Die Lerche hat vor allen andern Vögeln die Art, daß sie sich nicht, wenn sie singen will, auf einen Zweig eines andern Baumes oder in eine Dornhecke und Gebüsch setzt, sondern sie schwingt sich in die Höhe und zwar stufenweise, daß es scheint, als wenn sie im Singen je mehr und mehr Lust bekäme, dem Himmel sich zu nähern und damit zu zeigen, wem sie zu Ehren ihr Liedlein anstimme, wie denn auch an ihrem Gesang das „dir, dir“ (der du in der Höhe wohnst) sich eigentlich und klar wahrnehmen läßt. Ich sah und hörte diesem Vöglein mit Lust zu und gedachte bei mir selbst: Wie wohl hat mein Erlöser gesagt: Sehet die Vögel unter dem Himmel an (Mat. 6,26). Wie artig zeigt mir dieser Vogel die rechte Art, andächtig zu beten und Gott zu loben! Er hat, wie die Erfahrung bezeugt, seine fast gewissen Stunden, da er sich von der Erde erhebt und seinem Schöpfer zu Ehren ein Liedlein hören läßt, und das sowohl nachts als tags. Sollte ich denn träger sein, meinen Gott zu loben, als ein Vogel, der ich hunderttausendmal mehr Gutes von ihm empfange als dieser Vogel? Das sei ferne! Ich will den Herrn loben allezeit, sein Lob soll immerdar in meinem Munde sein (Ps. 34,2). Und wenn ich schon manchmal schlechte Andacht bei mir finde, sehe ich es doch an diesem Vöglein und weiß aus der Erfahrung, daß die Andacht im Verlangen und in der Bemühung zu beten zu wachsen pflegt, denn je mehr sich unser Geist vom Irdischen erhebt, je näher er dem Himmel kommt, und wie sollte nicht voll himmlischer Glut werden, was sich dem Himmel naht? Wie sollte nicht voll Licht werden, was sich nach dem ewigen Licht sehnt?
Unsere Andacht vergleicht sich oft den Strömen, die zwar aus einer kleinen Quelle ihren Anfang haben, im Fortfließen aber wachsen und schließlich mit schiffreichen Wassern sich ins Meer ergießen. So ist unser Herz oft so dürr und leer, daß wir nicht wissen, was und wie wir beten und danken sollen, bis aus einem Tröpflein göttlicher Gnade ein Strom wird, der alles anliegen und Hindernis mit sich fortreißt und sich ins Meer der göttlichen Barmherzigkeit ergießt und verliert. Und ich halte, dies meine der königliche Prophet, wenn er spricht: Wenn ich rufe, so werde ich inne, daß du mein Gott bist (Ps. 56,10). Mein Gott, so oft ich künftig eine Lerche sehe und höre, will ich mich erinnern meiner Schuldigkeit, die mich, dich mit fröhlichem Herzen und Munde zu loben, verbindlich macht! Wie sollte ich größere Freude haben, als wenn du mir die Gnade gönnst, daß ich dich, meinen gnädigen, barmherzigen, gütigen, frommen, getreuen, milden, freundlichen, langmütigen, liebreichen Gott mit brünstiger Andacht preisen und also einen Vorgeschmack haben mag von derselben seligen, süßen Arbeit, daran mir in Ewigkeit genügen wird?