Scriver, Christian - Goldpredigten - Erste Predigt.

Im Namen JEsu! Amen.

Ueber die Erste Tafel des göttlichen Gesetzes.

Die zehn Gebote. Erste Tafel.

Das erste Gebot: „Ich bin der HErr, dein Gott; du sollst keine andere Götter neben mir haben.
Das andre Gebot: Du sollst den Namen des HErrn, deines Gottes, nicht Vergeblich führen.
Das dritte Gebot: Du sollst den Feiertag heiligen.“

Vorbereitung.

Vor dem Tempel zu Jerusalem hat der König Salomo lassen setzen zwei eherne Säulen, die achtzehn Ellen hoch, und zwölf Ellen dick gewesen, und hat die eine Jachin, die andere Boas genennet (1 Kön. 7, 21.). Nun könnte ich zwar mit Weitläufigkeit darthun, wie kostbar auch diese Säulen gewesen, und wie großer Verwunderung es werth sei; aber Solches leidet für dießmal mein Vorhaben nicht, sondern nur das will ich sagen, daß gewiß diese mächtigen Säulen nicht allein dem Tempel ein großes Ansehn und Zierde, sondern auch Allen, die hineingiengen, diese Erinnerung geben sollten, daß der Gott Israel, der in dem Hause geehret und angebetet würde, eine eherne, das ist, eine feste und unwandelbare Säule wäre, auf welchen man sich ganz sicher verlassen, und seine Zuversicht auf Ihn setzen könnte, wie es auch die Namen der Säulen mitbringen, weil sie beide von der Standhaftigkeit und Stärke benannt sind.

Wie nun die Israeliten alsofort beim Eingang zu ihrem Gottesdienst diese hochnöthige Erinnerung an diesen Säulen hatten, so haben wir im Eingang unsers güldenen Katechismus-Büchleins alsbald eine Erinnerung von herzlichem und einigem Vertrauen und Zuversicht, die wir nirgends andershin, als auf den einigen und wahren Gott setzen sollen, wie wir Solches in bevorstehender Predigt mit Mehrerem werden zu vernehmen haben.

Eingang.

Es machen die Chemiker aus dem Gold eine Arznei, welche sie das Donner- oder schlagende Gold nennen. Dieses, ob es wohl wahrhaftiges Gold ist, jedennoch, weil es auf eine sonderbare chemische Art zubereitet wird, hat es sonderliche Art, und ist dem stärksten Schießpulver an Kräften überlegen. Es hat aber dieses Goldpulver einen Nutzen in der Arznei, und kann als ein gutes schweißtreibendes Mittel gebraucht werden.

Dieses Gold kann uns gar füglich dienen, die Art und Natur des göttlichen Gesetzes, welches den ersten Theil unsers Katechismus-Büchleins ausmacht, darinnen abzubilden und E. L. vorzustellen. Das Gesetz ist wahrlich ein recht lauteres Gold, weil es von Gott selbst sein Herkommen hat, der Seine Heiligkeit, Gerechtigkeit und göttliche Vollkommenheit darin entworfen, und den Menschen zum Vorbild ihres Wandels gegeben hat, darum es dann nicht abzuthun und aus der christlichen Kirche wegzuschaffen ist, wie ehemals die Gesetzesstürmer gelehret haben; denn das Gesetz ist je heilig und das Gebot ist heilig, recht und gut (Röm. 7, 12.) und wir wissen, daß das Gesetz gut ist, so sein Jemand recht brauchet. (1 Tim. 1, 8.) Aber es ist doch ein recht donnernd und schlagend Gold, nicht allein, weil es ehemals mit Donner und Blitz ist gegeben, (2. Mos. 19,16. 20, 18.) sondern weil es noch jetzt donnert und blitzt über alle unbußfertigen Sünder, die in Ruchlosigkeit und Sicherheit dahin leben, und ihre Sünden gar gering achten, wenn es spricht: verflucht sei, wer nicht alle Worte dieses Gesetzes erfüllet, daß er darnach thue! (5 Mos. 27, 26.) Ungnad und Zorn, Trübsal und Angst über alle Seelen der Menschen, die da Böses thun. (Röm. 2, 8. 9.) Wahrlich solche und dergleichen Sprüche sind nichts Andres, als gewaltige Donnerschläge, dadurch der Menschen Herzen und Gewissen erschreckt und erreget werden, wie es oftmals die Erfahrung lehret.

Es hat aber dieses Donnergold seinen trefflichen Nutzen in der geistlichen Seelenarznei; denn es erzwinget vor den Leuten eine äußerliche Frömmigkeit, und wehret mit Dräuen, Fluchen, Strafen, daß man nicht äußerlich Böses thue. Wiederum, so sich Einer solcher äußerlichen und abgezwungenen Frömmigkeit überheben wollte, so ist das Gesetz abermals da und schlägt, als mit einem Donner, darnieder alle menschliche Heiligkeit, Gerechtigkeit und Werke, zeiget die innerliche Bosheit und die große Unvollkommenheit alles unsers guten Vornehmens, und weil es eine gänzliche Vollkommenheit der Seelen, des Leibes, des Gemüths und aller Kräfte erfordert, so behält es den Menschen in Demuth und bewahret ihn vor innerlicher geistlicher Hoffahrt; kurz: das Gesetz wehret Etlichen, daß sie nicht böse seien, Etlichen, daß sie nicht fromm seien. Die Gottlosen und Muthwilligen hält es zurück, daß sie nicht dürfen ihrem bösen Willen durchaus folgen, und Alles thun, was ihnen ihr giftiges Herz in den Sinn gibt. Den Ehrbaren und Frommen hält es ihre mancherlei Mängel und Gebrechen vor, damit auch ihr bestes Leben beflecket ist, auf daß sie sich ihrer Frömmigkeit vor Gottes Gericht nicht anmaßen mögen, da diese nicht gelten kann. Und eben durch dieses Mittel, daß es also erschreckt, dräuet, schilt, fluchet, straft und verdammet, auch das beste Leben der Menschen, und ihnen also allen selbstgewachsenen Ruhm benimmt, wird es unser Zuchtmeister auf Christum (Galat. 3, 24.) und treibet uns, weil unser Thun verloren ist, und Nichts gilt, bei Ihm den rechten Ruhm und die Gerechtigkeit, die vor Gott gilt, zu suchen. Gleich wie ein gestrenger und unbarmherziger Schuldherr einen armen Schuldner durch sein stetiges Mahnen und Zureden nöthiget, Hilfe bei einem reichen und mitleidigen Mann zu suchen, und wie eine gefährliche und schmerzliche Krankheit Einen zu einem erfahrenen Arzt treibet, also muß des Gesetzes Zwang zu dem Herrn JEsu, dem himmlischen Arzte, uns führen.

Und weil wir nun von dem Gesetze Gottes aus unserem güldenen Katechismus-Büchlein auf's Erste zu handeln haben, so wollen wir ohne weiteren Eingang die erste Tafel desselben vor uns nehmen und daraus etliche schone Goldstücke sammeln, und am Ende, wie wir dieselbe zum christlichen Leben, geduldigen Leiden und seligen Sterben gebrauchen sollen, lernen, und mit nach Hause nehmen. Gott der HErr segne unsere Arbeit und lasse sie wohl gerathen zu Seinen Ehren, und unser Aller Erbauung um Christi willen! Amen.

Abhandlung.

Es spricht der Apostel Petrus zu jenem Lahmen: Silber und Gold habe ich nicht, was ich aber habe, das gebe ich dir. (Ap.Gesch. 3, 6.) Als einmal einer unter den Päpsten einem Kaiser seine Schätze zeigte, sprach er dabei: „Ich kann mit Petro nicht sagen: “„Gold und Silber habe ich nicht.“„ „Und, sprach der Kaiser, ihr könnet auch nicht sagen: “„Stehe auf und wandele.““ (Wie Mathesius erzählet.) Ich aber, weil ich auch mit Wahrheit sagen kann: „Vergänglich Gold und Silber hab' ich nicht,“ so will ich das, was ich von Gottes Gnaden habe, und in unserem Katechismo finde an geistlichem Golde, auch mit milder Hand und Herzen austheilen.

Es nehme demnach E. L. erstlich hin ein theures Goldstück aus dem ersten Gebot, darauf abgebildet sind drei Jungfrauen mit holdseligem Gesicht, lieblichen Geberden und in einander geschränkten Händen und Armen, mit der Ueberschrift: Die Liebe Gottes, die Furcht Gottes, das Vertrauen zu Gott. Denn dieß sind die drei vornehmsten Tugenden im ersten Gebot enthalten, wie auch Dr. Luthers Erklärung bezeuget.

Die Liebe Gottes ist, wenn einer Gott als das höchste Gut, und den ewigen unerschöpflichen Brunn alles Guten betrachtet, Seiner großen Liebe und Barmherzigkeit, die Er den Menschen täglich erweiset, nachdenket, und daher dann entzündet wird, Ihn zu lieben, das ist, Ihn allen Dingen vorzuziehen, Ihn über Alles zu erheben, und höher zu halten, als Alles, was lieblich ist im Himmel und auf Erden. So hat Gott der HErr selbst dieß Gebot erkläret, wenn Er spricht: Du sollst Gott, deinen HErrn, lieben von ganzer Seele, von ganzem Gemüth, und von allen Kräfte n(Matth. 22,37.), das ist, du sollst nicht allein mit Worten und dem Munde deinen Gott lieben, sondern von Grund deines Herzens, also, daß du zwar das, was liebenswerth ist, und der heiligen Liebe Gottes nicht entgegen, liebest, aber Gott doch noch mehr liebest, als alles Andere; aber, was mit der göttlichen Liebe nicht übereinkommt, aus deinem Herzen ausschaffest und um der Liebe Gottes willen nicht gern dran gedenkest, als wie von Jakob berichtet wird, daß, als er gen Bethel ziehen wollte, den wahren lebendigen Gott anzubeten, da habe er alle fremden Götzen aus seinem Hause ausgeschaffet (1 Mos. 35, 2. 4.). Deine Seele muß allein mit Gott groß thun, und Ihn über Alles erheben, wie die Jungfrau Maria (Luk. 1, 46 f.). Dein ganzes Gemüth muß auf die göttliche Liebe beflissen sein, der Verstand muß mit beständigem Nachsinnen fleißig das betrachten, das Gedächtniß dasselbe vornemlich behalten, und als einen Schatz beilegen, was die göttliche Liebe in dir erwecken und vermehren kann. Dein Wille muß wollen und lieben, was Gott will und liebet. Kurz: alle deine Kräfte, Leibes und der Seele, alle Adern und Blutstropfen, alles Leben und Weben, alles Regen und Bewegen muß zur Liebe Gottes gerichtet sein, wie David sagt: HErr, vor Dir (nach Dir) ist alle meine Begierde, und mein Seufzen ist Dir nicht verborgen! (Ps. 38, 10.) So mußt du auch von Herzen sagen zu deinem Gott:

Mein Lebetage will ich Dich
Aus meinem Sinn nicht lassen.
Dich will ich stets, gleich wie Du mich.
Mit Liebesarmen fassen;
Du sollst sein meines Herzens Licht,
Und wenn mein Herz in Stücke bricht.
Sollst du mein Herze bleiben;
Ich will mich Dir, mein höchster Ruhm,
Hiemit zu Deinem Eigenthum,
Beständiglich verschreiben.

Und wenn du mit dem Munde sprichst: „Mein Gott, ich liebe Dich!“ so muß deines innersten Herzens Meinung diese seyn: „Mein Gott, ich bezeuge und betheure vor Dir, Du Herzenskündiger, daß mir Nichts lieber ist, als Deine Liebe, und daß ich Dich liebe mehr, als Alles, das ich liebe: und daß ich lieber wollte, daß alle Gebeine und Glieder meines Leibes verdorren und verschmachten müßten, als daß ich jemals aufhören sollte, Dich zu lieben, oder nicht inniglich begehren sollte, in Deiner Liebe zu wachsen und fortzuschreiten; ja ich wollte, daß ich aller Creaturen Liebe allein in meinem Herzen hätte, so wollt' ich dieselbe auf niemand Anders, als auf Dich verwenden. Ich wollte, daß ich allein Dich, meinen lieben Gott, so inniglich, so herzlich, und brünstig lieben könnte, als Dich jemalen alle heiligen Engel und Menschen geliebt haben und noch lieben u. s. w.“ Und diese Liebe muß beständig seyn, und nicht allein bei guten Tagen und Sonnenschein sich erregen, sondern auch in hartem Stande, wenn der liebe Gott sich zornig stellt und mit seiner Zuchtruthe auf dich zuschlägt, aushalten, daß du alsdann sprechest: „Du bist dennoch mein lieber Gott, und schlüg'st Du mich mit tausend Toden todt.“ Wie neulich ein gottseliger Mann bei uns, der in der besten Blüthe seines Lebens dahin fiel, da er mit dem Tode rang, und die Herzensangst ihm den kalten Schweiß häufig austrieb, ohne Unterlaß mit halb erstorbener Zunge sagte: O lieber Gott! O lieber Gott!

Solche eine vollkommene Liebe, ob sie wohl bei keinem Menschen gefunden wird in dieser Unvollkommenheit, so müssen wir doch immer darnach streben, daß wir in der göttlichen Liebe täglich zunehmen, wachsen und vollkommen werden, und zum Wenigsten einen unwandelbaren Willen, Gott vollkommentlich zu lieben, haben, und in die Fußstapfen der Heiligen treten mögen, bei denen sich eine große Brunst der göttlichen Liebe gefunden hat; darum Abraham ein Liebhaber Gottes genannt wird, weil er auch seinen einigen und liebsten Sohn nicht so sehr als Gott geliebet hat. (2 Chron. 20, 7. 1 Mos. 22, 12.) David spricht: Herzlich lieb habe ich Dich, HErr!(Ps. 18, 2.) Der Apostel Petrus bezeugt's auch mit Thränen, daß er Gott und den Herrn JEsum lieb habe, und beruft sich auf das Wissen dessen, der alle Dinge weiß (Joh. 21, 15). Und wie herzlich und eifrig der Apostel Paulus Gott und den Herrn JEsum geliebt habe, das bezeugen seine Leiden, Reisen, Laufen, Rennen; darum er auch sagen darf: so Jemand (Gott und) den Herrn JEsum Christ nicht lieb hat, der sei verflucht! (1 Kor. 16, 22.) und dieß ist wohl eine recht güldene Tugend, weil, wie das Gold eine Feuerfarbe hat, also ist die göttliche Liebe ein himmlisches Feuer, vom heiligen Geist angezündet, daher sie auch eine Flamme des HErrn genannt wird: (Hohel. 8, 6.) Und wie man das Gold allenthalben zu seinem Nutzen anwenden kann, also muß denen, die Gott lieben, Alles zum Besten dienen. (Röm. 8, 28.)

Das andere Tugendbild auf unserem geistlichen Goldstück ist die Furcht Gottes. Ob es nun wohl das Ansehen haben möchte, als wäre diese der ersten zuwider, zumal denn auch Johannes spricht: Furcht ist nicht in der Liebe, sondern die völlige Liebe treibet die Furcht aus; denn die Furcht hat Pein. Wer sich aber fürchtet, der ist nicht völlig in der Liebe (1 Joh. 4, 18.); so ist doch die Sache alsofort gehoben, wenn man bedenket, daß ein Unterschied ist zwischen einer knechtischen Henkers-Furcht, und einer kindlichen Liebes-Furcht. Jene ist zwar in der Liebe nicht, diese aber ist allezeit bei der rechten göttlichen Liebe, wie wir Solches an unsern Kindern wahrnehmen können, die sich zwar oft zu ihrem Vater mit kindfreundlichen Geberden und liebreicher Holdseligkeit finden, aber doch allemal auf das väterliche Angesicht Achtung haben, und vor einem ernsten Anblick sich fürchten; ja diese Furcht ist der Liebe Tochter.

Denn je heftiger Einer Gott liebet, je mehr fürchtet er sich, daß er nicht Etwas thue, das solcher Liebe nicht gemäß, und seinem lieben Gott nicht gefällig sei; wie an dem keuschen Jüngling, Joseph, klärlich zu ersehen; derselbe war von seinem Vater, Jakob, zu allerlei Gottseligkeit erzogen, und der heilige Geist hatte das göttlich? Liebes-Feuer in ihm angezündet; wie nun der Teufel suchte, durch das unzüchtige Weib Potiphars fremdes Feuer in sein Herz zu tragen, und eine unkeusche Liebe in ihm zu erwecken, da bezeugte er alsobald eine göttliche Liebe und Furcht und sagte: Wie sollt ich denn nun ein solch groß Uebel thun, und wider den HErrn, meinen Gott, sündigen? (1. Mos. 39, 9.) Also ist keine Liebe ohne Haß: Die wahre Liebe hasset und fleucht Alles, was ihrem Geliebten gehässig und mißfällig ist, und in solchem Haß des Bösen bestehet die Furcht Gottes. Und diese Furcht Gottes ist eine rechte Männin, eine tugendhafte Heldin, die sich von keinem Trotzen, Stürmen, Dräuen, Wüthen und Toben der Menschen lasset schrecken; sondern wenn sie entweder Gott oder Menschen muß erzürnen, so spricht sie: man muß Gott mehr gehorchen, denn den Menschen! (Ap.Gesch. 4,19.) Und wann schon alles Geschütz der Welt auf sie gerichtet wäre, so muß sie doch bestehen und Gott mehr fürchten, als Alles, was schrecklich ist in der ganzen Welt, und es schmeichle oder schelte die ganze Welt, so heißt es immer: „Wie sollt ich so groß Uebel thun, und wider den HErrn, meinen Gott, sündigen?“ Diese Furcht hat allezeit den lieben Gott als wie im Gesichte, und weiß auch, daß Gott sie stets im Gesichte hat, wie David spricht: Ich hab den HErrn allezeit vor Augen, denn Er ist mir zur Rechten (Ps. 16, 8.). Und abermal: HErr, Du erforschest mich und kennest mich; ich sitze oder stehe auf, so weißt Du es; Du verstehest meine Gedanken von ferne; ich gehe oder liege, so bist Du um mich, und siehest alle meine Wege. (Ps. 139, 1-3) Darum auch der gottselige Tobias zu seinem Sohne saget: Dein Lebenlang hab Gott vor Augen und im Herzen, und hüte dich, daß du in keine Sünde willigst, noch thust wider Gottes Gebot. (Tob. 4, 6.)

Und damit er sich allezeit dessen erinnern mochte, ließ ihm jener gottselige Mann sein geheimes Kabinetlein also zurichten, daß auf dem Tisch stand das Bild des gekreuzigten Herrn JEsu, vor welchem lag die eröffnete und wohlgebrauchte Bibel; an den Wänden umher hatte er ihm allenthalben lassen malen ein offenes Auge, mit hellen Strahlen umgeben, darüber stand: „Jehovah“ mit der Beischrift: Die Augen des HErrn sind viel Heller, als die Sonne, und sehen Alles, was die Menschen thun, und schauen auch in die heimlichen Winkel (Sir. 23, 28). Und dieß ist nun abermal eine recht güldene Tugend, weil vielleicht kaum eine Tugend ist, der in heiliger göttlicher Schrift ein höheres Lob und größere Nutzbarkeit zugeeignet wird. Der weise Sirach spricht: Die Furcht des HErrn ist ein gesegneter Garten, und Nichts so schön, als sie ist (41,28.). Wer Gold hat in der Welt, dem dünket, er habe genug; David aber sagt, daß, die den HErrn fürchten, die haben keinen Mangel an irgend einem Gut (Ps. 34, 10. 11.) Wer Gold hat, der kann in der Welt allenthalben fortkommen, und findet Gunst. David aber sagt, der HErr habe Wohlgefallen an denen, die Ihn fürchten. (Ps. 147,11.) Wer Gold hat, lässet sich bedünken, er sei vor allen seinen Feinden gesichert: wie auch König Salomo bezeuget, wenn er spricht: Das Gut des Reichen ist ihm eine feste Stadt, und wie eine hohe Mauer um ihn her. (Spr. 18, 11.) Aber, wer den HErrn fürchtet, der hat eine sichere Festung und der Engel des HErrn lagert sich um die her, die den HErrn fürchten (Spr. 14,26. Ps. 34, 8.) Wer Gold hat, meinet, er könne Alles allenthalben erlangen; aber wer Gott fürchtet, der kann Alles bei Gott erhalten; die Gott fürchten, die haben Sein Herz als wie in der Hand; denn der HErr thut, was die Gottesfürchtigen begehren, und erhöret ihr Schreien, und hilft ihnen. (Ps. 145,19.) Wer Gold hat, der hat Ehre in der Welt, aber, wo man leidet in des HErrn Furcht, da ist Reichthum, Ehre und Leben. (Spr. 22, 4.) Wer Gold hat, der meinet, er könne die beste Heirath treffen; aber der weise Sirach spricht: Ein tugendsam Weib ist eine edle Gabe, und wird dem gegeben, der den HErrn fürchtet. (Sir. 26, 3.) Und am Ende, es ist fast nichts Köstliches, Nützliches und Seliges, das in heiliger göttlicher Schrift der edlen Gottesfurcht nicht zugeschrieben wird, darum wir dann solche güldene Tugend sonderlich lieben, und uns derselben befleißigen sollen.

Das dritte Tugendbild auf unserem geistlichen Goldstücke ist das Vertrauen zu Gott. Welche edle und hochschätzbare Tugend wir fast nicht besser als von unsern Kindern, denen wir sonst zu Lehrmeistern vorgesetzt sind, lernen können. Wie machen's aber dieselben? Sie haben in kindlicher Einfalt ein solches Vertrauen zu ihren Eltern, daß dieselben es nicht böse mit ihnen meinen können. Fehlet ihnen Etwas, so fordern sie es von den Eltern, ohne weitere Sorge; widerfähret ihnen Etwas, so nehmen sie ihre Zuflucht zu den Eltern; sie legen ihre Häuptlein in den lieben Schooß; sie blicken sie mit kindlicher Holdseligkeit an; sie neigen das Häuptlein an der Eltern Haupt, und sind bei ihnen allezeit freudiger und getroster, als bei Andern. Ein solch kindlich Vertrauen fordert nun der liebe Gott auch von uns Alten im ersten Gebot: wir sollen nemlich eine herzliche Zuversicht zu Ihm, als unserem lieben Vater haben, in allen Begebenheiten zu Ihm fliehen, unser Haupt, wann's voller Sorgen und Bekümmernisse ist, in Seinen liebreichen Schooß legen, und nicht zweifeln, Er, als ein Vater, wolle helfen, Er, als ein Gott aller Götter, könne helfen.

Und dieß Vertrauen zu dem lieben Gott muß steif und fest bleiben, wenn es schon allenthalben bunt zugehet, ja wenn auch der HErr selbst es zuweilen so wunderlich macht, daß es scheinet, als wollt' Er, der uns aus Nöthen zu helfen verheißen hat, uns erst recht in Noth stürzen. Denn der liebe Gott geht zuweilen mit uns um nach Apotheker-Art: dieselben nehmen die herrlichsten Kräuter, schönsten Blumen, köstlichsten Perlen und theuren Edelsteine, die sie dann dürren, zerreiben, zerstoßen, zerpressen und zu Staub machen. Da sollte mancher Unbedachtsame herausfahren und sagen: Ach, immer Schade um die stattlichen Sachen, die der Mann so verderbt. Aber ein Verständiger sieht einem solchen Künstler mit Fleiß zu, und spricht: Ich traue ihm zu, daß er nicht umsonst also mit solchen Dingen verfahre. Er ist ein künstlicher Meister, er wird schon was Kostbares und Nutzbares daraus zu machen wissen: also, sage ich, macht's auch oft der wunderbare Gott; Er nimmt die Herzen Seiner Gläubigen, zerreibt, zerstößt und zermalmet sie, Er setzet oft ihren Leib in eine hitzige Krankheit, Er nimmt ihre zeitlichen Güter, und machet sie zu Staub. Da kann sich Mancher in des lieben Gottes Weise nicht schicken, aber das Vertrauen zu Gott lehret uns geduldig seyn, und sagen: „Mein Gott, mach's wunderlich, nur seliglich!“ Du hast von Anbeginn der Welt die Deinigen wunderlich, und nach Deinem göttlichen Rath geführet, aber endlich hast Du sie mit Ehren angenommen; Du wirst's auch mit mir wohl machen!

Und also erkläret uns dieß Vertrauen der HErr, unser Gott, in Seinem Wort, wenn Er spricht: Wendet euch zu mir, aller Welt Ende, denn Ich bin Gott, und Keiner mehr! (Jesaj. 45,22.) Wirf Dein Anliegen auf den HErrn; der wird dich versorgen. (Ps. 55,23.) Befiehl dem HErrn deine Wege, und hoffe auf Ihn; Er wird's wohl machen. (Ps. 37,5.) Und was ist nun dieß abermal Anders, als eine recht güldene Tugend? Wer Gold hat in der Welt, der verläßt sich drauf, und macht den Goldklumpen zu seiner Zuversicht: also, ein Mensch, der Gott vertraut, der ist allezeit in Gott fröhlich, und was ihm zustößt, so verläßt er sich auf Ihn und wie düster es allenthalben ausstehet, wie sehr die Gottlosen schnauben, dräuen, toben, so spricht er: Ich will schweigen, und meinen Mund nicht aufthun; Du, mein Gott, wirst's wohl machen. (Ps. 39, 10.) Der HErr ist mein Licht und mein Heil; vor wem sollte ich mich fürchten? Der HErr ist meines Lebens Kraft; vor wem sollte mir grauen? (Ps. 27, 1.) Kommt dann zuweilen sein blödes Fleisch und Blut eine Furcht an, so sagt er: Wenn ich mich fürchte, so hoff ich auf Dich, mein Gott! Ich will Gottes Wort rühmen; auf Gott will ich hoffen und mich nicht fürchten; was sollt mir Fleisch thun? (Ps. 56, 4. 5.) Tritt denn ein Dräuer auf, mit seiner Doegszunge(vergl. 1. Sam. 21, 7. 22, 9. 18. 22. Ps. 62.) und Goliaths-Spieß, so spricht er: Was trotzest du denn, du Tyrann, daß du kannst Schaden thun; so dock Gottes Güte noch täglich währet? (Ps. 52, 3.) Diese Tugend muß uns nun auch lieb und werth seyn, weil kein besser Mittel ist, in Nöthen auszudauern, als eben sie. Drum gewöhne dich, du gottseliges Herz, daß du in allen deinen Zufällen könnest von Herzen sagen:

Allein zu Gott mein' Hoffnung steht!
Wie es mir geht.
Will ich auf Ihn vertrauen;
In Noth und Widerwärtigkeit
Will ich allzeit
Hart und fest auf Ihn bauen.
Er ist mein Schutz,
Drum, Teufel, Trutz!
Trotz aller Welt
Gott bei mir hält;
Vor Niemand soll mir grauen!

O wie selig ist nun das Herz, darinnen diese güldenen Tugenden zu finden sind. Das heißet und ist mit Wahrheit ein recht güldenes Herz. Ja, das ist gewiß, daß die drei vorgedachten Tugenden nichts Andres sind, als rechte Goldstrahlen, die eines Menschen Herz ganz herrlich, schön und angenehm vor Gott machen können.

Ich komme aber nun zu dem andern Gebot, darinnen ich alsbald ein lauteres Gold finde, welches ist die Heiligung des göttlichen Namens, und damit E. L. desto besser Alles fasse, so möget ihr euch einbilden, daß auf diesem andern geistlichen Goldstück stehe . der Hohepriester des A. T. in seinem prächtigen Kleid, mit erhabenen Händen, als wenn er das Volk segnete, mit der Beischrift: „Der HErr segne dich und behüte dich! Der HErr lasse Sein Angesicht leuchten über dir und sei dir gnädig! Der HErr hebe Sein Angesicht über dich und gebe dir Friede!“ (4 Mos. 6, 24.) Oder bildet euch ein, daß darauf stehe der alte Jakob, wie er in seinem Bette lieget und mit übereinander geschlagenen Armen die beiden Söhne Josephs, Ephraim und Manasse segnet. Denn der Name Gottes kann nach dem andern Gebot nicht besser angewandt werden, als wenn man ihn zum Segnen gebraucht. Wir sollen aber segnen

1) Gott, den HErrn selbst, d. i. wir sollen Ihn anbeten, loben, rühmen und preisen. Denn also gebraucht die Schrift das Wort „segnen,“ wenn sie spricht: Lobet (segnet), ihr Völker, unsern Gott; lasset Seinen Ruhm weit erschallen! (Ps. 66,8.) Gelobet (gesegnet) sei Gott der HErr, der Gott Israel, de« alleine Wunder thut und gelobet (gesegnet) sei Sein herrlicher Name immer und ewiglich und alle Lande müssen Seiner Ehre voll werden. (Ps. 72, 18. 19.) So segnet nun ein Mensch Gott, den HErrn, wenn er Seine schönen Ehrentitel aus der Schrift entlehnet, und mit denselben in Betrachtung der unzählbaren Wohlthaten, so er der ganzen Welt täglich erweiset, Ihn aus fröhlichem Herzen und Munde lobet; als wenn er spricht: „Du lieber, getreuer, gnädiger, barmherziger, grundgütiger Gott, Du huldreicher Vater, Du mächtiger Schöpfer und Erhalter aller Dinge, Du bist der unerschöpfliche Brunn alles Guten; von Dir kommen alle guten und alle vollkommenen Gaben; Du thust uns alles Guts; Du erfüllest unser Herz mit Speise und Freuden; Du thust alle Hilfe, die auf Erden geschiehet; sei hoch gepreiset, sei hochgelobet, mein Gott, in Ewigkeit! Wie soll ich Dich, mein Gott, genugsam loben, wie soll ich Dir, meinem HErrn, vergelten all Deine Wohlthaten, die Du an mir gethan hast? Es müssen Dich alle Engel und Menschen in alle Ewigkeit loben und werden Dich doch nimmermehr genugsam loben, Du gütiger und getreuer Gott!“ Solcher Segen ist vor Gott lauter Gold und ihm angenehmer als alles Gold. Das Gold ist köstlich vor der Welt, aber der König David spricht: Das ist ein köstlich Ding, dem HErrn danken, und lobsingen Deinem Namen, Du Höchster, des Morgens Deine Gnade, und des Nachts Deine Wahrheit verkündigen. (Ps. 92, 2. 3.) Deßgleichen spricht er: Bringet her dem HErrn, ihr Gewaltigen, bringet her dem HErrn! Was denn? Gold oder Silber, welches man beiden Gewaltigen zu finden pfleget? Nein; damit ist dem Allerhöchsten nicht gedienet, sondern bringet her dem HErrn Ehre und Stärke, bringet her dem HErrn Ehre Seines Namens; betet an den HErrn in heiligem Schmuck! (Ps. 29,1.2.)

2) Wir sollen segnen uns selbst; nemlich durch's liebe Gebet. Denn wer fleißig betet, der thut nichts Andres, als daß er sich segnet, und wer dazu den Namen Gottes anwendet, daß er sich damit segnet, der heiligt den Namen Gottes nach dem andern Gebot. Zum Exempel: wenn du des Morgens aufstehest und sprichst: Das walte Gott Vater, Sohn und heiliger Geist! wenn du bei deinen Geschäften und Verrichtungen seufzest und sprichst: Nun, so helf uns Gott! Das walte Gott! Hilf Herr JEsu! wenn du vor und nach Tisch dein Gebet und Danksagung verrichtest, wenn du dich des Abends selbst einsegnest, wenn du zu Bette gehest und mit Anrufung des göttlichen Namens schlafen gehest, so hast du den Namen Gottes wohl und Nützlich, dir selbst zum Besten, gebrauchet; und das ist dir so gut, als hättest du dir viel Geld gesammelt und beigeleget.

Hieher gehöret auch, wenn Einer ihm die Sprüche der heil. Schrift fein bekannt machet, die. selben stets im Munde führet und zu seinem Unterricht, Trost und Warnung sie gebrauchet; wie denn etliche gottselige Herzen ihnen gewisse Sprüche zu erwählen Pflegen, die sie sonderlich lieben und in allerlei Fällen sich derselben bedienen. Etliche haben den Spruch: Gott leget uns eine Last auf, aber Er hilft uns auch; wir haben einen Gott, der da hilft und den HErrn HErrn, der vom Tode errettet (Ps. 68, 20. 21.). Andre: Was betrübst Du Dich, meine Seele, und bist so unruhig in mir? Harre auf Gott! (Ps. 42, 6. und 12.) Andre: Er wird's wohl machen (Ps. 37,5.) Andre: Das ist ein theures, werthes Wort, daß Christus JEsus in die Welt kommen ist, die Sünder selig zu machen (1 Tim. 1, 15). Etliche folgen dem Rath eines vornehmen Theologen, der neulich unter dem Namen Antenor das Bild eines guten Regenten an König Salomo (aus 1 Kön. 1 -11.) gezeiget hat, und erwählen ihnen so viel Sprüche, als Buchstaben in ihrem Namen sind, da ein jedweder von einem besondern Buchstaben des Namens anfangen muß. Zum Exempel, wenn Eine den Namen Catharina hat, kann sie ihr dabei bekannt machen folgende Sprüche:

Christus ist mein Leben und Sterben mein Gewinn.
Also hat Gott die Welt geliebet, daß Er u. s. w.
Trachtet am Ersten nach dem Reich Gottes u. s. w.
Hoffet auf Gott allezeit, lieben Leute!
Alles, was ihr thut mit Worten oder Werken, u. s. w.
Rufe mich an in der Noch, so will ich dich u. s. w.
Ich weiß, daß mein Erlöser lebet u. s. w.
Nach Dir, HErr, verlanget mich; mein Gott, u. s. w.
Ach wie gar Nichts sind doch alle Menschen u. s. w.

(s. Phil. 1, 21. - Joh. 3, 16. - Matth. 6, 33. - Ps. 62, 9. - Kol. 3, 17. - Ps, 50, 15. - Hiob 19, 25. - Ps. 25, 1. - Ps. 39, 12.)

Andere erwählen ihnen sonderliche Symbole oder Denksprüche und schreiben ihnen dieselben allenthalben auf, führen sie immer im Herzen und Munde und trösten sich damit. Sophia eine geborne Herzogin von Mecklenburg, Friedrichs des andern, Königs in Dänemark Wittwe, hatte zum Denkspruch: Gott verläßt die Seinen nicht. Bogislaus der zwölfte Herzog in Pommern: Hilf mir, mein Gott! Ernst Ludwig, Herzog in Pommern: „Wer Gott vertraut, hat wohl gebaut!“ Otto, Graf von Mansfeld: Sorg', und sorg' nicht zu viel: es geschieht doch, was Gott haben will. Und dergleichen haben ihnen oft auch andere gottselige Herzen auserlesen1). Dieß Alles heißt nun billig den Namen Gottes nützlich gebrauchen, und sind solche Gebete, Spruche und gute Gedanken nichts Anders als theure Goldkörner, aus dem Goldstrom der heiligen Schrift gesammelt und in einem feinen guten Herzen gezeuget.

Wir sollen segnen nach dem andern Gebot 3) auch unsern Nächsten. Und hieher gehört der Amts- und Liebes-Segen, als wenn die Obrigkeit ihren Unterthanen alles Gute wünschet, wie Salomo that (1 Kön. 8, 14. 55 ff.). Und wiederum, wenn die Unterthanen für die liebe Obrigkeit beten und sie im Namen des HErrn segnen, wie die Knechte Davids (1 Kön. 1,47.); wenn Lehrer und Prediger für ihre Gemeine beten und ihre Zuhörer im Namen des HErrn segnen, wie die Leviten (2 Chron. 30, 27.), wenn Eltern ihre Kinder segnen, wie Isaak und Jakob (1 Mose 27, 28. 48, 15.) u. s. w. Hieher gehört der von Alters her gebräuchliche Gruß, als wie Boas zu seinen Schnittern spricht, wie er zu ihnen aufs Feld kommt: „Der HErr mit euch!“ und sie antworteten: „Der HErr segne dich!“ (Ruth 2, 4.) Wie auch David bezeuget, daß im jüdischen Lande gebräuchlich gewesen, daß die Vorübergehenden zu den Arbeitern gesagt haben: Der Segen des HErrn sei über euch; wir segnen euch im Namen des HErrn! (Ps. 129,8.) Daher es denn noch jetzo bleibet, daß man, Einer dem Andern, im Namen des HErrn einen guten Morgen, guten Tag, glückseligen Abend und geruhige Nacht wünschet; und dieser brüderliche Segen soll sich auch auf die Feinde erstrecken, wie der Herr JEsus befiehlt, wenn er spricht: Liebet eure Feinde; segnet, die euch fluchen; thut wohl denen, die euch hassen! (Matth. 5,44.) Wie auch Paulus sagt: Segnet, die euch verfolgen; segnet - und fluchet nicht (Röm. 12, 14.). Und wer nun also seinen Nächsten im Namen des HErrn segnet, für ihn betet, und ihm alles Liebs und Guts wünschet, der hat abermal den Namen des HErrn nützlich und wohl gebrauchet, und hat ihm damit einen Schatz von lauterem Golde gesammelt; denn die Seele, die da reich segnet, wird fett und gesegnet werden (Spr. 11, 25.).

Und wenn bei den Alten wegen ihrer heiligen Beredsamkeit der Name Chrysostomus (güldner Mund) dem Johannes, Erzbischof zu Constantinopel, und Chrysologus (güldenes Wort) dem Petrus, Bischof zu Ravenna, gegeben worden, so ist wahrlich auch ein solcher gottseliger Mensch, der auf vorbeschriebene Weise des Namens Gottes sich gebrauchet, ein rechter „Gülden-Mund“ zu nennen. Dem alten Geschichtschreiber Berosus hat man bei den Athenern sein Bildniß zu Ehren aufgerichtet mit einer vergoldeten Zunge, wie Plinius schreibet; aber ein solcher Mund, eine solche Zunge, wie wir bisher aus dem andern Gebot gezeigt haben, die ist fürwahr für recht gülden und köstlich zu achten, weil alles Gold der Welt gegen den theuren Namen Gottes, der auf solcher Zunge leuchtet, für Nichts zu schätzen ist.

Aber wir wenden uns nunmehr zu dem dritten Gebot, aus welchem uns alsbald ein feines Gold, die Heiligung des Sabbaths, unter die Augen leuchtet. Solche nun E. L. desto füglicher vorzustellen, wollet ihr euch auf unserem geistlichen Goldstück vorbilden, wie die Maria, während ihre Schwester Martha ihr viel zu schaffen machet, zu den Füßen des Herrn JEsu sitzet, und Seiner Rede gar andächtig zuhöret, mit der Ueberschrift „Eins ist noth!“ (Luk. 10, 42.); denn es ist zwar der Herr JEsus allezeit bei und mit uns bis an's Ende der Welt (Matth. 28, 20.), auch mitten unter unsern wichtigsten Geschäften, und redet mit uns durch Sein Wort und heiligen Geist und durch unser Gewissen; aber dennoch hat es der himmlischen Weisheit also beliebet, daß sie einen gewissen Tag erwählet und verordnet hat, da wir unserer Geschäfte sollen müßig gehen, da der Herr JEsus will zu uns kommen, uns segnen und zu uns durch Seine Diener reden und also Sein Werk in uns haben; und ist diese Verordnung unsers Gottes vornemlich zu unserem Besten, damit nicht allein der abgemattete Leib möchte erquicket, sondern auch die Seele, die mit so vielen Sorgen und Bekümmernissen die Woche über beschweret gewesen, in Ruhe möchte gesetzet werden, und Zeit haben, dem Ewigen und Himmlischen, dazu sie erschaffen, nachzusinnen.

Solche heilige Sabbathsruhe sollen wir uns nun Wohlgefallen lassen, und wenn diese herankommt, sollen wir nicht mit der Martha uns Viel zu schaffen machen, sondern uns mit der Maria zu den Füßen JEsu setzen und Seiner Rede mit höchstem Fleiß zuhören. Damit nun Solches am Sonntag desto füglicher geschehen könne, muß man zuvor eine gottselige Vorbereitung anstellen; man muß am Sonnabend zu rechter Zeit die Register, Bücher und Briefe an die Seite legen, die Kasten und Laden verschließen, und bei Zeit Feierabend machen, dagegen die Bibel und eine nützliche Hauspostille hervorsuchen und sein Herz, als ein Kästlein, mit dem Schlüssel des andächtigen Gebets eröffnen, damit man die himmlischen Schätze darinnen sammeln und beilegen möge. Ich zweifle nicht, daß die Maria vor Ankunft des Herrn JEsu auch in häuslichen Verrichtungen sei beschäftiget gewesen; aber sobald der Herr JEsus kommt, da lässet sie Alles stehen und liegen, und gedenket: hieran ist mehr gelegen. So müssen wir es auch machen. Wann uns der HErr, unser Gott, zum Gehör Seines göttlichen Worts, und zur seligen Seelen-Feier beruft, so muß uns Nichts daran hindern.

Dieses uns einzuprägen hat Gott der HErr vor das dritte Gebot ein sonderliches Notabene gesetzt, weil Er spricht: Gedenke, daß du den Sabbath heiligest, als wollte Er sagen: Gedenk' die ganze Woche, unter deinen Geschäften und mitten in der Arbeit daran, daß du Mir zu Ehren, und dir zum Besten einen Tag feierlich halten wollest und richte alle deine Geschäfte darnach, daß du gegen denselben Tag müßig und Mir zu dienen bereit seiest. Unsere gottseligen Vorfahren haben eben zu dem Ende verordnet, daß am Sonnabend zu Nachmittage die Glocken geläutet, und mit der Vesper der Anfang des Gottesdienstes gemacht wird. So folget nun, ihr christlichen Hausvater und Hausmütter, und machts also! Singet am Sonnabend mit den Eurigen vorher die Gesänge, welche auf den folgenden Tag in der Gemeine gesungen werden, damit sie der lieben Einfalt bekannt werden; Lasset eures Herzens Freude und Wonne sein, wann ihr den lieben Gott mit fröhlichem Munde loben sollet (Ps. 63,6.) Sprecht zu euren Hausgenossen: „Kommet her, Kinder, höret mir zu, ich will euch die Furcht des HErrn lehren! (Ps. 34, 12.) Kommt, laßt uns anbeten und knieen und niederfallen vor dem HErrn, der uns gemacht hat. Heute, so ihr Seine Stimme hören werdet, so verstocket eure Herzen nicht“ (Ps. 96,6. 7. 8.). Gehet denn drauf in der Zeit zu Bette, und leget euch im Namen des HErrn zur Ruhe, auf daß ihr des Morgens freudig und fröhlich möget auf seyn, und mit David sagen: Mein Herz ist bereit, Gott, mein Herz ist bereit, daß ich singe und lobe; wach auf, meine Ehre! wach auf, Psalter und Harfe! frühe will ich aufwachen. HErr, ich will dir danken unter den Völkern, ich will dir lobsingen unter den Leuten (Ps. 57, 8-10.). Dann, wenn nunmehr die Zeit da ist, in die Kirche zu gehen, so seid nicht so sehr auf den Schmuck des Madensacks und sündlichen Leibes, als auf den Schmuck der Seele und des innerlichen Menschen bedacht. Bei den lieben gottseligen Alten, wann die Mutter ihrer Tochter die Haare flocht und sie schmückte, mußte das Kind nebst ihr ein geistliches Lied singen, oder die Mutter war eine Hauspredigerin, und sagte ihren Kindern Etwas aus Gottes Wort vor, wie Salomo von solcher gottseligen Hausmutter spricht: Sie thut ihren Mund auf mit Weisheit, und auf ihrer Zunge ist holdselige Lehre (Sprüchw. 31, 26.). Wann die Mutter ihrer Tochter den Kranz aufsetzte, sagte sie dazu: „JEsus Christus setze dir auch im Himmel die Krone des ewigen Lebens auf!“ Wann sie ihren Kindern ein reines Hemde und anderes sauberes leinen Geräth gab, so erinnerte sie dabei, was Paulus spricht: Wie viel euer getauft sind, die haben Christum JEsum angezogen (Galat. 3, 27.) u. s. w. Machet es auch also, meine Liebsten, und kommet also mit gottseliger Andacht zur Kirche; seid nicht die Letzten, sondern die Ersten.

Leget auch vor der Kirchthüre ab alle weltlichen Gedanken und unnützen Sorgen, die euren gottseligen Fleiß verstören und an eurer Andacht euch hindern möchten. Bittet auch Gott aus ganzem Gemüth, daß Er durch Seinen heil. Geist des Predigers Herz und Mund und eure Herzen und Ohren eröffnen wolle, damit er mit großer Freudigkeit und Erbauung lehren, und ihr mit großer Andacht und Nutzbarkeit hören möget. Wann dann der Prediger auftritt, so sehet ihn an als einen Engel und Boten Gottes, als einen himmlischen Freiwerber, welchen Gott, um eure Seele zu buhlen und dieselbe als eine reine Jungfrau dem Herrn JEsu zuzuführen, abgefertiget hat, und denket, daß wer ihn höret, der höret den Herrn JEsum, und wer ihn verachtet, der verachtet den Herrn JEsum. Wann er nun lehret, so folget seiner Lehre; wann er tröstet, so freuet euch seines Trostes; wann er strafet, so denket nicht: das gilt dem oder dem, sondern riechet in euern eigenen Busen, und prüfet euch selbst, ob ihr auch das gestrafte Laster bei euch findet und nehmet euch von Herzen vor, solches zu bessern; mit Wenigem: Sammelt euch aus der Predigt euer ganzes Herzkästlein voll güldener Lehren, güldenen Trostes, güldener Sprüche und guter Erinnerungen, und traget dieselben mit nach Hause.

Nach geendigter Predigt eilet nicht so fort aus der Kirche, als wenn euch die Stelle unter den Füßen brennete, sondern verrichtet euer Gebet und danket Gott von Herzen für Sein theures göttliches Wort und nehmet den Segen mit, welcher nicht ohne Nutzen pfleget zu sein, wie dort die Schrift bezeuget, wenn sie sagt: Und die Priester und Leviten stunden auf und segneten das Volk, und ihre Stimme ward erhöret, und ihr Gebet kam hinein vor Seine heilige Wohnung im Himmel (2 Chr. 30, 27.). Im Uebrigen seid darauf bedacht, wie ihr das, was ihr gehöret habt, in einem feinen guten Herzen bewahren und im gottseligen Leben ausüben wollet. Erkundiget euch bei Kindern und Gesinde, was sie aus der Predigt behalten haben. Lasset Gottes Wort euer Tischgespräch und bestes Gewürz eurer Speisen seyn. Bringet den ganzen übrigen Tag in Uebung der Gottseligkeit und heiligem Wandel zu. Könnet ihr lesen, so macht es, wie die Beroenser, welche in der Schrift forscheten, ob es sich also verhielte (Apost. 17,11.), wie ihnen Paulus gepredigt hatte; könnet ihr schreiben, so machet euch Büchlein, darinnen ihr den Kern der Sprüche und der Predigt verzeichnet. Könnet ihr weder lesen, noch schreiben, so könnet ihr doch dem angehörten Wort nachsinnen; so gehet ins Feld, lasset die Geschöpfe Gottes euer Buch und Nachprediger sein; erinnert euch der vielfältigen Güte Gottes und danket, singet und spielet Ihm in euren Herzen. Besuchet und tröstet die Kranken, die Betrübten, die Wittwen, Waisen, Armen und Verlassenen (Jak. 1, 27.) und beschließet also den Tag in Gottseligkeit und Mäßigkeit. So habt ihr den Sabbath wohl gefeiert und dem lieben Gott einen Dienst geleistet, der Ihm angenehmer ist, als alles güldene Geräthe, das ehemals im alten Testamente bei dem levitischen Gottesdienst gebraucht wurde. - Das wäre also die kurze Erklärung der drei ersten Gebote des göttlichen Gesetzes, der wir nun sofort anhängen wollen, wie wir dieß nützlich gebrauchen sollen.

1) Zum christlichen Leben. Der rechte Brunn aller Heiligkeit ist die Furcht und Liebe Gottes ; so du Gott liebest, so wirst du hassen, was Gott hasset und dich stets vorsehen, daß du Ihn nicht erzürnest. Liebst du Gott, so darfst du die Welt nicht lieb haben noch was in der Welt ist; du darfst auch aus dir selbst nicht einen Abgott machen und deinen Leib, dein Leben, deine Ehre, dein Gut und Blut nicht mehr lieben, als Gott, sondern wann es nöthig ist, mußt du Alles gern und willig um Gottes willen in die Schanze schlagen und verlassen. Es muß deine Freude seyn, daß du dich zu Gott hältst (Ps. 73,28.), wenn du auch von aller Welt verlassen würdest; du mußt dich der Gunst deines lieben Gottes getrösten, wenn du schon aller Welt Haß und unverdiente Ungunst auf dir hättest. Du mußt hassen, die Gott hasset und die Ihn hassen, und mußt lieben, die Gott liebt, ob sie schon gering und verachtet sind. Du mußt gern mit deinem lieben Gott reden durch's Gebet und Ihn mit dir reden lassen durch fleißige Betrachtung Seines Worts. Du mußt dich vor Nichts so sehr fürchten, als vor der Sünde, weil sie deinem lieben Gott zuwider ist. Du mußt dich durch keine menschliche Gewalt von der Furcht Gottes lassen abwendig machen, wie der Herr JEsus sagt: Fürchtet euch nicht vor denen, die den Leib tödten, und die Seele nicht mögen tödten; fürchtet euch aber vielmehr vor dem, der Leib und Seele verderben mag in die Hölle (Matth. 10, 28.). Darum mußt du oft mit der christlichen Kirche singen und sprechen: Mein Gott!

Laß mich nicht Lust noch Furcht von Dir
In dieser Welt abwenden;
Beständig sein an's End' gib mir;
Du hast's allein in Händen!

Setze auch dein Vertrauen nirgends hin, als auf deinen lieben Gott, und suche allein bei Ihm Hilfe, Schutz, Rettung und Troll in allen deinen Nöthen; verlaß dich nicht auf dich selbst, auf eigenen Witz, Verstand und Gaben; verlaß dich nicht auf Menschen, die betrüglich und sterblich sind, nicht auf zeitliche Güter, die vergänglich, nicht auf Ehre, die eitel, nicht auf abergläubischen Tand, der teuflisch ist, suche nicht Rath bei dem Teufel, und wende dich nicht von deinem lieben Gott, dem Schöpfer und Erhalter deines Lebens, zu dem Teufel, dem Mörder und abgesagten Feind deines Leibs und deiner Seele, sondern laß dein Herz allezeit auf Gott gerichtet sein und blos Ihm und Seiner väterlichen Fürsorge und göttlichen Gnade trauen, und sprich freudig und getrost:

Ich traue Gottes Gnaden,
Die mich vor allem Schaden,
Vor allem Uebel schützt.
Es kann mir Nichts geschehen.
Als was Er hat ersehen.
Und was mir selig ist.
Ich nehm es, wie Er's giebet;
Was Ihm an mir beliebet.
Das Hab auch ich erkiest.

Also mußt du auch deinem lieben Gott deinen Mund widmen und heiligen, wenn du ein christliches Leben führen willst. Mancher Mensch hat eine böse Gewohnheit, daß er schrecklich und liederlich fluchet, wie ich denn neulich an einem Edelmann (dessen Namen ich nicht nennen mag) erfahren; der kam an einen Ort, woselbst ich auch zugegen war, und traf über all sein Vermuthen einen seiner alten Bekannten und Duzbruder an, welchen er, sobald er ihn erkannte, mit abscheulichen Fluchreden begrüßte und also auch fortfuhr. Es war schrecklich anzuhören, und mir stunden die Haare zu Berge. Ich habe einmal einen Soldaten gesehen, der hatte sich in Branntwein vollgesoffen, und geberdete sich wie ein Rasender, er schalt und schmähte auf öffentlichen Gassen Alle, die vorübergingen, ob sie ihm schon Nichts sagten und ihm kein Wasser trübten; er fluchte, daß die Erde davon zittern, und der Himmel sich verdunkeln möchte; er schlug immer mit den Händen gegen den Himmel, und warf mit lauter Donner, Blitz, Hagel, Sakramenten, Wunden und Marter um sich, daß ich mich über Gottes Langmuth verwundern mußte, der solchem freveln Flucher und Lästerer Seines heiligen Namens also zusehen konnte. Und solche wollen dennoch nicht unchristlich seyn! Ihr aber, meine Liebsten, nicht also! Ihr seid zum Segen gesetzet, den ihr ererben sollet, wie wollet ihr denn den Fluch belieben? Gott hat euch mit geistlichen und ewigen Gütern in Christo JEsu gesegnet, wie wolltet ihr denn euch unter einander verfluchen? Habet ja eure Zunge und euren Mund so unwerth nicht, daß ihr des höllischen Mordgeistes Namen zum Fluchen führen solltet; gedenket an die schrecklichen Exempel, welche Gott, der gerechte Richter, manchmal an solchen frevelhaften Fluchern vorgestellt hat, deren ich viel anführen konnte, wenn es die Zeit leiden wollte.

Also ist auch wider das christliche Leben, das Segnen und Böten, und anderer abergläubischer Tand; welches, unchristliche Wesen doch so sehr überhand genommen hat, daß ihm fast nicht mehr zu steuren oder zu wehren ist. Sobald einem Hausvater selbst oder einem seiner Hausgenossen ein Finger weh thut, oder er ein Gebrechen an seinem Vieh merket, so ist man alsobald auf abergläubische Mittel bedacht, und suchet einen Segensprecher oder Segensprecherin; die muß es böten, wie man hie zu Land redet. Das soll und muß keine Sünde seyn, weil, wie sie reden, nur lauter gute Worte dazu gebraucht werden; aber, mein Mensch, daß ich der andern geschweige, so ist eben dieses der vornehmste Knoten, dadurch dich der Teufel bindet, und in Sünden verstricket, daß du den Namen Gottes und heilige gute Worte anders gebrauchest, als es Gott in Seinem Wort befohlen hat; so klug ist der Teufel wohl, daß er nicht allemal mit seiner scheußlichen Gestalt und mit Teufelsklauen sich muß sehen lassen, wann er die Menschen verführen will, sondern er muß sich in einen Engel des Lichts verstellen (2 Kor. 11, 14.) und seinen Teufelskoth mit Gottes Namen und Wort übergülden, auf daß er ihn den Menschen beibringe: so es aber der Name Gottes und gute Worte thun, Lieber, sage mir: warum hilft es nicht, wenn ein Christ den andern in Krankheit besucht und spricht: Der Herr JEsus helfe euch! Gott, der himmlische Vater, erbarme sich euer und helfe euch nach Seinem gnä digen Willen! u. s. w.? Dieß sind auch gute Worte. Aber, sprichst du, es muß auch noch Anderes hinzu kommen; man muß so viel Kreuze dazu machen, man muß drei, fünf, oder siebenmal wiederholen, man muß ausspützen, u. s. w. Ja, eben daraus stehest du, daß die Kraft und Wirkung nicht den guten Worten, sondern dem abergläubischen Tand zugeschrieben, also der göttliche Name nur zum Mäntelchen gebraucht wird, des Teufels Betrug damit zu bedecken.

Aber man sage mir, was man will, denket Mancher, es hilft gleichwohl! Ach, mein Mensch, so du Gott liebest, fürchtest und Ihm vertrauest, und zu Seines Namens Ehre gedenkest, christlich zu leben, so wirst du solche Hilfe nicht begehren, dadurch des großen Gottes Name geschändet, und deine, von Christo JEsu so theuer erkaufte Seele in Gefahr gesetzet wird. Der Teufel ist ein schlauer Spieler, der gern zuerst einen Groschen oder etliche verliert, damit er dir das Spiel lieb mache, und dich hernach alles deines Vorraths beraube. Er wird auf Gottes Verhängniß gern dich dem Leibe nach heilen, damit er dich der Seelen nach in ewiges Unheil stürze. Darum, ihr meine Liebsten, ist's besser, mit Geduld leiden und ertragen, was Gott uns oder den Unsrigen zuschicket, als mit bösem Gewissen sich dessen entladen. Es ist besser, mit Gott krank seyn, Schaden leiden, oder gar sterben, als mit dem Teufel gesund seyn, Vortheil haben, und bei Leben bleiben; der gottselige und eifrige Kirchenlehrer Chrysostomus urtheilet, daß derjenige, der seine schmerzliche Krankheit lieber behalten, und lieber gar sterben, als mit Segnen und andern abergläubischen Mitteln dieselbe vertreiben, und sich von der Liebe und Furcht Gottes abwendig machen lassen wolle, der sei den Märtyrern gleich zu schätzen und habe dieselbe Krone aus der Hand des HErrn zu erwarten. Er hält dafür, daß, wer sein liebes Kind, eher sterben, als durch abergläubische Mittel ihm will helfen lassen, der sei dem Abraham zu vergleichen, der auch lieber seinen einigen und liebsten Sohn verlieren, als dem allerhöchsten Gott hat ungehorsam werden wollen. Und er ziehet nicht unfüglich hieher, was der Herr JEsus saget: Wer sein Leben lieb hat, der wird's verlieren, und wer sein Leben auf dieser Welt hasset, der wird's erhalten zum ewigen Leben (Joh. 12, 25.). Er dräuet auch dabei, wo er in's Künftige Einen oder den Andern unter seinen Zuhörern werde betreffen, so wolle er sein nicht schonen, und wollte Gott, daß auch bei uns mit mehr Ernst und Eifer von geistlicher und weltlicher Obrigkeit dieser gar zu gemeinen Sünde widerstanden würde.

Ich hätte hiebet noch Mehr zu erinnern, aber die Zeit leidet es nicht. Lernet weiter, meine Liebsten, wie ihr auch nach dem dritten Gebot das unchristliche Wesen meiden, und euch eines christlichen Lebens befleißigen müsset! Fürwahr, es ist unläugbar, daß viele Christen in Heiligung des siebenten Tages sich gar nicht christlich bezeugen. Die meisten meinen, den Sabbath heiligen, heiße so viel, als nicht arbeiten, sein Sonntagskleid anziehen, des Morgens, zuweilen auch des Nachmittags einmal in die Kirche gehen, hernach müßig umherschlendern, oder zusammenkommen in Gelagen und Wirthshäusern, und lustig herum saufen, daß man des Abends die Thür seines Hauses kaum finden könne; daß wohl jener kluge Mann gedichtet, der Teufel, nachdem er das Notabene, Gedenke des Sabbaths, daß du ihn heiligest, bei dem dritten Gebot wahrgenommen, und daraus, wie ernstlich Gott der HErr über dieses Gebot zu halten gemeint sei, verspüret, habe Rath gehalten, wie er dieses Gedenken in Vergessen, und das Heiligen in Entheiligen verwandeln möchte, und habe darauf den Hoffahrts-, Sauf- und Hurenteufel abgefertiget, welche niemals, als am Sonntag geschäftiger seien. Andere haben nie Mehr zu thun, als wann man am Sonntag zur Predigt läutet und werden vom Geizteufel getrieben, daß sie weder ihnen selbst, noch ihrem Gesinde und Vieh eine Sabbathsruhe gönnen, und da man zuweilen in der Woche Zeit hat, die besten, zur Arbeit bequemsten Stunden zu versäumen, und dafür in Gesellschaften zu sitzen, da will man am Sonntag solches Versäumniß wieder gut machen; aber, meine liebsten Zuhörer, das ist dem Gesetz Gottes und dem christlichen Leben gar nicht gemäß: darum sehet wohl zu, und bessert, was zu bessern ist, damit nicht Gott der HErr, als ein Eiferer über Sein heiliges Gesetz, mit Seiner Strafruthe uns zu Haufen treibe: denn wenn wir mit gutem Willen den Sabbath nicht heiligen wollen, so pflegt Gott der HErr durch Krieg und Verwüstung, absonderlich durch große Feuersbrünste, einen Sabbath zu machen, daß wir mit leerer Hand dastehen und Nichts zu thun haben, als klagen und heulen.

2. Zum geduldigen Leiden. Nichts ist heilsamer in Kreuz und Leiden, als die güldenen Tugenden, welche wir E. L. vorhin gezeiget haben: denn, mein Christenmann, du Kreuzmann, so du deinen Gott von Herzen liebest, so mußt du dir das Kreuz, das von einer so lieben Hand kommt, nicht lassen zuwider sein, sondern dich damit trösten, daß dir, und allen denen, die Gott lieben, müssen alle Dinge zum Besten dienen (Röm. 8, 28.). Fürchtest du deinen lieben Gott, so hüte dich vor Murren und Ungeduld, damit Gott erzürnet und zu Vergrößerung Seiner Strafen bewogen wird; setze aber dein kindliches und ungezweifeltes Vertrauen in die unerforschliche Barmherzigkeit Gottes, und verlaß dich sicherlich auf Seine gnädige Hilfe, halt daneben an nicht allein mit Beten, sondern auch mit Loben und Danken, mitten in Trübsal, und hole Trost und Labsal für deine betrübte Seele aus fleißiger Anhörung und Betrachtung des göttlichen Wortes, so wirst du alles Kreuz mit Geduld überwinden, und des von deinem lieben Gott bestimmten Ausgangs mit Freuden erwarten können.

3. Zum seligen Sterben. Niemand stirbt seliger, als der seinen lieben Gott bis ans Ende im Herzen hat, und aus herzlicher Liebe zu Ihm mit David spricht: Ach! ach! wann werde ich dahin kommen, daß ich Gottes Angesicht schaue? (Ps. 42, 3.) Darum, ihr meine Liebsten, wann ihr vermerket, daß eure Zeit vorhanden ist, so gedenket, daß euch der fromme Gott aus großer Liebe abfordere aus der sündlichen und betrübten Welt in den Himmel, da ihr eure Liebe, die ihr zu Ihm tragen, ewig genießen, und Ihn von Angesicht zu Angesicht schauen sollet; da wird euer Mund voll Lachens und eure Zunge voll Rühmens sein, und werdet ihr den süßen Namen Gottes mit allen heiligen Engeln und Menschen ewig loben und preisen; da werdet ihr einen Sabbath nach dem andern ewig feiern, und in sicherer Wohnung und stolzer Ruhe ewig leben, darum sprecht von Herzen:

Meinen lieben Gott von Angesicht
Werd ich anschau'n, dran zweifl' ich nicht.
In ewiger Freud' und Seligkeit,
Die mir bereit't;
Ihm sei Lob, Preis in Ewigkeit. Amen!

1)
In Oberlins Hause begegnete jedem Blick etwas Lehrreiches; bald ein Bild, bald ein Spruch, hier ein Fingerzeig in die Bibel, dort einer in die Natur. An allen Thüren fand man Inschriften von seiner Hand, z. B. „Oel in die Lampe!“ - „Der Engel des HErrn lagert sich um die her, so Ihn fürchten.“ „Nur Eins ist Noth“. Aus „Ein Besuch bei O. in Knapp Christof. v. Jahr 1835. - Friedrich, Churfürst in Sachsen, begehrte von Spalatin, er solle die Trostworte: Also hat Gott die Welt geliebt rc. auf eine Tafel mit großen Buchstaben schreiben und zu den Füßen an sein Bett hängen, damit er in der Todesnoth, wenn er nicht mehr reden oder hören könne, er sie anschauen und sich Gottes herzlicher Barmherzigkeit und des offenen Himmels getrösten möge.