehr der Gottseligkeit kennen/ auch würde ein zu beyder besten viel dienendes vertrauen zwischen ihnen gestifftet; sodann hätten die zuhörer eine stattliche gelegenheit/ ihren fleiß ůber das Göttliche Wort zu üben/ und sich darzu auffzumuntern/ ihre habende scrupel/ umb derer willen sie nit eben jedesmal den Prediger zu besprechen das hertz nehmen/ demselben bescheidenlich vorzutragen/ und dero entscheid anzuhören/ und in weniger zeit sowol vor sich selbst zu wachsen/ als auch tüchtiger zu werden/ in ihrer Hauß-kirche/ Kinder und Gesinde besser zu unterrichten. Da in ermangelung dergleichen übungen die Predigten/ wo einer allein in stäts-fliessender rede seinen vortrag thut/ nicht eben allemahl/ so recht und genüglich gefast werden/ weil keine zeit dazwischen ist/ der sache nachzudencken/ oder wo man einem nachdencket/ indessen so viel von der folge entgehet/ (welches aber bey dergleichen unterredung nicht geschiehet) sodann die privat- und hauß-Lection/ wo man niemand darbey hat/ der etlicher massen den verstand und absicht jeglichen orts mit zeigen hilfft/ dem lesenden nicht alles was er gern verstehen möchte zur gnüge erläutern kan.

Hingegen würde was an beeden manglete/ durch dergleichen übungen ersetzet/ und weder dem Predig-ampt noch den Zuhörern grosse arbeit gemacht: Ein ziemliches aber gethan zu erfüllung der vermahnung Pauli/ da er sagt: Col. 3/ 16. Lasset das Wort Christi unter euch reichlich wohnen/ in aller weißheit. Lehret und vermahnet euch selbst/ mit Psalmen und Lobgesängen/ und geistlichen lieblichen Liedern. Welche auch bey dergleichen versamblungen zum Lobe GOttes und aufmunterung gebraucht werden möchten.

Einmahl ist gewiß/ daß die fleissige handlung deß Göttlichen Worts (die nicht nur bloß in anhörung der Predigten bestehet/ sondern auch lesen/ betrachten/ darvon unterreden/ Psalm. 1/ 2. in sich fasset) das vornehmste mittel etwas zu bessern seyn muß/ es geschehe nun durch dergleichen oder von andern füglicher zeigende anstalten. Dann dasselbe bleibet der saame/ auß deme alles gute bey uns herwachsen muß: Und werden wir die leute zu einem eiffer bringen/ darinnen fleissig zu seyn/ und in solchem Buch deß Lebens ihre freude zu suchen/ so wird das geistliche Leben bey ihnen herrlich gestärcket/ und sie zu gantz andern leuten werden.

Und was hat doch unser sel. Lutherus eifferiger gesucht/ als die leute zu der fleissigen lesung der schrifft anzureitzen. Also gar/ daß er auch fast bedenckens getragen/ seine Bücher außgehen zu lassen/ damit nicht dardurch die leute zu lesung der schrifft selbst träger möchten gemacht werden. seine wort lauten: Tom. 1. Altenb. fol. 6. a. Gern hätte ichs gesehen/ daß meine Bůcher allesampt wären dahinden blieben und untergangen/ und ist unter andern ursachen eine/ daß mir grauet für dem exempel/ dann ich wol sehe/ was nutz es in der Kirchen geschafft ist/ da man hat ausser und neben der H. schrifft angefangen/ viel Bücher und grosse Bibliothecken zu samlen/ sonderlich ohn allen unterscheid allerley Vätter/ Concilia und Lehre auffzuraffen. Damit nicht allein die edle zeit und studiren in der schrifft versaumet/ sondern auch die reine erkanntnüß göttlichen worts endlich verlohren ist. Auch ist das unser meynung gewest/ da wir die Biblia selbst zu verdeutschen anfiengen/ daß wir hofften/ es solte deß schreibens weniger/ und deß studirens und lesens in der schrifft mehr werden: dann auch alles ander schreiben in und zu der schrifft weisen soll: dann so gut werdens weder Concilia, Vätter noch wir machen/ wanns aufs höhest und beste gerathen kan/ als die H. schrifft/ die GOtt selbst gemacht hat. Wer meine Bücher in dieser zeit ja haben wilder lasse sie ihm bey leib nicht seyn ein hindernüß die schrifft selbst zu studiren/ u.s.w. Dergleichen auch anderwertlich bey ihm zu finden.

Wie nun eines der vornehmsten bösen stücke in dem Pabsthum gewest/ dardurch die Päbstliche stats ration sich befestiget/ die leute in unwissenheit/ und also einen völligen gewalt über ihre gewissen zu behalten/ daß sie sie von lesung der Heiligen schrifft abgehalten/ und noch nach vermögen abhalten; hingegen wie ein grosses theil deß zwecks der theuren Reformation gewesen/ die leute zu dem Wort GOttes/ so fast unter die banck verstecket gelegen/ wiederum zu bringen/ auch solches das kräfftigste mittel gewesen/ dadurch GOtt sein werck gesegnet/ also wird auch eben dieses das vornehmste mittel seyn/ da die Kirche wieder bedarff in bessern stand zu kommen/ daß der eckel der schrifft/ so bey vielen ist/ oder die nachlässigkeit in derselben zu studiren/ abgethan/ und hingegen hertzlicher eiffer zu derselben erwecket werde.

Neben dem würde unser offt-erwehnte D. Lutherus noch ein anders/ zwar mit dem vorigen genau vereinbartes/ mittel vorschlagen/ welches jetzo das 2. seyn soll/ die auffrichtung und fleissige ůbung deß Geistlichen Priesterthums. Niemand wird seyn/ der etwas fleissig in Lutheri schrifften gelesen/ der nicht beobachtet haben solte/ mit was ernst der selige Mann solches Geistliche Priesterthum/ da nicht nur der Prediger/ sondern alle Christen von ihrem Erlöser zu Priestern gemacht/ mit dem Heiligen Geist gesalbet/ und zu geistlichen priesterlichen verrichtungen gewiedmet sind/ getrieben habe. Dann je Petrus 1/ 2/ 9. nicht mit den Predigern allein redet/ wo er sagt: Jhr aber seyd das außerwehlte Geschlecht/ das Königliche Priesterthum/ das heilige Volck/ das Volck deß Eigenthums/ daß ihr verkündigen solt die tugend deß/ der euch beruffen hat von der finsternůß zu seinem wunderbaren liecht. Wer außführlich solches unsers Lehrers meynung hiervon/ und was die priesterliche ämpter sey en/ vernehmen und lesen wil/ der lese seine schrifft an die Böhmen/ wie man die Diener der Kirchen wählen und einsetzen soll/ so befindlich T. 2. Altenb. vornehmlich vom Bl. 501. u. folg. da wird er sehen wie stattlich erwiesen seye/ daß allen Christen ins gesampt ohne unterscheid alle geistliche ämpter zu stehen/ ob wol deren ordentliche und offentliche verrichtung denen dazu bestellten Dienern anbefohlen ist/ unterdessen im fall der noht sie auch von andern verrichtet werden mögen: sonderlich aber diejenige/ welche nit zu den offentlichen verrichtungen gehören/ immerfort zu hauß und in dem gemeinen leben von allen getrieben werden sollen.

Ja/ gleichwie dieses eine sonderbare list deß leidigen teuffels gewesen/ daß derselbe in dem Pabsthum es dahin gebracht/ daß alle solche geistliche ämpter allein der Clerisey (die ihnen auch daher hochmüthiger weise allein den namen der geistlichen/ so allen Christen in der that gemein ist/ zugemessen) heimgewiesen/ und die übrige Christen darvon außgeschlossen hat/ gleich ob gehörte denselben nicht zu/ in dem Wort deß Herrn fleissig zu studiren/ vielweniger andere neben sich zu unterrichten/ zu vermahnen/ zu straffen/ zu trösten/ und das jenige privatim zu thun/ was zu dem Kirchendienst offentlich gehöret/ sondern es wären solches lauter dinge/ die an ihrem Ampt allein hiengen. Womit sie erstlich die so genannte Leyen zu dem jenigen/ was sie billich mit angehen solte/ träg gemacht/ darauß eine schreckliche unwissenheit und auß derselben wildes wesen entstanden; Hingegen mochten die so genandte geistliche thun was sie wolten/ da ihnen niemand in die karte sehen oder die geringste einrede thun dorffte. Dahero dieses angemaste Monopolium deß geistlichen standes/ nechst oben angedeuteter abhaltung von der schrifft in dem Pabstthumb eines der vornehmsten mittel ist/ damit das Päbstliche Rom seine gewalt über die arme Christen besteiffet hat/ und wo es noch platz hat/ bißher erhält. so konnte demselben nicht weher geschehen/ als daß in dem gegentheil von Luthero gezeiget würde/ wie zu den geistlichen ämptern/ (obwol nicht deroselben offentlicher verwaltung/ darzu die verordnung der in gleichem recht stehender gemeinde gehöret) alle Christen beruffen/ und nicht nur befugt/ sondern wollen sie anders Christen seyn/ verbunden seyen/ sich derselben anzunehmen. Daß nehmlich jeglicher Christ nicht nur selbst/ sich und was an ihm ist/ gebet/ dancksagung/ gute werck/ allmosen/ rc. zu opffern/ sondern in dem Wort deß Herrn emsig zu studiren/ andere/ absonderlich seine haußgenossen/ nach der gnade die ihm gegeben ist/ zu lehren/ zu straffen/ zu ermahnen/ zu bekehren/ zu erbauen/ ihr leben zu beobachten/ vor alle zu beten/ und vor ihre seligkeit nach müglichkeit zu sorgen gehalten seye. Wo dieses den leuten erstlich gewiesen/ so wird darmit jeglicher so vielmehr acht auff sich geben/ und deß jenigen sich befleissen/ was zu seiner und deß nebenmenschen erbauung gehörig. Dahingegen dieses alle sicherheit und trägheit macht/ wo solche Lehr nicht bekannt und getrieben wird/ daß niemand gedencket/ daß ihn dergleichen angehe/ sondern jeglicher bildet sich ein/ gleich wie er zu seinem Ampt/ Handel/ Handwerck und dergleichen beruffen/ darzu der Pfarrer nicht beruffen ist/ und solche nicht treibet/ so seye hingegen der Pfarrer zu den geistlichen verrichtungen/ der handlung deß Göttlichen Worts/ beten/ studiren/ lehren/ vermahnen/ trösten/ straffen/ und s. f. dermassen allein beruffen/ daß andere sich nichts darumb zu bekümmern hätten/ ja wol dem Pfarrer in sein Ampt griffen/ wo sie einigerley massen damit umbgiengen: geschweige dann/ daß sie auch selbst auff den Pfarrer mit achtung geben/ und wo er säumig ist ihn selbst brüderlich vermahnen/ ins gesampt aber in allem diesem ihm an die hand gehen solten. Dann so gar wird durch den ordentlichen gebrauch dieses Priesterthums dem Predig-ampt kein eintrag gethan/ daß vielmehr dieses eine der vornehmsten ursachen ist/ warumb das Predigampt nicht alles das/ was billich seyn solte/ auß- und zu werck richten kan/ weil es ohne die hülffe deß gemeinen Priesterthums zu schwach/ und ein Mann nicht gnug ist/ bey so vielen/ als etwa einem gemeiniglich in seiner seelen sorg anvertrauet werden/ das jenige außzurichten/ was zu der erbauung nöthig ist. Wo aber die Priester ihr ampt thun/ da hat der Prediger als ihr Director und ältester Bruder eine stattliche hülffe in seinem Ampt und dessen so offentlich-als absonderlichen verrichtungen/ und wird ihm die last nicht zu schwehr.

Weßwegen hieran auch weiter zu gedencken wäre/ wie nicht nur solche Materi/ die fast nach Lutheri zeiten nicht so vielmehr getrieben worden/ den leuten bekannter gemacht (darzu Herrn Joh. Vielitz/ gottselige Predigten hiervon sehr dienlich) sondern auch erwogen würde/ wie die sache in bessere übung gebracht werden möchte: wozu auch der vorige vorschlag einer einführenden übung zu lesung und verstand der schrifft nicht wenigs thun möchte. Meines wenigen orts halte ich mich gantz versichert/ wo nur in jeglicher Gemeinde unterschiedliche zu diesen beyden stücken/ fleissiger handlung Göttlichen Worts und ihrer priesterlichen Pflichten/ gleichwie in andern stücken also vornehmlich in der brüderlichen vermahnung und bestraffung (die fast gantz unter uns verloschen/ aber billich ernstlich getrieben/ und von den Predigern die jenige/ so deßwegen etwa leyden müssen/ nach vermögen geschützet werden solten) gebracht werden möchten/ so würde ein grosses gethan und gewonnen seyn/ daß nachmahl immer mehr und mehrere gewonnen/ und endlich die Kirche mercklich gebessert würde.

Zu diesen stücken gehöret auch 3. daß man den leuten wol einbilde/ und sie bald dahin gewehne/ zu glauben/ daß es mit dem wissen in dem Christenthum durchauß nicht gnug seye/ sondern es vielmehr in der praxi bestehe: sonderlich aber unser lieber Heyland zum öfftern uns die Liebe als das rechte kennzeichen seiner Jünger anbefohlen habe/ Johan. 14/ 34. 35. cap. 15/ 12. 1. Johan. 3/ 10. 18. cap. 4/ 7. 8. 11. 12. 13. 21. Daher auch der liebe Johannes in seinem hohen alter (nach dem zeugnüß Hieronymi in Epist. ad Gal. L. 3. c. 6.) nichts mehr fast pflegen zu sagen zu seinen Jüngern/ als Kindlein liebet euch unter einander; so gar/ daß seine Jünger und Zuhörer endlich verdrossen worden/ immer einerley zu hören/ und ihn gefragt/ warumb er allezeit ihnen einerley vorspreche/ aber zur antwort bekommen/ weil es der befehl deß HErrn ist/ und so der geschiehet ists genug. Freylich bestehet eines glaubigen und durch den glauben seligen menschen gantzes leben und erfüllung der Göttlichen Gebotte in der Liebe.

Deß wegen wann wir eine inbrünstige Liebe unter unsern Christen erstlich gegen einander/ nachmal gegen alle menschen (welche beyde/ brüderliche und gemeine Liebe/ müssen auff einander folgen/ 2. Pet. 1/ 7.) erwecken/ und in die übung bringen können/ so ist fast alles was wir verlangen außgerichtet. Dann darinnen bestehen alle Gebott/ Rom. 13/ 9. Wäre demnach nicht nur den leuten fleissig hiervon zu sagen/ die vortreflichkeit der liebe deß nechsten/ und hingegen die grosse gefährlichkeit und schaden der entgegen-stehenden eigenen liebe nachtrücklich vor augen zu stellen (welche Materi sonderlich von dem geistreichen Johann Arndten/ Wahren Christenth. 4/ 2. von dem 22. Capitel und in den folgenden schön außgeführet worden) sondern auch sie an deroselben zu üben: daß man sie gewehne/ nicht leicht eine gelegenheit auß der acht zu lassen/ worinnen sie dem nechsten eine liebesthat erweisen könnten/ und doch in verrichtung derselben allemahl das hertz fleissig zu forschen/ ob auch dasselbe auß wahrer liebe gewürcket/ oder andere absichten darbey gehabt: Wo sie beleidigt worden/ daß sie da sonderlich auf sich acht geben/ nicht nur allein sich aller rache zu enthalten/ sondern gar auch ehe etwan ihres sonst noch habenden rechtens/ und der verfolgung desselben nachzulassen/ da sie sorgten/ ihr hertz möchte sie betriegen/ und etwas von feindseligen affecten mit einmischen: Ja/ mit fleiß gelegenheit suchen/ dem feinde gutes zu thun/ nur darmit dem sonsten zur rache geneigten Adam in solcher zähmung wehe geschehe/ hingegen die Liebe tieffer in das hertz getrucket werde.

Darzu/ wie auch ins gesampt zu dem wachsthum in dem Christenthum/ dienlich seyn mag/ wo die jenige/ so ihnen nunmehr eifferig vorgesetzt/ in den wegen deß Herrn einher zu gehen/ in vertraulicher freundschaft stehen mit ihrem Beicht-vatter/ oder auch einem andern verständigen erleuchteten Christen/ und denselben immer rechenschafft geben/ wie sie leben/ wo sie gelegenheit gehabt/ die Christliche Liebe zu üben/ wie sie sich derselben gebrauchet/ oder sie verabsäumet. Umb allemahl von denselben rath und unterricht zu haben/ nachdem sie/ woran es noch manglet/ erforschet/ wie sie die sache anzugehen haben: Mit der Resolution, solchem rath allemahl zu folgen/ es wäre dann sache/ daß ihnen etwas deutlich wider Göttlichen Willen zugemuthet würde. Wo es auch scheinet ein zweiffel zu seyn/ ob sie diß oder jenes ihrem Nächsten schuldig seyen zu lieb zu thun/ oder nicht/ daß sie allemahl lieber dahin gehen/ es zu thun/ als zu unterlassen.

Hierzu haben wir 4. auch dieses zu setzen/ daß wir genau acht auff uns geben sollen/ wie man wegen der Religions-strittigkeiten/ und gegen die jenige/ welche allerdings un- oder falsch-glaubige sind/ sich zu verhalten habe/ nehmlich/ daß wir zum förderisten dahin uns befleissen sollen/ wie wir uns selbst und die unserige/ auch übrige glaubens-brüder/ in der erkannten wahrheit bekräfftigen/ stärcken/ und hingegen vor aller verführung mit grosser sorgfalt verwahren. Hiernechst aber auch unserer pflicht gegen die irrende uns erinnern.

Solchen sind wir nun schuldig 1. eifferiges gebet/ daß sie der grund gütige GOtt auch mit dem Liecht/ damit Er uns begnadet habe/ gleichfals erleuchten/ und zu der reinen warheit führen/ ihnen alle gelegenheit darzu geben/ ihre hertzen darzu bereiten/ oder doch endlich mit hintertreibung der gefährlich sonst habenden irrthümer das jenige wenige/ so sie noch von wahrer erkanntnüß deß heils in Christo übrig haben/ also kräfftig seyn lassen wolle/ daß sie noch zuletzt als ein brand auß dem feuer errettet werden mögen. Als welches die krafft ist/ der drey ersten Bitten/ daß GOTT seinen Namen auch an ihnen geheiliget/ sein Reich zu ihnen gebracht/ und seinen gnädigen willen/ an und in ihnen vollbracht werden lassen wolle.

Zum 2. haben wir ihnen mit gutem exempel vorzugehen/ und uns auffs eifferigste zu hüten/ daß wir sie in nichts ärgern: als womit wir sonsten ihnen böse einbildungen von unser wahren Lehre und daher ihre bekehrung schwerer machen.

Zum 3. solle es auch seyn/ wo uns GOtt die darzu dienliche gaben gegeben/ und wir gelegenheit gefunden zu haben hoffen/ sie zu gewinnen/ daß wir auch gern das unserige thun: mit bescheidener und nachdrücklicher vorstellung unserer wahrheit die wir bekennen/ zeigende wie so gar dieselbe in der einfalt der Lehr Christi gegrůndet seye: sodann auch so kräfftiger als sittsamer remonstration ihrer irrthume/ wie dieselbe wider Göttliches Wort streiten/ und was vor gefahr solche nach sich ziehen: Alles aber auff die art/ daß solche leute mit denen man handelt selbst sehen können/ daß man alles thue auß hertzlicher Liebe gegen sie/ ohne fleischliche und unziemliche affecten, und wo man je in einiger hefftigkeit übernommen würde/ daß solches allein auß reinem eiffer vor die Göttliche Ehre geschehe. sonderlich aber hat man sich vor scheltworten und personal anzüglichkeiten zu hüten/ welche so bald alles/ was man gutes zu bauen gemeynet/ nieder reissen. sehen wir/ daß wir dardurch haben angefangen etwas zu gewinnen/ so hat man so viel fleissiger das angefangene/ etwa auch mit anderer beyhülffe/ fortzusetzen: sihet man aber/ das andere von ihren gefasten meynungen also eingenommen/ daß ob man wol sonsten ein gemüht bey ihnen sihet/ so seinem GOtt gern dienen wolte/ aber dißmahl noch das vorhaltende nicht begreiffen kan/ so hat man solche leute dahin zu vermahnen/ daß sie auffs wenigste die von uns angehörte warheit nicht lästern noch übel darvon reden/ der sache in der furcht deß Herrn und mit hertzlichem gebet ferner nachdencken/ und in dessen ihrem GOTT nach den jenigen practischen Principiis und Lebens-regeln/ die die meiste/ so den Christlichen namen tragen/ noch unter sich ziemlicher massen gemein haben/ eifferig dienen und in der wahrheit zu zunehmen trachten sollen.

Darzu und ins gemein gegen alle glaubige oder irrende solle 4. kommen/ die übung hertzlicher liebe/ daß wir zwar ihnen zu ihrem un- und irrglauben oder dessen so übung als fortpflantzung nichts zu willen werden/ vielmehr mit eiffer uns demselben widersetzen/ aber in andern dingen/ welche zu menschlichem leben gehören/ zeigen/ daß wir sie vor unsere nächsten (wie der samariter als deß Juden nächster von CHristo/ Luc. 10. vorgestellet wird) ja auch auß recht der allgemeinen schöpffung und gegen alle sich erstreckenden Göttliche Liebe (obschon nicht der wiedergeburt) brüder erkennen/ und also auch mit solchem hertzen gegen sie gesinnet seyen/ wie wir den befehl haben/ alle als uns selbst zu lieben. Und ist dieses ein so fleischlicher/ als an bekehrung solcher leute schädlicher/ eiffer/ da man einigem unglaubigen oder irrenden seiner Religion wegen schimpff oder leid anthut: Da doch der rechtmässige haß der Religion/ die der person schuldige liebe weder auffheben noch schwächen solle.

Wie dann/ wo wir von der vereinigung der unter den Christen befindlichen meisten Religionen einige hoffnung haben solten/ vielleicht dieses der nechste und von GOTT gesegneteste weg seyn möchte/ daß wirs nicht bloß alles/ bey denen nunmehr mit so viel fleisch- als geistlichem eiffer erfülleten gemüthern/ welche beschaffenheit die Disputationen fruchtloß machet/ auff das disputiren setzeten. Es ist zwar an dem/ daß die vertheidigung der reinen warheit/ und also auch das disputiren/ so ein theil derselben ist/ muß in der Kirchen so wol erhalten werden/ als andere zu der erbauung verordnete verrichtungen: Und stehet uns Christus/ die Apostel und dero Nachfolger zum geheiligten Exempel vor augen/ die auch disputiret/ das ist die gegentheilige irrthume kräfftig widerleget/ und die warheit beschützet. Hingegen würde der jenige die Christliche Kirche in die gröste gefahr stürtzen/ der diesen nohtwendigen gebrauch deß geistlichen schwerdts/ deß Göttlichen Worts/ so fern es gegen die irrigen lehren gebraucht werden solle/ wegnehmen und verwerffen wolte. Aber Ich bleibe nichts destoweniger bey dem von unserm sel. Arndten stattlich erwiesenen satz. Wahren Christenthum. 1/ 39. Daß die lauterkeit der Lehre und deß Göttlichen Worts nicht allein mit disputiren und vielen Büchern erhalten werde/ sondern auch mit wahrer busse und heiligem leben. Zu dessen erkantnüß auch die vorige zwey Capitel gehörin: Wer Christo mit glauben/ heiligem leben und stätiger busse nicht folget/ der kan von der blindheit seines hertzens nicht erlöset werden/ sondern muß in der ewigen finsternüß bleiben: Kan auch Christum nicht recht erkennen/ noch gemeinschafft und theil an ihm haben. Und: das unchristliche leben ist eine ursach falscher/ verfůhrischer lehr/ verstockung und verblendung.

Also achte ich 1. daß nicht alles disputiren nůtzlich und gut/ sondern es heisset zuweilen von einigem/ wie unser sel. Lutherus gesprochen: Neque enim docendo sed disputando amittitur veritas. Hoc enim malum disputationes secum afferunt, quod animi quasi profanantur & rixis occupati quae praecipua sunt negligunt. Das ist: Nicht durch lehren/ sondern durch viel disputiren wird die warheit verlohren. Dann diß böse bringen die Disputationes mit sich/ daß die gemüther dardurch verdorben werden/ und wann sie mit dem gezänck zu thun haben/ versaumen sie darüber/ was sie fürnemlich treiben solten/ und was das vornehmste ist. Ach wie offt sind die Disputanten selbst leute ohne geist und glauben/ mit fleischlicher weißheit/ obwol auß der schrifft (dann auch alle wissenschafft/ die wir auß eigenen natürlichen kräfften/ und bloß menschlichem fleiß/ ohne das liecht deß Heiligen Geistes/ auß der schrifft fassen/ ist eine fleischliche weißheit/ oder wir müsten sagen/ daß die vernunft der Göttlichen weißheit fähig seye?) erfüllet/ allerdings aber von GOtt nicht gelehrt? Was ist dann von solchen zu hoffen? Wie offt bringt man frembd feuer in das Heiligthum deß HErrn/ das ist eine frembde absicht/ nicht auff Gottes sondern eigene ehre? Darüber aber solche Opffer GOtt nicht gefallen/ sondern seinen fluch herzu ziehen/ und mit solchem disputiren nichts außgerichtet wird. Wie offt ist die behauptung dessen/ was man einmahl gesetzet/ der ruhm eines subtilen verstandes und scharpff sinnigkeit und die überwindung deß gegeners/ sie möge geschehen auff was weise sie wolle/ vielmehr die regel/ nach welcher man gehet/ als die untersuchung und erhaltung der warheit? Dardurch etwa der widersacher also geärgert wird/ daß ob er wol nicht zu antworten vermag/ die erkannte art/ wie man gegen ihn gegangen/ die gespürte fleischliche affecten, eingenommene scheltwort und dergleichen dinge/ so nur nach dem menschen schmäcken/ alle seine sonst verhoffte bekehrung hindern. solte man vieles bißheriges disputiren recht examiniren/ so würde man bald diesen bald jenen mangel finden/ und ist wol zu glauben/ daß auch solches die ursach/ daß nicht alles was man verlangt/ dardurch erhalten/ vielen aber damit das disputiren dermassen zuwider worden/ daß sie gar einen unziemlichen haß dagegen gefasset/ und nunmehr dem disputiren beymessen wollen/ was dessen mißbrauchs schuld ist.

Gleichwie aber nicht alles disputiren löblich und nützlich/ also ist auch 2. das rechte disputiren nicht das einige mittel/ der erhaltung der warheit/ sondern erfordert andere neben sich. Ja wo man vor hat/ es allein darbey bleiben zu lassen/ was der einige und völlige zweck deß disputirens an sich selbst ist/ und wo es am besten angestellet erhalten werden möchte/ nehmlich die rettung der wahren Lehr von den falschen meynungen/ und dero widerlegung/ daß der menschliche verstand erkenne/ dieser lehrsatz seye Göttlichem wort wie es laute gemäß/ jene entgegen (wie es bey denselben fast geschiehet/ welche etwa kaum weiter gedencken/ als das sie viele Lutherische machen möchten/ nicht aber ferner ihnen lassen angelegen seyn/ wie sie auch bey solcher bekanntnüß wahre kern-Christen würden/ und daher die wahre bekanntnüß gleichsam als eine faction, die nur gestärckt möge werden/ nicht aber als einen eingang zu dem weg/ worauff man GOTT künfftig eifferig dienen wolle/ ansehen) so wil GOtt auch hierzu seinen segen nicht geben/ noch dieses allemahl erhalten lassen werden. sondern soll GOttes Ehre recht befördert werden/ so muß dieses noch weiter dahin gerichtet werden/ daß der gegentheil dadurch bekehret könnte werden/ und daß man auch die gerettete Wahrheit wolle zu schuldiger danckbarkeit und heiligem gehorsam gegen GOTT anwenden. Nun ist solche convictio intellectus oder überzeugung der warheit bey weitem noch nit der glaube/ sondern zu diesem gehöret ein mehrers/ da also der vorsatz seyn muß/ so wol auch solches übrige/ damit der irrende möchte bekehret werden/ hinzu zu thun/ als auch was ihn daran hinderte wegzuräumen: Vor allem aber die begierde/ nachmahlen in uns und allen andern das jenige/ was wir erkennen werden/ zu weiterer Ehre GOttes anzuwenden/ und ihm in solchem Liecht auch zu dienen. Wohin die herrliche sprüche CHristi gehören. Joh. 7/ 17. so jemand wil deß (nemlich deß Vatters der Jhn gesandt hat) willen thun/ der wird innen werden/ ob diese Lehre von GOtt sey/ oder ob ich von mir selbst rede. Also/ daß unser Heyland von keinem andern sagt/ daß derselbe recht in seiner seelen Göttlich versiegelt seye von der Göttlichen Wahrheit seiner Lehr/ es sey dann auch der Wille da/ den Willen deß Vatters zu thun/ und also es nicht bey dem einigen wissen bleiben zu lassen. Wiederumb Joh. 8/ 31. 32. so ihr bleiben werdet an meiner rede/ so seyd ihr meine rechte Jünger/ und werdet die wahrheit erkennen/ und die wahrheit wird euch frey machen. Und 14/ 21. Wer meine gebott hat und hält sie/ der ists der mich liebet/ wer mich aber liebet/ der wird von meinem Vatter geliebet werden/ und Ich werde ihn lieben/ und mich ihm offenbahren.

Auß welchem allen erhellet/ daß so wol bey uns selbst die wahrheit zu erhalten/ als auch den noch irrenden sie beyzubringen/ daß disputiren nicht gnug seye/ sondern die heilige Liebe GOttes vonnöthen ist. Ach/ wo wir Evangelische uns auff das eifferigste liessen angelegen seyn/ GOTT die früchten seiner wahrheit in hertzlicher liebe zu bringen/ und also einen unserm beruff würdigen wandel zu führen/ und solches in kanntlicher ungefärbter liebe gegen unserm nächsten/ auch die irrglaubige/ zu erzeigen/ mit übung oben angeregter pflichten: sodann die noch irrende auch dahin trachteten (darzu wir sie selbst zu weisen) daß sie/ wo sie noch die von uns bekennende wahrheit nicht begreiffen könnten/ auffs wenigste anfangen wolten/ GOTT nach dem maß der erkanntnüß/ was sie etwa noch auß der Christlichen Lehr übrig haben/ eifferig zu dienen/ in Liebe GOttes und deß nächsten: so ist kein zweiffel nicht/ daß GOTT nicht würde so wol uns in der warheit immer weiter zunehmen lassen/ als auch die freude geben/ andere/ deren irrthum wir jetzt beklagen/ bald in einem glauben neben uns zu sehen. Dann sein Wort hat einmahl die krafft/ wo sie nicht entweder von denen die solches führen/ oder bey denen es geführet wird/ boß hafftig gehindert wird/ die hertzen zu bekehren: so thut auch der heilige wandel selbst zu der bekehrung vieles. Welches uns Petrus lehret. 1/ 3/ 1. 2.

Wie aber der Prediger ampt in allen diesen dingen/ die der Kirchen besserung betreffen/ das allermeiste thun muß/ daher gleichwie die mängel an ihnen grossen schaden thun/ also so vielmehr daran gelegen ist/ daß man solche leute habe/ die zum allerförderisten selbst wahre Christen seyen/ und dann die Göttliche weißheit haben/ auch andere auff den weg deß Herrn vorsichtig zu führen; so würde dann ein grosses zu der Kirchen besserung thun/ ja gantz nöthig seyn/ daß man keine andere als solche leute die darzu tüchtig wären beruffete/ und ins gesampt in dem beruffswerck auff nichts anders als die Ehre GOttes (hindangesetzt aller fleischlichen absichten/ auff gunst/ freundschafft/ geschenck/ und dergleichen unziemliche dinge) einig und allein abzweckte. Wie dann die in dem beruffs-werck begehende fehler eine nicht der geringsten ursachen sind/ der bey der Kirchen befindlichen mängel/ so wir aber dißmal nicht außführen.

Solle man aber dergleichen tüchtige Personen zu dem Kirchendienst beruffen/ so muß man auch solche haben/ und daher in den schulen und auff Universitäten erziehen. Ach GOTT gebe gnädiglich/ daß alles hierzu gehöriges auff Universitäten fleissig von den Professoribus Theologiae beobachtet werde/ und sie darvor sorgen helffen/ wie daß nicht nur von dem eifferigen Joh. Matth. Meyffarten seligen/ sondern auch vor und nach ihm von so vielen andern gottseligen hertzen wehemüthig beklagtes und meistens bey aller Facultäten studiosis übliche unchristliche Academische leben mit nachtrücklichen mitlen abgeschafft/ und gebessert würde: daß die Academien/ wie es billich seyn solte/ auch recht als Pflantzgärten der Kirche in allen ständen und Werckstätte deß Heiligen Geistes/ nicht aber deß welt-geistes/ ja ehrgeitz-sauffbalge-zanck-teuffels zu seyn an dem äusserlichen leben der studiosorum erkannt möchten werden.

Gleich wie nun hier die Herren Professores mit ihrem Exempel selbst ein grosses thun können/ (ja ohne solches schwerlich die rechte besserung zu hoffen) wo sie sich darstellen als solche leute/ die der welt abgestorben/ in nichts ihre eigene ehre/ gewinn oder wollust/ sondern in allem all ein ihres Gottes ehre und der anvertrauten heil suchten/ und nach solchem zweck alle ihre studia, Bücherschreiben/ Lectionen, Collegia, Disputationen und Verrichtungen einrichteten: damit also studiosi ein lebendiges muster hätten/ nachdem sie allerdings ihr leben zu reguliren. Weil wir je so geartet sind/ daß Exempel bey uns soviel als die Lehre selbst/ zuweilen auch noch mehr außrichten. Greg. Nazianz. sagt in Epit. Basil. Oratio Basilii erat tonitru, quia vita ejus fulgur. Basilii rede und lehr war (an der krafft) als ein donner/ weil sein leben als ein blitz war. Daher sie auch an ihren tischen guter diseiplin unn keinem muthwillen wegen deß gewinnes platz zu geben haben: über tisch sollen billich erbauliche gespräch von ihnen gehalten/ unziemliche aber/ sonderlich worinnen Göttliches Wort/ sprüche/ Gesäng formulen und andere dergleichen Worte in verkehrtem verstand zu bösem mißbrauchet werden (wordurch mehr böses geschiehet/ als man dencken möchte/ ja offt gott seligen gemüthern in ihrer andacht auff ihr lebenlang/ so offt sie an solche wort kommen/ ein anstoß gesetzet wird) abgewendet/ auch wol mit ernst bestrafft/ nicht aber mit wolgefallen angehöret werden.

Nechstdeme so solle billich ohn unterlaß den studiosis eingebildet werden/ daß nicht weniger an gottseligem leben als ihrem fleiß und studiren gelegen/ ja dieses ohne jenes nichts würdig seye. Deß alten Justini bekannte rede/ soll allezeit uns in den gedancken seyn. Res nostrae religionis non in verbis sed in factis consistunt. Unsere Religion stehet nicht in worten sondern in thaten. Als welches er von s. Paulo gelernet/ das Reich GOttes bestehe nicht in worten/ sondern in krafft. 1. Corinth. 4/ 20. Es wäre ihnen stätig zu remonstriren/ wo es im menschlichen leben heisse: Qui proficit in literis & deficit in moribus, plus deficit quam proficit, wer an geschicklichkeit wachse und nicht an guten sitten/ der lerne mehr hinder sich als vor sich: so gelte es vielmehr in dem geistlichen/ wo einmal/ weil Theologia ein habitus practicus ist/ alles zu der praxi deß glaubens und lebens gerichtet werden muß. Weswegen hingegen der Christliche und umb die straßburgische Kirche so wol verdiente selige D. Johann schmidt/ mein in Christo geliebter Vatter/ dieses (Libell. Repud. Conc. 2. pag. 37.) nennt: Ein grosses und schröckliches idolum oder götzen/ daß man auff Hohen-schulen und Universitäten/ wann man auch gar fleissig seyn wil/ gar sehr neben dem rechten zweck hinschiesset/ der da seye/ daß GOtt geehret werde/ oder etwas deutlicher/ daß die wahre/ unverfälschte Christliche Religion/ die hertzliche übung der Gottseligkeit und Christliche tugend destobesser gepflantzet/ getrieben und in die gemühter eingetruckt werde. Wo auch seine ůbrige wort werth sind gelesen zu werden. Da er es zuletzt einen greuel der verwůstung nennet.

Der seiner vornehmlich zu rettung der wahren Lehr außgegebener schrifften wegen berühmte Theologus Herr D. Abraham Calovius, mein insonders hochgeehrter gönner/ ziehet (Paedia Theol. 1. 2. pag. 57.) die ursachen kurtz zusammen/ welcher wegen ein studiosus Theologiae sich eines gottseligen lebens befleissigen müsse; so zu Teutsch also lauten mögen: 1. Weil der Apostel seinen Timotheum also unterrichtet. 2. Tim. 2/ 24. 1. Tim. 1/ 18. 19. Cap. 3. v. 2. Cap. 4. v. 7. 12. Tit. 1. vers. 17. 2. Der Heilige Geist der wahre und einige Lehrmeister nit wohnet in einem hertzen der sünden unterthan. Joh. 16, 13. 1. Joh. 2, 27.

Die welt kan den Geist der Wahrheit nicht empfangen. Johan. 14, 17. 3. Ein studiosus Theologiae gehetumb mit der Göttlichen Weißheit/ die nicht fleischlich/ sondern geistlich und heilig ist. Jac. 3, 15. deren anfang ist die forcht deß HErrn. Psal. 111, 9. Proverb. 1, 7. 9. 10. 4. Die Theologi stehet nicht in blosser wissenschafft/ sondern deß hertzens affect und in der übung. (Wie wir erst auß Justino gehöret.) 5. selig ist (sprachen die alte) wer die schrifft in wercke kehret. Wisset ihr dieses/ sagt Christus/ Johan. 13, 17. selig seyd ihr so ihrs thut. sollen also CHristi Jünger die schrifft also forschen/ daß sie sie zur übung bringen/ und thun was sie wissen. 6. Hingegen kommt die Weißheit nicht in eine boßhafftige seele/ und wohnet nicht in einem leibe der sünden unterthan. Weißheit Cap. 1. v. 4. Wer also den sünden nachhänget/ kan keine Wohnung deß Heiligen Geistes werden.

7. Wie die Leviten/ ehe sie in die Hütten deß stiffts eingiengen/ vorhin sich waschen musten/ 2. Mos. 30/ 18. 1. König. 7/ 23. 2. Chron. 4/ 2. Also sollen sich auch der heiligung und reinigung deß lebens die jenige befleissigen/ die einmahl in der Hütte deß HERRN auß-und eingehen wollen. Ach wolte GOTT/ diese Wort stůnden aller orten vor und in allen Auditoriis, und in jegliches studiosi studierstüblein ihm stätig vor augen/ ja in seinem hertzen/ so würden wir bald eine andere Kirche haben.

Ich kan nicht unterlassen/ auch hieher zu setzen die Wort deß lieben und gottseligen Theologi D. Joh. Gerhard Harm. Evang. cap. 176. pag. 1333. b. Qui dilectione Christi destituti sunt, qui negligunt pietatis studium, non assequuntur pleniorem Christi cognitionem ac abundantiorem spiritus s. donationem: ac proinde ad veram, vivam, practicam & salutarem rerum divinarum notitiam consequendam nonsufficit scripturae lectio & scrutatio, sed oportet ut etiam accedat Christi dilectio, hoc est fuga peccatorum contra conscientiam, quibus spiritui s. obex ponitur, & serium pietatis studium. Psalm. 25, 14. 111, 10. Prov. 1, 7. 9. 10. sir. 1, 16. Johan. 7, 17. Ephes. 3, 18. Die da die wahre Liebe Christi nicht haben/ und die übung der gottseligkeit unterlassen/ erlangen nicht die völligere erkanntnüß CHristi/ und reichlichere schenckung deß Heiligen Geistes: Und daher die wahre/ lebendige/ thätliche und heilsame erkanntnüß Göttlicher dinge zu erlangen ist nicht gnug die schrifft lesen und forschen/ sondern es ist vonnöthen/ daß auch die Liebe Christi darzu komme/ das ist/ daß man sich hüte vorsünden wider das gewissen/ damit dem Heiligen Geist ein riegel vorgeschoben wird/ und sich der gottseligkeit ernstlich befleisse.

Gewißlich wo einmahl dieser grund bey den studiosis Theologiae gelegt wäre/ daß sie nur glaubten/ sie müßten bereits der welt absterben/ in ihren ersten studier-jahren/ und ein leben führen/ als solche die dermahl eins Fürbilde der Heerde werden sollen: Und das seye nicht nur eine zierde/ sondern ein gantz nothwendiges werck/ ohne welches sie zwar studiosi einer so zu reden Philosophiae de rebus sacris, nicht aber studiosi Theologiae, die da in dem Liecht deß Heiligen Geistes allein erlernet wird/ seyn und gehalten werden: Dahingegen viel darvor halten/ es stehe zwar fein an einem studioso Theologiae, daß er auch wol lebe/ aber es seye eben nicht so nöhtig/ wo er nur fleissig studire und ein gelehrter mann werde/ ob er schon in aller solcher zeit sich von dem welt-geist regieren lasse/ und mit andern in aller welt-lust mitmache/ so habe es nicht hoch auff sich/ und seye zeit gnug/ wo er einmahl ein Prediger werde/ und alsdann das leben ändere; gerade als wäre solches allemahl in unserm vermögen/ und hinge nicht die fest eingetruckte welt-liebe alsdann den leuten gemeiniglich in dem gantzen leben an: Daher solche böse meynung uns so grossen schaden thut. Wo sage ich/ dieses alles erstlich den studiosis Theologiae bey dem anfang ihres studii Theologici vorgehalten und inculciret würde/ so hoffte Ich/ solte es nachmahl die gantze zeit ihres studii ja deß lebens/ viel früchte nach sich ziehen.

Darzu wäre sonderlich diensam/ daß Herren Professores auff der ihnen anvertrauten studiosorum leben so wol als auff die studia acht geben/ und denen die es bedörffen deßwegen offt zusprechen/ auch gegen die jenige/ welche zwar stattlich studiren/ aber auch stattlich schwermen/ sauffen/ prachtiren/ ihren ehrgeitz in den studiis und anderem hervor lassen/ und in summa zeigen/ sie leben nach der welt/ nicht nach CHristo/ sich also anstellen/ daß sie sehen müssen/ sie seyen deßwegen bey den Praeceptoribus veracht/ und helffen sie ihre stattliche Ingenia und gute studia nichts/ sondern man sehe sie als leute an/ die so viel schädlicher einmahl seyn würden/ als mehr gaben sie empfangen: Hingegen/ daß jene gegen andere/ welche ob sie in studiis den vorigen nicht gleich sind/ jedoch ein recht gottselig leben führen/ offentlich und absonderlich zeigen/ wie lieb sie ihnen seyen/ und den andern weit vorgezogen werden.

Ja auch/ daß man diese allemahl jenen in der beförderung vorziehe/ oder vielmehr sie allein befördere/ die andern aber also lang von aller hoffnung der beförderung außschliesse/ biß sie sich gantz geändert/ wie auch in der that es billich so seyn solle. Dann gewiß ist/ ein obwol mit wenigern gaben gezierter mensch/ der aber GOTT hertzlich liebet/ wird mit seinem geringern Talento und studiis der Gemeinde GOttes mehr nutzen/ als ein doppel-doctor ‒ mässiger vanitätischer welt-narr/ so zwar voller kunst steckte/ aber von GOTT nicht gelehrt ist. Dann jenes arbeit ist gesegnet/ und er hat den Heiligen Geist bey sich/ dieser aber allein ein in der that fleischliches wissen/ damit er so leicht mehr schaden als nutzen kan.

Es möchte auch etwa nicht übel seyn/ wo alle studiosi von jeglicher Universität zeugnüssen mitbringen müsten/ nicht aber nur allein der geschicklichkeit und fleisses/ sondern auch gottseligen lebens: Hingegen/ daß dann solche zeugnüssen mit grossem bedacht gegeben/ nimmermehr aber einem nicht wolverdienten ertheilet würden. Diese mittel möchten wol zu wegen bringen/ daß studiosi Theologiae sehen/ wie nöhtig ihnen das seye/ woran offt die wenigste gedencken.

Nechstdeme so hätten dann die Herren Professores nach ihrer eigenen Dexterität wol zu beobachten/ welche studia etwa jeglichem der studiosorum, nach beschaffenheit dero Ingenii, Vatterlands/ hoffender Promotion, und dergleichen/ nützlich und nöhtig sind. Wo zwar freylich mit einigen die Controversiae mit mehrerm eiffer ex professo getrieben werden sollen und müssen; massen der Kirchen nöhtig ist/ daß sie allezeit auch gnugsam außgerüstet seye mit leuten/ die den feinden der wahrheit den kopff bieten/ und nicht zulassen/ daß jeglicher Goliath ungescheut dem zeug Jsrael hohn spreche/ sondern/ daß man auch einige David habe/ die hervor tretten und denselben begegnen dörffen. solte sich gelegenheit finden/ daß der von dem vortrefflichen Theologo D. Nicolao Hunnio seligen in seiner Consultation gethaner vorschlag in das werck gerichtet würde/ so wäre solcher sach etlicher massen geholffen. Bey andern bedarff es nicht eben so sehr/ daß dieses ihr eigenes haupt-studium seye/ jedoch müssen sie sich gleichwol auch also rüsten/ daß sie bey begebender gelegenheit vermögen den Widersachern das maul zu stopffen/ und ihre Gemeinden dermahl eins vor irrthum zu verwahren. Wo wir sonderlich zu wünschen haben/ daß die jenige/ in dero Vatterland etwa Jüden wohnen/ umb an solchen ihr ampt zu thun/ auch in denen Controversien, die wir mit denselben haben fleissiger geübet würden: ins gesampt aber zu verlangen stehet/ welches etliche vortreffliche Theologi offt gewünschet/ daß Disputationes auff Academien auch in Teutscher sprach gehalten wůrden/ damit die studiosi sich der hierzu diensamen terminorũ gebrauchen lerneten/ da sonst ihnen in dem ampt schwer wird/ wo sie auff der Cantzel etwas von einer Controvers gedencken/ und die sache deutsch der Gemeinde vortragen sollen/ worinnen sie sich niemahl geübet haben. Hingegen nebens denen/ welchen die Controversiae fleissiger zu tractiren stehen/ sind wiederumb andere/ welchen gnug seyn wůrde/ wo sie ihre Thesin gründlich verstehen/ und von der Antithesi allein so viel wissen/ daß sie vor irrthumb gesichert seyen/ und ihren Zuhörern einmahl dieses zeigen können/ was wahr oder nicht wahr: Wo es aber auff schwerere dinge kommt/ sich anderer hülff und rath bedienen mögen.

In allem diesem verstehet ein angehender studiosus eben nicht so wol/ was ihm nöthig oder nicht ist/ er habe dann einen treuen handleiter. in ermangelung dessen aber geschiehet/ was der auch zu dem rechten zweck absehende D. Christoph scheibler seliger/ in seiner oben angezogenen Vorrede/ deß Man. ad Theol. Pract. klaget: Daß/ wo etwa einige die gantze zeit ihrer studien mit streitsachen zugebracht/ daß dann deren eines folgenmüsse/ daß er entweder ein ungeschickter Prediger seyn můsse/ wie gelehrt er auch in solchen streit-sachen wäre/ oder müste von neuem und auff eine andere art erst Theologiam studiren/ und darinnen ein Incipient werden/ wie solches die tägliche erfahrung bezeuge.

Bey allen aber insgesampt wäre sorgfältig acht zu geben/ daß auch in den Controversiis selbst maß gehalten/ die unnötige lieber abzuschneiden/ als zu excoliren/ gezeiget/ und die gantze Theologia wieder zu der Apostolischen einfalt gebracht werden möchte. Worzu die Professores stattlich helffen können/ wo sie theils selbst ihre gantze studia und schrifften darnach einrichten/ als auch der lüsterenden Ingeniorum fürwitz mit fleiß hintertreiben/ und einen widerwillen dargegen fort und fort weisen. Es möchte auch nützlich seyn/ daß die einfältige Büchlein/ die Teutsche Theologi, sodann Tauleri schrifften/ auß welchen gleichwol/ nechst der schrifft/ unser theure Lutherus worden/ was er gewesen ist/ in die hände der studiosorum mehr gebracht/ und dero gebrauch ihnen recommendiret würde. Ist der rath Luth. selbst/ welcher also schreibet von dem mann GOttes Taulero (wie er ihn anderswo nennet) in der 23. Epist. an spalatinum: so du lust hast die alte reine Theologiam in Teutscher sprach zulesen/ so kanst du dir die Predigten Johan. Tauleri deß Prediger Mönchs schaffen. Dann ich weder in Lateinischer noch Teutscher sprach die Theologiam reiner und heilsamer gefunden/ die also mit dem Evangelio übereinstimmete. Und in der 17. Epist. Ich bitte dich noch einmahl/ glaube mir doch in dem fall/ und folge mir/ und kauffe dir das Buch Tauleri, darzu ich dich auch zuvor vermahnet habe/ wo du es nur bekommen kanst. Wie du es dann leicht bekommen wirst. Dann das ist ein Buch/ darinnen du finden wirst solche kunst der reinen heylsamen Lehr/ dargegen jetzt alle kunst eisern und irrdisch ist/ es sey gleich in Griechischer oder Lateinischer oder Hebräischer sprach. Anderswo sagt er. Ich habe mehr der reinen Göttlichen lehr darinnen gefunden/ dann in allen Bůchern der schul-lehrer auff allen Universitäten gefunden habe/ oder darinnen gefunden werden mag. Von der Teutschen Theologia, so er auch Taulero zuschreibet/ aber jünger ist/ und so Ich vor eine sonderbare Ehre hiesiger statt achte/ in unserem Franckfurt geschrieben solle seyn) gibt er dieses urtheil. Ich muß meinen alten narren rühmen/ und sage/ daß mir nach der Bibel und s. Augustino nicht ein Buch fürkommen ist/ dar auß ich mehr gelernet habe und wil/ was GOTT/ CHristus/ Mensch und alle dinge seyn/ als eben das Büchlein. Daher auch solche Büchlein von unserm lieben Arndio der Christlichen erbauung zum besten auffs neue herauß gegeben/ und mit Vorrede gezieret worden. Wir auch ihm solches vielmehr zu lob anzuziehen/ als ihn deß wegen zu straffen haben/ daß der theure Mann in seinem Wahren Christenthumb sich Tauleri offt gebraucht/ und ihn gerühmet hat. Zu den beyden ist auch zu setzen Thomae à Kempis Nachfolgung Christi. Welche daher zum gemeinen nutzen/ der die praxin der Gottseligkeit in seinen schrifften auch löblich treibende D. Johann Olearius/ mein insonders hochgeehrter Gönner/ noch erst vor einigen Jahren auffs neue aufflegen lassen/ und eine anleitung beygefüget. Wohin wir auch ziehen möchten unter den alten ein feines gottseliges scriptum eines unbekandten Autoris, unter dem Titul Religionis Christianae deformationis à pristino decore & desolationis causae quae, & quo pacto Christianus quisque possit ad sui conditoris reformari imaginem & amicitiam, welches zu den opusculis Ephraemi syri angetruckt ist/ und andere dergleichen viele der alten scripta. Kein zweiffel ist/ solche Bůchlein/ denen/ was auß der finsternüß ihrer zeit ihnen noch anklebet/ leicht zu gut gehalten werden kan und soll/ auch dasselbige einen verständigen Leser nicht irren wird/ würden bey den studiosis vielmehr gutes außrichten/ und ihnen einen geschmack der wahren Gottseligkeit geben/ wo sie ihnen fleissiger in den händen wären/ als etwa andere offtmahls mit unnützen subtilitäten erfüllete scripta, die nur dem ehrgeitz deß alten Adams vieles und bequemliches futter geben. Es würde verhoffentlich bey vielen durch solche mittel erfüllet werden/ was mehr-gedachter Chytraeus so hertzlich verlanget: Ut pie credendo & sancte vivendo & Deum & proximum diligendo potius, quam subtiliter & argute disputando, nos Christianos & Theologos esse ostendamus: Daß man sich Christen und Theologos zu seyn bezeugte/ vielmehr durch gottselig glauben/ heilig leben/ Gott und den nächsten lieben/ als durch scharpff und spitzfindig disputiren.

Weilen aber eben der ursachen wegen/ daß die Theologia ein habitus practicus ist/ und nicht in blosser wissenschafft bestehet/ nicht gnug ist das blosse studiren/ und anderseits das blosse profitiren und informiren. so wäre dahin zugedencken/ wie allerhand übungen angestellet werden möchten/ in denen auch das gemüht zu den jenigen dingen/ die zu der praxi und eigenen erbauung gehören/ gewehnet und darinn geübet würde. Dahero nicht allein wünschete/ daß in gewissen Collegiis solche Materien fleissig/ sonderlich auß den Lebensregeln/ die wir von unserm liebsten Heyland und von seinen Aposteln aufgezeichnet haben/ gehandlet/ und den studiosis eingeschärpffet: sondern ihnen auch an die hand gegeben würde/ wie sie gottselige betrachtungen anstellen/ wie sie in prüffung ihrer selbst sich besser erkennen/ wie sie den lüsten deß fleisches widerstreben/ wie sie ihre begierden zähmen/ der welt allerdings absterben (nach s. Augustini Regel de Doct. Christ. cap. 7. in tantum vident homines, in quantum moriuntur huic seculo, in quantum autem huic vivunt, non vident. so viel sehen die Menschen als sie dieser welt absterben/ sofern sie aber derselben leben/ sehen sie nichts/) wie sie ihren wachsthum in dem guten oder wo es ihnen noch mangele/ forschen möchten/ und also das jenige selbst zu thun/ was sie dermahl eins andere lehren solten. Dann einmahl das blosse studiren mags nicht thun: Unser liebe Lutherus hat also darvon gehalten. Tom. 2. Jen. lat. f. 57. über den 5. Psalm: Vivendo, imo moriendo & damnando fit Theologus, non intelligendo, legendo aut speculando: Oder wie es gegeben wird Tom. 2. Altenb. f. 601. a. ein rechter Theologus wird nicht durch verstehen/ oder lesen/ oder tieffsinnen/ sondern durch leben/ ja durch sterben und verdamnüß.

Wie aber solche übungen anzustellen/ setze ich zu gottseliger und verständiger Professorum eignem befinden. solte ich erlaubnüß haben einen vorschlag zu thun/ so würde ich folgendes vor dienlich achten: Daß ein frommer Theologus die sache anfangs mit nicht gar vielen/ aber solchen unter der zahl seiner Auditorum, anfienge/ bey denen er bereits eine hertzliche begierde/ rechtschaffene Christen zu seyn/ bemerckte/ und also mit ihnen das N. Testament vornehme zu tractiren/ daß sie ohngesucht einiges/ so zu der Erudition gehört/ allein darauff acht geben/ was zu ihrer erbauung diensam: Und zwar/ daß sie selbsten die erlaubnüß haben/ jeglicher jedesmahl zu sagen/ was ihm von jeglichem versicul deuchtet/ und wie er denselben zu eignem und anderer gebrauch anzuwenden finde/ da der Professor als Director was wol beobachtet/ mehr bekräfftigen/ wann er aber von dem rechten zweck sie abzuweichen sihet/ denselben freundlich und klärlich auß dem Text zeigen/ und in was gelegenheit diese oder jene Regel in die übung zu bringen/ weisen würde. Dabey dann solche verträulichkeit und freundschafft unter den Commilitonibus gestifftet werden möchte/ daß sie nicht nur allein einander zu übung dessen/ was sie höreten/ vermahneten/ sondern jeglicher bey sich forscheten/ wo sie solche Regeln bißher möchten nicht beobachtet haben/ und nachmal so bald trachteten/ solche ins werck zu setzen/ auch sich unter einander beredeten/ auff einander zu sehen/ wie je ein und anderer sich darzu schicken würde/ mit darzu gehöriger brüderlicher erinnerung: Ja wol einander selbst und ihrem Professori rechenschaft zu geben/ wie sie in dieser oder jener gelegenheit sich den vorgegeben Regeln gemäß bezeuget: da dann in solcher vertraulicher Conferenz, wo jede sache/ was sie angehet (dann sie sich gleich zu gewehnen/ von andern nicht vermessenlich zu urtheilen/ oder einen frembden knecht zurichten) nach Gottes Wort examiniret wird/ sich bald zeiget/ wie weit man proficiret/ und wo noch vornehmlich zu helffen seye. Es würde aber der Professor keine andere Meisterschafft über das ihm anvertrauende gewissen arrogiren/ als daß er als ein geübterer ihnen auß unsers einigen Meisters Wort/ das jenige zeigte/ was er von jeglichem fall halte/ und je mehr und mehr/ als sie selbst geübet werden/ mit ihnen collegialiter von allem schlösse.

Wo solches eine weil mit hertzlicher und eifferiger anruffung Gottes continuiret würde/ auch sonderlich jeder/ vornehmlich wo er zu dem H. Abendmahl sich schicken wolte/ den zustand seines gewissens dem gesampten Collegio vorstellete/ und allemahl dessen rath folgete/ wolte Ich nicht zweiffeln/ es solten in kurtzer zeit herrliche Profectus in der Gottseligkeit folgen: so dann wo es einmahl recht angefangen/ immer mehrere mit nutzen darzu gezogen/ und endlich solche leute auß ihnen werden können/ welche rechtschaffene Christen würden/ ehe sie in das Ampt tretten/ da sie andere darzu machen sollen/ und also die sich eher befleissen zu thun als zu lehren: so die rechte art ist der wahren Lehrer in der schul unsers Heylandes/ wie solches mein hochwerther Freund und in dem Herrn geliebtester Bruder/ welcher den schaden Joseph ihm wol inniglich zu hertzen zeucht/ Herr Gottlieb spitzel/ in seiner Veteri Academia Jesu Christi, mit so lieben und würdigen Exemplis vorstellet. Dessen pius literati hominis secessus seu à profanae doctrinae vanitate ad sinceram pietatem manuductio, auch ein über allemassen nützliches werck/ sehr vielen vorschub und liecht zu dem vorhaben/ gottselige Theologos zu machen/ geben kan/ auch von denen zu dem rechten zweck sich schickenden studiosis allen billich gelesen werden kan.

Neben diesem zu ihrem eigenen Christenthum dienlichen Exercitiis, solte auch wol nützlich seyn/ wo ihnen von ihren Praeceptoribus gelegenheit gemacht würde/ zu einigen vorübungen der dinge/ damit sie in ihrem ampt dermahl eins umbzugehen haben werden: Zuweilen einige unwissende zu unterrichten krancke zu trösten/ und dergleichen; Vornehmlich aber in den Predigten sich also zu üben/ daß ihnen bald gezeigt werde/ wie sie alles in solchen Predigten zu der erbauung einzurichten. Wie Ich dann jetzo noch dieses vor das 6. mittel anhänge/ wodurch der Christlichen Kirchen zu besserem stand geholffen werden möchte/ wo nehmlich die Predigten auch also von allen eingerichtet würden/ daß der zweck deroselben/ nehmlich glaube und dessen früchten/ bey den zuhörern bestmüglichst befördert werden. Es ist zwar freylich an dem/ daß wenig Ort unserer Religion seyn werden/ da mangel solte seyn/ daß nicht gnug Predigten gehalten würden. Aber viel gottselige gemüther finden gleichwol nicht wenig mangel an vielen Predigten. indem es solche Prediger gibt/ welche öffters ihre meiste Predigen mit dergleichen dingen zubringen/ damit sie sich vor gelehrte leute darstellen/ obs wol die Zuhörer nicht verstehen: Da müssen offt viele frembde sprachen herbey/ da etwa nicht ein einiger in der Kirchen ein wort darvon weiß: Wie manche tragen wol etwa mehr sorge davor/ daß ja das Exordium sich recht schicke/ und die zusammenfügung artig; daß die Disposition kunstreich und etwa verborgen gnug; daß alle Theile recht nach der Redekunst abgemessen und außgeziert seyen/ als wie sie solche Materien wehleten und durch GOttes Gnade außfůhreten/ darvon der Zuhörer im leben und sterben nutzen haben mag. so solle es nun nicht seyn/ sondern weil die Cantzel nicht derjenige Ort ist/ da man seine kunst mit pracht sehen lassen/ sondern das Wort deß Herrn einfältig/ aber gewaltig predigen/ und dieses das Göttliche mittel seyn solte/ die leute selig zu machen/ so solte billich alles auch nach diesem zweck gerichtet werden. Und hat sich darinnen der Prediger vielmehr nach seinen zuhörern/ weil sie nach ihm nicht können/ zu richten: Allezeit aber mehr auff die einfältige/ so den meisten theil machen/ als auff etliche wenige gelehrte/ wo sich dergleichen antreffen lassen/ zu sehen.

Gleich wie nun der Catechismus die erste rudimenta deß Christenthums in sich fasset/ und alle auß demselben zu erst ihren glauben gelernet/ so solle nicht nur derselbe/ vielmehr dem verstand als worten nach/ immer fleissiger in Kinder-lehren/ auch wo man die alte darbey haben kan/ sowol bey denselben/ getrieben/ und ein Prediger darüber nicht müde werden: sondern hat der Prediger gelegenheit/ so thut er auch wol in den Predigten das jenige immer den leuten wieder vorzulegen/ was sie einmahl gelernet/ und sich selbst dessen nicht zu schämen.

Was ein und andere anmerckungen sonsten sind/ die bey den Predigten zu beobachten/ übergehe hier gern. Das vornehmste aber achte Ich dieses zu seyn/ weil ja unser gantzes Christenthum bestehet in dem innern oder neuen menschen/ dessen seele der Glaube und seine würckungen die früchten deß lebens sind: Daß dann die Predigten insgesampt dahin gerichtet solten werden. Eins theils zwar die theure Wolthaten Gottes/ wie sie auff den innern menschen zielen/ also vorzutragen/ daß daher der glaube und in demselben solcher innere mensch immer mehr und mehr gestärcket werde: Anderen theils aber die werck also zu treiben/ daß wir bey leibe nicht zu frieden seyen/ die leute allein zu unterlassung der äusserlichen laster und übung der äusserlichen tugenden zu treiben/ und also gleichsam nur mit dem äusserlichen menschen es zu thun zu haben/ das die Heydnische Ethic auch thun kan: sondern/ daß wir den grund recht in dem hertzen legen; zeigen/ es seye lauter heucheley/ was nicht auß diesem grunde gehet/ und daher die leute gewehnen/ erstlich an solchem innerlichen zu arbeiten/ die Liebe GOttes und deß Nächsten bey sich durch gehörige mittel zu erwecken/ und nachmahl auß solchem erst zu würcken. Daher auch solle man fleissig treiben/ wie alle Göttliche Mittel deß Worts und sacramenten/ es mit solchem innerlichen Menschen zu thun haben/ und es ja nicht gnug seye/ daß wir das Wort mit dem äusserlichen ohr hören/ sondern wie wirs auch in das hertz dringen müssen lassen/ daß wir daselbst den Heiligen Geist reden hören/ das ist/ seine versiegelung und krafft deß Worts mit lebendiger bewegung und trost fühlen: Also/ daß es nicht gnug seye/ getaufft seyn/ sondern/ daß unser innerlicher mensch/ darinnen wir CHristum vermittels desselben angezogen/ ihn auch müsse anbehalten/ und dessen zeugnüß an dem äusserlichen leben zeigen: Daß es nicht gnug seye/ äusserlich das Heil. Abendmahl empfangen zu haben/ sondern/ daß auch unser innerlicher mensch durch solche selige speise müsse wahrhafftig genehret werden: Daß es nicht gnug seye/ äusserlich mit dem munde zu beten/ sondern/ daß das rechte und vornehmste gebet in unserm innerlichen menschen geschehe/ und sich entweder in die wort erst außlasse/ oder aber wol gar in der seele bleibe/ und doch daselbst GOTT finde und antreffe: Daß es nicht gnug seye/ GOtt seinen Dienst in dem äusserlichen Tempel zu leisten/ sondern/ daß unser innerliche mensch den vornehmsten dienst GOtt in seinem eigenen Tempel/ er seye jetzt in dem äusserlichen oder nicht/ leisten müsse; und was dergleichen ist. Darauff/ weil darinnen die rechte krafft deß gantzen Christenthums stehet/ sind billich ins gemein die Predigten zu richten. Und würde gewißlich/ wo solches geschehe/ vielmehr erbauung als auff diese weise bey vielen geschiehet erfolgen. Ein herrliches Exempel dessen haben wir an gegenwärtiger deß sel. theuren und geistreichen Lehrers weiland Herrn Johann Arndten Postill. Gleichwie solcher vortrefflicher Lehrer und Nachfolger Lutheri, den er auch so gar in denen allermeisten etwa von einigen übel-verstandenen/ und daher mißdeuteten/ Redens-arten zum vorgänger hat/ in seinen übrigen geistreichen schrifften alles auff den rechten kern den innern menschen gerichtet/ also gehet auch diese hiermit auffs neue der Christlichen Kirchen vor augen legende gantze Postill auff solchen hauptzweck. Dahero gleichwie in seinem leben seine Zuhörer dessen herrlich erbauet worden/ so haben auch bißher die krafft solches Methodi und gottseliger Arbeit/ viel tausend fromme seelen kräfftig empfunden/ GOTT vor solche theure gaben demühtig danck gesagt/ und deß lieben Autoris gedächtnüß in dem segen destomehr erhalten. Es hat solchen nutzen dieses herrlichen Buchs unter andern auch bezeuget/ die mehrmahlige aufflage desselben/ so doch allemahl abgegangen/ und immer mehr und mehr gesucht worden. Darmit gezeiget/ es sey diese Arbeit nicht der jenigen art/ wie so viel andere/ die mit ihrem Autore so bald sterben/ oder nicht länger angenehm sind/ als sie ihrer neulichkeit wegen von deroselben begierigen leuten gebraucht werden. Es bedarff aber weder der Autor selbst noch diese gegenwärtige/ auch andere seine Arbeiten meines ruhms/ und bin Ich der jenige nicht/ durch dessen zeugnüß sein preiß vermehret werden möchte/ der ich mirs vielmehr vor eine ehr und nutzen halte/ unter seinen Discipulis ihn zu ehren: Jedoch bin Ich gewiß/ wo nach dieser art alle unsere Lehr/ schrifften und Predigten eingerichtet würden/ so würde es gewißlich so vieler Klagen nicht bedörffen/ wie wir billich jetzo offters führen müssen.

Ich überlasse aber lieber jedes Lesers eigenem erfahren und fühlen/ was Ich sonsten/ wo Ich es thun solte/ von diesem Werck zu rühmen hätte/ und kehre mich allein darzu/ dem Christlichen Leser hiermit anzudeuten/ was eigentlich in dieser neuen Edition, zu nützlichem gebrauch gethan worden. Darvon derselbe folgendes zu mercken hat. I. Daß man die vorige Merianische Edition, nach deren eigentlich der nachdruck geschehen/ mit andern conferiret/ deroselben übersehen und die fehler/ wie sich dann hin und wieder gefunden/ darauß gebessert/ auch was drinn gemanglet ersetzet. Daher hier auch behalten und befindlich/ was in den vorigen Editionen mit vertirung der angezogenen Lateinischen allegaten/ ergäntzung der kurtz angedeuteten sprüche und Texte rc. gebessert/ auch in der Merianischen Vorrede angedeutet worden. II. Weil die PassionsPredigten an unterschiedlichen orten gestanden/ als sind sie zusammen gesetzt worden/ so man dem Leser angenehmer zu seyn hoffet: Welches auch mit andern in dem Appendice befindlichen Predigten geschehen/ so zu ihren Festen oder stellen/ wo sichs füglich geschicket/ eingerückt worden. Wie das Register der Predigten auß gegenhaltung deß vorigen zeigen wird. III. Ist der Druck also eingerichtet/ daß obwol diese Edition reichlicher/ und hingegen an leßlichkeit der Buchstaben nichts abgehet/ gleichwol in dem Papier es umb ein merckliches/ umb in einem bund zu haben/ eingezogen. IV. so sind (welches in der vorigen Merianischen Edition zwar versprochen/ aber nicht geleistet worden) nicht nur denen angezogenen Capiteln der schrifft auch die versiculi beygesetzt/ sondern fast unzehlige/ deren stelle nicht benennet gewesen/ welche der sel. Autor gemeynet/ außgetrucket und citiret worden/ zu grossem behuff deß lesers. V. Weil wir gewünschet/ nachdem bey der geistreichen Arbeit dieses lieben Manns/ über die Psalmen/ auch seine Catechismus-Erklärung angehänget worden: Hingegen sein Wahres Christenthum/ sodann seine Opuscula, Lehr- und TrostBůchlein/ Lehre von der Vereinigung mit Christo/ und Repetitio Apologetica, oder Widerholung undVerantwortung der Lehre von dem Wahren Christenthum/ zusammen/ noch erst neulich auffgeleget worden: sein Paradieß-Gärtlein aber aller Orten offt angetroffen wird/ daß dann/ wo noch etwas von solchem herrlichen Mann befindlich/ so sich in solchen Wercken nicht antreffen liesse/ diesem mit einverleibet/ und also alle übrige Brosamen erhalten würden; als hat sich nach fleissiger untersuchung nichts anders finden wollen/ als einige so Huldigung als Landtags-Predigten/ sodann sein so genanntes Informatorium Biblicum, welche aber auß solcher ursach (obwol dieses letztere von einigen nicht seine/ sondern eines seiner Liebhaber arbeit zu seyn/ geachtet wird) auch hier den übrigen beygesetzt worden.

6. Weil bey jeglichem Buch ein wolgemachtes Register nit nur eine herrliche zier de (daß jener seinen guten Freund/ einen vornehmen Theologum, dessen Bücher mit keinen oder schlechten Registern versehen gewesen/ erinnerte/ sie gemahneten ihn an eine sonst gezierte Jungfrau/ dero aber ein Krantz auffzusetzen vergessen worden) sondern dem Leser/ eine sonderliche hülffe ist/ das gelesene auff den bedörffens fall wieder zu finden/ und alles zu besserm nutzen anzuwenden/ also sind auch gegenwärtiger Edition 3. Register/ als nehmlich der Predigten/ der sprüche der schrifft/ und dann der denckwürdigen Materien mit angefüget/ und also was noch in allen Editionen gemanglet/ an dieser gegenwärtiger ergäntzet worden. Wie nun dieses alles mit fleiß beobachtet/ und daran keine mühe und kosten gesparet worden/ also zweiffle Ich nicht/ daß der Christliche Leser an gegenwärtiger Edition ein sattsames vergnügen haben/ und sich in gebrauch derselben durch GOttes Gnade herrlich erbauen werde können. Wie Ich dann auch zu desselben nachricht mehrers nicht hinzu thun/ sondern wie obangeregt seiner eigenen erfahrung/ was er vor behuff in diesem Buch dieses mahl finden werde/ lieber überlassen wil.

Darbey Ich ihn aber treulich ermahne/ wo er je zuweilen in diesem und andern deß theuren Mannes Wercken einiges von Redarten oder Lehren finden solte/ welche dem ersten ansehen nach ihm frembd vorkommen möchten/ er wolle sich in dem urtheil nicht übereilen/ sondern dem rechten verstand derselben mit hertzlichem gebet reifflich nachsinnen: Da Ich nicht zweiffele/ er werde selbst finden/ daß alles der H. schrifft und der darinnen uns vorgeschriebenen Lehr-art allerdings gemäß/ von aller falschen lehr entfernet: Hingegen zu rechtschaffener erbauung deß wahren/ nicht in eitelem ruhm der nur in den Lehrsätzen bestehenden orthodoxiae, sondern mit lebendiger erkanntnüß erfülleten Christenthums/ und wohin dasselbe abzwecket/ deß innern menschen/ gerichtet seye? Worzu Ich einem fleissigen Leser/ deß nicht nur Wahren Christenthums/ sondern auch anderer Arndischer Bücher/ die deß damit umb die wahre gottseligkeit wolverdienten sel. Henrici Varenii rettung deß Wahren Christenthums (welches Buch auch neu wieder auffgelegt und gemeiner zu werden/ oder umb nit das ansehen zu haben/ daß die alte strittigkeiten wieder hervor gesucht würden/ die erklärungen selbsten so zu seinem schutz und rechten verstand gehören/ von einem der sachen gnug verständigen zusammen gezogen und publicirt zu werden wünsche) zu nützlichem gebrauch nicht gnug recommendiren kan: als worinnen er sehen würde/ wie viel nachtrückliches und erbauliches in denen/ von andern mißverstandenen stellen/ wo sie recht untersuchet werden/ stecke.

Ich ruffe letzlichen den grund-gütigen GOtt und geber alles guten inbrünstig an/ gleichwie er viel guten saamen seines worts/ durch diesen seinen treuen knecht/ den er nunmehr lang in seine freude eingeführet/ weiland außstreuen lassen/ auch viele Körnlein davon biß daher in gottseligen hertzen zu nit geringer frucht kräfftig gesegnet hat (darvor ihm ewiger danck gesaget seye) also wolle Er noch ferner segen geben/ zu seiner noch vor augen ligender/ und auch in dieser Edition zu weiterm gebrauch eingerichteten Arbeit; daß viele hertzen/ die mit andacht und einfalt ihre erbauung sonntags nechst der heiligen schrifft in diesen Predigten suchen werden/ sie auch reichlich darinnen finden/ und Ihme wiederumb darvor ihre früchten deß danckens bringen mögen. Ja/ daß auch viele Lehrer selbst angefrischet werden/ mit solcher einfalt und nachtrücklichkeit den kern deß Christenthums in ihren Predigten nach diesem Model zu treiben: insgesampt aber/ daß dieses auch ein mittel seyn möge einiger fernern besserung deß oben so hertzlich beklagten elenden zustandes unser Kirchen/ alles zu sein deß grossen GOttes selbst Ehre/ und welche auf dieselbe zwecket/ seines Reichs beförderung umb JESU CHristi willen. AMEN.

Franckfurt am Mayn/ den 24. Martii, 1675. Philipp Jacob spener/ D. Prediger und deß Minist. sen. daselbst.