Spener, Philipp Jakob - An eine adelige Jungfrau,

Im Juni 1692.

Ihr geliebtes Brieflein hat mich billig nicht wenig erfreut, weil ich aus der gegen mich Unbekannten bezeugten Liebe, die auf nichts anders als die Liebe göttlichen Worts, dessen Diener ich bin, sich gründen kann, erkenne, daß der himmlische Vater sie kräftig zu sich zu ziehen angefangen habe, und also auch nach seiner Verheißung sein Werk nicht stecken bleiben lassen wird. Hat es nun dessen Güte gefallen, meine wenigen Schriften an ihr zu einiger Erbauung zu segnen, so preise ich billig aufs demüthigste den Geber alles Guten, und lege die Ehre dessen einig und allein seinem heiligsten Namen bei, der zu Werkzeugen seiner Gnade brauchet, welche er will: ich will auch nicht zweifeln, meine Werthe werde den Grund ihres Glaubens recht aus dem allein unbetrüglichen göttlichen Wort geleget haben, und noch ferner darauf bauen, wie wir denn zu diesen Zeiten, da der Irrthümer so viele, und solche manchmal so scheinbar sind, keinen andern Meister sicher annehmen, dem wir unsere Seele und Heil lediglich anvertrauen möchten, als Christum, den uns der Vater zu hören selbst anbefohlen hat. Folgen wir diesem allein, und prüfen hingegen nach seinem Wort alles, was wir von Andern hören, so stehen wir recht sicher, und werden von keinem Winde gefährlich umgetrieben werden. Ich stehe auch in gutem Vertrauen, daß, gleichwie sie ihren liebsten Heiland allein zum Lehrmeister erkoren, sie ihn auch allein zum Grund ihres Heils geleget hat, wie sie nämlich in der heiligen Tauf in seinen Tod getauft, alles seines Todes und Auferstehung, alles seines Verdienstes, Genugthuung und Gerechtigkeit theilhaftig worden, und in den Bund getreten seie, indem sie um solches ihres Jesu Willen von dem himmlischen Vater eine tägliche und ewige Gnade, Vergebung der Sünden und Freiheit empfangen habe, und also als dessen wiedergeborne Tochter in das geistliche Leben gesetzet der vollkommenen Gerechtigkeit ihres Erlösers im Glauben genieße, und wo sie es nur erkennen und sich dessen annehmen will, wahrhaftig selig sein. Welche Seligkeit auch noch hier in diesem Leben mit der Versicherung des künftigen völligen Genusses mit keiner Weltherrlichkeit und Glückseligkeit zu vergleichen ist, die ich auch wünsche, daß sie sie täglich erwäge, darin ihre Freude und ihres Glaubens Speise suche, auch dadurch immer an dem innern Menschen zunehme, deßwegen aber auch das heilige Wort Gottes und die Sacramente, so uns diese theuren Schätze vortragen, in desto höherem Werth halten werde. Dieser Glaube ist nachmal allein, gleichwie dasjenige, damit sie stets von dem Thron und Gericht Gottes, wo unsre Heiligkeit einmal zulänglich wäre, erscheinen kann; also auch dasjenige, daraus sie Kraft empfangen wird, mehr und mehr der Welt und ihr selbst der Ehre, Reichthum, Lust, und was irdisch ist, abzusterben und dem Herrn allein zu leben, nicht nach dem Fleisch, sondern nach dem Geist. Wie denn der treueste Heiland, der uns so theuer zu seinem Eigenthum erkauft hat, nichts anders zur Dankbarkeit von uns erfordert, als daß wir ihm unser Leib und Seele hinwiederum zu einem heiligen und lebendigen Opfer dargeben, täglich ablegen den alten Menschen, der durch Lüste in Irrthum sich verführet, uns erneuern im Geist unsers Gemüths, auch den neuen Menschen anzuziehen, der nach Gott geschaffen ist in rechtschaffener Gerechtigkeit und Heiligkeit, und also zu wachsen zu einer göttlichen Größe. Nun, was ich hoffe, das wünsche ich auch, daß der Gott des Friedens sie heilige durch und durch, und ihr Geist ganz sammt Seele und Leib müsse behalten werden unsträflich auf die Zukunft unsers Herrn Jesu Christi. Getreu ist er, der sie rufet, welcher wirds auch thun.

Quelle: Renner, C. E. - Auserlesene geistvolle Briefe der Reformatoren