(da Christus 12 Jahr war), Domin. I. Post Epiphan., von 1. dem Kreuz und Trost der Jungfrauen Mariä und aller Gläubigen, 2. von den fürnehmsten jüdischen Festen und von christlicher Kinderzucht. Aus dem Munde Doct. Nicolai Selnecceri, Superintendenten zu Leipzig, nachgeschrieben und zu Trost und Erinnerung vieler frommen Christen in Druck gegeben.
Text: Luc. 2, (V. 41-52).
Geliebte im Herrn Christo. In diesem Evangelio sehen eure Liebe, wie der Herr Christus, der Sohn Gottes und Mariä, seine Mutter, die Jungfrau Maria sammt dem Joseph führet in die Kreuzschule, in gross Bekümmerniss und Elend, dass sie nun meinen, es sei gar aus, und sie haben sich an Gott also versündiget durch ihre Nachlässigkeit, dass nun Maria ihren Sohn verloren habe, die zuvor Freude hatte gehabt in ihrem Herzen und gefrohlockt und sich gerühmt vor allen andern Weibern in der Welt, dass sie sei erkoren und erhoben zu der Mutter des Herrn Christi, und dass sie einen Sohn habe, der nicht allein ein schlechter Mensch, sondern wahrer Gott und Schöpfer und Erhalter aller Dinge, ihr und aller Gläubigen Erlöser und Seligmacher sei.
Diese Freude hat sie in ihrem Herzen gehabt, wie sie denn Solches gehört von den Engeln, von den Hirten, von den Weisen, auch von ihrer Muhme Elisabeth und nun auch durch den heiligen Geist in ihrem Herzen Dess gewiss ist gewesen, dass sie des verheissenen Messiä Mutter worden sei. Jetzt aber geschieht, dass freilich ein Schwert durch ihre Seele dringet, wie sie selbst hier bekennet und spricht: Ich und dein Vater haben dich mit Schmerzen gesucht. Denn ohne allen Zweifel hat sie diese Gedanken gehabt: Siehe, wie hat dich Gott vor allen andern Weibern begabt und dir diesen Sohn gegeben, welcher nicht allein dir helfen und dich selig machen soll, sondern auch die ganze Welt. Nun aber hat dir Gott der Herr diesen Sohn, dieses Kind, diese Freude wieder genommen, und da bist du Ursach dazu durch deine Nachlässigkeit und Undankbarkeit, dass du Gott nicht hast dafür gedankt, wie ein Kind sich vor der hohen Majestät erzeigen soll; darum nimmt Gott dir deinen Sohn wieder weg. Wie ein Mensch ist gewesen eine Ursach der Sünden und hernach alles Unglück auf alle Menschen ist kommen, also bist du nun eine Ursach vielmehr, denn Eva, dass dieser Herr (der dem ganzen menschlichen Geschlechte sollte wieder helfen und sie erlösen und selig machen von allen ihren Sünden) nun ist wieder weggenommen. Mit den Gedanken geht die Jungfrau Maria um bis an den dritten Tag, da ihr Herz hätte wohl mögen vor Trauern und Leid zerspringen, wie ein jedes frommes Christenherz kann abnehmen. Und ist also die Jungfrau Maria in die Kreuzschule geführt worden, auf dass sie lerne, was des Herrn Christi Reich und Process in diesem Leben sei. Maria hat hier im Leben nicht das Paradies gehabt, sondern ist immerdar in die Kreuzschule geführt worden, bis sie aus diesem Jammerthal in das ewige Leben und in die ewige Freude und Seligkeit ist versetzt worden, wie andere christgläubige Menschen, die an Christum gläuben, in das ewige Leben gesetzt werden.
Es ist aber hier in diesem Evangelio die grosse Lehre von dem allergrössten und höchsten Leid, das in der Welt ist, welche Lehre wenige Herzen und Leute begreifen oder verstehen können, jedoch bisweilen in der Gläubigen Herzen erfunden wird, dass die Gläubigen gedenken, sie haben ihren Heiland verloren, seufzen ihrer Bekümmerniss und Leid, sondern wenn's das Gewissen antrifft, und fühlen den Zorn Gottes in sich, meinen, sie sind verstossen, verloren und verdammt aus gerechtem Zorn Gottes wegen der Sünden, da sie denn gedenken: Ach, wo ist nun mein Herr Christus? Wo ist seine Genugthuung, seine Menschwerdung und Geburt, sein Leiden und Sterben, sein Verdienst und ganzer Gehorsam? Wo ist es Alles? Will es mir nicht zu Hilfe kommen in meinen grossen Nöthen? In meinem Todeskampf? In meinem Angstschweiss, was ich Niemand darf sagen und klagen, denn allein Gott, meinem Herrn? Niemand weiss ich, denn unsern Herrn Christum, Gott meinen himmlischen Vater, zu dem ich fliehen könne. Aber wo ist er jetzt? Wie bin ich so verlassen von Vater und Mutter und von Jedermann? Ach, wie lässt mich Gott sterben? Wann werde ich fröhlich werden? Wann werde ich gewiss, dass Gott mein gnädiger Gott ist? Wann habe ich Trost und Freude? Wann komme ich zu ihm, dass ich Gnade finde? Das sind grosse und schwere Püffe. Solches befinden und haben bisweilen die Gläubigen, und weiss davon zu reden nicht Jedermann, sondern zuweilen die grössten Heiligen, wie wir sehen am David in seinen Psalmen, dass er solche Gedanken gehabt, er hätte wohl gemeint, es sollte ihm Nichts fehlen an Gott, er wolle standhaftig genug sein; aber wiederum sagt er: Wenn du dich ein wenig verbirgst, versteckst und dein Angesicht und väterliche Hand entzeuchst, so gehe und falle ich dahin und sehe mich um, finde weder Hilfe, Rath, That, noch Trost, in Summa, Christum habe ich verloren, und ich weiss keinen Weg, wie ich ihn wiederfinden soll, du musst es selbst thun, Herr Gott, Vater, du bist mein Rath, darum komme ich zu dir. Meine Vernunft, Verstand, Weisheit, freier Wille, Stärke, Frömmigkeit und zeitlich, irdisch Sinnen will es nicht thun. Wir finden aber, suchen und ergreifen Christum, wie hier stehet, im Tempel, in der Kirche, in seinem Worte und heiligen Sacramenten, in der Taufe und im Abendmahl des Herrn, und halten uns an seine Verheissung. Und wenn wir gerathen in Schwermuth und Angst, in Zittern und Zagen, dass wir meinen, wir haben Christum verloren, wenn er sich ein wenig versteckt oder verbirgt und nicht bald hilft, sondern lässt uns ein wenig zappeln, so sollen wir uns begeben und zu ihm finden in die Kirche oder in das Heiligthum, wie David sagt, und uns halten zum Hause Gottes, zu seinem Worte und Verheissung und ihn ergreifen bei seinem allmächtigen Munde, theurer Verheissung, beständiger Wahrheit und seligmachendem Wort und heilsamem Namen und sagen: Mein Helfer und Seligmacher, du hast mir zugesagt, du willst mir helfen, du wirst deinen Namen meinethalben nicht verlieren, Herr, ich lasse dich nicht, du hilfst mir denn, Herr, ich habe dich verloren (wie mein elendes Fleisch und Blut gedenkt), du lässt mich in meinem Kreuz stecken, mein Gewissen und meine Sünde wachen auf, Herr, ich will dich suchen. Wo aber? Wo finde ich dich? Ich will gehen und überall suchen, den meine Seele lieb hat. Wohlan, im Tempel finde ich dich, da will ich dein Wort anhören, das mit Herzen annehmen und mich darauf verlassen, so finde ich dich, und also bleibst du bei mir und ich in dir, und bleibet also Einer bei und in dem Andern, und findet Einer den Andern nicht bei uns an hohen Orten, sondern bei deinem Wort in der Krippe, da bist du eingewickelt in die Schrift der Propheten und Apostel, das ist, in deinem eigenen Wort und heiligen Sacramenten. Herr, von dir will ich nicht lassen, denn du lässest nicht von mir! Wenn du mir gleich den Rücken wendest, Herr, ich laufe doch nach und schreie dir nach, rufe, geile und suche dich, und wenn du gleich sauer sähest, so bitte und flehe ich doch, wie ein armes, verlassen, betrübtes Kind, erbarme dich mein, Herr, wende dein gnädig Angesicht zu mir und erhöre mein Gebet“ Lass mich nicht in meinen Nöthen stecken! Und wenn du gleich mir den Rücken zukehrest und etwas sauer sähest, so thust du es doch nur darum, auf dass ich desto mehr soll anhalten mit dem Gebet. Und das ist der Christgläubigen Gedanke, Rede und Leben.
Die sicheren aber und ruchlosen Leute wissen Nichts davon, und wenn sie gleich den Herrn Christum bedürfen, so finden sie ihn in ihrer Unbussfertigkeit gar nicht; denn er ist zu weit von ihnen, und sie sind fern von ihm. Bei Zeiten aber soll man sich zu Christo finden und sein Wort fleissig hören und annehmen und sich von Herzen darauf verlassen, und wenn wir in unseren Ängsten meinen, wir haben ihn verloren, sollen wir ihn bei seinem Wort in der Kirche suchen, und wenn er sich versteckt, bei seiner Verheissung im Predigtamt und bei den Sacramenten und im Gebet wiederhaschen und stracks sagen: Herr, bleib bei mir in meinem Leben, in meinem Kreuz, in meiner Angst und in Todesnöthen und hilf mir zum ewigen Leben. Sei mir gnädig und gieb mir die ewige Seligkeit um deines Namens, um deines Leidens, um deiner Wahrheit, um deiner selbst eigenen Ehre willen.
Das sei also gesagt zum Eingang, frommen Herzen zur Lehre und zum Trost. Sind etwa fromme Herzen, die Das fühlen und stecken in grossem Kreuze, die sollen sich hieher zum Exempel der Jungfrau Maria finden und da Trost suchen, und ob es schon währet zween oder drei Tage, vier oder fünf Monate, ja sechs, zehn, zwanzig Jahr und wie man singt: Ob es schon währt bis in die Nacht und wieder an den Morgen etc. (wie denn sich man fromm Herz mit solcher schweren Angst bis in die Grube geschleppt hat und doch im wahren Erkenntniss an den Herrn Christum verschieden ist), wenn es gleich, sage ich, also kommt, dass man gedenkt und sagt: Ach, der Herr Christus ist weit, ich habe ihn verloren, so schadet's doch nicht, wenn wir uns nur an sein Wort halten, unsern Catechismum vor uns nehmen und beten Remitte nobis und Credo sagen können und beten und befehlen uns in seinen Schutz und Schirm, und weil er's ja haben will, dass wir mit solcher Angst sollen beladen und geprüft werden, ei, so geschehe sein gnädiger Wille, er meint's ja nicht böse, denn er ist mein Gott und Vater, und Gottes Sohn ist mein Bruder, mein Erlöser und Heiland, Grund und Fundament meines Glaubens. Ich will ihn bekennen bis an mein Ende. Ich habe sein Wort und Verheissung. Er ist mein gnädiger Gott, ich weiss, er wird mich nicht verlassen, sondern mir helfen, und wenn die Noth und das Kreuz am höchsten und schwersten, sauersten und unträglichsten ist, so kommt er mit seiner gnädigen Hilfe und schreiet ins Herz: Du bist mein Kind, mein Bruder, mein liebster Schatz, ich habe dich mit meinem theuern Blut erlöset, erarnet, abgewaschen, gereinigt, erkauft, du bist mein Miterbe, meine Schwester, von meinetwegen sollst du haben ewiges Leben und ewige Seligkeit, und wo ich bin, da sollst du auch sein. Das fühlen gläubige Herzen auch in ihrer grössten Schwermuth, wenn gleich die Welt anders urtheilt. Der heilige Geist bläset immer einen Trost ins Herz und giebt uns einen Blick der Sonne der Gerechtigkeit, dass, wenn man meinet, man sei in grossen Nöthen mitten in der Fluth, im Strom, im Feuer, unter dem Rad, im Tod, in Ungnaden und unter Gottes Zorn, so lässt Gott sein väterlich Angesicht mit lachendem Munde fröhlich sehen und vertröstet uns, dass er uns nicht verlassen, sondern uns helfen wolle, so wir beständig bleiben im Kreuz. Ja, er selbst sagt zu uns: Ich bin dennoch dein Bruder, dein ott, dein Helfer, dein Erretter, wenn du gleich gedenkst, du seist verlassen. Ich will dich doch nicht verlassen, sondern dein Gott und Bruder sein und bleiben in Ewigkeit. Was willst du mehr? Was ferner das Evangelium anlanget, sehen wir, wie der Herr Christus sich dem Gesetz unterwirft, lässt sich (wie wir am neuen Jahrestag gehört haben) selbst beschneiden und thut sich unter das Gesetz, auf dass er Die, so unter dem Gesetze waren, erlösete von dem Fluch des Gesetzes, wie St. Paulus redet.
Das Gesetz hatte in sich eine sonderliche Ordnung. Im andern Buche Mosis am 23. Cap., im dritten Buche Mosis am 23. Cap., im V. Buche Mosis am 16. Cap. Stehet diese Ordnung, dass Gott der Herr den Juden befiehlt, dass sie jährlich sollten zusammenkommen drei Mal auf grosse, hohe Feste, wiewohl sie ohne Das täglich sind zusammengekommen und sich unterredet von Gottes Wort und von Gottesdiensten, wie sie denn auch ihren Sabbath alle Wochen und alle Neumonde, wenn der neue Monat anging, ihre Feste hatten, auch über Das das Posaunenfest und das Versöhnfest.
Dennoch ordnet Gott noch drei fürnehme Feste, als: das Osterfest, das Pfingstfest und das Lauberhüttenfest. Da musste auf solche Feste alles Volk zusammenkommen aus dem ganzen jüdischen Lande, und mussten sieben Tage diese Feste begehen, und Das war Gottes Ordnung.
Da kommt nun der Herr Christus, da er zwölf Jahr alt ist, und seine Ältern stellen sich mit dem Kindlein zu Jerusalem auf das Osterfest, und unterwirft sich der Herr Christus also diesem Feste auch, da er's nicht hat bedurft. Aber die Juden mussten's halten, auf dass sie da Gott dankten für die grossen Wohlthaten, die ihnen Gott erzeigt hat, wie die Historien und Geschichten anzeigen. Denn das Osterfest war geordnet, dass sie sollten Gott danken für die Ausführung und Erlösung des Volkes aus Ägypten.
Das Pfingstfest war geordnet, dass sie sollten Gott danken für das Gesetz, das er ihnen gegeben hat auf dem Berge Sinai. Das Lauberhüttenfest war verordnet, dass sie sollten Gott danken für den gnädigen Schutz und Schim, dass er sie behütet hat vierzig Jahre lang und sie geführt durch die Wüste, da er sie eingeführt und gesetzt in das verheissene gelobte Land. Zu solcher Danksagung waren diese Feste geordnet, die mussten die Juden halten. Über Das sollten sie auch ihren Glauben stärken auf solche fEste an den verheissenen Messiam. Denn am Osterfest hatten sie das Lämmlein, das war eine Figur und Vorbild des rechten Lämmleins, davon Johannes sagt: Siehe, das ist das Lamm Gottes, das der Welt Sünde trägt. Am Pfingstfeste, wenn sie des Gesetzes gedachten, erinnerten sie sich des rechten Messiä und Erlösers, der ihnen von dem Fluch des Gesetzes helfen und sie erlösen sollte. Das Lauberhüttenfest erinnerte sie, dass sie hier in diesem Leben nicht mehr denn Hütten hätten und ein jeder Mensch hätte was Anderes zu hoffen und sich der ewigen Freude und des ewigen Lebens in lebendiger Hoffnung zu getrösten. Darum Jedermann sich sollte allhier bereiten und wissen, dass er nichts Anderes hier in diesem Leben hätte, denn allein eine Herberge und einen Gasthof, da er ist auf der Reise und noch nicht im Vaterlande, sintemal der Sohn Gottes uns führen und helfen will zu dem rechten Vaterland, da hier in diesem Leben nur ein Anfang gemacht soll werden durch den Glauben und durch recht Bekenntniss und Erkenntniss des Messiä, unseres Herrn Jesu Christi.
Zu Dem, so mussten sie auch auf solche Feste ihre Gottesfurcht bezeugen, dass sie zusammenkamen und damit anzeigten, dass sie Gottes Volk wären und ihn fürchteten, und sagten ihm zu, gehorsam zu sein, und sich hielten als Die, die Gottes wort und Gottesdienste unter sich hätten, und dass sie alle Abgötterei fliehen wollten und allein an dem Gott hangen, der ihnen sein Wort gegeben hätte, und würden zugleich auch abgesondert von allen anderen Heiden, die das Wort Gottes und die rechten Gottesdienste nicht hätten, und dass sie auch noch über das Alles gewisslich Dess versichert würden, dass unter ihnen sollte der Messias geboren werden und aus diesem Volk herkommen und seine Lehre in der ganzen Welt ausbreiten.
Das sind kürzlich die Ursachen, warum Gott die Feste verordnet hat im jüdischen Volke. Solcher Ordnung unterwirft sich der Herr Christus und kommt gen Jerusalem und stellt sich da im Tempel.
Nun, liebe Christen, was haben wir aus diesem Exempel zu lernen? Schlechts vorübergehen sollen wir's nicht lassen, mit fleischlichen Ohren sollen wir's auch nicht hören, sondern solch Exempel des Herrn Christi sollen wir lassen ins Herz kommen und derwegen unsere Häupter emporheben und unsere Gedanken aufthun und der Sache nachdenken, wie es Gott haben will und erfordert. Weil nun da kommt der Herr Christus den weiten Weg und lässt sich führen von seinen Ältern gen Jerusalem in den Tempel, da er's doch nicht bedarf (denn er ist Gottes Sohn und nicht ein schlechter, pur lauterer Mensch, sondern ist Gott, Schöpfer und Erhalter aller Dinge und ist eben Der, der die Feste eingesetzt und verordnet hat und der ein Beschützer ist seiner Kirche), kommt nun Der in den Tempel, was sollen denn wir armen, sündhaftigen Menschen thun?
Wir sind Gottes Volk und heissen Christen, sind getauft und haben Gottes Wort, haben rechten Brauch der hochwürdigen Sacramente und haben den Ruhm, dass wir Christen sein und heissen. Wollen wir aber diesen Namen und Ruhm mit der Wahrheit haben, so sollen wir uns auch halten zu dem Tempel und Wort des Herrn Christi und wissen, dass er selbst der Tempel ist und will auch uns Tempel und Wohnung machen, wie er sagt im Johanne am 14: Wer mich liebt, Der wird mein Wort halten, und wir werden zu ihm kommen und Wohnung bei ihm machen.
So soll nun dieses unser grösster und höchster Schatz sein, dass wir Gottes Wort nicht allein lauter und rein haben und behalten, sondern von Grund unseres Herzens lieb und werth haben und es halten für unsern grössten und höchsten Schatz, den wir haben können, vor allen anderen Dingen in der Welt vorziehen und uns in der Welt Nichts so lieb und angenehm sein lassen, als den Tempel und Gottes Wort. Denn eben dadurch können wir erfahren, sehen, fühlen, verstehen und ergreifen und versichert werden, dass wir Kinder Gottes sind und Gott unser gnädiger Vater ist, und dadurch können wir kommen aus aller Angst und Anfechtung und dadurch können wir überwinden die Sünde, den Zorn Gottes und allerlei Schrecken, ja den Tod und Teufel wollen wir mit Füssen treten und mit einem einigen Wort Gottes, welches heisst Jesus, zu Boden schlagen und mit fröhlichem Herzen unsere Augen zu Gott erheben und zu ihm rufen und schreien: Abba, lieber Vater, Solches hören und lernen wir aus Gottes Wort, und dadurch wirket und ist kräftig der heilige Geist; darum sollen wir gern zur Kirche gehen und sein Wort hören und daheim Gottes Wort fleissig lesen und betrachten.
Es soll kein Hausvater noch Hausmutter so träge sein, dass sie nicht selbst gern lesen oder lesen liessen, dergleichen ihre Kinder und Gesinde fleissig dazu halten, dass sie sich zur Predigt, zu Gottes Wort und zu den heiligen Sacramenten fleissig finden.
Es ist ja zu erbarmen, wenn man siehet einen feinen, ehrbaren Mann in einer Stadt oder auf dem Lande und fragt: Wer ist Der und Der? Geht er auch gern zur Kirche? Höret er auch gern Gottes Wort? Und man saget Nein. Denn Das ist das Allerschändlichste und Lästerlichste an einem gesunden Menschen, wenn er nicht gern zur Kirche gehet, ja der auch wohl erschrickt, wenn er höret von Gottes Wort reden. Wahrlich, wenn es ein Mensch nicht kann durch Gottes Gnade so fern bringen, dass man von ihm mit Wahrheit kann sagen, dass er gern Gottes Wort höre und gehe gern zur Kirche und halte sich zum Brauch der hochwürdigen Sacramente, so ist es ja ein hässlich und schrecklich Ding und steht gar gefährlich mit und um ihn, und kommt Gottes Strafe und Vermaledeiung oft auf ein solches Haus und Geschlecht, das sich zu Gottes Wort nicht gehalten hat.
Hier aber in diesem Evangelio sehen wir an Maria und Joseph, dass sie ihr Kind nehmen und führen einen weiten Weg in die zwanzig Meilen Wegs, da es zwölf Jahre alt ist, gen Jerusalem auf's Fest zum Tempel. Hieraus sollen fromme Ältern, Vater und Mutter, ein Exempel nehmen, ihre Kinder aufzuerziehen zu Gottes Lob und Ehre. Wir wissen leider wohl, wie es zugeht, wie wir alte Narren mit unseren Kindern pflegen umzugehen und sie zu erziehen meinen, wenn sie nur zärtlich, zierlich und geberlich erzogen werden, und wir ihnen vor Andern was lassen, dass sie werden vorgezogen, und, wenn wir sterben, sie Etwas von uns bekommen (ist wohl Etwas), so sei es gar wohl, ja Alles gethan und ausgerichtet. Es ist aber Alles Nichts, wenn wir nicht hier anfahen an wahrer Gottesfurcht, am Gehör Gottesworts und an christlicher Zucht. Es sagt der Apostel St. Paulus Ephes. 6: O ihr Ältern, Vater und Mutter, sehet zu, ziehet eure Kinder auf in der Zucht und Vermahnung zum Herrn. Und Deut. 11 spricht Gott: Wo du, der du ein Vater bist, sitzest, stehest oder gehest, sollst du von Gott und seinem Wort reden und seine Gebote halten. Werdet ihr Das thun, so sollt ihr gesegnet sein; gesegnet soll sein euer Ausgang und Eingang. Dies Alles lassen wir alten Narren anstehen,, achten's nicht oder gar wenig. Gott erbarme sich unser! Daher kommen auch so viele Sünden und Strafen in allen Ständen.
1.Nun haben wir Ältern erstlich Gottes ernstlichen Befehl: Das soll Du thun, der du ein Vater und Mutter bist. Deine Kinder sollst du auferziehen und unterweisen von Gott und seinem Wort, in dem Catechismo, sie führen in den Tempel und zur Predigt, dass sie sich in der Jugend gewöhnen zu Gottes Wort und ihr Herz darein fassen, ob sie es schon jetzt nicht Alles verstehen wegen ihres Alters; denn es wird wohl die Zeit kommen, dass sie es bedürfen werden und sich erinnern des Worts, das sie gehört und gelernt haben, und durch welches der heilige Geist will kräftig sein, wenn sie nun aufwachsen und bedürfen in ihrem Amt, in ihren Ängsten und Todesnöthen rechten Trost. Dies ist nun Gottes Befehl, und weil es Gottes Befehl ist, so mag ein Jeder, er sei Vater oder Mutter, gut Achtung drauf geben.
2.Über Das wissen wir, dass Gott der Herr eine natürliche Liebe eingepflanzt hat gegen die Kinder, dass sie ihre Kinder herzlich lieben und ihnen alles Gute gönnen, ja, Vater und Mutter wollen lieber selber krank sein, denn die Kinder sehen in Krankheit liegen, ja, nehmen das Brodt aus dem Munde und geben's den Kindern, ehe denn die Kinder sollen Mangel leiden. Geschieht nun Das im weltlichen Leben, vielmehr sollte solche Liebe gerichtet sein auf das ewige. Willst du, dass deinem Sohne oder deiner Tochter soll geholfen werden in dem zeitlichen Leben, warum hast du nicht Acht darauf, dass es geschehe, was anlangt das ewige Leben und die ewige Seligkeit? Und weil wir gern wollen, dass es unseren Kindern hier in diesem Leben wohl ginge, warum wollen wir denn nicht dahin trachten, dass es ihnen in dem ewigen Leben wohl gehe? Darum man ihnen den Zügel nicht soll zu lang lassen und nicht zusehen, dass sie wider Gott thun, sondern sie in Gottesfurcht auferziehen und zur Schule und Kirche treulich anhalten, in Gottes Wort studiren lassen und zu christlicher Zucht und ehrbarem Leben bei Zeiten gewöhnen.
3.Hiezu gehören nun die Exempel, als: das Exempel des Herrn Christi, welcher uns selbst vorgeht und ein Spiegel ist, wie wir die Kinder ziehen sollen. Seine Ältern nehmen ihn mit sich, da er zwölf Jahr alt war, in den Tempel. Er hat's nicht bedurft, Er ist aber ein Spiegel allen frommen Kindern zur Lehr und Ehr, den bösen Buben aber zur Verdammniss. Denn hat Das der Herr Christus gethan und es doch nicht bedurft, du aber bedarfst's und willst dich nicht halten zum Tempel und zu Gottes Wort, so sollst du auch sehen und gewahr werden der endlichen Strafen Gottes.
Im 18. Cap. Genes. sagt Gott: Wie kann ich Abraham, meinem Diener, verhehlen, was ich thun will mit Sodoma und Gomorrha! Ich kann's ihm nicht verbergen; denn Abraham (spricht Gott) ist fromm, und er wird seinen Kindern und seinem Hause nach ihm zeigen, dass sie des Herrn Wege halten und thun, was recht und gut ist. Dieses sagt Gott und lobet Abraham und zeucht ihn herfür für allen Andern, dass er ihm Nichts könne verbergen, weil er seinen Kindern den Weg des Herrn weisen, und sie darauf leiten und führen werde, dass sie thun, was recht und gut ist. Dieses sollen wir wohl merken. Denn hat Gott Abraham lieb, dass er ihn will segnen, darum, dass er seinen Kindern den Weg des Herrn weiset: so sollen wir auch gedenken, dass wir solchen Ruhm bei Gott erlangen, und nicht allein darauf sehen, wie unsere Söhne und Töchter (wie im 144. Psalm stehet) daher gehen und stehen, wie die ausgehauenen Erker und Paläste, schwänzen und glänzen als ein Spiegel, mit aufgerecktem Hals, wie die schönen Tocken, gehen daher im Gewichte und thun alle Schritte nach der Tabulatur, dass es heisst ein incensus harmonicus, nur immer nach der Mensur einen Tritt nach dem andern, und thun doch Böses, wie wir denn auch nicht darauf sehen sollen, dass wir ihnen nur Geld und Gut lassen, ihnen Viel erkargen, erschinden, erschaben und an uns selbst abkargen. Ach, fürwahr, Das thut's nicht, und thue nur Keiner seiner Kinder halben Etwas im Geringsten wider sein Gewissen, wie es, Gott sei es im hohen Himmel geklagt, leider all zu viel geschieht, dass mancher Vater und Mutter (wie wir sehen, dürfen wir nicht weit gehen) setzen Gott, Gottes Wort und ihr eigen Gewissen hintan wegen ihrer Kinder. Ist Das nicht ein Elend und Jammer! O erzürne Keiner Gott damit, dass er meinet, er wolle seinen Kindern dienen und thut's wider sein Gewissen. Denn damit schadet er seinen Kindern an Leib und Seele, zeitlich und ewiglich.
Diese Exempel des Herrn Christi und Abraham's sollen wir mit allem Fleiss beherzigen und denselben nachfolgen. Andere Exempel zu erzählen will die kurze Zeit nicht leiden. In Schulen pflegt man von Origene und Athanasio zu sagen, die sind von ihren Ältern erzogen in Gottesfurcht. Origenis Vater, Leonides, da er sollte gerichtet und dem Henker übergeben werden, wegen rechter Lehre und Bekenntniss, da ist sein Sohn da, Origenes, der will kurzum mit dem Vater auch mit zu der Marter gehen und sagte Solches seiner Mutter. Da ist die Mutter und die Freundschaft sorgfältig und nehmen ihm des Nachts, da er schläft, seine Kleider, dass er also frühe, da der Vater getödtet ward, nicht durfte ausgehen. Er schreibt aber einen Trostbrief zuletzt an seinen Vater, da Saft, Kraft und Leben und rechter Trost inne ist, und verheisst ihm, dass er ihm wolle nachfolgen.
Athanasius wird auch also erzogen, dass er in der Kindschaft seine Mitschüler hat, commilitones oder condiscipulos, die nimmt er und lies't ihnen Gottes Wort, hebt an, dasselbige auszulegen, predigt, hebt auch an in der Kindschaft, die Ceremonien zu üben, wie man sie in der Kirche hatte, thut auch einen Excess und täuft die anderen Knaben, die Alexander, der Bischof, nicht will wiedertaufen lassen, weil er sah, was für ein sonderbarer Mann aus diesem Knaben werden würde, und weil alle Substantialia, die zur Taufe nöthig, von ihm waren gebraucht worden. Aus diesem Athanasio wird nachher ein grosser Mann und köstliches Werkzeug und Knecht Christi Jesu.
Theodosius, der fromme Kaiser, befiehlt seine Kinder einem Paedagogo oder Praeceptori, Arsenio, und spricht zu seinen Kindern: Liebe Kinder, hier gebe ich euch einen frommen Mann, der soll euch unterweisen zum Allerersten in Gottesfurcht, in der Bibel oder im Worte Gottes, und das soll euer fürnehmstes Studium sein, daraus lernet Gott recht erkennen und bekennen bis an euer letztes Seufzen, und stellet euer Leben nach dem Worte Gottes an. Wenn ihr das wohl gelernt habt, mögt ihr auch andere Dinge studiren, was ihr wollet, und bringet alle anderen Künste und Sprachen zu der Bibel und lasst dieselben alle sein eine Magd und Dienerinn des Wortes Gottes. Thut ihr Das, so wird’s euch wohl gehen. Werdet ihr's aber nicht thun, so weiss ich euch nicht zu rathen, und wird euch dieses Reich, meine Gewalt und imperium, dazu ihr nach mir kommen sollet, an eurer Seele mehr schaden, denn dass es euch sollte förderlich sein.
Der treffliche Kaiser Carolus Magnus, der grosse Held (dem das ganze Deutschland noch zu danken hat; denn da ist die rechte Religion und Gottesdienst, die Bibel in unser Deutsch kommen), da er die Schule zu Paris fundirt hatte und allda zween fürnehme Männer geordnet hatte, die auf die Stipendiaten Acht geben und sehen sollten, kommt einmal selber zu den Stipendiaten, und weil er ein gelehrter, frommer, weiser Herr gewesen, examinirt er sie und nimmt für sich die Paulinas epistolas an die Römer, Galater, Timotheus und an Titum und siehet, was sie in Gottes Wort können, und was sie sonst in griechischer und lateinischer Sprache studiret haben, und ob sie auch können Verse schreiben. Da findet er viel feine Ingenia unter den Armen, die ihm gar wohl gefallen, und saget: Wohlan, stehet ihr hieher! Und stellet sie zu seiner rechten Hand auf eine Zeile, nimmt hernach die Anderen, die nicht wohl bestanden, und stellt sie zur Linken. Da er nun siehet, wer Die zur Rechten und wer Die zur Linken sind, da sind die Gelehrtesten lauter armer Leute Kinder, Die zur Linken aber sind fürnehmer, reicher Leute Kinder und vom Adel, die konnten Nichts und hatten Nichts studirt. Da sagt er zu Denen zur rechten Hand: Liebe Söhne, ihr habt in Gottes Wort studirt, das ist Eines, so hab ihr studirt, dass ihr heut oder morgen mir und dem Reich könnt nütz sein; darum fahret fort; so euch Etwas fehlt, man soll's euch geben und soll aus euch Männer zu Regenten auserkühren, die meinem Reiche vorstehen. Ihr aber (sagt er zu Denen zur linken Hand), da ich gedacht, ihr solltet auch eures Geschlechtes halber studirt haben, seid unfleissig gewesen, daran ich keinen Gefallen tragen kann. Über ein halb Jahr sollt ihr wieder examiniert werden, und da ich da kann sein, will ich euch selbst verhören, oder euch examiniren lassen, und wenn ich euch wieder also befinden werde, sollt ihr wissen, dass ich euch nicht allein zu meinen Ämtern nicht brauchen, sondern auch in meinem Reich nicht will wissen. Das ist ein rechter Ernst gewesen, da hat man Disciplin gehalten, kund da ist's recht fort gegangen, und hat Gott seinen Segen dazu gegeben.
Die Ältern sollen auch darauf Acht geben, dass ihre Kinder in Gottesfurcht und zu Gott erzogen werden aus dieser Ursach:
5.Denn (denket ihm ein wenig nach) wenn die Ältern heut oder morgen sterben, so ist ja Dies der verstorbenen Ältern grösste Ehre und Ruhm in dieser Welt, wenn sie nach ihnen lassen Kinder, Söhne und Töchter, die in Gottesfurcht erzogen sind und Gottes Wort lieb haben, cultores die, die Gott und seiner Gemeine recht können dienen.
6.Und am jüngsten Gericht werden die Ältern fürstehen und Rechenschaft geben wegen der Kinderzucht. Da wird es denn nicht heissen noch helfen: Ei, man hat auf's Zeitliche gesehen. Nein, das Zeitliche ist hinweg und höret nun auf. Da soll jetzt angehen das Ewige, entweder ewiges Leben oder ewige Verdammniss. Ja, sprichst du, ich habe die Kinder erzogen zu Schmuck, zu weltlicher Ehre und Pracht, zu zeitlicher Nahrung, wie der Welt Brauch ist. Ei, Das ist Alles zeitlich. Wie hast du es aber gethan? Im rechten Glauben und guten Gewissen? Da spricht dein Herz selbst. Ach nein. Wo denn nun aus? Wo nun ein? Sonderlich, wenn Betrug, Lügen, Vervortheilung des Nächsten, Stolz und Pracht, Übermuth und Unrecht ist stets mitgelaufen? Da sehe nun ein Jeder zu, wie er wolle bestehen.
Wie geht’s manchen frommen Ältern hier in diesem zeitlichen Leben, wenn sie ungerathene Kinder haben, da sie doch grosse Mühe und Arbeit gehabt, ehe sie erzogen worden, und sind gleichwohl übel gerathen (was will denn werden, da man nachlässig ist in der Kinderzucht?), wie geht’s, sage ich, und was haben die Ältern für Jammer und Schmerzen? Ach, wollte ich doch (sagen sie), dass mein Sohn, meine Tochter nie geboren wäre! Ach, lieber Gott, was will denn werden am jüngsten Tage? Wie wird’s doch gehen, sonderlich, wenn ein Vater soll sehen, dass sein Kind soll dem Teufel zu Theil werden? Eine Mutter soll sehen, dass ihre Tochter soll dem Teufel zu Theil werden? Wie thut David so kläglich und schreiet Zeter Mordio: Absalom, mein Sohn, mein Sohn Absalom, Absalom, mein Sohn! Was gehet ihm zu Herzen? Nicht allein das zeitliche Unglück, sondern das ewige, dass er in seinem Herzen weiss, dass sein Sohn Absalom des Teufels mit Leib und Seele sein muss. Darauf aber wollen wir heillosen Leute und alten Narren nicht Achtung geben. Wir sollten ja, sonderlich jetziger Zeit, da es ja am allernöthigsten ist, wohl zusehen und Fleiss haben auf die Kinderzucht. Sonst wird wahrlich die Schuld unser, und wie das Blut der Zuhörer soll gefordert werden von den Händen der Prediger, wenn sie ihnen nicht anzeigen, was Gottes Wille sei, also wird das Blut der Kinder auch gefordert von den Ältern, wenn sie auf ihre Kinder nicht Achtung geben und sie nicht ziehen zu Gottes Wort und Furcht.
6. Wir sehen auch die Strafen. Eli, der Hohepriester, muss zurück vom Stuhl fallen und den Hals brechen, darum, dass er seine zween Söhne nicht hatte also erzogen, wie er wohl hätte thun sollen, sondern kintzelte mit ihnen und spricht: Liebe Söhne, es geht eine Sage von euch, wie ihr mit den Leuten nicht recht handelt, etc. Liebe Kinder, liebe Söhne, thut's nicht, verschonet doch meiner, ich bin ein alter Mann. Dabei lässt's der alte Pater bleiben.
Es gehört aber Mehr dazu. Es heisst: Du böser Bube, du böse Tochter, du ungetreues Kind, willst du nicht folgen, hier habe ich Gottes Gebot, Obrigkeit, Ruthen, Stecken, Thüren etc. Ich weise dich aus meinem Hause, ich will dich enterben etc. Da soll ein Ernst sein mit der Strafe. Das gefällt Gott wohl. Und Das sollten die Ältern thun, wenn es die Noth bei ungerathenen Kindern erfordert. Wo man's aber nicht thut, so heisst's: Das Blut wird gefordert von der Hand der Ältern, und gehen die Strafen auch zeitlich, wie man täglich sieht. Denn wenn man Jünkerlein haben will, die zu keinem Gotteswort kommen, sind zärtlich erzogen und können nur das Pflaster treten, liegen auf der Trinkstube, sind Müssiggänger, fluchen und lästern Got, richten die Leute aus, haben leichtfertige Reden und Geberden, verzehren den Ältern das Ihre, und wenn die Ältern sterben, jagen sie Alles durch den Bauch, treiben Unzucht, spielen und verspielen oft ihr Hab und Gut, banketiren und partiren zuletzt, da wird zeitlicher und ewiger Bankerott der beste Lohn im Nobiskrug. Denn was wird doch endlich daraus? Henkers Kinder und Buben (wie wir Exempel haben), wenn sie gleich oft von fürnehmen Leuten herkommen. Sie sterben und verderben schändlich in ihrem Soth und in Sünden. Wer ist Schuld daran? Wahrlich, der meiste Theil die Ältern selbst, die haben die Kinder so zärtlich erzogen. Ei, thut ihnen nicht zu wehe (sprechen sie), und wenn man sie in der Schule ein wenig hart hält, müssen oft die armen Praeceptores und Schulmeister herhalten und sich darüber ausholhiplen lassen, wenn das Söhnlein ein Product kriegt und ein wenig Auweh zur Mutter heimgebracht hat. Da ist Jammer und Noth, dass man das Söhnlein oder Töchterlein wiederum stillen möge. Da muss Zucker, Keller, Karten, Wein, Würfel, Ring und dergleichen das Beste thun. Da heisst's aber darnach: Gott wird das Blut der Kinder von der Ältern Händen fordern.
Wohlan, wir können jetzt nicht ferner kommen. Wir wollen Gott bitten, dass er uns wolle seinen heiligen Geist geben, dass wir Ältern sammt unsern Kindern thun, was recht und gut ist und auf dem Wege des Herrn wandeln mögen. Dazu helfe uns Allen Gott der Vater, Sohn und heiliger Geist. Amen. Herr Christe, Amen.
Quelle: Beste, Wilhelm - Die bedeutendsten Kanzelredner der lutherschen Kirche des Reformationszeitalters