Inhaltsverzeichnis

Scriver, Christian - Christlicher Seelenschatz - Erste Predigt. - Von der Vortrefflichkeit und Würde der Seele in Ansehung ihrer Schöpfung.

Eingang.

Im Namen Jesu. Amen!

Der Apostel sagt: „Gehorchet euern Lehrern und folget ihnen; denn sie wachen über euer Seelen, als die da Rechenschaft dafür geben sollen.1) - Ein wichtiges Wort für Lehrer und Zuhörer.

l) Die Lehrer werden erinnert, daß sie nicht für unvernünftige Thiere sorgen sollen, sondern für die Gemeine, die Jesus mit seinem eigenen Blut erworben hat. Nicht Gold und Silber, nicht Perlen oder Edelsteine sind ihnen anvertraut, sondern die Seelen der Menschen, die Gott zum ewigen Leben erschaffen, und Jesus sich mit seinem theuern Blut zum Eigenthum erkauft hat. Sie sollen davon Rechenschaft geben, als von einem kostbaren Kleinod. Diejenigen, welche durch ihre Schuld verloren gehen, wird Gott von ihren Händen fordern. Darum sollen sie wachen über die Seelen, d. i. sie sollen sich ihr Amt mit dem größten Fleiß angelegen seyn lassen, sollen beten, bitten, flehen, ermahnen, warnen, lehren, trösten, ihrer schweren Pflicht Tag und Nacht obliegen, und so viel an ihnen ist, mit Ernst und Wachsamkeit verhüten, daß nicht Eine Seele verlorengehe.

O ein schweres Amt, eine übermenschliche Sorge! Ein Jeder hat ja genug mit seiner eigenen Seele zu thun, wie alle Die erfahren, denen es mit ihrer Seligkeit ein Ernst ist. Das eigene Herz macht einem wahren Christen das Leben sauer, weil es eine stete Aufsicht, einen beständigen Zwang, ein immerwährendes Abhalten, eine tägliche Besserung nöthig hat; und ein Prediger soll für so viele Seelen wachen, beten, sorgen und von ihnen Rechenschaft geben? Wahrlich, wenn ich dieß recht erwäge und zu Herzen nehme, so schaudert mir die Haut, der Angstschweiß will mir ausbrechen und ich wünsche oft, daß ich nie ein Prediger geworden wäre.

Von einem Bischof zu Trier sagt die Geschichte: daß er bei Vorlesung der Schrift bemerkt habe, daß ihm etwas Schweres auf das Haupt fiel, und als er einigemal darnach gegriffen, aber nichts gewahr wurde, sondern einen lieblichen Geruch empfand, so sey ihm eingefallen, dieß bedeute die Würde, aber auch die Last seines Amtes. Ebenso hörte ich von einem Prediger, daß ihn bei der Einführung in sein Amt eine solche Angst befallen habe, wie wenn ihm Wasser über den ganzen Leib gegossen worden wäre, so daß er sich der Thränen nicht enthalten konnte. - Demnach bringt das Predigtamt, zu welchem sich die unerfahrene Jugend meistens aus unlauterer Absicht hindringt, nicht Lust, sondern Last, nicht Ehre, sondern Beschwerde. Ja, man möchte von jedem Amtsrock sagen, was jener König von seinem Schmuck: Wenn Mancher wüßte, welche Sorge, Mühe und Verantwortung darin steckt, er würde ihn nicht von der Erde aufheben. Hat aber je das Predigtamt eine große Last und Mühe mit sich gebracht, so ist dieß besonders in diesen letzten, bösen Zeiten der Fall, da die Bosheit der Welt so groß, die Aergernisse so mannigfaltig, und der Hindernisse so viel sind, daß ein treuer Seelenhirte fast nimmer weiß, wie er sein Gewissen befriedigen und seinem Berufe Genüge leisten soll. Der Unglaube und die Gottlosigkeit reißt allenthalben ein. Die Kirchenzucht ist verfallen, und wenn ein eifriger Prediger sich vornimmt, etwas zur Ehre Gottes und zur Rettung der Seelen zu thun, so steht ihm der Satan und die Welt im Wege, und sie wehren mit Macht, daß ja nicht zu viel selig werden. Daher kommt es, daß die getreuen Seelenhirten ihr Amt mit Seufzen und Klagen verrichten, und selten fröhlich gesehen werden. - Doch haben sie den Trost, daß dem Allwissenden, der Herzen und Nieren prüft, ihr Fleiß und ihre Arbeit wohlgefällt. Ich weiß dein Werk, und deine Arbeit, deine Trübsal, deine Armuth, deine Geduld, und daß du die Bösen nicht dulden kannst, spricht unser Heiland zu seinen Dienern. Er sieht die Thränen, welche sie im Verborgenen weinen über das verwüstete Zion, Er hört ihre Klagen, Ihm ist ihre Arbeit angenehm, und Er will sie nicht unbelohnt lassen, obgleich nicht immer das erwünschte Ziel erreicht wird.

2) Auch die Zuhörer haben die Pflicht, den treuen Seelenhirten zu gehorchen, welche ihnen Gott aus Gnaden gegeben hat. Sie sollen dieselben nicht durch Ungehorsam zum Seufzen bringen. Der Herr hat die Lehrer zu ihrem Besten berufen, und wenn sie rechter Art sind, so suchen sie nicht das Gold und Silber ihrer anvertrauten Schafe, sondern wünschen ihnen von Herzen die ewige Seligkeit; und darüber wachen sie, darum kämpfen sie mit dem Teufel und der bösen Welt, darum liegen sie täglich vor Gott mit Seufzen und Beten. Wenn nun die Prediger aus Liebe wachen und sorgen für die Seelen ihrer Zuhörer, wie viel mehr sollten diese es selbst thun, da sie kein theureres Kleinod haben, als ihre Seelen? Seele behalten, Alles behalten, Seele verloren, Alles verloren! Was hülfe es dem Menschen, sagt der Erzhirte, wenn er die ganze Welt gewänne, und nähme doch Schaden an seiner Seele? - Folgen wir dem Arzte, der für die Gesundheit des Körpers sorgt, warum wollten wir nicht gerne denen gehorchen, die über unsere Seelen wachen? Zwar haben alle diejenigen, denen das Wort Gottes gepredigt wird, eine schwere Rechenschaft abzulegen vor dem Richterstuhl Christi, doch wird die besonders eine schwere Strafe treffen, welche den Fleiß geistreicher, treuer und wachsamer Lehrer an sich vergeblich seyn ließen. Je mehr Mittel und Gelegenheit, desto größer die Verantwortung. - Um nun meinem heiligen Amte so viel möglich Genüge zu leisten und mein Verlangen, eure Seelen zu retten, öffentlich darzulegen, habe ich mich entschlossen, Seelenpredigten zu, halten. In denselben will ich zuerst reden: von dem Adel und der Würde der menschlichen Seele, dann von ihrem kläglichen Sündenfall und dem daraus entstandenen Elend, ferner von ihrer Erlösung durch Jesum Christum, von ihrer Anfechtung, von ihrem Kreuz und Leiden, und endlich von ihrem seligen Abschied aus dem sterblichen Leibe und ihrem Eingang in den Himmel zum Genuß der ewigen Herrlichkeit und Seligkeit. Mit Gottes Hülfe wollen wir das ganze Christenthum, und was zur Erlangung des ewigen Lebens nothwendig ist, darin betrachten, bitten aber den Allgütigen, daß Er, der das Wollen gegeben, uns auch das Vollbringen nicht versagen wolle, um Jesu Christi willen. Amen.

Abhandlung.

Manches Kind wird von seinen Eltern mit einer Perlenschnur geschmückt; weil es aber ihren Werth nicht kennt, so läßt es sich dieselbe um eine Kleinigkeit abschwätzen. So ging es leider von Adam bis hieher. Gott begabte die ersten Menschen mit Heiligkeit und Gerechtigkeit, und verlieh ihnen sein Ebenbild; allein sie ließen sich vom Satan diesen Schmuck rauben und gaben ihn um einen Apfel hin. Und dieß hängt der verdorbenen menschlichen Natur heute noch an, daß sie ihre Seele gering achtet und leichtsinnig auf's Spiel setzt, auch nachdem der Sohn Gottes so viel Mühe und Arbeit darauf verwendet hat, sie zu erlösen. Darum wollen wir in diesen Predigten zuerst von der hohen Würde der Seele reden.

Der Heiland legt in unserem Text die menschliche Seele gleichsam in die eine und die ganze Welt in die andere Wagschaale, und sagt: wenn ein Mensch auch die ganze Welt mit ihrer Pracht und Herrlichkeit gewinnen könnte, so hätte er doch nichts gewonnen, wenn er seine Seele darüber verlieren würde. Es verhält sich gerade so, wie wenn ich Jemand eine große Summe für sein Herz geben wollte. Was nützte ihn das Geld, wenn ihm gleich darauf das Herz aus dem Leibe gerissen würde? Was ist Geld ohne Leben, und was sind alle Güter der Welt ohne die Seele? Was hilft die Eitelkeit, was hilft's, wenn ich Alles habe und besitze nur eine kleine Zeit und verliere mich selbst und meine Seele in Ewigkeit?

Die Welt ist ein herrliches Gebäude mit allerlei Gütern und Gaben; sie ist ein Meisterstück des großen Gottes, daraus seine Macht, Weisheit und Güte hervorleuchtet; aber sie muß der Seele nachstehen, von welcher ein alter Lehrer sagt: sie habe mehr Göttliches in sich, als die ganze Welt. Ein Haus, das herrlich gebaut und kostbar eingerichtet ist, zeugt zwar von dem Reichthum seines Herrn; allein dieser schätzt doch wohl ein gutgeartetes, mit schönen Gaben des Geistes und Herzens versehenes Kind viel höher, als ein ganzes Haus. Was ist ein Haus gegen ein Kind und was die Welt gegen die Seele? - Es giebt Beispiele, daß Menschen, die ihr Leben entweder durch einen Richterspruch oder durch feindliche Gewalt verlieren sollten, ein ungeheures Lösegeld bezahlten, um ihr Leben zu erhalten. Allein, wenn die Seele, dieses unschätzbare Kleinod, durch Gottes Urtheil, einst dem ewigen Verderben übergeben wird, was will der Mensch dann bieten oder geben, um sie zu retten? Wo will er ein Lösegeld finden, das mit ihr nur einigermaßen verglichen werden könnte? Siehst du also, o Mensch, wie hoch deine Seele von Jesu geschätzt wird und wie theuer sie dir billig seyn soll. - Die Seele ist göttlichen Ursprungs, sie wurde dem Menschen von dem Schöpfer unmittelbar eingehaucht, wie die Schrift sagt: „Gott der Herr machte den Menschen aus einem Erdenkloß, und er blies ihm ein den lebendigen Odem in seine Nase, und also ward der Mensch eine lebendige Seele.“ Der Leib ist zwar aus Erde und muß zu Erde werden; die Seele aber hat ihren Ursprung aus einer besondern göttlichen Wirkung, sie ist eines von den herrlichsten Geschöpfen Gottes, ein engelgleiches Wesen, eine himmlische Kraft. Von den Thieren sagt Moses blos: Gott sprach: die Erde bringe hervor lebendige Thiere rc. Von dem Menschen aber heißt es: Gott selbst bildete den Körper aus Erde, und dann blies er ihm die Seele ein. - Wer vermag aber die Herrlichkeit der menschlichen Seele, womit sie in dem Stande der Unschuld geschmückt war, auszusprechen und gehörig zu beschreiben? Sie war geziert mit göttlicher Weisheit, Heiligkeit und allerlei Vollkommenheit. Sie war ein Spiegel, darin das ewige Licht mit seinem Glanz wiederstrahlte, ein irdischer Engel mit Fleisch angethan, darin sie mit Lust wohnte und herrschte. Sie wurde von Gott an der Hand geleitet, von seinem Lichte erleuchtet, von den andern Geschöpfen als das Ebenbild des Schöpfers bewundert und geehrt. Kurz sie war eine heilige Wohnung des Höchsten auf Erden, darin er ruhen und sich herrlich zeigen wollte. Darum hat er sie auch zuletzt erschaffen und dann geruht. - Der Mensch kam, sagt Arndt, lauter, unbefleckt, mit allen Leibes- und Seelen-Kräften begabt, aus der Hand Gottes, daß man sein Bild an ihm sehen sollte, nicht aber wie einen todten Schatten im Spiegel, sondern als ein lebendiges, getreues Abbild, - ein Bild seiner Weisheit im Verstande des Menschen, - ein Bild seiner Güte, Sanftmuth und Geduld in dem Gemüthe des Menschen, - ein Bild seiner Liebe und Barmherzigkeit in dem Herzen des Menschen, - ein Bild seiner Gerechtigkeit und Heiligkeit in dem Willen des Menschen, - ein Bild der Freundlichkeit, Holdseligkeit, Lieblichkeit und Wahrheit in allen Geberden und Worten, - ein Bild der Allmacht in der Herrschaft über den ganzen Erdboden, - ein Bild der Ewigkeit in der Unsterblichkeit des Menschen. - Von andern Geschöpfen kann man sagen: Gott habe ihnen einige Zeichen eingedrückt, daran seine Allmacht, Weisheit und Güte zu erkennen. Der Mensch aber hat den Abdruck des göttlichen Antlitzes empfangen und an ihm finden wir solche Zeichen, die uns Gottes Daseyn viel klarer vorstellen, als alles Andere, was in der Welt ist. Was Gott von Natur ist in seinem Wesen, das sollte die Seele seyn im Bilde, nach der Gnade; sie sollte zwar nicht Gott selbst seyn, doch Gottes Herrlichkeit auf's Schönste vorstellen; sie sollte eine Leuchte seyn allen übrigen Creaturen zur Bewunderung und zum Besten, - ein Gefäß mit allerlei Gaben Gottes gefüllet. - Obgleich nun der Satan aus Neid und Bosheit sich an dieses edle Bild Gottes gemacht, und dasselbe durch die Sünde, zu welcher er den Menschen verleitet, entheiligt bat, so bat dieß doch die unendliche Liebe des Schöpfers nicht vertilgen können, sondern der barmherzige Gott hat lieber den ganzen Reichthum seiner Gnade aufgethan, und darauf verwendet, als die Seele des Menschen, die er so reich begabt und geliebt hat, im Verderben zu sehen. Er wollte sein Bild in ihr erneuen, seinen Tempel wieder einnehmen und heiligen, sollte es ihn auch seinen liebsten Sohn kosten, welcher ist der Glanz seiner Herrlichkeit und das Ebenbild seines Wesens. Darum hat uns Gott sein Wort gegeben und sich darin der Seele geoffenbart, die seine Erkenntniß verloren hatte. Er redet sie freundlich und tröstlich an: Ich bin dein Gott und will dein Gott seyn; Ich bin dein höchstes, einiges Gut, außer dem du kein Gut, keinen Trost, keine Seligkeit findest; Ich bin die Quelle des Lebens, der Ursprung alles Segens; bin dein Gott, der deiner nicht bedarf, doch will Ich aus Liebe dein Gott seyn, will mich deiner treulich annehmen, von deinem Fall dich aufrichten, von deiner Sünde dich reinigen, des Teufels Werk zerstören, dich erleuchten und selig machen, und da du schon vorher ein Werk meiner Allmacht und Güte warst, so sollst du es jetzt noch mehr werden, Ich will meine Gnade an dir herrlich und den Satan zu Schanden machen. - Von diesem Eifer der Liebe Gottes um die Seele zeugen viele Stellen der Schrift, besonders aber auch die: „Du sollst den Herrn deinen Gott lieben von ganzer Seele, von ganzem Gemüth und aus allen Kräften.“ Um was ist es dem lieben Gott hier zu thun? Was nützt Ihn unsere Liebe, wenn wir Ihm auch unser ganzes Herz und unsere Seele mit allen Kräften hingeben? Was ist dieß für Ihn, und was kann es Ihn helfen? Blos weil er uns so sehr liebt und wohl weiß, daß wir ohne seine Liebe nicht selig werden können, darum verlangt er so ernstlich von uns, daß wir uns seiner Liebe ganz hingeben sollen. Solche Gebote sind also ebenso viele Zeugen von der hohen Würde der menschlichen Seele, welche Gott so hoch schätzt, daß er von ihr geliebt und geehrt seyn will. Es ist Ihm nicht genug, daß Ihn die ganze Schaar der Engel anbete, nicht genug, daß Ihn alle Geschöpfe preisen, und daß Himmel und Erde seiner Güter voll sind; sondern er will auch die vom Satan abtrünnig gemachte Seele zu seinem Dienste haben: darum thut er so große Dinge, die wir nicht begreifen können. Zuweilen scheint es freilich, daß der Herr aus Liebe mehr thue, als wir mit seiner Majestät vereinigen können; z. B. wenn er mit seiner Güte und Barmherzigkeit dem Menschen sein Lebenlang nachfolgt; wenn er zu denen, die Ihn nicht kennen und nicht anrufen, sagt: Hier bin Ich! Hier bin Ich! und seine Hände den ganzen Tag ausstreckt zu einem ungehorsamen Volk; wenn er um die Kinder Israel eifert, wenn er spricht: Was habe Ich dir gethan, mein Volk, womit habe Ich dich beleidigt? das sage Mir; wenn er, obgleich selbst so hoch beleidigt, uns die Versöhnung zuerst anbietet und sogar bitten läßt, daß wir uns doch mit ihm versöhnen lassen; wenn er endlich vor der Thüre steht und anklopft, und wartet, bis Ihm aufgethan wird. - Doch dieß Alles zeugt nicht blos von der unendlichen Liebe des Ewigen, sondern auch von dem hohen Werth unserer Seele in seinen Augen. Voll Verwunderung darüber riefen auch seine Heiligen aus: „Wie hat doch Gott die Menschen so lieb! Herr, was ist der Mensch, daß Du sein so gedenkst, was des Menschen Kind, daß Du Dich seiner also annimmst?

Möchten wir von unserem Gott lernen, unsere Seele hochzuschätzen, und dieses Kleinod nach Würden zu bewahren!

Den Leib und die Gesundheit achtet der Mensch so hoch, und läßt sich keine Mühe verdrießen, demselben Ruhe und Bequemlichkeit zu verschaffen; aber der edlen Seele wird wenig gedacht, und sie zu erhalten geringer Fleiß angewendet. - Betrachtet das Wesen der heutigen Welt, wie beschwerlich ist es, wie viel Laufen und Rennen, wie viel Schweiß und Mühe, Arbeit und Herzeleid bringt es mit sich! Um was ist es aber zu thun? Um zeitliches Gut, vergängliche Ehre, und eitle Lust. An die Seele wird nicht gedacht. Mancher thut, als hätte er gar keine, Mancher, als hätte er mehr als Eine. Viele sind so leichtsinnig und gottlos, und setzen ihre Seele auf's Spiel, als hätten sie, wenn schon Eine verloren wäre, noch ein paar Andere zu, verlieren. - Ferner, wie leichtsinnig schwören Manche bei ihrer Seele? Wie bald lassen sie sich dahin bringen, daß sie durch schreckliches Fluchen sich dem Teufel mit Leib und Seele hingeben. Judas verkaufte die seinige um 30 Silberlinge, und hat sie, nach der heutigen Welt zu urtheilen, noch theuer genug angebracht. Wenn Mancher jetzt 30 Silberlinge zu gewinnen wüßte, ich glaube, er verkaufte nicht nur Eine Seele, sondern wohl dreißig, wenn er so viel hätte. - Betrachtet die wandelbare Mode, und was für Mühe, Fleiß und Kosten die Menschen auf ihren sterblichen Körper verwenden. Wie manche Stunde wird vor dem Spiegel zugebracht, und man zwingt den Leib in die unbequemste Kleidung, um sich und Andern zu gefallen. Aber um der Seele willen will Niemand etwas thun oder leiden; die Verläugnung seiner selbst, die Kreuzigung des Fleisches, die Ertödtung des alten Menschen, die Bewahrung eines guten Gewissens ist zum Gespött geworden, und die überkluge Welt hat Anderes zu thun, als sich um solche Kleinigkeiten zu bekümmern. - Die Wissenschaft der heutigen Welt ist zwar hoch gestiegen, doch wird bei den Wenigsten auf die Seele, deren Heiligung, Erleuchtung, Vereinigung mit Gott und Erhaltung zum ewigen Leben geachtet, das Meiste ist ein Geschwätz ohne Kraft, ein Schein ohne Wesen. Die Gelahrtheit der Welt gleicht dem Lichte des Mondes, welches zwar einen Glanz, aber keine Wärme hat. In vielen Schulen wird der Jugend nicht recht beigebracht, welch' theures Kleinod die Seele sey, und wie man vor allen Dingen darnach trachten müsse, diese zu erhalten. Auch die, welche einst Seelenhirten werden wollen, leben oft so in den Schulen, daß man zweifeln möchte, ob sie wissen, daß die Seele nach dem Tode vor dem Richterstuhl Gottes erscheinen müsse. Welcher Eifer für fremde Seelen ist von denen zu erwarten, die ihr eigenes Gewissen mit solchen Sünden gebrandmarkt haben? - Doch, wie könnte ich die große Sorglosigkeit und Sicherheit dieser Zeit in Ansehung der edlen Seele genug beklagen! Gott erbarme sich unser und gebe uns nicht den Geist der Welt, sondern seinen heiligen Geist, daß wir recht bedenken lernen, welch' theures Kleinod wir besitzen. Ihr aber, ihr frommen Herzen, habt nicht Gemeinschaft mit der Ruchlosigkeit der Welt, sondern trachtet vor Allem darnach, daß ihr eure Seelen retten und durchdringen möget zum ewigen Leben.

Ungefähr 1000 Jahre nach Christus lebte ein Mönch, der sich seines heiligen Lebens wegen einen großen Namen erworben hatte. Als diesen Kaiser Otto besuchte und über allerlei religiöse Gegenstände mit ihm gesprochen hatte, und ihn beim Abschied nöthigte, er solle sich eine Gnade ausbitten, so besann sich der fromme Mann nicht lange, sondern trat zum Kaiser, legte die Hand auf seine Brust und sprach: „Du kannst mir nichts Angenehmeres erweisen, als daß du fleißig auf deine Seele achtest, damit sie nicht Verloren gehe; denn ob du gleich Kaiser bist, so mußt du doch wie andere Menschen sterben.“ Dabei traten dem Kaiser die Thränen in die Augen. - Dieß ist auch meine Bitte an euch, ihr fromme Herzen! Es hilft euch kein Reichthum, keine Lust der Welt, wenn eure Seele versäumt und verwahrlost wird. Was nützt es euch, wenn ihr Alles behaltet im Leben, und am Ende erfahret, daß eure Seele verloren ist? -

Fraget ihr, was in einer so wichtigen Sache zu thun sey, so antworte ich:

1) Stellet darüber häufige Betrachtungen an, und bedenket mit Ernst den Ausspruch des Erlösers: „Was hülfe es dem Menschen“ rc. Schreibet dieses Wort und andere Stellen vom Tode, vom Gericht und von der Ewigkeit an eure Thüren und Wände, in eure Register und Bücher, redet des Morgens davon und entschließet euch, vorsichtig zu wandeln am Tage, ein gutes Gewissen zu bewahren und euer Seelenheil zu beobachten, es koste, was es wolle. Stellet am Abend euer Herz zur Rede, prüfet euern Wandel, und fraget euer Gewissen, ob sich nichts eingeschlichen habe, was eurer Seele Schaden bringen kann. Ruhet nicht, bis dieß geschehen, bis ihr mit dem Vater durch Christum versöhnt und versichert seyd, daß ihr in der Gnade Gottes schlafen gehet und eure Seele in der Hand Jesu wohl bewahret sey.

2) Lasset es euren festen Vorsatz seyn, Gott zu geben, was Gottes ist, und weil eure Seele Gott gehört, die er sich zur Wohnung erwählt hat, so verschließet Ihm die Thüre des Herzens nicht. Lasset euern Verstand die höchste Weisheit in Gott suchen, und glaubet, daß die größte Weisheit der Welt ohne Ihn eine Thorheit sey. Füllet euer Gedächtniß mit göttlichen Erinnerungen und lasset euch die unendliche Güte des Höchsten nie aus dem Sinne kommen, damit ihr euch selbst zur Dankbarkeit ermuntert. Lasset euren Willen sammt allen Kräften auf Gott stets gerichtet seyn; denn die Seele hat nichts, um ihre Anhänglichkeit an Gott auszudrücken, als ihre Seufzer und ihr Verlangen. Je näher sie aber Gott ist, je besser ist sie verwahrt, wie die Schrift sagt: „Das ist meine Freude, daß ich mich zu Gott halte und meine Zuversicht setze auf den Herrn, Herrn.“ - Wenn ein Kind sich zu seinen Eltern hält und nicht aus ihren Augen geht, so hat es den Schutz derselben zu genießen; ebenso ist unsere Seele wohl verwahrt, wenn sie sich an Gott anschließt. Darum haben sich die Heiligen gewöhnt, daß sie sich in ihren Gedanken nicht von Gott entfernten, und allezeit vor seinem heiligen Angesicht wandelten. Von Enoch und Noach wird gesagt: sie haben ein göttliches Leben geführt, oder seyen stets mit Gott gewandelt, d. i. wie Freunde gerne beisammen sind und Alles mit einander gemein haben, so haben Jene sich im Glauben und in der Liebe an Gott gehalten. - David spricht: „Ich habe den Herrn allezeit vor Augen; denn Er ist mir zur Rechten; darum werde ich wohl bleiben.“ Desgleichen Jesaias: „So spricht der Herr zu mir, als fassete Er mich bei der Hand und unterweisete mich, daß ich nicht wandeln soll auf dem Wege dieses Volks.“ Demnach sahen die Heiligen Gottes nicht blos beständig auf ihren Herrn und Vater, sondern es schien ihnen auch, als würden sie von Ihm, wie Kinder, an der Hand geleitet. In einer andern Stelle sagt David: „Wenn ich mich zu Bette lege, so denke ich an Dich; wenn ich erwache, so rede ich von Dir.“ Ferner: „Wenn ich erwache, so bin ich noch bei Dir.“ Daraus folgt, daß er sich mit guten Gedanken beschäftigte, bis er darüber einschlief, damit sein Schlaf heilig wäre und die Furcht Gottes ihm auch im Traume nicht aus dem Sinne kommen möchte. Wenn er erwachte, so war seine Seele noch bei Gott, wo er sie gelassen hatte.

3) Christen! Weil man so viel Zeit und Mühe auf den Leib und dessen Pflege verwendet, so vergesset nicht, wenn ihr eure Seele retten wollet, der Erbauung derselben auch einige Zeit zu widmen. Es wäre zu wünschen, daß Alle täglich Eine oder wenigstens eine halbe Stunde aufs Gebet, auf gottselige Betrachtungen, auf das Lesen guter Bücher u. s. w. verwenden möchten, und zwar des Morgens, ehe die Gedanken zerstreut werden, damit sie sich mit guten Vorsätzen wider die Sünde waffnen. Auch des Abends sollte sich ein Jeder so viel Zeit nehmen, daß er Nachfrage hielte über seinen Wandel am Tage, und nicht bälder zur Ruhe ginge, als bis die Seele ihrer Ruhe in der Gnade Gottes durch Christum versichert seyn dürfte Zuvörderst aber muß der Tag des Herrn benützt werden, welchen der gute Gott in der Absicht eingesetzt hat, daß wir uns losmachen sollen von irdischen Geschäften und für das Heil unserer Seele sorgen. Leider aber ist es ein schrecklicher Mißbrauch in der Christenheit, daß dieser Tag so schändlich entheiligt wird, und fast an keinem die Seele mehr Gefahr lauft, als gerade an jenem. Die Frommen beklagen dieß und sind desto eifriger, an demselben ihre Seligkeit zu schaffen. Billig soll man ja um so emsiger seyn, die himmlische Speise zu sammeln, da Gott den siebenten Tag gesegnet und mit einer Verheißung versehen hat. Zwar sind alle Tage heilig, und die heiligen Uebungen haben allezeit ihren Segen und Nutzen; doch ist es hauptsächlich der Tag des Herrn, welchen er zu seinem Dienste erwählt, und denen, die ihn recht feiern, zeitlichen und ewigen Segen versprochen hat. Auch die Erfahrung lehrt es, daß die, welche den Ruhetag des Herrn gut anwenden, und denselben mit Beten und andern gottseligen Uebungen zubringen, zusehends wachsen im Glauben, in der Liebe und in der Hoffnung. - Wer sich um sein Seelenheil bemühen will, muß großen Fleiß anwenden, wie es sich bei Dingen, die das Ewige angehen, geziemt. Er soll zu sich selbst sagen: wohlan, mein Herz, wir haben bisher im Zeitlichen so viel Sorge und Mühe gehabt, nun ist es Zeit, auch an das Ewige zu denken; hier zeitlich, dort ewig, darnach richte dich. - Wir müssen Zeit haben zu sterben, so wollen wir uns auch Zeit nehmen, uns zum Sterben gehörig zu bereiten. Was hilft's, wenn wir viel sammeln, was uns aus der Welt nicht folgen, und unserer Seele nichts nützen kann? Lasset uns Schätze sammeln auf's Zukünftige und das ewige Leben ergreifen! - Bleibet zurück, ihr zeitlichen Sorgen, ihr irdischen Gedanken, machet mich nicht irre in der Unterhaltung mit Gott, ich habe für wichtigere Dinge zu sorgen, - für die ewige Herrlichkeit und Seligkeit, lasset mich dabei zufrieden. -

4) Habt keinen Stolz auf das Irdische, aber einen recht großen auf die Würde eurer Seele. Sie hat vermöge ihrer Abkunft nichts zu schaffen mit vergänglichen Dingen, am allerwenigsten aber mit den schnöden Lüsten des Fleisches! Muthet uns der Satan oder die Welt etwas zu, was ihrem Adel zuwider ist, so lasset uns sprechen: Sollte ich den Vorzug, Gottes Kind zu seyn, aufgeben und die Eitelkeit dafür erwählen? „Sollte ich solch großes Uebel thun und wider den Herrn meinen Gott sündigen?“ Will der Satan euch mit Dem locken, was die Welt sonst hoch schätzt, so saget: wie nichtswürdig ist das gegen meine Seele, was ist die Herrlichkeit der ganzen Welt gegen, diejenige, welche ich durch Gottes Gnade in Christo Jesu habe? Was ist die Eitelkeit gegen die Ewigkeit? - Von Themistokles, einem griechischen Helden, lesen wir, daß er unter der feindlichen Beute eine goldene Kette von großem Werth gefunden und zu seinem Sklaven gesagt habe: „Nimm du sie, du bist kein Themistokles,“ gleich als wollte er sagen: ich habe an meinem berühmten Namen genug. - Um wie viel mehr sollen wir Christen, die wir durch Gottes Gnade Erben der künftigen Seligkeit sind, alle irdischen Dinge unserer Seligkeit gegenüber geringschätzen und dieselben nicht für so werth halten, daß wir uns um ihretwillen versündigen. Lasset uns freudig sagen: nimm du das hin, o Welt, ich bin ein Christ und habe bessere Schätze, an denen ich mein Vergnügen finde.

5) Endlich dient zur Bewahrung eurer Seele, daß ihr euch ferne haltet von denen, die nur irdisch gesinnt sind, und keine Gemeinschaft mit ihnen habet. In der Welt treibt der Satan sein Spiel und sucht durch die bösen Gesellschaften derselben unbewachte Seelen zu berücken. So fliehet solche, und lasset euch durch ihren Scherz und Zeitvertreib nicht verleiten; denn ihr Lachen endigt mit ewigem Wehklagen und Weinen. Eine Kohle zündet die andere an und ein grüner Zweig, mit dürrem Holz vermischt, brennt mit demselben. Sehr schön sagt daher Thomas a Kempis: „Eine andächtige Seele nimmt zu und bessert sich im Schweigen, in der Stille und in der Ruhe. Da lernt sie die Geheimnisse der Schrift, da findet sie die Thränenquellen und wird mit ihrem Schöpfer um so bekannter, je mehr sie sich von dem Ungestüm der Welt absondert; denn wer sich von der Freundschaft der Welt abzieht, dem naht sich Gott mit seinen Engeln. Es ist besser, verborgen seyn und für seine Seele sorgen, als Aufsehen erregen und nicht auf seine Seligkeit achten. Selten ausgehen und böse Gesellschaft fliehen ist löblich, und für einen gottseligen Menschen höchst nöthig. Wenn die Stunde der Erholung vorüber ist,- so bringst du nur ein beschwertes Gewissen und ein zerstreutes Herz nach Hause. Oft bringt ein fröhlicher Ausgang einen traurigen Eingang, und ein fröhlicher Abend einen traurigen Morgen; so geht alle leibliche Freude sanft ein, aber am Ende verwundet und tödtet sie.“ - Lasset uns aber auch dabei bedenken, wie hoch wir fremde Seelen schätzen sollen, die uns anvertraut sind. Dieß haben besonders die Lehrer an Kirchen und Schulen wohl zu beherzigen, welche über die Seelen wachen und Rechenschaft davon geben sollen; ferner die Regenten, welche Gott über sein theuer erkauftes Volk gesetzt hat, ebenso alle Eltern, alle Herrschaften und Andere, welche einige Aufsicht über das Volk Gottes haben. - Ich glaube nicht, daß einen Prediger außer der Liebe zu Jesu Christo noch sonst etwas zum Fleiß und zur Wachsamkeit in seinem Amte ermuntern könne, als eben die Sorge für die ihm anvertrauten Seelen. Daher rief einst ein Diener Christi, der einen Amtsgenossen in sein Amt einweisen wollte, öffentlich aus: „Ach lieben Brüder, lasset uns wachen, beten, sorgen und treu seyn in allen Dingen, weil uns nicht Gold oder Silber anvertraut ist, sondern Seelen, Seelen, Seelen, die Gott zu seinem Bilde geschaffen, die Jesus mit seinem Blut erlöset und der Heilige Geist zu seinem Tempel erwählt hat. Geht eine davon durch unsere Schuld verloren, so soll unsere Seele für sie einstehen.“ Dadurch rührte er Einige so, daß sie bekannten: es sey ihnen bei dem dreimal wiederholten Worte „Seelen“ wie kaltes Wasser über den Leib geflossen. - Gott verleihe allen seinen Dienern die Gnade, daß sie sich stets daran erinnern und ihr Amt desto eifriger verrichten. Nicht umsonst mußte der Hohepriester des Alten Testaments die Namen der Stämme Israels auf seinem Herzen tragen, wenn er in das Allerheiligste ging. Ohne Zweifel sollte dieß anzeigen, daß einem rechtschaffenen Seelenhirten die ihm anvertraute Heerde gleichsam auf das Herz gebunden und so in seinen Sinn gegraben sey, daß er nie vergessen soll, für sie zu wachen, zu beten und zu kämpfen. - Ein Kardinal hatte einst einen Edelstein, der seines Glanzes wegen von außerordentlichem Werth war, und daher von seinem Besitzer hoch geschätzt wurde. Diesen gab er einem seiner Diener in Verwahrung, der Diener aber, welcher ein solches Kleinod nirgends für sicher hielt, trug es stets unter den Kleidern auf dem Herzen. Wenn nun das die Menschen mit irdischen Schätzen thun, wie vielmehr sollen es die Prediger thun mit den Seelen, die vom göttlichen Licht ihren Glanz und von dem theuern Blut Jesu Christi ihren Werth haben? - Christliche Regenten können daraus lernen, wie hoch sie ihre Unterthanen achten und wie sie die zeitliche und ewige Wohlfahrt derselben zu befördern suchen sollen. Dem Aeußern nach ist zwischen ihnen und einem armen Bauern ein großer Unterschied, dem Innern nach aber keiner. Denn dieser hat auch eine unsterbliche Seele, die Jesus mit seinem Blut erkauft hat. Darum soll man sich so gegen ihn betragen, daß er keine Ursache habe zu seufzen. - Hedwig, die fromme Tochter des Königs Ludwig in Ungarn, brachte es bei ihrem Gemahl dahin, daß er seinen Unterthanen, denen er einige Güter weggenommen hatte, dieselben wieder zurückgeben ließ. Als dieß geschah, sagte sie: „Wir geben diesen zwar ihre Güter; aber wer gibt ihnen ihre Thränen und Seufzer wieder?“ Weil sie also die Thränen der Armen zu schätzen wußte, so hatte sie ohne Zweifel auch gelernt, wie hoch ihre Seelen zu halten seyen. - Wie abscheulich dagegen war die Handlungsweise eines vornehmen Herrn in Frankreich, welcher die Reformirten, die er durch List und Gewalt in seine Hände bekam, in einen tiefen See werfen ließ, den er scherzweise seinen großen Becher nannte. Als er einst vom König Karl IX. gefragt wurde, wie vielen Ketzern er seinen großen Becher vorgesetzt habe, antwortete der Unmensch: er habe über solche Kleinigkeiten kein Register geführt. - So wenig galten bei diesem Menschenseelen, die doch von Gott so hoch geachtet sind.

Ich kann nicht umhin, auch die Eltern noch zu ermahnen, daß sie ihre Kinder nicht blos nach dem Fleisch lieben sollen, sondern hauptsächlich nach dem Geist. Die Heiden lieben die Ihrigen auch, aber Christen sollen weiter gehen und dieselben zunächst als Gottes Kinder betrachten; denn sie sind ein theures Kleinod, welches Gott einst von ihren Händen fordern wird. Die Eltern haben also alle Ursache, Fleiß anzuwenden, daß durch ihre Schuld keine Seele verloren gehe. Gott hat die Kinder in der Taufe als ein mit dem Blut Jesu Christi erkauftes Eigenthum bezeichnet; wehe dem, der ein solches Gut durch Nachläßigkeit, durch böse Beispiele oder durch eine schlechte Erziehung seinem Herrn abwendig macht!

Auch ihr Lehrer, an hohen und niedern Schulen, habt eine schwere Verantwortung wegen der zarten Seelen, die eurer Aufsicht anvertraut sind! Erbarmet euch über den fast verwüsteten Pflanzgarten Gottes! - Die jungen Leute gleichen den jungen Bäumen, um welche sich, ehe sie recht erstarken, fremde Gewächse schlingen, die sie zu Grunde richten. Das gottlose Wesen nimmt sehr zu, und die zarten Herzen werden frühzeitig damit angefochten. Ach, steuret, wehret, rettet, so viel ihr könnet und vermöget! Pflanzet in die jungen Herzen neben den weltlichen Wissenschaften auch die seligmachende Erkenntniß Gottes und Jesu Christi; lehret sie nicht allein, was zur Welt gehört, sondern auch, was zum Himmel führt. Einen gelehrten Mann zu erziehen, ist viel; aber einen frommen und gottseligen, noch viel mehr. Was ist das Wissen ohne Gewissen? Was hilft es, wenn ihr Gott und den Himmel in vielen Sprachen ausdrücken lehret, und lehret die Schüler doch nicht, wie sie Jenen recht erkennen, fürchten, lieben, und in diesen gelangen sollen? - Endlich helfe hier, wer helfen kann, und lasse sich Niemand einige Mühe verdrießen wegen der edlen menschlichen Seelen. Lasset uns unter einander ermuntern zu guten Werken und antreiben zur Liebe, lasset uns fleißig darauf sehen, daß Niemand Gottes Gnade versäume. Lasset uns einander brüderlich erinnern, freundlich strafen, warnen und ermahnen als in einer Sache von hoher Wichtigkeit. Wie der Apostel Jakobus sagt: „So Jemand unter euch irren würde von der Wahrheit, und Einer bekehret ihn, der soll wissen, daß, wer den Sünder bekehrt hat von dem Irrthum seines Weges, der hat einer Seele vom Tode geholfen.“ - Sieht man einen geringen Pfennig oder ein Stücklein Brod auf der Erde liegen, so denkt man, es sey Schade, daß es verloren gehe und mit Füßen getreten werde. Man bücket sich und hebt es auf. Ist aber eine Seele nicht mehr werth, als alles Geld der Welt, als alles Brod? Warum wollten wir einige Mühe scheuen, dieselbe vor ewigem Verderben zu bewahren?- Der Herr unser Gott lehre uns durch seinen Heiligen Geist verstehen, was eine Seele sey und wie hoch sie geschätzt werden müsse. Ihm sey Ehre in Ewigkeit! Amen.

1)
Heb. 13,17