Im Namen JEsu! Amen.
Ueber die Drei Artikel des christlichen Glaubens.
Die drei Artikel des christlichen Glaubens.
Ich glaube an Einen Gott, Vater, den allmächtigen Schöpfer Himmels und der Erden.
Ich glaube an JEsum Christum, den eingebornen Sohn Gottes, unsers HErrn, der empfangen ist von dem heiligen Geist, geboren aus Maria, der Jungfrau, der gelitten hat unter Pontio Pilato, gekreuziget, gestorben und begraben, ist abgefahren zu der Hölle, am dritten Nag wieder auferstanden von den Todten, aufgefahren gen Himmel; da sitzet er zur Rechten Gottes, Seines allmächtigen Vaters, von dannen er wieder Kommen wird, zu richten die Lebendigen und die Todten.
Ich glaube an den heiligen Geist, eine heilige, christliche Kirche, die Gemeinschaft der Heiligen, Vergebung der Sünden, Auferstehung des Leibes, und ein ewiges Leben.
Vorbereitung.
Als die Königin Esther des stolzen Haman's mördlichen Anschlag wider das jüdische Volk hintertreiben und zunichtmachen wollte, legte sie ihre königliche Kleidung an und stellete sich mit holdselig demüthigen Geberden vor den König Ahasverus, der auch alsbald den güldenen Scepter gegen sie ausreckete, welchen sie anrührte und darauf aller ihrer Bitten Gewährung fand (Esther 5, 1. ff.). An dieser edlen Königin haben wir ein schönes Bild des wahren, seligmachenden Glaubens, welcher unter allen andern Tugenden billig als eine Königin den Vorzug hat, und ist vor Gott hochangesehen und geachtet, nicht wegen sein selbst, sondern wegen des Herrn Christi JEsu, welchen er in der Taufe angezogen hat. Sobald ein glaubensvolles Herz vor Gott tritt, recket Er Seinen güldenen Gnaden-Scepter gegen dasselbe aus und gewährt ihm all' seine Bitte, daß der höllische Haman und Bösewicht mit seinen mördlichen Anschlägen wider die Seele zu Spott und Schanden werden muß, wovon wir aus den drei Artikeln unseres apostolischen Glaubensbekenntnisses jetzo mit Mehrerem zu reden haben.
Eingang.
Das Gold ist allezeit zum vornehmsten Schmuck des menschlichen Leibes mitgerechnet worden und hat man zu dem Ende allerlei Geschmeide, als Ketten, Ringe, Spangen, Armbänder u. dergl. daraus gemacht und dieselbe zur Zierrath getragen; wie uns denn bewußt ist, daß Abrahams Knecht, Elieser, der Rebekka güldene Spangen, Armringe und andere Kleinode verehrt hat (1 Mos. 24, 22. 23.); wie auch Pharao, der König in Egypten, den Joseph mit einem güldenen Ring und Ketten beschenkte. Wiewohl eine Nation in Aethiopien, welche die Geschichtschreiber die Makrobier nennen, lieber ihren Schmuck aus Erz, die Ketten aber und Bande der Uebelthäter aus Gold gemachet, wie Pomponius Mela und Tertullian bezeugen, welcher hinzu thut, daß auf solche Weise wohl Niemand das Gold lieb haben sollte (Aliquando revera inventum est, quomodo et aurum non ametur). Andre haben auf andre Weise das Gold zum Schmuck und Gepränge verwendet. Dieses Alles aber hat Gott der HErr vornemlich darum geschehen lassen, daß Er theils in dem vergänglichen Schmuck uns die unvergängliche Pracht und Herrlichkeit der zukünftigen Welt abbilden und ein heiliges Verlangen nach derselben in uns erwecken; theils, daß Er der lieben Obrigkeit, die Er doch ohnedieß und zuvörderst mit Seinem Wort geziert, ein Ansehen vor dem gemeinen Mann, welcher die Augen gern will gefüllet haben, machen möchte; endlich, daß Er auch den Unterschied der Stände, der Ehren und des Vermögens damit beibehalte, darum Er es denn auch wohl leiden kann, wenn Eines mit demüthigem Herzen in seinem Amts- und Ehrenschmuck sich sehen lässet, oder wenn sonst gottselige Frauen und Jungfrauen in ihrem gebührenden Schmuck einhergehen, wie wir denn auch nirgends lesen, daß Gott der HErr solchen Schmuck schlechterdings und gänzlich sollte abgeschafft und verboten haben.
Aber zu beklagen ist, daß die Welt sich einem trunkenen Bauren vergleicht, welcher, wenn man ihm auf einer Seite auf's Pferd hilft, auf der andern wieder herabfällt. Denn die Welt geräth entweder mit Mönchen und Wiedertäufern in die Schwärmerei, als wenn man gar kein Gold, Silber oder dergleichen zur Zierde tragen dürfte, oder sie thut auf der andern Seite des Dinges zu viel, und will Niemand nach seinem Stande sich kleiden und schmücken, sondern ein Jedweder thut sich hervor in so weit, als ihn sein Hochmuth treibet, und es sein Beutel zugibt; wovor wir uns auf's Fleißigste zu hüten haben, damit es uns nicht gehe, wie Gott den israelitischen Jungfrauen gedräuet hat, daß Er wolle ihr Geschmeide und Schmuck wegnehmen. Und selbst die Obrigkeit hat hierin nicht Macht zu verfahren, wie sie will; denn „ob zwar große Herren zu Ehren sollen prächtig sein, sich etwas sehen lassen und mit Unkosten prangen, so muß doch Alles eingerichtet sein nach Gelegenheit des Orts, und wenn das Vermögen vorhanden, auch das Einkommen und der Vorrath es ertragen kann, und es ohne der armen Unterthanen Schaden geschehen mag; sonst ist alle Pracht eitel Sünde und Gräuel und lässet sich vor Gott nimmermehr verantworten“ (Mathesius).
Vor allen Dingen hat ein Jedweder, wenn er sich je schmücken will, dahin zu sehen, daß er sich seines Schmuckes nicht überhebe, sondern auch mitten in der größten Pracht ein demüthiges Herz gegen Gott und Menschen behalte, wie von Kaiser Otto. d. Gr. geschrieben wird, daß, so oft er den kaiserlichen Habit anlegen müssen, er zuvor Gott um ein demüthiges Herz angerufen, damit er durch solche vergängliche Herrlichkeit zur Hoffahrt nicht beweget würde. So muß man auch bei dem vergänglichen Leibesschmuck des vornehmsten Seelenschmuckes nicht vergessen, wie denn gewiß Mancher in seinem Herzen wird überzeugt sein, daß er sich mehr den schnöden Zierrath seines sterblichen Leibes, als den wahren edlen Schmuck seiner unsterblichen Seele hat angelegen sein lassen. Ich habe eine Jungfrau gekannt, welche, als sie zum erstenmal sollen zum heil. Abendmahl gehen, etliche Tage vorher ihre beste Kleidung und schönstes Geschmeide angelegt, sich in eine Kammer verschlossen, einen Spiegel vor sich und an die Erde gestellt, und im Neigen und Geberden sich geübet; wie man denn auch bei uns wohl Etliche finden sollte, denen, wann sie zum hochwürdigen Abendmahl gehen sollen, keine Magd eine Nadel recht stecken, den Gürtel nicht recht umthun, das Kopfgeschmeide nicht recht aufsetzen und die Perlen nicht zierlich genug um den Hals binden kann. Aber ihr, meine Liebsten,
Laßt nicht den Sack der Motten,
Den Leib und das Gebein,
Das endlich muß verrotten,
Mehr, als die Seele sein!
Die Kirchen-Geschichte meldet von Pambus, einem heiligen Mann, daß, als ihm zu Alexandria ein unzüchtiges, doch prächtig geziertes und geschminktes Weib begegnet sei, habe er bitterlich zu weinen angefangen, und als man nach der Ursach gefragt, habe er geantwortet, um zweierlei Ursachen willen müßte er seine Thränen vergießen, einmal, daß er des elenden Weibes ewiges Verderben vor Augen sehe; dann, daß er noch niemals seine Seele also zu schmücken, wie dieses Weib ihren schnöden Leib, geflissen gewesen wäre. Darum nehmet in Acht, ihr gottselige Herzen, was der Apostel sagt: Ich will, daß die Weiber in zierlichem Kleide mit Scham und Zucht sich schmücken, nicht mit Zöpfen oder Gold oder Perlen oder köstlichem Gewand, sondern wie sich ziemet den Weibern, die da Gottseligkeit beweisen durch gute Werke (1 Timoth. 2,9. 10.); welchem der heil. Petrus zustimmet, wenn er spricht: Der Weiber Schmuck soll nicht auswendig sein mit Haarflechten, Gold umhängen und Kleider anlegen, sondern der verborgene Mensch des Herzens unverrückt, mit sanftem und stillem Geist, das ist köstlich vor Gott (1 Petr. 3, 3. 4.)1).
So ist nun das der vornehmste und rechte Seelenschmuck, der im Glauben und gottseligen Leben bestehet; das ist das Gold, davon der königliche Prophet redet, wenn er sagt: Des Königs Tochter ist ganz herrlich inwendig; sie ist mit güldenen Stücken gekleidet; die Braut steht zu Deiner Rechten in eitel köstlichem Gold (Psalm 45, 10. 14.). Und wie wir nun nach solchem unvergleichlichen Goldschmucke trachten und desselbigen fähig werden können, das werden wir aus bevorstehender Erklärung der christlichen Glaubens-Artikel zu vernehmen haben. Dieselbe wolle der HErr, unser Gott, durch Seines heiligen Geistes Beistand befördern, segnen und wohl gerathen lassen um des Herrn JEsu willen. Amen.
Abhandlung.
Alexander der Große hat unter den eroberten Schätzen des Königs Darius auch ein köstliches güldenes und mit Edelsteinen verziertes Kästlein gefunden, in welchem Darius die köstlichsten Salben und Oele hat bei sich zu führen gepflegt. Weil nun Alexander als ein Kriegsheld sich Mehrentheils mit Staub, Schweiß und Blut salbete und also solche weibische Dinge nicht groß achtete, wußte er nichts Besseres und Lieberes in einem so theuren Kästlein zu verwahren als die Bücher Homer's, welche er nicht weit aus den Händen zu legen pflegte.
Dieses war Etwas; aber ich mag mit Wahrheit sagen, daß ein jedweder gottseliger Christ ein viel köstlicheres Kästlein habe und besitze, welches ist sein Herz, darinnen durch wahren Glauben die Bücher der heil. Schrift und vornemlich derselben Kern und Stern, der Herr JEsus Christus mit all' Seinem Verdienst und Wohlthaten eingeschlossen und verwahret wird. Und wer den Glauben hat an den Herrn JEsum, dessen Herz ist mit Seinem Blute vergüldet und vor Gott köstlicher als alles Gold der Welt geachtet.
Und solcher Glaube wird billig mit dem Golde verglichen; denn gleichwie erstlich das Gold das theuerste und vornehmste ist unter allen Metallen, also ist der Glaube die vornehmste unter allen Tugenden. Der Glaube ist die Königin, der alle andern Tugenden aufwarten und auf dem Fuß folgen. Gleichwie das Gold ein Geschöpf Gottes ist, unten in der Erde im Verborgenen erzeuget und hat doch nach der Meinung der Chemiker große Verwandtschaft mit der Sonne, also ist der Glaube allein Gottes Werk (Joh. 6, 29. Kol. 2, 12.), der ihn in den menschlichen Herzen durch Sein Wort und den heil. Geist schaffet, hat aber all' seinen Glanz, Kraft und Wirkung von der Sonne der Gerechtigkeit, dem Herrn JEsu, auf welchen sein ganzes Wesen bestehet; und machet der Glaube gerecht vor Gott, nicht weil er ein so gutes Werk ist, sondern weil er Christum mit Seinem Verdienst ergreift und sich denselben zu eigen machet, weßwegen ihn Luther mit einem güldenen Ring, darin ein köstlicher Edelstein gefasset ist, zu vergleichen pfleget, der zwar an sich nicht sehr viel werth, aber wegen des Edelsteines hoch und theuer zu achten ist.
Gleichwie weiter das Gold Alles in der Welt vermag (wie denn Philipp, König in Makedonien wohl gesagt, es wäre keine Vestung so wohl verwahret, die er nicht gewinnen wollte, wenn er nur einen Maulesel, mit Gold beladen, hineinbringen könnte); also vermag der wahre Glaube Alles im Himmel. Denn alle Dinge sind möglich dem, der da glaubet (Marc. 9, 23.), und wer da bittet Etwas von Gott in seinem Gebet, so er glaubet, so wird er's empfangen (Matth. 21, 22.). Wie das Gold durch's Feuer bewährt und geläutert wird, also wird der Glaube durch Trübsal bewähret und im Ofen des Elends auserwählt gemacht, wie Petrus sagt: Ihr seid in mancherlei Anfechtungen, auf daß euer Glaube rechtschaffen und viel köstlicher erfunden werde, denn das vergängliche Gold, das durch's Feuer bewähret wird (1 Petr. 1, 6. 7.). Wie endlich das Gold, wenn es erst aus der Glut kommt oder sonst neu poliret ist, gantz hell scheint, bald aber wieder mit allerlei Staub verdunkelt wird, also findet man auch solche Abwechslung des Glanzes an dem Glauben, daß er zuweilen, wie der Mond, in den Herzen der wahren Christen mit vollem Lichte scheinet und in seinem Erlöser wider Teufel, Sünd' und Tod getrost und muthig ist, zuweilen aber kaum als ein Fünklein in der Asche glimmet; dabei wir doch den Trost haben, daß der Herr JEsus das zerstoßene Rohr nicht zerbrechen und das glimmende Tocht nicht ausloschen wolle (Jes. 42, 2.).
Wo nun also das geistliche Glaubensgold zu finden ist bei einem Menschen, dessen Herz hat man billig als ein kostbares, güldenes Kästlein zu achten. Was aber für theure Schätze und geistliche Goldstücke darinnen verwahret werden, dieß haben wir aus unsrem apostolischen Glaubensbekenntniß zu erlernen. Denn wenn wir im Anfang sagen: „Ich glaube an Gott“, so fällt mir dabei ein, was einer der Freunde Hiobs, Eliphas, sagt: Der Allmächtige wird dein Gold sein (Hiob 22, 25.). Fürwahr, wer von Herzen an Gott glaubet, der hat sich dessen zu rühmen, daß Gott selbst, der allmächtige Schöpfer Himmels und der Erde, sein Gold sei, das er in dem Kästlein seines Herzens eingeschlossen und gefasset habe. Und will nun ein Christ, wenn er spricht: „Ich glaube an Gott“ so viel sagen: Ich armer Mensch, ich Erdenkloß, ich nichtiger Wurm und Made, ich großer Sünder, ich Dürftiger und Verlassener, ich glaub' und weiß, daß ich einen Gott habe, dessen Macht, Gewalt, Hoheit und Herrlichkeit sich über Alles erstreckt; dessen Güte und Barmherzigkeit unbegreiflich und so groß, als Er selber ist; der auch Himmel und Erde und Alles, was darinnen ist, das Sichtbare und Unsichtbare, hat erschaffen; ja, der auch mir Leib, Seel' und Leben gegeben, mich bisher gnädigst ernähret, versorget, beschützet und erhalten hat: solches glaube und weiß ich nicht allein, und zwar aus Seinem göttlichen Wort, darinnen Er sich also geoffenbaret hat; sondern ich verlasse mich auch von Herzen auf Ihn und getröste mich Seiner väterlichen Vorsehung, damit Er allezeit mir, Seinem Kinde und armen Geschöpf, zum Besten siebet, sogar, daß auch nicht ein Härlein von meinem Haupte fallen darf ohne Seinen Willen; ich halte mich versichert Seiner Hilfe und mächtigen Schutzes in allen meinen Nöthen; kurz, ich zweifle gar nicht, sondern glaube ohn' allen Zweifel, daß, wie Er für mich gesorget hat, eh' ich geworden bin, Er also jetzt noch für mich sorge als ein liebreicher Vater, mich beschütze als ein allmächtiger Schöpfer und Beherrscher aller Dinge und mir aus allen meinen Nöthen wunderbarlich heraushelfe.
Ja, möchte Einer sagen, du redest also von Gott, als wenn Er allein barmherzig, gütig und ein Vater, und nicht auch gerecht, eifrig, ein gestrenger Richter und ein verzehrend Feuer wäre; und da du nicht in Abrede sein kannst, daß du Ihn täglich mit deinen vielfältigen Sünden zum Zorn reizest und mehr Straf, als Gnad verdienst, wie darfst du dich denn so kühnlich dessen rühmen, daß du, so zu reden, deinem lieben Gott im Schooße sitzest, und Nichts, als Gnad' und Güte von Ihm erwartest? Da antwortet ein gläubig Herz: Ich weiß fast wohl, daß ich, gleichwie alle andere Menschen, in Sünden empfangen und geboren bin und durch meine täglichen Uebertretungen Nichts, denn eitel Strafe verdiene, weil mein Gott nicht ist ein Gott, dem gottlos Wesen gefällt, und wer böse ist, bleibet nicht vor Ihm (Psalm 5, 5.). Aber ich habe noch mehr Gold, damit ich für meine Sünde bezahle, und meinen lieben Gott täglich versöhne, um welches willen Er auch allein mich mit gnädigen Augen ansiehet. Denn: Ich glaube an JEsum Christum, Seinen einigen Sohn, meinen HErrn. Dieser mein JEsus, der von Seinem himmlischen Vater mit dem heil. Geist gesalbet ist und darum Christus oder ein Gesalbter heißet, hat Seinen süßen JEsusnamen vom Seligmachen; und ist nicht allein der ewige, einige und liebste Sohn Seines himmlischen Vaters, von Ewigkeit her aus Seinem Wesen erzeuget, mit dem Vater und dem werthen heil. Geist gleicher Macht und Ehren; sondern Er ist auch in der Fülle der Zeit ein Menschensohn geworden; Er ist vom heiligen Geist empfangen und hat dadurch mein sündliches Empfangniß gebessert und geheiligt; Er ist von der Jungfrau Marin geboren, hat von ihrem durch des heil. Geistes Ueberschattung geheiligten Geblüt einen wahren menschlichen Leib angenommen und hat Sich dadurch auf's Allergenaueste mit mir und dem ganzen menschlichen Geschlecht befreundet; Er ist als ein wahrhaftiger Mensch geboren und hat als ein solcher gelebet und in dieser Sterblichkeit gewandelt, ist allerlei menschlichen Zufällen, ausgenommen die Sünde, unterworfen gewesen und hat dadurch nicht allein meine sündliche, klägliche Geburt, sondern auch mein ganzes Leben und menschlichen, elenden Wandel geheiliget. Mein Gehen, Stehen, Sitzen, Liegen, Schlafen, Wachen, Essen, Trinken, Schweigen, Reden ist durch das Seinige vor Gott heilig, gut und wohlgefällig geworden.
Und als Er gelitten und gekreuziget unter Pontio Pilato, dem römischen Landpfleger, hat Er an Seiner allerheiligsten Seele die rechte Höllenangst gekostet und an Seinem unbefleckten Leibe unsägliche Schmerzen erduldet, wie er dem Frevel und Muthwillen der blinden Heiden und verstockten Juden übergeben ward. Er hat auch Sein theures Blut am Oelberg, in Seinem Todeskampf, bei der Geißelung, bei der Krönung, bei der Kreuzigung und Eröffnung Seines schon verblichenen Leibes vergossen zum Lösegeld für meine und der ganzen Welt Sünde. Und was will ich allein davon sagen? Sein ganzes Leben von der Krippe bis an's Kreuz ist gewesen ein stetiges Leiden, in Armuth, Dürftigkeit, Hunger, Durst, Verachtung, Schmach, Verfolgung und Schmerzen; und das Alles hat Er ganz willig und geduldig über Sich ergehen lassen um meinetwillen, daß Er mich von der ewigen Qual und Pein der Hölle, die ich mit meinen Sünden verdienet hatte, erlösen mochte.
Und weil auch der Tod der Sünden Sold ist, so hat Er auch am Kreuz zu sterben Sich nicht weigern wollen, auf daß Er meinen Tod in einen Schlaf verwandeln, Seinen himmlischen Vater vollkommentlich mit mir versöhnen und mich dem ewigen Tod aus dem Rachen reißen möchte. Er ist begraben, auf daß Er mein Grab heiligen und zur Schlaf- und Ruhekammer machen, auch alle meine Sünde in Seinem Grabe verscharren und verschließen möchte; darauf ist Er zur Hölle hinuntergefahren und hat Sich den höllischen Geistern, als Seinen und meinen Feinden, als ihr Ueberwinder, lebendig bezeigt, hat ihnen auf die Hälse und sie unter Seine Füße getreten, ihre Macht ihnen genommen und Trotz geboten, daß sie weder Ihm, noch mir, noch Allen, die an Seinen Namen glauben, einigen Schaden zufügen sollten. Er ist auferstanden von den Todten, damit anzuzeigen, daß nun Alles vollbracht, was zu meiner Erlösung und Seligkeit dienete, und daß Er ein Herr über Tod und Leben wäre, von dem ich nunmehr mit Freuden singen und sagen kann:
Tod, Sünde, Teufel, Leben und Gnad',
Alles Er in Händen hat;
Er kann erretten,
Alle, die zu Ihm treten. Hallelujah!
Ferner ist Er aufgefahren über aller Himmel Himmel, auf daß Er Alles regiere, beherrsche und erfülle; Er hat sich hochgesetzet, auf daß Er auf mich, Sein niedriges und verachtetes Würmlein, ein wachendes Auge haben, mich und Seine ganze christliche Kirche gewaltig vertheidigen, beschützen und wider alle Höllenpforten erhalten möchte. Er hat meinem Fleisch und Blut mit Seiner Himmelfahrt und Sitzen zur Rechten Gottes die höchste Ehre angethan; sintemal ich mich dessen mit Wahrheit rühmen kann, daß mein Bruder, mein Fleisch und Blut, auf den Thron der göttlichen Majestät erhaben ist. Er vergisset auch meiner jetzt nicht, in Seiner höchsten Ehre und Herrlichkeit, sondern Er vertritt mich und bittet für mich bei Seinem himmlischen Vater, daß Er meiner schonet, wenn ich mit einem Fehl übereilet werde; und durch Ihn und in Seinem Namen kann ich Alles mit meinem Gebet erhalten bei Gott, was zu meiner zeitlichen und ewigen Wohlfahrt dienet. Ob ich auch wohl noch im Elend bin und in diesem Jammerthal walle, so sehne ich mich doch immer nach Ihm, und mein Herz ist da, wo Er, mein Schatz, ist; ich suche, was droben ist, da Christus ist, daß kein Hirsch, wie sehr er gejaget ist, nach frischem Wasser so schreien und laufen kann, als meine Seele nach Ihm verlanget, der auch alle Augenblicke in mir saget: Ach! Ach! wann werd ich dahin kommen, daß ich Gottes und des Herrn JEsu Angesicht schaue? Indessen getroste ich mich, daß Er wird wieder kommen mit großer Majestät und Herrlichkeit, ein allgemeiner Richter der Lebendigen und der Todten, da Er wird Trübsal anlegen allen denen, die mich betrübet haben um Seines Namens willen; mich aber wird Er alles meines Elends und Ungemachs vergessen machen; Er wird mich, wie eine Mutter, trösten; Er wird, wie ein Bräutigam, zu mir kommen; und wird mich zu Sich nehmen, daß ich sei und bleibe, wo Er ist, daß ich Seine Herrlichkeit sehe; nicht allem sehe, sondern auch genieße; nicht allein genieße, sondern auch in alle Ewigkeit besitze. Und dieses Alles glaube,, weiß und bekenn' ich mit solcher Sicherheit, als wenn ich Alles vor Augen hätte, mit solcher Ergötzlichkeit, daß ich keine Freude der Welt dagegen achte, mit solcher Beständigkeit, daß ich bereit bin, vermittelst Seines gnädigen Beistandes, auch tausend Leben, wenn ich sie haben könnte, deßfalls zu verlieren und dahinzugehen.
Und hie urtheile nun, wer will und kann, und wer irgend ein Fünklein des wahren Glaubens in seinem Herzen verspüret hat, ob dieses Alles, diese Erkenntniß, dieses zuversichtliche Wissen mit einem Gold der Welt zu vergleichen sei; und ob ich nicht reicher sei, als alle Reichen der ganzen Welt, weil ich JEsum, den Sohn Gottes, den Herrn der Herrlichkeit, den Beherrscher aller Dinge, mit allen Seinen Gütern, mit Seiner Liebe, mit Seinen Wohlthaten und ganzen Verdienst in meinem Herzen habe, besitze und ewiglich behalte? Ist nun die Welt fröhlich bei ihrem vergänglichen Golde, so ist meine Seele in meinem Herrn JEsu fröhlich. Die Welt suchet das Gold; ich suche und begehre Nichts, als JEsum, und wenn ich Ihn habe, so hab ich wohl, was mich ewig erfreuen soll. Die Welt verlasset sich auf's zeitliche Gold; ich verlasse mich allein auf die Güte und Liebe, auf den Kreuzestod und das Verdienst meines Herrn JEsu! Die Welt setzet in den Besitz des Goldes all ihre Glückseligkeit; ich setze in meinen Herrn JEsum all meine Seligkeit. Ich suche nicht mein Heil, sondern ich besitze und habe es, weil ich den Herrn JEsum in meinem Herzen habe. Ich darf nicht über's ungestümme Meer schiffen, durch unwegsame Oerter reisen, über Klippen und Felsen klettern, meinen Schatz zu suchen, weil mein Herr JEsus allenthalben bei mir ist.
Das Gold der Welt ist das edelste unter allen Metallen; aber was ist edler, köstlicher und unschätzbarer, als JEsus, mein Heiland, der unaussprechlich mehr vermag, als alles Gold? Das Gold ist ein schönes Metall und bethöret der Menschen Augen und Herzen durch seinen schönen Glanz; aber der Herr JEsus ist der Schönste unter den Menschenkindern (Ps. 45, 3.), der mit dem Wanze Seiner göttlichen Gnade, mit den Strahlen Seiner Liebe, Holdseligkeit, Freundlichkeit und Güte aller Menschen Augen und Herzen zu Sich locket, daß Niemand JEsum nicht liebet, als, der JEsum nicht kennet. Das Gold ist ein schweres Metall; aber mein Herr JEsus und Sein Verdienst ist schwerer, als alle meine schweren Sünden, die schon schwerer sind, als der Sand am Meer, und kann meines HErrn und Erlösers für mich vergossenes Blut all meine Sünde auf der göttlichen Gerichtswage überwägen.
Das vergängliche Gold kann von Dieben und Räubern genommen und entwendet werden; aber meiner Seele Gold, meinen JEsum, kann mir Niemand nehmen, er müßte mir denn die Seele nehmen, welche doch der Herr JEsus, als Sein Schäflein, in Seiner Hand hat, daraus sie Niemand reißen kann. Und ob zwar der höllische Mörder und Seelenräuber mir Tag und Nacht nachschleichet, so hat er doch Nichts an mir, gleichwie er an meinem Herrn JEsu Nichts hat. Das Gold der Welt liegt im Kasten ohn' einigen Nutzen und kann sich selbst nicht beschützen, sondern muß vor der Menschen Geiz mit Schlössern und Riegeln im Kasten verwahret werden; aber meiner Seele Gott und Gold, der Herr JEsus, ist nicht müßig, sondern wirket, redet, lebet, herrschet und regieret in mir, also daß nicht ich lebe, sondern Christus lebet in mir (Galat. 2, 2a.); und dieses mein Gold darf ich nicht verwahren, sondern es verwahret, beschützet und vertheidiget mich wider alle Macht und List meiner Feinde. Die Welt spricht zum Goldklumpen: „Mein Trost!“ (Hiob 31, 24.) Ich sage zu JEsu: „Mein Trost, mein einiger Trost!“ Die Welt prangt mit dem Golde; aber ich prange mit dem Herrn JEsu, wie Maria, meines Herrn JEsu liebste Mutter singt: meine Seele erhebet den HErrn, und mein Geist freuet sich Gottes, meines Heilandes (Luk. 1,46.47.). Der Herr JEsus ist mein gülden Büß- und Herzbild, das mir Sein himmlischer Vater gegeben hat; Seine Wohlthaten sind die güldene Kette, die ich um meinen Hals hänge. Kurz, Er geht mir über Alles, daß ich freudig singe und sage:
Wenn ich sonst gleich alle Schätze,
Alles Gold und Geld der Welt
Gegen diese Ehre setze.
Gegen dieses Lösegeld;
War' mir alle Ehr' und Lust
In der ganzen Welt bewußt,
Ei! sie würde mich nicht laben,
Wenn ich JEsum nicht sollt' haben.
Ich habe neulich gelesen, daß eines großen Königes Braut, als sie zu demselben heimgeführet worden, dessen Bildniß, in Gold und Edelsteine gefasset, auf der linken Brust getragen habe. Ich bin auch meines Herrn JEsu, des großen Königs Himmels und der Erde, versprochene Braut und walle durch die Welt, bis ich zu Ihm in Sein himmlisches Schloß heimgeführet werde; indessen muß Sein Bild und das Gedächtniß Seiner Liebe und Wohlthaten aus meinem Sinn und Herzen nicht kommen. In meinem Herzen ist Sein theurer JEsusname mit goldenen Buchstaben angeschrieben und ich rede gar oft also mit Ihm:
JEsu, mein' Freud, mein' Ehr und Ruhm,
Mein's Herzens Schatz und mein Reichthum!
Ich kann‘s doch ja nicht zeigen an.
Wie hoch Dein Nam' erfreuen kann!
JEsu, Du edler Bräut'gam werth.
Mein' höchste Zierd' auf dieser Erd,
An Dir allein ich mich ergötz'
Weit über alle güldne Schätz';
So oft ich nur gedenk' an Dich,
All mein Gemüth erfreuet sich!
Und wenn ich noch tausendmal Mehr zu sagen und zu erdenken wüßte, meines Herrn JEsu Lob auszubreiten und meine Liebe zu Ihm und meine Zuversicht auf Ihn zu entdecken, so wollt' ich Solches mit fröhlichem Herzen und Mund öffentlich ausrufen.
Bei dieser Freudigkeit einer gläubigen Seele möchte Einer sagen: Woher weißest du denn Dieses? Wer hat dich das gelehret? und wer will dich dessen versichern, daß dem Allem also sei und du sattsamen Grund habest deines Glaubens und deiner Hoffnung? Weißest du nicht, daß du noch in der Welt bist, auf einem wilden Meere, und wer weiß, an welcher Klippe dein Glaubens -Schifflein scheitern kann? Da antwortet ein gläubiges Herz und spricht weiter: Ach! ich habe alles Dessen, was ich bisher gesagt (wiewohl ich noch lange nicht genug gesagt), sattsamen Grund; ich habe einen Brief und schriftliche Versicherung meines lieben Gottes, daß dem also sei, wie ich berichtet habe und nicht anders: das ist Sein göttlich Wort; ich habe auch, welches das Vornehmste ist, einen güldenen Siegelring, damit Alles, was ich in Seinem Wort finde, in meinem Herzen versiegelt wird (vergl. Ephes. 1, 13.): Das ist Gott, der werthe heilige Geist, an den ich glaube. Denn ich hätte von dieser seligmachenden Erkenntniß Nichts wissen, Fleisch und Blut hätte es mir nicht offenbaren können; sondern der heil. Geist hat mich durch Sein liebes Wort also unterrichtet und gibt meinem Herzen ein beständiges Zeugniß, daß ich Gottes Kind und es in Sachen meiner Seligkeit nicht anders bewandt sei, denn wie ich gesagt habe und glaube.
Dieser werthe heilige Geist aber, wie Er mit dem Vater und Sohn wahrer Gott ist und von Ewigkeit her von Beiden ausgehet, ihnen durchaus gleich an Macht und Ehren, also ist Er ebensowohl, als der Vater und Sohn, mir von Herzen wohl gewogen, und befördert meine Seligkeit durch gehörige Mittel. Er ist in meiner Taufe reichlich über mich ausgegossen, und von da an ist mein Leib Sein Tempel und Wohnung worden (1 Kor. 2, 16. 17.); von da an treibt, leitet und regieret Er mich als ein Kind Gottes, Er betet und seufzet in mir, Er tröstet mich kräftiger, als alles Gold und Schätze der Welt, Er zündet in mir an den wahren Glauben, die Liebe und Hoffnung, und erhält meines blöden Gewissens Muth und Trost in allen Anfechtungen und Trübsal. Kurz: Er macht mich zu einem lebendigen Glied der christlichen Kirche, deren Oberrichter und Rath Er ist, die, wie weit und breit sie auch in ihren Gliedern durch die ganze Welt zerstreuet ist, dennoch Einen HErrn, Einen Glauben, Eine Taufe hat (Ephes. 4, 5.), und mit solchen meinen Mitgliedern am geistlichen Leibe des Herrn JEsu, wie weit sie auch sonst von mir dem Ort nach entfernet sind, habe ich eine göttliche, geistliche und selige Gemeinschaft in Christo JEsu. Wir haben Alle einerlei Mittel zur Seligkeit, einerlei geistliche und ewige Güter. Wir gehen Alle durch Einen engen und schmalen Weg und durch Eine Thüre zum ewigen Leben ein. Wir haben auch unser Gebet gemein, welches von so manchem Ort zu Einem Gott in dem einigen Namen des Herrn JEsu aufsteiget und die gemeine und sonderbare Noth vor dem Fußschemel der Gnade Gottes niederlegt. Wir haben unser Leiden und Trübsal gemein durch herzliches Mitleiden, das Einer gegen den Andern empfindet. Wir haben unsere Freuden gemein, weil wir uns freuen mit den Fröhlichen. Wir haben endlich unsern Kampf und Krone gemein, weil der gerechte Richter nicht allein uns, sondern Allen, die Ihn und Seine Erscheinung lieb haben, die Krone der Gerechtigkeit geben und aufsetzen wird. Und ob wir wohl mit unserem sündlichen Fleisch und Blut annoch beschweret sind, und durch dessen Getrieb oft noch das Böse thun, das wir nicht wollen, und täglich viel sündigen, so glauben wir doch, daß uns der liebe Gott solche unsere Sünde täglich reichlich um JEsu Christi willen vergibt, und mit der Vollkommenheit Seines lieben Sohnes alle unsere Unvollkommenheit bedecket, wie wir Ihn denn auch ohn' Unterlaß in wahrer Reue und Leid darum anrufen. Und die Erkenntniß solcher Unart des verderbten Fleisches erweckt in uns ein desto größeres Verlangen, daß wir durch den Tod von diesem Leibe des Todes mögen erlöset werden und aufhören zu sündigen; zuvoraus, da wir wissen, daß wir am jüngsten Tage werden wieder aus unsern Gräbern hervorgehen, nicht mit solchen sündlichen, stechen, verderbten Leibern, sondern mit heiligen, gesunden und verklärten Leibern, die dem verklärten Leibe JEsu Christo werden ähnlich sein. Alsdann werden wir Alle zusammen eingehen in das ewige Leben, in die Stadt Gottes, die von lauterem, klarem Golde gebauet ist(Offenb. 21, 13. 21.); in das Haus des himmlischen Vaters, dem tausend Welten, von Gold und Edelsteinen bereitet, an Pracht, Herrlichkeit, Größe, Schönheit und Seligkeit nicht zu vergleichen sind, da werd' ich und alle meine gläubigen Mitbrüder und Mitschwestern aus der Hand des HErrn empfahen ein herrliches Reich und schöne Krone (Weish. 5, 17.); Wir werden empfahen die Krone der Gerechtigkeit, die uns so lang ist beigeleget gewesen (2 Tim. 4, 8.); wir werden empfahen ewige Kronen, werden angethan sein mit weißen Kleidern und werden Palmenzweige in unsern Händen haben (Offenb. 4, 4. 7, 9.). Und also werden wir Gott loben in ewiger Seligkeit und unaussprechlicher Herrlichkeit.
Dieses ist also, meine Liebsten, der reiche Schatz, welcher in unserem kurzen Glaubensbekenntniß enthalten ist, welchen ich also vorbringen wollen, als wenn ein christliches Herz voll Glaubens und Geistes denselben in großer Freudigkeit vorgezeiget hätte und das darum, damit ihr lernen möchtet auf solche und andere Weise eures Glaubens gegen euer Gewissen, gegen eure Trübsal, gegen Teufel und Welt, euch zu rühmen, und laß ich nun im Uebrigen euch allesammt urtheilen, ob ich nicht mit höchstem Recht gesagt habe, daß eines gläubigen Christen Herz ein güldenes Kästlein wäre, voll solcher Goldstücke, Schätze und Güter, die mit keinen Gütern der Welt zu vergleichen.
Denn was sind aller Welt Schätze gegen diesen Schatz? Alexander der Große hatte die persische Beute, das eroberte Gold in seinen Zügen auf etlichen tausend Mauleseln ihm lassen nachführen; aber dieser Schatz hat ihm im Tode nicht können nachfolgen, viel weniger ihn von der Hölle erretten. Ein Christ aber bedarf keiner Maulesel, keiner Pferde und Wagen, die ihm seinen Schah nachführen; sondern wo er ist, wenn er auch nackt und bloß, verachtet und verlassen ist, so trägt er in seines Herzens Kästlein einen unvergleichlichen Schatz, nemlich seinen Gott, seiner Seele Gold, mit allen seinen Wohlthaten und Gütern, und den Schatz nimmt er mit in's ewige Leben. Die persischen Könige haben in ihrer Schlafkammer zu Häupten und Füßen einen großen Schatz verwahren lassen, welchen man des Königs Hauptkissen und Fußschemel genannt; aber ein gläubiger Christ hat ein weit köstlicheres Schlafkissen: der legt sein Haupt und Herz in Gottes väterlichen Schooß, und ruhet in Seinen Armen; er legt sein Haupt und Herz auf das bluttriefende Herz und die heiligen Wunden des Herrn JEsu; er schläft sanft und sicher unter dem Schatten der Flügel des heil. Geistes; und das heißt reich in Gott sein! (Luk. 12, 21.) Darum unser Erlöser einem Jedweden zuredet und spricht: Ich rathe dir, daß du Gold von mir kaufest, daß du reich werdest (Offenb. 3, 18.).
Lasset uns nun ferner besehen, wie wir dieß theure Gold gebrauchen sollen
1) zum christlichen Leben. Es meinen ihrer Viele, daß der Glaube ein gar geringes Ding sey und eine Sache, die nicht viel auf sich habe; darum auch man allenthalben viel Glaubens und wenig Früchte, viel Schein- und Maul-Glauben, aber wenig wahren und thätigen Glauben findet. Aber, spricht Lutherus (Vorr. zur Ep. an d. Röm.), „Glaube ist nicht der menschliche Wahn und Traum, den Etliche für Glauben halten, wenn man sich aus eigenen Kräften einen Gedanken im Herzen macht und spricht: Ich glaube; sondern Glaube ist ein göttlich Werk in uns, das uns wandelt und neu gebiert aus Gott (Joh. l, 13.) und tödtet den alten Adam, machet uns ganz andre Menschen, von Herzen, Muth, Sinn und allen Kräften, und bringt den heil. Geist mit sich. O es ist ein lebendig, schäftig, thätig, mächtig Ding um den Glauben, daß unmöglich ist, daß er nicht sollte ohne Unterlaß Gutes wirken. Er fraget auch nicht, ob gute Werke zu thun sind; sondern ehe man fraget, hat er sie gethan und ist immer im Thun. Ein Mensch wird durch den Glauben ohn' Zwang willig und lustig, Jedermann zu dienen, Allerlei zu leiden, Gott zu Liebe und zu Lob, der ihm solche Gnade erzeiget hat.“
So lange die Seele im Leibe ist, ruhet sie nicht, sondern wirket und schaffet; da regen und bewegen sich alle Aederlein, und alle Glieder thun das Ihrige; also, wo der Glaube ist, die rechte Seele und das Leben unsers Christenthums, da ist er nicht müßig, sondern verursachet eine Willigkeit zu allem Guten und macht alle Kräfte des Menschen belebt und tüchtig, Gott und dem Nächsten zu dienen. Wie ein Samenkornlein, das in die Erde geworfen wird, durch seine innerliche eingepflanzte Lebenskraft alsbald zu wirken anfängt, und in kurzer Zeit keimt, sprosset, grünet, blühet und Früchte bringt: also der Glaube, wann er eines Menschen Herz eingenommen hat, suchet alsofort Gelegenheit, seines lieben Gottes Ehre und seines Nächsten Wohlfahrt zu befördern und das nicht aus Zwang und Gesetz, sondern frei und willig, aus eingepflanzter Art, die ihm vom heil. Geist gegeben ist. Prüfe nun hie ein Jedweder seinen Glauben, ob er rechtschaffen sei, damit er sich nicht selbst betrüge, und in unwiederbringlichen Schaden bringe.
Glaubst du, daß ein Gott sei, so siehe zu, daß du Ihn auch ehrest als einen Gott, als einen Allwissenden, vor dem du Nichts verhehlen, als einen Allmächtigen, dem du nicht widerstreben, als einen Gerechten, der gottlos Wesen nicht leiden kann. Thust du es nicht, so bist du so gut als die Heiden, die auch wußten und glaubten, daß ein Gott wäre, aber sie haben Ihn nicht als einen Gott geehret (Röm. 1, 21.), sondern Ihn mit Abgötterei und schändlichem Leben, eben wie du, beleidigt und verunehret. Glaubst du, daß Gott dein Vater sei, so mußt du auch als wie ein gehorsames Kind seinen Vater ehren und fürchten und dich befleißigen, nach Seinem Willen dich zu verhalten, sonst wird Er billig sagen: Bin ich nun Vater, wo bleibet meine Ehre? Bin ich Herr, wo fürchtet man mich? (Mal. 1, 6.) Gläubest du und weißest du, daß dir Gott Leib und Seel', die Gesundheit, das tägliche Brod und Alles gegeben und bisher erhalten hat, Lieber, wie kannst du deine Vernunft, deine Glieder, Sinnen und Kräfte so ärgerlich zu aller Ueppigkeit, Schand und Laster gebrauchen? Wie darfst du das Gefäß, welches Gottes Hände um und an bearbeitet haben, zu so mancherlei sündlichem Unflath gebrauchen?
Glaubest und weißest du, daß der Sohn Gottes dich so hoch geliebet, und dich, nicht mit Gold oder Silber, mit Seinem heiligen theuren Blut erkauft und erlöset hat; ist dann das der Dank, daß du Ihn so freventlich erzürnest? Oder hat Er dich dazu erlöset, daß du mögest frei und ungehindert nach deinem sündlichen Willen leben, und Sein theures Blut mit Füßen treten? Wie kannst du sagen, du hoffest durch Christum selig zu werden, wenn du ohne Scheu und Reu das thust, was Ihm und Seinem heiligen Leben schnurstracks entgegen ist? Wie kannst du sagen, daß du Ihn liebest, da du liebest, was Er hasset, und hassest, was Er liebet? Und endlich, so du glaubest und weißt, daß du in deiner Taufe ein Tempel und Wohnung des heil. Geistes worden bist, wie bist du denn so verblendet und thöricht, daß du den Tempel in dir durch ein unheiliges, schändliches, gottloses Leben verstörest? So du glaubest, der heil. Geist treibe dich und rathe dir allezeit durch Sein Wort das Beste, warum folgest du Ihm nicht? Du glaubst Vergebung der Sünden und ein ewiges Leben, und fährest immer fort in Sünden und auf dem Wege, der zur Verdammniß abführet, zu wandeln.
Darum ihr, meine Liebsten, wer da saget, ich glaube, der zeige mir seinen Glauben mit den Werken (Jak. 2, 18.); ist das Licht des Glaubens in seinem Herzen, so laß er es leuchten vor den Leuten, daß man seine guten Werke sehen, und der Vater im Himmel gepreiset werden möge (Matth. 5, 16.). Niemand betrüge sich selbst mit einem falschen Wahn, sondern prüfet euch selbst, ob ihr im Glauben seid, versuchet euch selbst! (2 Kor. 13, 5.) Wie gelehrt, wie groß, wie reich und vornehm ihr auch seid, sehet an eure innerlichen und äußerlichen Werke, und schließet daraus, wie es um euren Glauben beschaffen sei! Ach! Ich fürchte fürwahr, daß gleich, wie nicht Alles Gold ist, was Gold scheinet, also werde nicht Alles wahrer Glaube sein, was also genennet wird, und werden also ihrer Viele, Viele mit ihrem eingebildeten Glauben bei der Seligkeit hingehen.
2) Zum geduldigen Leiden. Ich wüßte wahrlich nicht, ob Einer gewissern und kräftigern Trost in Kreuz haben könnte, als eben aus den drei Artikeln des christlichen Glaubens. Der erste Artikel hält uns unter Anderem vor: Gottes väterliche Vorsehung, da Er auf die ganze Welt und alle große und kleine Dinge in der Welt eine genaue Achtung hat, das Gute kräftig befördert, das Böse mächtiglich verhindert, und Alles, was Er thut, wirket oder geschehen lässet, zu Seinen Ehren und Seiner Gläubigen Seligkeit einrichtet, wie die Schrift bezeuget, die da spricht: Er trage Alles mit seinem kräftigen Worte (Ebr. 1, 3.). Er erhalte beide, Menschen und Vieh (Ps. 36, 7.). Er sorge für uns (1 Petr. 5, 7.). Er habe alle Haare auf unserem Haupte gezählet, und ohne Seinen Willen falle kein Sperling auf die Erde (Matth. 10, 29. 30.). Er habe unsere betrübten Tritte und Thränen und traurigen Tage gezählet, und auf Sein Buch geschrieben (Ps. 56,9. 139, 16.). Daraus haben wir in allem unserem Kreuz beständiglich zu schließen, daß uns Solches nicht von ungefähr, sondern nach Gottes Willen zu Handen kommt; und daß Er, wie unserem Leben, also auch unserer Traurigkeit und Angst ein Ziel setze (Hiob 14, 5.), und Alles nach Seinem gnädigen Willen zu unserem Besten abgewogen, gemessen und gezählet habe (Weish. 11, 22.).
Ja, Er sieht auch unsern Feinden in die Charte, und weiß alle ihre Gedanken und Anschläge, und wie klüglich sie es angreifen, wie gewaltig sie sich brüsten, so richten sie doch Nichts mehr oder weniger aus, als der Vater im Himmel gut findet. Gleichwie man Exempel hat, daß große Herren und Könige zuweilen Nachricht haben erhalten von einer Verrätherei, die ihre treulosen Bedienten unter Händen hatten; da haben sie sich zuweilen gestellet, als wüßten sie noch Nichts davon, oder achteten es nicht; indessen haben sie durch treue Leute auf die Verdächtigen fleißig Achtung geben, und alle ihre geheimen Anschläge, alle ihre Gedanken, Worte und Vorhaben erkundschaften lassen; haben indeß unvermerkter Weise Alles wohl verwahret, und den Verräthern Schranken gesetzt, darüber sie nicht gekonnt, bis es ihnen endlich Zeit gedäucht; da sie dann in geschwinder Eil' alle ihre Anschläge verstört, zu Nichte gemacht und den Einen hie, den Andern dort hinausgestäubert, oder ohne Kopf zu Hause geschickt, wie es denn vor langer Zeit der dritte römische Kaiser Tiberius mit dem Sejanus und unlängst Heinrich IV.. König m Frankreich, mit dem Marschall Biron gemacht haben. Also spielet auch Gott, der HErr, oftmals mit Seinen und unsern Feinden, Er läßt ihnen eine Weile ihren Willen, läßt sie rathschlagen und vornehmen, wie und was sie wollen. Und scheint es oft, als wüßte Er Nichts davon, oder achtete Er es nicht; aber, Er sieht und weiß Alles, was die Feinde denken, reden und thun, und ehe man sich's versieht, ist Er über sie her, und macht sie selbst mit allen ihren Anschlägen zu nichte.
Und was insonderheit die gegenwärtige Noth und diese große Kriegs-Beschwer betrifft, die uns auf dem Halse liegt, so haben wir solches Alles mit unsern Sünden wohl verdienet, müssen doch aber unsrem Gott und Vater zutrauen, daß Er uns nicht über Vermögen werde beschweren oder gewiß nicht hilflos lassen; denn: Gott leget uns eine Last auf; aber Er hilft uns auch. Wir haben einen Gott, der da hilft, und den HErrn HErrn, der vom Tode errettet (Ps. 68, 20. 21.). Müssen wir denn unser zeitliches Gold und Geld zusetzen, so müssen wir uns getrösten, daß der Allmächtige unser Gold ist, und daß uns Niemand den Schatz des Blutes Christi JEsu und die Versicherung des ewigen Lebens nehmen könne. Als sich Hanna sehr grämete, daß sie keine Kinder hatte, sprach ihr Mann, Elkana, zu ihr: Warum gehabt sich dein. Herz so übel? Bin ich dir nicht besser denn zehn Söhne? (1 Sam. 1,8.) Also wenn wir wegen Verlusts der zeitlichen Güter uns gar zu sehr grämen und in Ungeduld weinen und klagen; so spricht der Herr JEsus auch gleichsam zu uns: „Warum gehabt sich dein Herz so übel? Bin ich dir nicht besser, als alles Silber, Gold und Geld der ganzen Welt?“ Und:
Bist du doch darum nicht hier.
Daß du Erde haben sollt;
Schau den Himmel über dir!
Da, da ist dein edles Gold,
Da ist Ehre, da ist Freud',
Freud ohn' End, Ehr ohne Neid!
Gedenk auch das dabei, daß du es nicht allein bist, dem es unglücklich ergeht, sondern eben dieselben (und andre noch schwerere) Leiden gehen über deine Brüder in der Welt (1 Petr. 5, 9) ; sie haben alle ihre Kreuzbürde auf dem Rücken und müssen durch Distel und Dorn, durch viel Trübsal in das Reich Gottes eingehen (Apostelgesch. 14,22.), und wann sie an der Himmelspforte ankommen, so stimmt die himmlische Schaar ein Lied an, das heißt: „Diese sind's, die kommen sind aus großer Trübsal“ (Offenb. 7, 14.).
So tretet nun, meine Liebsten, mit Geduld und unerschrockenem Muthe in die Fußstapfen der Heiligen Gottes, ja des Allerheiligsten selbst, der durch Sein Leiden hat müssen zur Herrlichkeit eingehen (Luk. 24, 46.); und richtet in dieser betrübten Wanderschaft eure Augen allezeit auf das Kleinod, welches uns die himmlische Berufung in Christo JEsu vorhält (Phil. 3, 14). Es wird endlich auch uns nachgesungen werden:
Sein Jammer, Trübsal und Elend
Ist kommen zu einem seligen End!
Und: Unsre. Trübsal, die zeitlich und leicht ist, schaffet eine ewige und über alle Maaßen wichtige Herrlichkeit, uns, die wir nicht sehen auf das Sichtbare, sondern auf das Unsichtbare. Denn was sichtbar ist, das ist zeitlich, was aber unsichtbar ist, das ist ewig (2 Kor. 4, 17. 18,).
3) Zum seligen Sterben. Große Herren werden mit großer Pracht, zuweilen auch mit einem großen Schatz an Gold und Silber begraben; wie Josephus berichtet, daß König Salomo zu seines Vaters, Davids Körper einen solchen Schatz in's Grab gelegt, daß einmal der Hohepriester Hirkanus und zum andernmal Herodes es eröffnen und ein großes Geld habe herausnehmen können. Der beste Schatz aber, den man mit in's Grab nehmen kann, ist der Glaube an Christum JEsum und das Vertrauen auf Sein blutiges Verdienst. Wann denn nun dein Sterbestündlein vorhanden ist, so gedenke, daß das Ziel da sei, welches Gott deinem Lebenslauf gesteckt gehabt, und daß, wie du bisher dem HErrn gelebt, also auch nunmehr dem HErrn sterben wollest (vergl. Röm. 14, 8.). Wickle dich darauf in das Verdienst deines Erlösers und in Seine heiligen Wunden, und befiehl deine von Ihm theuer erkaufte Seele zu Seinen getreuen Händen; zweifle auch nicht, es werde Gott, der werthe heil. Geist, der dich in so mancher Noth dein Lebenlang getröstet, in der letzten und größten Noth dich nicht verlassen, sondern, wann du nicht mehr reden kannst, so wird Er dich mit unaussprechlichen Seufzern vertreten (Röm. 8, 26.). Freue dich von Herzen, daß du nunmehr aus der streitenden in die triumphirende Kirche gelangen, den sündlichen Leib ablegen und der Seele nach eingehen sollst zu der Stadt des lebendigen Gottes, zu dem himmlischen Jerusalem und zu der Menge vieler tausend Engel und zu der Gemeine der Erstgeborenen, die im Himmel angeschrieben sind (Ebr. 12, 22. 23.), darauf denn am lieben jüngsten Tage deine Seele mit dem verklärten Leibe wiederum vereiniget, wird eingehen zu dem ewigen Leben. Darum sprich getrost:
Ich fahr dahin zu JEsu Christ,
Mein' Arme sich ausstrecken;
Ich schlafe ein und ruhe fein.
Kein Mensch kann mich aufwecken;
Denn JEsus Christus, Gottes Sohn,
Der wird die Himmelsthür aufthun.
Und mich führn zum ewigen Leben.
Demselben sei, sammt Gott, Seinem himmlischen Vater und dem welchen heil. Geist Preis, Lob, Ehr' und Dank in Ewigkeit! Amen.