Paulus will die trösten, welche mit Schmerz nach Jerusalem sehen, und dieses Ziel hat das Vorangehende zwar vorbereitet, aber noch nicht erreicht. Die Anklagen gegen Gott hat es zum Schweigen gebracht und an ihre Stelle die Klage gegen Israel gestellt, und sein Widerstreben gegen Gott und seinen blinden Unverstand aufgedeckt. Aber das ist noch nicht Trost. Damit hat uns Paulus in die Tiefe geführt; nun aber leitet er uns wieder empor und zeigt uns in Gottes Gericht zugleich seine Güte und ihr segensreiches Werk.
Gott hat sein Volk nicht verstoßen, Vers 2, das sagt nun auch Paulus so gewiss, so unbedingt, so zuversichtlich, als es nur irgend ein Jude tat. Denn Gott hat Israel zuvor versehen, zuvor gekannt. Es stand vor seinem Auge in seinem ewigen Rat als ein Glied seines Werks auf Erden, als ein Werkzeug zum Bau seines Reichs. Und die Gedanken Gottes brechen nicht. Was im hellen Licht seines Erkennens steht, das hat unerschütterlichen Grund. Doch erst jetzt spricht dies Paulus aus, nachdem er die freie Obmacht Gottes auch über den Israeliten anerkannt und die Schuld seines Unglaubens beleuchtet hat. Und das ist der tiefe Unterschied zwischen seiner Zuversicht und den ähnlichen Worten der Juden; diese vergessen die Beugung unter Gott und schauen in sicherer Selbstgenügsamkeit auf sich selbst, statt dass sie sich mit allen Kräften ihrer Seele glaubend nach oben wendeten.
Die Güte Gottes, die auch im gegenwärtigen Geschick Israels enthalten ist, zeigt uns Paulus in einer aufsteigenden Darstellung, die unsern Blick in vier Stufen immer höher hebt. Einmal sind schon jetzt nicht alle Israeliten Christo fern geblieben, sondern ein Teil des Volks hat ihn erkannt. Sodann hatte der Fall der Judenschaft die überaus große und herrliche Folge, dass dadurch die Heiden zu Gott gebracht wurden. Weiter steht auch Israel der Weg zu ihm stets noch offen; sie sind nicht so gefallen, dass sie nicht zurückkehren könnten, und gerade die Berufung der Heiden hat den Zweck, sie zur Umkehr zu locken. Und endlich bleibt die Verheißung, die allerdings über das, was Israel jetzt erlebt, hinausgeht, für sie noch in Kraft, und der Retter wird ihnen kommen, der ihnen die Erneuerung bringt in Gottes Reich.
Ich bin auch ein Israelite, Vers 1, das hält Paulus zunächst der Frage entgegen, ob Gott sein Volk verstoßen habe. Er war ja in besonderer Weise ein Beispiel göttlicher Gnade, und zwar gerade dafür, dass die Gnade auch dem Juden trotz seiner Feindschaft gegen Jesus gilt. Er war nicht nur dem Stammbaum nach ein Jude, sondern er war es auch mit seinem ganzen Streben und Leben gewesen. Aber Gott hatte ihn um seines Judentums willen nicht verstoßen, sondern ihm Jesum mitten in seinem Kampf gegen ihn geoffenbart. So konnte er mit besonderem Nachdruck sagen: seht an mir selbst, wie Gott sich zu Israel hält. Und wie er selbst, so war noch mancher Mann in Israel zur Erkenntnis Christi gekommen und die alttestamentliche Gemeinde war nicht abgebrochen und beseitigt worden, und die neutestamentliche Gemeinde nicht unabhängig von ihr mit einem neuen Anfang neben ihr entstanden, sondern aus Israel wuchs die Gemeinde Jesu heraus und die alte Gemeinde lebte in der neuen fort. Allerdings war es nur ein kleiner Teil des Volks, der die Fortsetzung Israels in der neutestamentlichen Gemeinde bildete, aber das stand in Übereinstimmung mit dem, was schon vielfach, z. B. zu Elias Zeit, geschehen. war. Auch dort war ein großer Teil des Volks dahingefallen, und die Fortpflanzung desselben erfolgte nicht von allen seinen Gliedern aus, sondern eine neue Wahl und Berufung Gottes fand statt, die aus dem ganzen Volk einen Teil desselben heraushob und in seinem Dienst erhielt als den Samen des wahren Israels. So hatte Gott auch jetzt unter dem Volk eine Auswahl getroffen zur Erhaltung und Fortführung seines Werks und Reichs. Diese Auswahl geht nach Gnade, und es dürfen sich darum die Glaubenden darüber nicht verwundern noch sich daran stoßen, wenn mancher Mann, der Gott eifrig diente, in der Synagoge zurückgeblieben ist und von Jesus nichts wissen will. Es geht hier nicht nach dem Maß der menschlichen Werke, so dass die Hinzuführung zu Christo der Lohn wäre für unsern Gottesdienst. So wäre die Gnade nicht mehr Gnade, sie muss von unsern Werken unabhängig sein. Über den übrigen Teil des Volkes ergeht nun allerdings Gottes Gericht, das sie innerlich verhärtet und ihr Auge der Wahrheit Gottes und ihr Herz der Liebe Gottes verschlossen hält, und auch die schwersten und schrecklichsten Drohungen der Schrift an ihnen zur Erfüllung bringt. Aber auch darin, dass sich in ihrem Unglück die Schrift erfüllt, liegt eine Beruhigung. Paulus macht es hier wie Jesus, der sich im Blick auf den Verräter damit tröstete: „auf dass die Schrift erfüllet würde“. So denkt auch Paulus an die schweren und vielfältigen Flüche, welche die Schrift über die Abtrünnigen und Missetäter ausspricht, und richtet sich daran auf, wenn nun das Geschick der Judenschaft ihnen entspricht. Das Beruhigende liegt darin, dass dadurch auch in dieser unseligen Wendung der Dinge der Finger Gottes sichtbar wird. Wir können aber Gottes Hand nicht wahrnehmen, auch wenn wir ihr Werk nicht übersehen und verstehen, ohne dass das Herz sich beruhigt und innerlich stille wird.
Aber auch in ihrem Fall sucht Gott nicht ihr Verderben und ihren Untergang, Vers 11. Gott lässt sie straucheln um der Heiden willen, damit sich dem Evangelium die Bahn in die Heidenwelt öffne. In leeren Fragen, wie die, ob Gott dieses Ziel nicht auch auf andere Weise hätte erreichen können, ob denn der Glaube Israels den Zutritt der Heiden zum Evangelium verhindert hätte u. dgl., schweift Paulus nicht herum. Er hält den Blick fest auf den tatsächlichen Gang der Dinge gerichtet und sagt: das, was in Jerusalem und in den Synagogen allerwärts gegen Jesus geschehen ist, das hat Gott dazu benutzt, um den Heiden seine Gnade zuzuleiten; so wird hierin sichtbar, dass auch diese Ereignisse nicht nur Zorn und Gericht enthalten, sondern von der Erbarmung und Güte geleitet sind. Wie deutlich prägte sein eigener Lebenslauf diesen inneren Zusammenhang aus zwischen der Verfolgung und dem Sieg des Evangeliums, zwischen der Schmach, die auf Christum fiel, und der Verherrlichung, die er fand. Dadurch dass Paulus gleich im Anfang seiner Apostelarbeit in Damaskus und Jerusalem von den Juden auf den Tod verfolgt wurde, wurde er nach Tarsus und Antiochien geführt, nach Syrien und Kleinasien in die heidnischen Lande. Und dies wiederholte sich ähnlich von Stadt zu Stadt. In den Synagogen lästerten sie ihn und stießen ihn hinaus; so entstanden die Gemeinden der Heiden und der Zugang zu denselben wurde ihm gerade dadurch geöffnet, dass sich die Juden von ihm abgewandt hatten. Es war nach Jesu Wort gegangen: weil die zuerst geladenen Gäste das Hochzeitsmahl verschmäht hatten, darum wurden die gerufen, die bisher an den Wegen und Hecken lagerten. Ja, Israels großer Fall in Jesu Tagen, als sie ihn verwarfen und kreuzigten, hat er nicht damit geendet, dass Jesus zu jenem Reichtum der Herrlichkeit erhöht worden ist, für den es keinen Unterschied mehr zwischen Juden und Heiden gibt, der über alles, was dem Fleische angehört, übergreift und alles neu macht und der Anrufung aller, der Juden und der Heiden allzumal, gleich nahe und zugänglich ist? Der Jude hatte. in seinem Unglauben das Weizenkorn in die Erde geworfen, und dadurch brachte es nun viele Frucht.
Von hier aus steigt die Hoffnung sofort hoch empor. Hat Israels Fall schon solchen Segen mit sich gebracht, so wird ihre Annahme noch viel reicheren Segen mit sich führen! Vers 12 u. 15. Der Fortschritt, den Christi Reich und Gemeinde noch vor sich hat, ist das Leben aus den Toten, der Durchbruch des Lebens aus dem Tode zur Auferstehung und Verklärung der Gemeinde, der volle Aufgang des Himmelreichs. Das, sagt Paulus, wird uns dann kommen, wenn Israel von Gott herzu gerufen wird. Als Israel fiel, brach Gottes Reich aus Jerusalem hervor in die Welt hinaus; wenn Israel angenommen wird, dann dringt es aus den irdischen Schranken in die himmlische Lebensfülle empor.
Es bleibt das heilige Volk. Von dem Teige, den das israelitische Weib bereitete, weihte sie einen Teil nach dem Gesetz zur Erstlingsgabe; aber nicht nur dieser Teil ist heilig, sondern seine Heiligung macht den ganzen Teig heilig und rein. An einem Gewächs, das Gott gehört, ist nicht nur die Wurzel heilig, ohne die Zweige, sondern die Wurzel ists samt allem, was daraus erwächst, Vers 16. So war Israel nicht nur einst heilig, sondern es ist es und wird es sein. Gott hat sich die Väter geheiligt, indem er ihnen seinen Bund und seine Verheißung gab, als die Erstlinge einer großen Ernte, als die Wurzel einer Pflanzung, die er zu seiner Ehre wachsen ließ. Dieses Erbe können die Söhne nicht verlieren, so wenig es die Väter selbst erworben haben. Mögen sie von Gott weichen in Unglaube und Bundbrüchigkeit, so bleibt doch das Siegel der Heiligung, die Gott ihnen gegeben hat, an ihnen. Es zeugt wider sie, wenn sie sündigen; aber es ruft zugleich Gottes Erbarmung heraus für sie um seiner Treue und Wahrhaftigkeit willen. So kehrt alles, was der Jude an Hoffnung und Zuversicht besaß, in des Apostels Wort wieder. Der Jude blickte auf die Väter als auf den Grund und Quell seiner Heiligkeit; Paulus tuts auch und achtet Israel mitten in seinem Fall und Verderben darum für heilig, weil die Wurzel heilig ist; aber mit dem tiefen Unterschied, dass Paulus die Hoffnung nicht auf den Menschen stellt, sondern sie von Fleisch und Blut völlig abgezogen hat und allein an Gott festheftet. Dadurch, dass sie der Jude auf den Menschen stellt, fällt er unter Gottes Zorn und sein Hoffen ist Trug. Aber Paulus gewinnt die Hoffnung nach ihrem ganzen Inhalt wieder, dadurch dass er sie auf Gott richtet, der mit seiner freien Berufung die Väter heiligte und dessen Gnade Israel es allein verdankt, dass seine Berufung zum heiligen Volk nicht bloß seine Schuld und Verdammlichkeit mehrt, sondern ihm zum Bande wird mit Gottes Reich.
Darum dient, wie das, was an Israel geschah, den Heiden zugute kam, ebenso die Berufung der Heiden wiederum Israel; dieselbe soll sie zum Eifer reizen, Vers 11 u. 14. Eifrig wurde der Jude schon damals darüber, dass die Heiden sich zu Christo sammelten. Das brachte ihn in eine gewaltige Aufregung, aber in eine verkehrte, zornige, die es Gott wehren wollte, sich der Heiden zu erbarmen, und seine eigene Berufung als sein Vorrecht verteidigte. Das ist aber nur die schlimme Folge, welche der Mensch in seinem Unglauben und Ungehorsam aus dem göttlichen Walten zieht. Gottes Absicht zielt auf die Erweckung eines andern Eifers hin. Der Jude soll am Heiden sehen, was Christus gibt und wirkt, wie groß und reich seine Gnade ist, und das soll ihn spornen, nicht zum Neid und zum Widerspruch gegen Gott, sondern zum lebendigen Verlangen, solcher Gabe auch teilhaft zu werden, die ja ihm vor allen andern bereitet ist. Es soll gehen, wie es der Herr den Pharisäern sagt: darum sind die Zöllner und Dirnen am Jordan euch voran ins Himmelreich gegangen, damit euch wenigstens hintendrein euer Unglaube reue und ihr dem Täufer auch noch glaubt. So soll sich Israel am Glauben der Heiden seines Unglaubens schämen lernen, und den Zwiespalt empfinden, in den es sich mit seinem heiligen Berufe setzt, und erschrecken, wenn es die Heiden sich zuvorgekommen sieht, und sich aufmachen, um dem Kleinod seiner Berufung nachzujagen, damit ihm niemand seine Krone raube. Darum ist es des Apostels Freude und Ruhm bei seiner Arbeit unter den Heiden, dass er gerade so auch Israel dient. Er kann direkt für den Juden nichts tun. Aber wenn er Heidengemeinden schafft, in denen sich Jesus nach der Fülle seiner Gabe herrlich offenbaren kann, so stellt er auch Israel ein Zeugnis von Christo vor die Augen, das es kräftig zum Glauben reizen und erwecken soll.
Nun wendet Paulus die Erfahrung Israels auch auf die heidnischen Gläubigen an, Vers 17-24. Ihnen steht ganz dieselbe Sünde nahe, die den Juden verdirbt, dass sie sich gegen Gott überheben und den Grund ihres Vorzugs selbstgefällig bei sich selber suchen und mit hartem Herzen auf den Fall des Juden herabsehen. Sie sollen das Wunder der Gnade bedenken, das ihnen widerfahren ist. Am Juden ist das Wunder Gottes dies, dass er die Zweige, trotzdem dass sie entartet sind, um der Wurzel willen heiligt und ihnen den Zugang zu sich offen hält. Am Heiden ist das Wunder Gottes dies, dass er die Zweige sich geheiligt hat, trotzdem die Wurzel nicht heilig war. Wie wenn jemand die Schosse eines wilden Ölbaumes in den edlen Ölbaum einpfropfen würde, so hat Gott den Heiden aus seiner natürlichen Stellung herausgehoben und ihn in eine Gemeinschaft hineinversetzt, an der er von Natur keinen Anteil hat. Er ist Christo verbunden, der doch nicht ein Glied der Heidenwelt ist, sondern aus Davids Geschlecht und zu Israel gesandt, und das göttliche Wort ist zu ihm gekommen, das doch nicht zu ihm geredet war. Alles was er von Natur besitzt, scheidet ihn vom Reiche Gottes ab, und nun hat er es doch empfangen durch Gottes Güte. Eben darum kann er nicht prahlen, weil er nur durch Glauben steht, wie Israel nur durch Unglauben fiel. Der Glaube aber erhält in der Furcht. Denn weil ich durch Glauben stehe, stehe ich nicht durch mich selbst, sondern einzig und allein durch das, was mir Gott gibt, und wenn mir auch die Güte Gottes zugewandt ist, so zeigt er mir doch nicht umsonst seinen Ernst an denen, die da fallen, und ich weiß, dass der Grund, weshalb sich nicht sein Ernst, sondern seine Güte zu mir kehrt, nicht in mir selber liegt. Sowie ich in eitler Überhebung den Glauben wegwerfe, der die Gnade sucht und in ihr lebt, zerschneide ich damit das Band, das sie an mich bindet, und fordere Gottes Ernst heraus.
Das letzte Wort, das Paulus Israel zum Troste gibt, greift hoffend in die Zukunft hinaus, ja mehr als hoffend, weissagend, Vers 25-29. Die Heiligkeit, die Gott für immer auf Israel legte, ist jetzt bedeckt durch seinen Fall, und die Liebe, die ihnen bleibt um der Väter willen kraft der Wahl, ist verhüllt durch ihren Widerstand gegen das Evangelium, womit sie Gott als seine Feinde entgegentreten und auch ihn zu ihrem Feinde haben. Gott will nun die Heiden rufen und hiergegen ereifert und verstockt sich Israel. Aber sie hören auf, Feinde zu sein, wenn Gottes Werk unter den Heiden am Ziele steht und ihre volle Zahl gesammelt ist. Paulus deutet an, dass Israel auch in der ewigen, verklärten Gestalt des göttlichen Reichs als ein vereinigtes Ganzes seine eigenartige Stellung haben wird, Vers 26, womit all das, was die Propheten ihm zugesagt haben, zur höchsten Vollendung und Erfüllung kommen wird.) Er lässt aber dieses weissagende Wort ohne weitere Ausführung; wer es nun nicht so lassen, sondern es mit den übrigen prophetischen Aussagen über die Vollendung des Himmelreichs verbinden und zu einem anschaulichen Bilde ausgestalten will, der soll doch wenigstens nicht vergessen, dass solche Bilder nicht Wort und Lehre des Apostels, sondern seine eigene Vermutung sind.
So macht Gott den Juden und den Heiden eins vor ihm. Der Mensch kann sich nicht mehr über den Menschen. erheben; sie stehen alle im selben Widerstreben gegen Gott. Einst sträubte sich der Heide gegen ihn, nun sträubt sich der Jude und will den Heiden ausgeschlossen haben aus Gottes Reich und verbietet es Gott, ihm gnädig zu sein. Aber beide erhebt Gott zu sich im selben Erbarmen, das über allen aufgegangen ist, Vers 30-32.
Nun ist der Trost für Israel da, und die Mahnung: seid fröhlich in Hoffnung, gilt der Gemeinde auch dann, wenn sie Jerusalems gedenkt. Weil sie nicht hoffnungslos sein darf, kann sie nicht trostlos sein. Das dunkle Rätsel, welches im Schicksal Israels enthalten schien, ist dem Apostel so hell geworden, dass er mit tiefer, seliger Anbetung Gottes enden kann, Vers 33-36.
Anbetung ist Beugung vor Gott, und wie viel beugendes liegt hier vor! Wie sind die Gedanken der Menschen durchkreuzt! wie überraschend und unberechenbar ging Gott voran! Niemand hat seinen Gedanken geahnt, niemand ihm geraten. Und wie völlig ist alles menschliche Wirken beiseite gesetzt. Nicht als Vergeltung und Dank für das, was wir ihm geben, kommt seine Gabe zu uns. Wir waren alle unfolgsam. Ungebunden an das, was wir sind und tun, erscheint seine Hilfe, nicht bemessen nach unserem Maß, königlich frei.
Aber in der Beugung ist zugleich selige Erhebung. Welch eine Tiefe des Reichtums wird in Gott für uns offenbar! Jüdische Armut, heidnische Armut, alles wurde durch sie reich. Jede Anrufung findet ihre Gabe und seine Gnade erschöpft sich nicht. Und welch eine Tiefe der Weisheit und der Erkenntnis tritt hervor! Die Wege aller stellt Gott vor sich ins hellste Licht. Jedem Falle ordnet er die Heilung zu, jeder Verirrung den Rückweg. Nichts wird übersehen und verkürzt. Die Heiden werden berufen, doch nicht so, dass er Israel verstieße; Israel bleibt sein heiliges Volk, doch nicht so, dass er die Heiden vergäße. Er stellt jeden an seinen besonderen Ort und ist doch gegen alle derselbe. Sein Recht bleibt Recht und sein Zorn vollführt sein Werk, und seine Gnade bleibt Gnade und sein Erbarmen bricht hervor, und seine Weisheit leitet beides in Eintracht zum selben Ziel. Er stellt den Menschen hinunter in die Tiefe und tritt in seiner alleinigen Majestät hoch über ihn empor und hebt ihn doch zugleich empor zu sich und kleidet auch ihn in Majestät und Erhabenheit als das Gefäß seiner Herrlichkeit. Das tut seine Weisheit und Erkenntnis allein.
Das Grundgesetz in allem, was geschieht und besteht, tritt hervor: alles ist aus Gott und durch Gott und zu Gott, Vers 36. Er ist für alles Grund und Quell, Träger und Erhalter, Vollendung und Ziel. Nicht vom Menschen geht das Leben aus und nicht durch ihn besteht es. und nicht in ihm endet es. Es stammt nicht von uns, nicht aus unserm Wollen und Laufen, nicht aus unserm Werk. Wir sind Ton in seiner Hand. In seinem Willen und in seiner Wahl, in der Liebe, die er in sich selber hat, hebt unser Leben an. Und es besteht nicht durch uns. Wir verderben es und fallen; er allein hält uns auch in unserem Fall und richtet uns empor, hin zu ihm, dass wir teilhaben als die Miterben Christi an seinem Bild.