Wollen wir bei der Sünde bleiben, damit die Gnade desto größer werde? Damit geht nun Paulus auf die Bedenken ein, die sich gegen die Predigt vom Glauben immer wieder erheben. Man hat stets wieder gesagt: „das ist ein bequemer Heilsweg; wir rühmen uns, obgleich wir Sünder sind und bleiben, dennoch der Gerechtigkeit; damit ist ja allen bösen Gelüsten, aller sittlichen Trägheit und Schlaffheit die Türe aufgetan.“ Wären diese Vorwürfe wahr und begründet, wollten wir, die wir glaubend in Jesu Tod unsre Rechtfertigung ergriffen haben, bei der Sünde bleiben, dann wäre freilich alles, was wir von der Gerechtigkeit, dem Frieden und der Hoffnung des Glaubens rühmen, eitel Selbstbetrug und eine gottlose Lüge. Die erste und wichtigste Probe, welche der Glaube zu bestehen hat, an welcher sich seine Kraft und Wirkung erweisen muss, ist die, dass er den bösen Willen, jenen Willen, der sündigen will, in uns ersterben macht; wenn er das nicht vermag, sondern sich hier ohnmächtig und kraftlos zeigt, dann ist er nichts.
Paulus spricht aber mit jener Frage nicht nur den Einwand derjenigen aus, die nicht an sich selbst erlebt haben, was der Glaube ist und wirkt, sondern auch seine eigene Besorgnis, die er selbst im Blick auf die Glaubenden hat. Er stellt uns die Versuchung ins Licht, die uns mit der Einsicht in die Freiheit und Macht der Gnade kommt, und die unsern Glauben verderben und zu Fall bringen kann. Darum stellt er in seiner Frage die Sünde wie eine Glaubenstat dar, als könnte auch die Sünde eine Äußerung unsres Vertrauens auf die Gnade sein, die ja um so größer werde, je erbärmlicher und elender ich bin. So würden wir aus unserem Glauben selbst einen Beweggrund und Antrieb zur Sünde machen, und aus dem Glauben heraus sündigen.
Es ist dies wieder dieselbe Schlussfolgerung, welche Paulus schon 3,5 abwehrte, deren Gefährlichkeit und Versuchlichkeit darin besteht, dass sie die größte und herrlichste Wahrheit missbraucht. Es ist wahr, dass da, wo die Sünde mächtig geworden ist, die Gnade nicht schwächer, sondern noch viel mächtiger wird, wie dies ja Paulus soeben, 5,20, ausgesprochen hat; es ist wahr, dass die Gnade in alle Tiefen meines Falles mir folgt, und je tiefer ich sinke, desto tiefer zu mir herniedersteigt, dass der verlorene Sohn dem Herzen Gottes nicht ferner, sondern näher steht, weil er der verlorene ist. Aber jener Schluss missbraucht diese Wahrheit im Dienst der Sündenlust; er ist von einem bösen Willen, welcher gerne sündigen möchte, eingegeben, und darum kann der Glaubende nicht so denken und schließen, deshalb weil er der Sünde abgestorben ist und darum nicht in der Sünde das Leben suchen kann.
Gestorben für die Sünde! so völlig und entschieden ist die Lösung und Scheidung vom Bösen, welche der Glaube in uns wirkt. Auch der strengste Gesetzeslehrer könnte nichts höheres fordern. Wir mögen ein totes Glied drücken, schütteln oder stechen, wie wir wollen, alle diese Reizungen erreichen es nicht und es antwortet nicht auf sie. Der Tod hebt alle Gemeinschaft auf und bricht die Brücken völlig ab, durch welche Verkehr und Verbindung zwischen uns stattfinden könnten. Sind wir als die Glaubenden für die Sünde gestorben, so ist die Frage, ob wir noch bei ihr bleiben wollen, für immer völlig erledigt und jene Einreden und Vorwürfe sind also falsch und nichtig und jene Versuchung ist überwunden und abgewehrt, so gewiss wir im Glauben stehen. Sind wir der Sünde gestorben, so sprechen wir: ich will nicht sündigen, ja noch mehr: ich kann nicht sündigen, und es ist ein fester und geschlossener Willen in uns entstanden, welcher uns vom Bösen absperrt und es uns unmöglich macht.
Paulus stellt jener versuchlichen Frage nicht ein Gebot oder eine Drohung entgegen, und ruft uns nicht zu: stirb der Sünde, sonst tötet sie dich! Er antwortet auf dieselbe auch nicht mit einem Vorsatz, indem er etwa spräche: lasst uns der Sünde sterben! sondern er zeigt uns die Gabe, die wir in Christo empfangen haben. Wir sind der Sünde gestorben; das ist unser innerer Besitz, die Stellung, in die wir hineingesetzt sind, das Werk Gottes in uns, welches durch den Glauben uns zu teil geworden ist. Könnte der Apostel auf jene Frage nur mit einem Gebot antworten, so würde er uns auf den Boden des Gesetzes zurückversetzen und es wäre nicht mehr wahr, dass uns ohne Zutun des Gesetzes die Gerechtigkeit gegeben wird in Christo und darum durch Glauben. Wir bekämen dann zwei neben einander liegende und außer einander fallende Heilsursachen und Heilsbedingungen: Christus und das Gesetz, Christi Werk und unser Wirken, der Glaube und die Heiligung, Religion und Moral. Nun aber, da Paulus uns, den Glaubenden, nicht nur sagen kann: ihr sollt der Sünde sterben, sondern ihr seid ihr gestorben, ihr habt die Lösung vom Bösen empfangen als euer Eigentum, sie ist in Christo für euch vorhanden und wird im Glauben euer Besitz: nun bleibts dabei, dass Gott uns Christum durch den Glauben an ihn zur Gerechtigkeit verordnet hat, und zwar zu einer Gerechtigkeit, die ihre Wahrheit und Kraft darin erweist, dass sie in uns zur Freiheit von der Sünde wird.
Damit wir erkennen, dass wir der Sünde gestorben sind, zeigt uns der Apostel den, an den wir glauben. Wie alle Wirkung des Glaubens, so geht auch dessen sittlich erneuernde Kraft von Christus aus. Ihn fasst der Glaubende ins Auge und sucht nicht in sich, sondern in dem, was Christus ist, die Freiheit von der Sünde. Dadurch, dass der Glaube sich an Jesus anschließt, wird er in uns zur Wurzel eines guten Willens, welcher nicht sündigen kann. Und zwar hält uns der Apostel auch hier Jesus als den Gekreuzigten vor in seiner Todesgestalt. Damit ist uns die Kampfesregel gegeben für jede Lage unseres Lebens, in der sich uns wieder die Frage stellt: sollen wir bei der Sünde bleiben? Dann schaue auf Christum und stelle dich zum Gekreuzigten; das gibt dem Urteil die Klarheit zu richtiger Entscheidung und dem Willen die Kraft festzustehen.
Haben wir uns Jesu glaubend verbunden, so sind wir in seinen Tod eingeschlossen und haben an demselben Anteil erlangt: wir sind mit ihm begraben in den Tod. Unsertwegen ist Jesus gestorben; so umfasst sein Tod auch uns. Sein Kreuz macht offenbar, was wir vor Gott sind. Das Gericht, das Jesus sterbend trug, trifft uns; Gott stellt damit sein Urteil über unsre Art, unser Fleisch und Blut, unser sündiges Wesen ans Licht. Und im Glauben lassen wir dieses göttliche Urteil wider uns gelten und behaupten uns nicht selbst als lebend im Widerspruch mit Jesu Kreuz, sondern geben Gottes Urteil Recht und beziehen Jesu Tod auf uns, als für uns geschehen und für uns gültig und ziehen mit dem Apostel den Schluss: ist einer für alle gestorben, so sind sie folglich alle gestorben, 2 Kor. 5,14. Und dieser Anschluss an sein Sterben ist uns keine harte Notwendigkeit; danach verlangt unser Herz mit aller Kraft. Denn auch die Gnade, die in Jesu Tod ihr Werk vollbringt, gilt uns. Im Glauben erkennen wir die Liebe Gottes in Jesu Tod und die Rechtfertigung und Versöhnung, die uns durch ihn bereitet ist, durch welche uns unsre Schuld und Verlorenheit abgenommen ist. Wie sollten wir da nicht mit kräftiger, freudiger Begehrung sprechen: dein Tod ist unser Tod? Und damit sind wir der Sünde tot.
Wir können unmöglich sagen: „Christus konnte mir nur dadurch Gnade erzeigen, dass er für mich starb und sich selbst unter die Schärfe des göttlichen Gerichts stellte; aber ich werde in der Sünde leben und meine Lust an ihr sehen; für mich ist sie ungefährlich und ergötzlich; hat Gott an ihm das Fleisch dem Tode unterstellt, trotzdem er von keiner Sünde wusste, so wird er es doch gleichwohl an mir hegen und pflegen und verherrlichen mit ewigem Leben, trotzdem es in mir gelüftet wider den Geist!“ Das wären völlig lügenhafte Gedanken, welche den Grundschaden aller Gottlosigkeit und Ungerechtigkeit wiederholen würden, wie er 1,18 beschrieben ist, durch welche wir die Wahrheit in uns darniederhalten und unterdrücken würden. Dabei wäre unsre Schuld um so größer, je heller und reicher die Wahrheit ist, die Jesu Kreuz uns vor Augen stellt, je mächtiger uns durch sie Gottes Gerechtigkeit und Liebe ergreift. Bringen wir statt solcher krummen Lügen Jesu vielmehr Glauben entgegen, so beugen wir uns unter Gottes Recht, richten also unsre Sünde, und wenden uns ab von uns selbst, also vor allem aus von unserm Sündigen, und greifen nach Christi Gabe, durch die er uns vom Bösen erlöst, und verbinden und einigen uns mit ihm, und sind ihm somit zuvörderst dafür dankbar und darin mit ihm eins, dass er uns von der Sünde befreit und dazu den Tod für uns getragen hat. So führt Christi Sterben für uns das mit sich, dass wir der Sünde abgestorben sind.
Doch Christus ist erstanden aus dem Tode ins Leben und wir glauben an ihn als an den Auferstandenen. Und wie sein Tod uns alle umfasst, also ist uns auch in seinem Leben ewiges Leben geschenkt. Wir dürfen unsre Gemeinschaft mit ihm ausdehnen über alles, was er hat, weil er gütig ist und uns gibt, was er selbst besitzt, und sein Leben in Herrlichkeit nicht für sich behält, sondern dazu gestorben und auferstanden ist, damit wir durch ihn das Leben empfangen und es mit ihm besitzen. Wie der Schluss gilt: ist er gestorben, so sind auch wir gestorben, so gilt der andre Schluss nicht minder: ist er auferstanden, so sind wir mit ihm auferstanden. Sein Sterben und sein Leben gehen gleichmäßig die ganze Menschheit an, da er uns alle zu sich ziehen und in sein Bild gestalten will. Glaube ich an den Auferstandenen, so weiß ich, dass mir Gott eine neue Lebensgestalt bereitet hat, nämlich die, welche er mir am auferstandenen Jesus zeigt, und ich begehre und ergreife sie als meinen Besitz. Damit ist der gute, auf Gott gerichtete Wille vollends in uns geboren und zur Abwendung vom Bösen die Zuwendung zu Gott hinzugetreten. Denn wer es ergreift: ich bin auferstanden mit Christo! der lebt für Gott. Man kann nicht leben wollen wie Jesus lebt, ohne leben zu wollen für Gott.
Paulus hat auf die Taufe hingewiesen als auf die Stunde, in welcher die Gemeinde mit Christus begraben worden und der Sünde abgestorben ist. Denn in der Taufe hat uns Jesus die Gemeinschaft mit ihm angeboten, auf dass wir die Frucht seines Todes und seines Lebens genießen. Zugleich hielt die Taufe nach der alten Weise ihrer Ausführung auch äußerlich dem Glaubenden ein anschauliches Bild seiner Teilnahme an Jesu Tod und Auferstehung dar. Der Mensch ward begraben im Wasser, damit er aus demselben gereinigt auferstehe zu einem neuen Wandel. Wir haben nur innerlich festzuhalten, was uns Jesus schon durch die Taufe sagt, so sind wir von der Sünde getrennt. Je mehr sodann unser Glaube wächst, um so mehr wachsen wir mit Christi Tod und Leben zusammen und um so fester, begründeter und mächtiger wird dadurch unsre Scheidung vom Bösen und unsre Verbindung mit Gott. Sie ist aber schon im ersten Anfang des Glaubens wesentlich und unverlierbar enthalten. Wir würden, wenn wir der Frage bei uns Raum geben wollten, ob wir nicht bei der Sünde bleiben können, schon unsre Taufe aufheben und widerrufen. Jene Frage fällt hinter die Taufe ins alte Heidentum zurück; im Christenleben hat sie keinen Raum.
Sehen wir auf den auferstandenen Jesus, so erkennen wir uns als alte Menschen, Vers 6. Dadurch, dass Christus zu uns kam und für uns auferstand, sind Menschen, wie wir es sind, alt geworden, veraltet und überholt, da Christus an sich ein neues Menschenbild dargestellt hat, das aus Gott in heiligem Geist gebildet und gestaltet ist. Nicht nur ein Teil und Stück von uns ist alt; nein, der Mensch ist alt, und der Mensch an mir, das bin ich mit allem, was ich bin und habe, denke und tue, und nur das ist neu an mir, was mir Christus gibt und im Glauben an ihn mein Eigentum geworden ist. Eben dies unser altes Menschenwesen hat Jesu den Tod gebracht und um seinetwillen hat ihm Gott das Kreuz auferlegt; so erkennen wir, dass unser alter Mensch mit ihm gekreuzigt ist.
Dadurch sind wir aus der Knechtschaft unter unsern Leib befreit und von ihm abgewandt, und das ist zur Reinigung unsers Herzens unerlässlich, denn er ist ein sündlicher Leib, der in der Macht und dem Dienst der Sünde steht, Vers 6. Sie entspringt zwar keineswegs in unserm Leibe, sondern ist in ihrer Wurzel ein geistiges Geschehen. Aber sie bemächtigt sich des Leibes als ihres Werkzeugs, durch welches sie uns beherrscht und in Untertänigkeit erhält. Infolge der Zerrüttung unsers Lebens, welche die Sünde wirkt, wird uns der Leib zum Herrn, dem wir dienen. Auf unseres Leibes Erhaltung zielt unser Trachten und Streben hin; was ihm weh tut, fliehen wir, und in seine Lust setzen wir unser Glück. Dies macht uns sündig und zwar nicht nur dann, wenn sich unsre sinnlichen Triebe krankhaft und unnatürlich entzünden, sondern noch vielmehr dadurch, dass der Leib unser Begehren allein aufs Irdische und auf uns selbst hinlenkt. Daran, dass uns unser Leib als das erscheint, dem wir Dienst und Rücksicht schuldig sind, erzeugt sich unsre ganze gottlose und selbstsüchtige Lebensrichtung. Diese Bande reißt die Glaubenstat entzwei, dadurch, dass sie die Hand auf Jesu Sterben legt. An unserm gekreuzigten Herrn sehen wir, dass unser Leib aufhören muss, und lassen uns dies wohlgefallen, da wir ja nach dem begehren, was der Auferstandene hat. So hebt uns Jesu Kreuz, im Glauben erfasst, über den Knechtsdienst unter unsern Leib empor.
Oder bleibt etwa, auch wenn wir sprechen: ich will nicht sündigen, das andre Wort für uns in kraft: du musst, weil du als Knecht an sie gebunden bist? Nein, wir müssen nicht! Erwarten wir nichts mehr vom Sündigen, so hat auch die Sünde nichts mehr an uns zu suchen, und nicht nur ihre Schuld und Strafe, sondern auch ihre Macht und ihr Reiz haben kein Recht mehr an uns. Es besteht zwischen uns keine Verflochtenheit und Verbindlichkeit mehr, so dass ich noch mit ihr prozessieren müsste. Gleichwie Jesus allen Forderungen, die aus seiner Verbindung mit uns Sündern für ihn entstanden sind, dadurch genug getan hat, dass er starb, also sind auch wir dadurch, dass wir in seinen Tod eingehen, der Sünde gegenüber gerechtfertigt, V. 7, und dürfen unsre Abwendung von ihr behaupten, als unser gutes Recht. Das gibt das fröhliche Gewissen in jeder einzelnen Entscheidung für oder wider die Sünde, den guten Mut in jedem Kampf mit ihr; so sind wir imstande, in jeder versuchlichen Lage glaubend nach Gottes Bewahrung und Leitung zu greifen, ohne dass unser Herz in Selbstanklage und Furcht zerspalten und zur glaubenden Bitte unfähig ist.
Je tiefer wir so Jesu Tod in uns nacherleben, um so freudiger erhebt sich eben dadurch der Glaube, dass wir mit ihm leben werden, V. 8. Nun tritt Christi Leben allerdings noch nicht in unsre Erfahrung und in unsern Genuss, sondern wir glauben es. Aber auch der Glaube ist schon ein Ergreifen, haben und Besitzen und dies im innersten Kern unsrer Person, da wo sie Gottes Geist berührt und bildet. Und wie hoch erhaben ist Jesu verklärtes Leben über Sünde und Tod, mit denen er nun in keiner Berührung und keinem Kampf mehr steht; vielmehr lebt er nun ohne Schranken und Hindernis dem gnädigen Willen Gottes als dessen Diener und Organ. Eben diese herrliche Freiheit Christi zu wahrhaftigem, völligem Gottesdienst ist unsers Glaubens Eigentum, Vers 9 u. 10.
Hier hat nun auch das Gebot seine Stelle: betrachtet euch nun für tot der Sünde und als lebend für Gott, Vers 11-14. Denn die Gabe Gottes wird nicht unser und bleibt nicht unser, wir halten sie denn mit unserm Willen fest. Und solcher Wille entsteht nicht ein für allemal in unwiderruflicher Beharrung. Er ist ein lebendiges und alles lebendige erhält sich und besteht nur dadurch, dass es stets neu entsteht. Und da die sündigen Reize nicht nur außer, sondern auch in uns selber sind, stehen wir stets wieder vor der Entscheidung, ob wir der bösen Lust Gehör geben wollen oder nicht, und haben uns deshalb immer neu in Jesu Tod und Auferstehen hinein zu stellen. Das ist unsre Christenpflicht und unser Christenkampf, den es durchzufechten gilt. Damit sinken wir jedoch nicht unter das Gesetz zurück. Denn hier ist nicht das Gebot das erste, sondern das erste ist die Gabe und aus der Gabe erst erwächst uns das Gebot. Und darin, dass das Gebot und die Pflicht für uns auf dem beruht, was in Christo uns bereitet ist, besteht die herrliche Freiheit des Evangeliums. Darum lautet das Gebot hier so: halte, was du hast! Du bist mit Christo der Sünde gestorben, so sei ihr nun auch tot! Du bist mit Christo auferstanden ins Leben für Gott, so lebe ihm nun! Du bist in die Freiheit gesetzt, so sei nun frei.
Nun empfängt auch unser Leib das ihm gebührende Recht. Die Erkenntnis, dass er der Sünde als Werkzeug dient, darf nicht die Folge haben, dass wir ihn verachten und schädigen. Vielmehr sehen wir gerade am Auferstandenen, wie hoch Gott alles, was an uns natürlich ist, adelt und erhebt. Dasselbe ist eine Gründung Gottes und zur Verklärung bestimmt, und soll von uns seinem heiligen Zweck und reinen Gebrauche wiedergegeben werden. Unser Leib mit seinen Gliedern ist uns als Waffe der Gerechtigkeit verliehen, V. 2. Denn dass wir als Gottes Zeugen seiner Gerechtigkeit dienen in der Welt bei ihrem ordnenden, helfenden, zurechtbringenden Werk, das ist unsers Lebens Zweck, und die Waffe in diesem edlen Streit ist unser Leib. Darum ist alles, was unsern Leib an diesem Dienste hindert und schädigt, unerlaubt und jede Pflege, die ihn dazu tauglich macht, rein und recht. Mache die Waffe nicht schartig, mit der du deinen Gottesdienst auszurichten hast.
Es ist eine ernste und völlig nüchterne Lebensvorschrift, die uns der Apostel damit vorgehalten hat. Ernst ist sie, weil sie kein Liebäugeln mit der Sünde zulässt, sondern dieselbe total aus dem Christenleben entfernt. Nüchtern ist sie, weil sie unsre naturhafte Sündigkeit wohl im Auge behält und uns mitten in den beständigen sündigen Regungen und Reizungen unsrer Seele heilig wandeln lehrt nach Christi Bild. Freiheit von der Sünde gibt es für den Glaubenden nicht in dem Sinne, als käme im natürlichen Verlaufe unsers Lebens nicht unsre Sündigkeit beständig zur Äußerung und Erscheinung. Paulus setzt unsre Heiligkeit darin, dass wir uns selbst für tot achten, uns selbst verleugnen und richten und uns abkehren von uns selbst, als von alten Menschen und von unserm Leib, als von einem sündlichen Leib. Freiheit von der Sünde haben wir auch nicht in dem Sinn, als müsste unsre Scheidung von derselben nicht beständig in uns erneuert werden, als wäre unser auf Christum gerichteter Glaubenswille nicht versuchlichem Reiz und Drucke ausgesetzt, als könnten wir nicht fallen. Wohl aber sind wir im Glauben von der Sünde frei in dem Sinne, dass wir, indem wir uns Christo verbunden haben, unsrer eigenen Sünde abgesagt und Gott uns zugesagt haben. Wir haben uns dem zu eigen gegeben, der da wahrhaft heilig ist, welcher uns einst ihm völlig gleichgestalten wird und uns auch jetzt schon im Glauben innerlich ihm nachbildet und sein Abbild in uns einsenkt, aus welchem uns Antrieb und Kraft zufließt zu einem neuen Wandel im Dienste der Gerechtigkeit. Sündigen wir, so zerreißen wir nicht nur das uns gegebene Gebot, sondern werfen auch die uns geschenkte Gabe weg und verlegen nicht nur unsre Pflicht, sondern zerstören das, was wir in Christo durch Gottes Werk geworden sind. Unsere Aufgabe besteht somit darin, dass wir uns Christo glaubend zugekehrt halten und nach dem verlangen, was er hat und gibt. Darin liegt für uns Bewahrung und Sieg, weil wir nicht unter dem Gesetz, sondern unter der Gnade stehen, weil uns Gott nicht auf uns selbst verweist und uns nicht allein lässt mit unserm eigenen Vermögen, sondern gebend und helfend sich selbst für uns zum Quell des Lichts und der Kraft macht. So ists dieselbe Gnade, welche uns zu Christo führt, die uns auch bei ihm erhält, dieselbe Gnade, welche uns gerecht gesprochen hat, die uns auch heiligt.