Endlich ist es durch Gottes Gnade dahin gekommen, daß meine Seelen-Predigten zum Dienste der Kirche Gottes in die Welt ausgehen können. Es hat wegen mancherlei Hindernissen, welche mir der Herr selbst, nach Seinem heiligen Rath und Willen, oder mein schweres und mühseliges Amt, oder, unter göttlicher Zulassung, der Teufel und die Welt in den Weg gelegt haben, etwas lange gewährt. Gott gebe nur, daß hier auch das Sprüchwort wahr werde: was lange währt, wird gut! -
Verachtet diese Schrift nicht, meine lieben Leser, und saget nicht mit der Welt: Es sind ja nur Predigten! - Ich schäme mich des Predigens nicht, hat ja auch der Sohn Gottes in den Tagen Seines Fleisches gepredigt und der Heilige Geist ließ uns die Predigten Desselben durch die Evangelisten vorlegen. - O wie glücklich ist ein Prediger, durch welchen Jesus predigt, durch welchen das ewige Wort redet, die ewige Kraft wirket, das himmlische Licht leuchtet, der göttliche Trost tröstet und der Erzhirte Seine liebe Heerde weidet! Die Welt weiß freilich einen solchen Mann nicht zu schätzen; denn was weiß der Hahn von der Perle, der Hund vom Heiligthum und der Bauer von Edelsteinen? Die rechtschaffenen Prediger gehören unter die Verborgenen Gottes und der Tag der Offenbarung der Kinder Gottes wird es lehren, wie hoch sie vor Gott geachtet gewesen sind.
Was diese Predigten betrifft, so stelle ich euch zwar, wenn ihr Christi Geist und Sinn habt, das Urtheil von denselben anheim; aber ich versichere euch, daß sie mir manchen Schweiß und manchen Seufzer ausgepreßt, mich viele und große Mühe, viel Wachen und Beten gekostet haben, ehe sie in eure Hände kamen. Und ich habe durch Christum ein solches Vertrauen zu Gott, daß ihr hier kein leeres Geschwätz, sondern einen herzlichen, treuen Unterricht und Trost für eure Seelen finden werdet. - Es liegt hier ein Blumenfeld vor euch, auf welchem die gläubigen Seelen, gleich den Bienen, den süßen Honigthau der heilsamen Lehre und des göttlichen Trostes sammeln können. Diejenigen, welche den Namen Gottes ernstlich zu fürchten begehren, und welche einen Hunger und Durst haben nach der Gerechtigkeit, werden mit Gottes Hülfe finden, was sie suchen. Denn ich habe, wie ein treuer Hausvater thun soll, Altes und Neues gesammelt und hier mit einander verbunden, damit die frommen Herzen, welche, nach Gottes Willen, dieses Werk lesen werden, keine Ursache haben darüber zu klagen, daß sie sich vergebliche Hoffnung davon gemacht haben. Ich häufte manchmal bei einem Gegenstand Sprüche auf Sprüche, und erklärte dieselben, wie ich hoffe, gründlich, ich verband bisweilen auch mehrere Beweggründe und Gleichnisse mit einander und behandelte manche Lehre ziemlich weitläufig; - Alles aber in der Absicht, um die sichern Herzen desto eher zu gewinnen, die hungrigen Seelen zu sättigen, den Lesern Vergnügen zu machen und denen, welche sich dieses Werks zur Erbauung Anderer bedienen wollen, einen guten Vorrath zu geben.-Ich wollte für die gläubigen und gottseligen Seelen nicht blos eine gewöhnliche Mahlzeit, sondern ein Gastmahl veranstalten, bei welchem man mit vollen Schüsseln aufträgt und seinen lieben Gästen mehr vorsetzt, als nothwendig ist, - und ich hoffe, daß diese meine Milde Niemand unter euch zuwider seyn werde. - Sollte aber Jemand meinen, die Weitläufigkeit ermüde beim Lesen, so bezeugt die Erfahrung, daß bei gottseligen Seelen der Hunger im Ueberfluß wächst und daß die Begierde nach göttlichen und himmlischen Dingen beim Genusse zunimmt. Doch habe ich um des schwachen Fleisches willen, welches der geistlichen Dinge bald müde wird, wenn es seinen Willen hat, die Predigten mit gutem Bedacht in gewisse Abschnitte eingetheilt, und habe namentlich bei der Anwendung mehrere Unterabtheilungen gemacht, damit der geneigte Leser allenthalben Gelegenheit haben möchte, abzubrechen, und ein andermal mit neuer Andacht im Lesen fortzufahren. - Außerdem habe ich mich allenthalben beflissen, der Schrift und den Bekenntniß-Büchern unserer evangelisch lutherischen Kirche gemäß zu reden, und führte zum Theil da, wo es thunlich war, die eigenen Worte von Luther oder andern bewährten und berühmten Gottesgelehrten an. Und ob ich gleich nicht hoffe, daß sich in diesem Buche das Geringste findet, was dem Vorbild der heilsamen Lehre nicht gemäß ist, und da ich auch kurz vorher vor Gott bezeugte, daß ich nie den Vorsatz gehabt habe, etwas zu schreiben, was von der einstimmigen Meinung Seiner rechtgläubigen Kirche abweichen und dieselbe durch Neuerungen betrüben könnte, so erkläre ich doch noch zum Ueberfluß hiemit öffentlich, daß, wenn mir, als einem schwachen Menschen, irgend etwas in die Feder gekommen wäre, was mit der heil. Schrift, den alten Glaubensbekenntnissen, der augsburgischen Confession und dem christlichen Concordienbuch nicht übereinstimmt, ich dieß nicht für das Meine erkennen, sondern solches, auf die erste Erinnerung eines frommen Herzens hin, gerne ändern will. Zu dem Ende übergebe ich dieses Werk, wie alle meine übrigen Schriften, der evangelisch rechtgläubigen Kirche zur Durchsicht und Beurtheilung.
Schließlich wünsche ich von ganzem Herzen, daß der barmherzige Gott diese Ihm geweihte Arbeit also segnen wolle, daß dadurch Sein heiliger Name von vielen tausend Seelen hochgepriesen werde!
Magdeburg 26 April 1675.
Christian Scriver,
Pfarrer zu St. Jakob.