Schrenk, Elias - Allein durch den Glauben - Vollendet.

Mit einem Opfer hat Er in Ewigkeit vollendet, die geheiligt worden.
Hebr. 10, 14.

Teure Freunde! Unsere evangelische Kirche hat einen herrlichen Liederschatz. Zu den lieblichsten Juwelen dieses Schatzes gehören unsere Passionslieder. Wem unter uns ist das Herz noch nicht bewegt worden beim Gesang der Lieder: O Haupt voll Blut und Wunden; O du Liebe meiner Liebe; Ein Lämmlein geht und trägt die Schuld; O drückten Jesu Todesmienen sich meiner Seel' auf ewig ein! Und wie sie alle heißen. Und warum sind diese Lieder eine so wunderbare Macht? Sie gelten der unendlichen Liebe, die für uns litt und starb; sie legten den Grund all unseres Glaubens und Hoffens: dem Mann in der Dornenkrone und mit den Nägelmalen; sie gelten dem, welchen die obere Gemeinde preist als das Lamm, das sie erkauft hat mit Seinem Blut, und dem nach Offenb. 5, 13 alle Kreaturen im Himmel, und auf Erden, und unter der Erde, und im Meer Lob, und Ehre, und Preis, und Gewalt dar. bringen soll, von Ewigkeit zu Ewigkeit. Und so können wir sagen: unsere Passionslieder gehören zu dem ewigen Lobgesang der erlösten Gemeine, hier und droben, der nie aufhören wird.

Möchte Alles, was ich auch heute zu sagen habe über unsern inhaltsreichen Text ein Lobgesang sein für das Lamm Gottes, von dem Zinzendorf singt: So, wie Er am verhöhntesten, so ist Er mir am schönsten; ich werd des Blicks nie satt. Und kann mich oft der Zähren vor Eindruck nicht erwehren, dass Er mich so geliebt hat. Unser Text richtet unser aller Augen nach Golgatha, auf Jesum Christum den Gekreuzigten, der mit Einem Opfer in Ewigkeit vollendet hat, die geheiligt werden. Er ist das Lamm ohne Fehl, Sein Opfer ist ein vollkommenes, heiliges Opfer, und darum sind Alle, die geheiligt werden, durch dasselbe für die Ewigkeit vollendet. Gehörst du zu denen, welchen es ein Anliegen ist, dass sie begnadigt und geheiligt werden, so darfst du die wunderbaren Worte auch für dich nehmen und im Glauben sprechen: ich bin vollendet für die Ewigkeit. Du wagst es vielleicht kaum, sie in deinen Mund zu nehmen, und sprichst: ach, wie Vieles ist bei mir noch unvollkommen, wie Vieles muss noch anders werden! Ja, meine Lieben! Wenn wir alle auf uns selbst blicken, so wird Niemand unter uns sein, der sich für vollendet hält. Wenn wir aber auf Jesu heiliges Opfer blicken, das Er für uns brachte, und wir sprechen von Herzen im Glauben: für mich, für mich! Dann ruft der heilige Geist uns zu in Röm. 8, 1: So ist nun nichts Verdammliches an denen, die in Christo Jesu sind. Wir sind in Christo, und in Ihm vollendet.

So müssen wir auch jetzt ganz und gar auf Christum blicken, als unser Opferlamm, und was ist durch Ihn am Kreuz vollendet? Erstens das Gericht Gottes über die Sünde. Um Kreuze Jesu erblickt der Glaube die vollkommene Gerechtigkeit unseres heiligen Gottes, der das vollendete Gericht über unsere Sünden ergehen ließ an unserm Mittler und Stellvertreter. Ich bin mit Christo gekreuzigt, spricht Paulus in Gal. 2, 19, und so musst du und ich, und Alle sprechen, die gerettet werden wollen. Über mich und dich hat am Kreuze Jesu Christi die unbestechliche Gerechtigkeit Gottes den Stab gebrochen, das Verdammungsurteil ausgesprochen und vollzogen: denn es steht geschrieben: verflucht ist Jedermann, der am Holz hängt. Gal. 3, 13. - Also ich bin am Kreuz Jesu als Verfluchter und Verdammter dargestellt, und der Vater selbst hat an meinem Stellvertreter das vollendete Gericht vollzogen zur Erweisung seiner Gerechtigkeit, damit Er gerecht sei und gerecht mache den, der da ist des Glaubens an Jesum. Röm. 3, 26. Was hast du nun zu tun? du hast, so gut wie Ich, dein eigenes Todesurteil auf Golgatha zu unterschreiben, und so die vollendete Gerechtigkeit Gottes über dir anzuerkennen, wenn du anders Teil haben willst an Jesu Opfer. Habt ihr diese Unterschrift gegeben? Oder klingt es euch zu hart, wenn ihr sollt verfluchte, zum Tode verurteilte Missetäter sein? O meine Lieben! Entweder müsst ihr euch jetzt an diese Sprache der göttlichen Gerechtigkeit gewöhnen, und euch von Herzen darunter beugen; oder aber müsst ihr am Gerichtstag das Wort hören: Geht hin von mir, ihr Verfluchten, in das ewige Feuer, das bereitet ist dem Teufel und seinen Engeln.

Wem wird es denn am schwersten, auf Golgatha sein Todesurteil zu unterschreiben? Nicht dem Mörder, nicht dem Hurer und Ehebrecher, sondern dem Selbstgerechten. O, ich weiß es aus persönlicher Erfahrung: ich war auch ein ehrbarer, rechtschaffener, selbstgerechter Mensch. Es hat meinen Gott viel gekostet, mich zu einem armen Sünder zu machen in meinen Augen. Seine Gnade hat es so weit mit mir gebracht, dass ich von Herzen, aus innerster Überzeugung mein Verdammungsurteil auf Golgatha unterschrieben habe. Seither schaue ich nicht mehr auf andere arme Sünder herab, sondern kann in Demut neben sie hinsitzen. Unlängst saß ich vor einem alten Herrn, und versuchte Alles, ihm zu zeigen, dass er einen Heiland haben müsse, weil er ein Sünder sei; aber ich richtete rein nichts aus; er war ein so vorzüglicher Verwalter gewesen, dass er gar nicht verstand, warum er ein Sünder sein soll. O, du armer, blinder, selbstgerechter Mensch! Wie bedaure ich dich, dass du nicht einsiehst, wie deine eigene Gerechtigkeit ein unflätiges Kleid ist vor dem Richterstuhl deines heiligen Gottes. O, dass dir der heilige Geist die Augen öffnen könnte für die vollendete Gerechtigkeit Gottes am Kreuze Jesu Christi. Hat er sie dir einmal geöffnet, und du bist willig, dein Todesurteil zu unterschreiben, so frage dich, ob du nicht unterschreiben musst vor Zeugen. Ich traf unlängst einen Kassendieb, der einige Jahre lang im Geheimen unterschreiben wollte, dass er ein Dieb sei; aber der Geist der Wahrheit ließ ihm keine Ruhe, bis er es endlich auch vor mir bekannte.

Wie wir am Kreuze Jesu Christi die vollendete Gerechtigkeit Gottes sehen, so sehen wir auch eine vollendete Versöhnung. Der Anblick der Gerechtigkeit Gottes allein könnte uns ja nicht trösten. Aber das tröstet, wenn der Apostel uns zuruft: Gott war in Christo, und versöhnte die Welt mit Ihm selber. 2. Kor. 5, 19. Durch das vollkommene, heilige Opfer Jesu Christi ist Alles, im Himmel und auf Erden mit Gott versöhnt, denn in Christo wohnt die Fülle der Gottheit. Col. 1, 19. 20 und 2, 9. Damit beginnt der wahrhaftige Trost eines armen Sünders, der sich unter die göttliche Gerechtigkeit gebeugt hat, dass er hören darf: wir sind völlig versöhnt mit Gott durch das Blut seines Sohnes. Die Auferstehung Jesu Christi ist der Beweis, dass der gerechte Gott angenommen hat das Opfer seines Sohnes. Es fehlt an deiner Versöhnung gar nichts mehr, du darfst sie anbetend annehmen.

Und diese Versöhnung ist zu Stande gekommen durch die vollendete Liebe deines Gottes und Heilandes, die du am Kreuze erblickst. O, dieses dritte herrliche Vollendet! die vollendete Liebe! Und wem gilt sie denn, diese Liebe? Sie gilt der ganzen sündigen, abtrünnigen, rebellischen Welt. Also hat Gott die Welt geliebt, dass Er Seinen eingebornen Sohn gab. Wie auch Paulus in Röm. 5, 6. 8. 10 sagt: Darum preist Gott Seine Liebe gegen uns, dass Christus für uns gestorben ist, da wir noch Sünder, Gottlose, Feinde waren. Das gibt Mut, wenn der bußfertige Sünder und Feind Gottes hören darf: du bist geliebt vom Vater in Christo mit einer vollendeten Liebe. Ja, blicke jetzt auf deinen gekreuzigten Heiland! Er, das für dich blutende Lamm Gottes ruft dir zu: Gott ist die Liebe für dich.

Vor vier Jahren kam eine Witwe zu mir, deren Mann kurz vorher gestorben war. Er hatte vier schwächliche Kinder ohne Vermögen hinterlassen. Es war der Mutter schwer um das Herz, und was sie besonders drückte, war die Frage: liebt Gott auch mich? Wir wissen ja aus Erfahrung, wie der Feind in Trübsalszeiten kommt und den Leuten ins Ohr flüstert: Gott liebt dich nicht, deswegen geht es dir so schwer. Eines Tages saß sie über ihrer Bibel, um Trost zu suchen, und der Herr schenkte es ihr, zu erkennen: Gott hat ja die Welt geliebt, und der Heiland hat der Welt Sünde getragen; zur Welt gehöre ich auch, also liebt Er auch mich. Ihr Herz fand Trost und Erquickung durch diesen einfältigen Glauben. Nachher fragte sie mich: darf ich es festhalten? Ja, sagte ich: glauben Sie getrost, Gott liebt auch mich, der Heiland hat auch meine Sünde getragen. Diese Mutter ist nun ganz getrost in der Liebe ihres Gottes und hat seither Seine Durchhilfe herrlich erfahren. Siehe, sagte Johannes: das ist Gottes Lamm! Siehe, rufe ich euch allen zu; siehe an Jesu dem Gekreuzigten die vollendete Liebe Gottes, die auch dich geliebt hat und noch liebt.

So gewiss du am Kreuze die vollendete Liebe Gottes erblickt, so gewiss findest du dort auch die vollendete Vergebung aller deiner Sünden, so dass keine einzige mehr übrig bleibt. Hast du diese vollendete Vergebung? Ist nichts mehr in deinem Herzen, was dich beunruhigt? Die Leute mit vollendeter Vergebung sind glückselige Leute, weil sie vollendeten Frieden im Herzen haben. Beides hängt innig zusammen. Warum kommen Manche nicht zu diesem vollkommenen Frieden? Sie können es fast nicht fassen, dass es eine vollendete Vergebung aus lauter Gnade geben soll, es ist ihnen zu groß. Dir mag es zu groß sein, aber der unendlichen Liebe deines Gottes ist es nicht zu groß. Es war der vollendeten Liebe deines am Kreuze hängenden Heilandes nicht zu groß, dem Raubmörder an Seiner Seite die vollendete Vergebung, und das Paradies oben. drein zuzusprechen. Beides gehört auch dir, glaube nur. Ich fühle mit dir, wenn es dir fast zu groß scheinen will. Wenn ich Sprechstunden habe, und es kommt Jemand zu mir, der Jahre lang im Ehebruch lebte, oder einen, vielleicht mehr als einen Mord auf seinem Gewissen hat, und fragt mich: gibt es für mich auch noch Gnade? da habe ich auch schon fast gezittert. In solchen Augenblicken danke ich meinem Gott am allermeisten für Sein teures Wort. In diesem Seinem Wort steht der begnadigte Ehebrecher und Mörder David, der begnadigte Schächer, die begnadigte Sünderin in Simons Haus, der begnadigte Saulus vor mir, und im Blick auf das heilige Opfer Jesu Christi darf ich meinen Mund öffnen im Namen Gottes, und darf dem wahrhaft bußfertigen Hurer und Ehebrecher, der reumütigen Kindesmörderin voll, endete Vergebung verkündigen. Das ist mir immer wieder aufs Neue zum Anbeten. Ja, meine Lieben! Das Blut Jesu Christi macht uns wirklich rein von aller Sünde.

Willst du das erfahren, willst du vollendete Vergebung aller Sünden haben, so musst du vor deinem Gott auch ein vollendetes Bekenntnis ablegen. Du darfst es nicht machen, wie einzelne, leichtsinnige Katholiken es machen, die nach der Beichte sagen: ich habe dem Priester nicht Alles gesagt; du musst vor deinem Gott ein volles Bekenntnis ablegen, und wenn der heilige Geist dir sagt: bekenne vor einem Menschen, so musst du es auch tun. Verschweigst du etwas aus Hochmut, aus Sündenliebe oder Heuchelei, so bekommst du weder vollendete Vergebung, noch vollendeten Frieden. Unlängst kam in einer Stadt eine Tochter zu mir und verlangte Zuspruch. Als sie von mir wegging war ich traurig, weil mir der Geist Gottes sagte: die Tochter ist nicht aufrichtig. Am folgenden Tag kam sie wieder und bekannte, dass sie eine elende Ehebrecherin sei. Da konnte ich dann gründlich mit ihr reden über die vollendete Gerechtigkeit Gottes, Seine vollendete Versöhnung, Seine vollendete Liebe und Vergebung, und sie gab dem Ehebrecher den Abschied. Ja, meine Lieben! So sind die Leute: vollendete Vergebung und völligen Frieden hätten sie gerne; aber zu einem offenen, vollendeten Bekenntnis kommen Viele nicht, und darum finden sie keinen Frieden. Wie soll Jesu Blut dich rein machen von aller Sünde, wenn du nicht alle Sünde bringst?

Nur Solche, die alle Sünde bringen zu dem Lamme Gottes, das alle getragen hat, erfahren dann auch, dass es durch das Opfer Jesu Christi eine vollendete Erlösung von Tod, Teufel und Hölle, von der Macht der Sünde gibt. Der Heiland hat uns völlig erlöst durch Sein Blut, für Sich erlöst, so dass wir jetzt nicht mehr der Sünde und dem Teufel dienen müssen, wie früher, als wir Knechte der Sünde waren, sondern dass wir Ihm dienen dürfen und können. Satan flieht, Satan flieht, wenn er mich beim Kreuze sieht. Da muss Angst und Trauern schwinden, da kann weit ich überwinden, und ich sing' ein Jubellied. Das klingt ganz anders als früher, als man stehlen, und lügen, und huren musste, weil der Satan regierte, und man Jesu Blut nicht kannte. Nun sind wir erlöst durch Sein Blut und darum hören wir von Seinem Kreuze den Ruf: du bist mein Jes. 43, 1.

Er, und Er allein hat das vollendete Eigentumsrecht an uns. Wir gehören nicht mehr uns selbst, oder der Welt, sondern Ihm, Wir sind für den wir unsern Herrn nennen. die Ewigkeit Begnadigte und Erlöste, und wir sind ewig Sein Eigentum. Das liegt ja auch im Schluss unseres Textes: „Die geheiligt werden; sie sind vollendet.“ Was heißt denn geheiligt werden? Es heißt mit Leib und Seele und Geist, mit Allem, was wir sind und haben, ein Eigentum Jesu Christi werden. Erkennen wir Alle dieses vollendete Eigentumsrecht Jesu Christi über uns an? Sind wir bereit, jeden andern Dienst und Meister aufzugeben?

Vielleicht sind Einige hier, die antworten: ja, ich bin bereit, aber ich habe es noch nicht so weit gebracht, ich bin noch gebunden. Lieber Freund! bist du wirklich ganz aufrichtig? Und wenn du aufrichtig bist, hast du auch völlig Bankrott gemacht mit deinen eigenen Vorsätzen und deiner eigenen Kraft? Habe ich euch denn in dieser Stunde mit Einer Silbe auf euer eigenes Vermögen hingewiesen? Nicht mit Einer Silbe; ich habe euch ganz auf Jesum Christum den Gekreuzigten hingewiesen, denn Sein Name ist Erlöser. Bringe Alles, was dich noch gefangen hielt, an Sein Kreuz. Ja, liefere dich selbst aus an Sein Kreuz, dann wirst du die erlösende und reinigende Kraft Seines Blutes erfahren.

Vielleicht hast du denselben Fehler gemacht, wie jener junge Mann, der erzählte: ich war gebunden von der geheimen Sünde; ich kämpfte und kämpfte, und erlag immer wieder, weil ich all meine Not in mir verschloss, und es keinem Menschen offenbarte. Endlich wagte ich es, einem Freunde mein ganzes Herz auszuschütten. Seither betete er regelmäßig mit mir, und der Herr hat mich frei gemacht. Wie Viele machen denselben Fehler! Sie gehen verschlossen und einsam dahin, und ihre Geschichte hat die Überschrift: Fallen und Aufstehen, fallen und Aufstehen. Lieber Freund! bitte den Herrn, dir Jemand zu zeigen, dem du dein Herz aufschließen kannst. So lange du dein Elend in dir verschließt, kommst du zu keinem Sieg. Suche Gemeinschaft, Gebetsgemeinschaft, damit auch du mehr als bisher erfahren darfst, du gehörst ganz deinem Heiland.

Er, der dir eine vollendete Vergebung und Erlösung erworben hat, will auch dich vollenden, vollenden in Sein Bild. Hat Er, der ewige Hohepriester, eine Seele in Seine Hand genommen, so ruht Er nicht, bis Sein Name an ihrer Stirne stehen und sie nach Leib, Seele und Geist vollendet sein wird. Um diese Vollendung wollen wir für uns, und die ganze Gemeinde des Herrn fleißig bitten. Und wenn wir jetzt heimgehen in die Stille, so wollen wir es tun mit den Worten: Ewig soll Er mir vor Augen stehen,

Wie Er als ein stilles Lamm
Dort so blutig und so bleich zu sehen,
Hängend an des Kreuzes Stamm.
Wie Er dürstend rang um meine Seele,
Dass sie Ihm zu Seinem Lohn nicht fehle,
Und dann auch an mich gedacht,
Als Er rief: es ist vollbracht!