Inhaltsverzeichnis

Rosenius, Carl Olaf - Der verlorene Sohn

Freude im Himmel
oder
die Bekehrung und die Begnadigung eines Sünders

Auf das ihr begreifen möget mit allen Heiligen, welches da sei die Breite und die Länge und die Tiefe und die Höhe, auch erkennen die Liebe Christi, die doch alle Erkenntnis übertrifft. (Epheser 3, 18-19)

Zu einer Zeit, in der durch die herzliche Barmherzigkeit Gottes viele Seelen auch in unserem Vaterlande1) anfangen, aus dem Sündenschlafe aufzuwachen und nach dem Wege zum Leben zu fragen, dürfte das Thema, zu dessen Betrachtung wir jetzt schreiten wollen, „ein Wort zu seiner Zeit“ sein und durch den Segen Gottes einigen dieser Seelen zur Anleitung und zum Trost gereichen. Zu diesem Zweck wollen wir diesmal nur Christum Selber hören, wollen uns um Ihn scharen bei einer Gelegenheit, wo Er Selber sowohl mit Wort als auch mit der Tat die wichtigsten Fragen, mit denen erweckte Seelen sich beschäftigen, beantwortet. Wen sollten wir in diesen Fragen lieber hören als Christum Selber? Es ist gut, hierin einen erleuchteten und erfahrenen Christen zu hören, noch viel herrlicher, einen Apostel zu hören, der Christi eigenes Zeugnis von sich hat; aber dennoch müssen wir bekennen, dass es noch am allerherrlichsten ist, den Herrn Selber zu hören, Der am Jüngsten Tage richten wird. Gott sei Lob und Preis für eine solche Gelegenheit, wo „allerlei Zöllner und Sünder zu Ihm nahten“, wie uns bei Lukas im 15. Kapitel berichtet wird. Aber siehe hier zunächst unseren Zustand, der unserem Kapitel entspricht und von Christo beleuchtet wird.

„Meine Sünde ist immer vor mir,“ so seufzen, stets mit einer heimlichen Last auf dem Herzen, einige Leidtragende in Zion: „Meine Sünde ist immer vor mir. O, ich erschrecklicher Sünder! Ich bin ja ganz unglücklich, der ich nie meiner Sünde ledig werden kann, der ich den Willen des Herrn weiß, aber so leichtsinnig schnurstracks dagegen handele, und zwar das eine Mal nach dem anderen.“ - Ein anderer stöhnt: „Ach, ich verstockter Sünder! Ich bin ja ganz tot; ich sehe die Sünde, kann sie aber nicht bereuen. Wenn ich nur die Sünde recht bereuen könnte, dann würde ich glauben, dass Gott das Allerärgste vergeben kann. Weil ich aber so tot, steinhart und so sicher bin, so ist es ja ganz aus mit mir! Wenn ich nur beten könnte, wenn ich nur recht zerknirscht, aufrichtig und vor der Sünde bange wäre, dann würde ich mich wohl einmal vor ihr hüten; aber mein Herz ist ganz durchsäuert von der Heuchelei. Kurz, ich bin ganz ungeschickt zur Gnade.“

Aber ein dritter, der seinerseits gerade nicht in Not ist und keinen Trost nötig hat, nein, nicht einmal eine so jämmerliche Klage verstehen kann, antwortet diesen Elenden und sagt: „Die Sünde? Heuchelei? Man sollte das Sündigen lassen, dann wäre man nicht so unglücklich. Man sollte etwas ernster wachen. Man sollte das Gesetz des Herrn etwas besser betrachten, dann würde man schon lernen, die Sünde zu bereuen.“ - Oder ein andere derselben Art, der aber etwas erleuchteter ist, sagt: „Verzweifle nur nicht!“ Fahre nur fort, zu beten„ Gott wird dir schon Reue über die Sünde und Sieg über dieselbe geben. Hüte dich nur, dass du dem Geiste Gottes nicht zuvorkommst und dir Trost nimmst, bevor Er Sein Läuterungswerk in dir vollendet hat. Er, Der das gute Werk angefangen hat, wird es auch vollführen. Er wird einen Bekehrungskampf mit Sieg krönen, und dann, dann ist die selige Stunde da, in der du glauben und dir das Verdienst Christi aneignen darfst.“ Und solche Ratgeber werden sehr erschrocken und ängstlich, wenn der arme Sünder gerade gegen ihren Rat, schon mitten im Elend, ohne einen erhaltenen Sieg, nein, während noch alles fehlte, zu Christo gekommen ist und die Freude und den Frieden des Glaubens erhalten hat, - sich schon, bevor ein Sieg gewonnen wurde, das Verdienst Christi angeeignet und angefangen hat, ein neues Lied zu singen: „Gott sei Dank, Der uns den Sieg gegeben hat“, den gewonnenen Sieg Christi„ O, dann erschrecken sie und klagen: „Sie sind verführt, aufgeblasen, von einem losen Evangelium bezaubert, sind dem Geiste Gottes zuvorgekommen. Nein, nein, das geht nicht so schnell und so leicht, zum rechten Glauben zu gelangen. Ich habe jetzt so viele Jahre hindurch danach gesucht, kann mich aber nicht dessen rühmen, schon selig zu sein, und diese kommen unmittelbar aus allerlei Sünden zum Glauben und sind sogleich selig und vollkommen!“ - So murren sie, obgleich der begnadigte Sünder nur Christum rühmt, nicht sich, und obwohl sein ganzes Leben beweist, dass Freude am Herrn seine Stärke ist, dass er jetzt nicht nachlässiger in seinem Wandel geworden ist, sondern jetzt erst das wahre Leben und die wahre Kraft der Heiligung erhalten hat.

Von alledem, von der Begnadigung der verlorenen Sünder, von ihrer Freude, von ihrem Frieden und ihrer neuen Heiligungskraft und von denjenigen, die da murren, folgt jetzt in unserem Text die eigene Beschreibung unseres Herrn Christus. Und nun „wohlan alle, die ihr durstig seid, kommet her zum Wasser; und die ihr nicht Geld habt, kommt her, kaufet und esset; kommet her und kaufet ohne Geld und umsonst beides, Wein und Milch“ (Jesaja 55, 1). Hier ist die Pforte des Himmels. Hier ist die seligste Erquickung am Herzen Gottes, bei dem „Vater der Barmherzigkeit und Gott allen Trostes.“ Hier ist gut sein! Hier werden wir den Herrn Christus Selber reden hören und sehen, wie Er mit Sündern handelt. Aber freilich müssen wir uns davor hüten, dies mit einem kalten, zerstreuten und gleichgültigen Sinn, ohne Hunger und Durst, zu lesen; denn „die Reichen und die Satten lässt der Herr auch hier leer“ (Lukas 1, 53). Und gereicht ein solcher Text wie dieser nicht zu einem wirklichen Nutzen, dann hat man weniger aus anderen zu erwarten. O, ein Text, bei dem man wohl mit Paulus beten muss, „dass der Gott unseres Herrn Jesu Christi, der Vater der Herrlichkeit, uns gebe den Geist der Weisheit und der Offenbarung zu Seiner Selbst Erkenntnis, und erleuchtete Augen unseres Verständnisses, dass wir erkennen mögen, welche da sei die Hoffnung unserer Berufung, und welcher da sei der Reichtum Seines herrlichen Erbes bei Seinen Heiligen, auf dass wir begreifen mögen mit allen Heiligen, welches da sei die Breite und die Länge und die Tiefe und die Höhe, und auch erkennen die Liebe Christi, die doch alle Erkenntnis übertrifft.“ (Epheser 1. u. 3).

Bild des Sünders und Bild der Liebe Christi

Siehe zuerst den Zusammenhang und den Anlass der drei herrlichen Gleichnisse unseres Kapitels. Zu Jesu kamen allerlei Zöllner und Sünder. Diese wurden so gnadenvoll angenommen, dass die Schriftgelehrten und Pharisäer darüber „murrten“ und sprachen: „Dieser nimmt die Sünder an und isst mit ihnen!“ Da antwortete Jesus mit diesen drei Gleichnissen, von dem verlorenen Schaf, dem verlorenen Groschen und dem verlorenen Sohn. Er leugnete es nicht. Er sagte nicht: „Nein, Ich nehme nicht die Sünder an, sondern im Gegenteil bestätigte Er es und verteidigte Sich. Aber Er sagte, dass es nicht einmal damit genug sei, dass Er die Sünder annähme; nein, in allen drei Gleichnissen sagt Er, dass Er sie auch suche und ihnen entgegenlaufe, ja, dass noch dazu „Freude im Himmel“ diesen (Bruder), der sein Gut mit Huren verschlungen hatte“.

Siehe nun hier die Höhe und die Tiefe, siehe die Breite und die Länge der Liebe Christi, die alle Erkenntnis übertrifft! Hier gibt es etwas Liebliches für Sünder, hier gibt es eine Gastmahl für die Armen, für die unwürdigen Gäste! Aber die Satten, die Reichen, die Gesunden und Starken, denen die Sünde noch leicht wie eine Feder ist, diese werden dagegen mit den Kindern Israels in der Wüste sprechen: „Uns ekelt vor dieser losen Speise.“ Aber auch für sie wird ein Tag kommen, wo sie klein, entmutigt und schwach werden, wo sie erblassen und zusammensinken sollen, nur weil sie des Trostes ermangeln, der ihnen jetzt so überflüssig ist, der ihnen jetzt unmöglich schmecken kann. Nun wohlan, ihr geistlich Satten und Reichen, was dünkt euch um eine solche Frömmigkeit, in der euch die ganze Liebe Christi nicht schmeckt? Wenn ihr auch alte Christen seid, grau geworden im Dienste des Herrn, so ist es doch ein ebenso bestimmtes Zeichen, dass nur „der Tod im Topf“ ist, dass der Tod doch noch darin herrscht und kein Leben in Gott da ist, dass ihr jetzt doch oberflächliche Leute seid, die in den Wind hinein leben, da ihr so gesund, satt und stark geworden seid, dass es euch nicht mehr wichtig, teuer und lieblich ist, in der Reihe der Zöllner und Sünder zu stehen und Barmherzigkeit anzunehmen. David, Paulus, Petrus und alle Heiligen konnten nie dem Bedürfnis des Sündertrostes entwachsen. O, es ist die geschickteste Kunst, Heuchler zu fangen oder tote Christen offenbar zu machen, indem man nur den Reichtum in Christo darlegt und sieht, ob dieser ihnen köstlich oder im Gegenteil überflüssig und hinreichend bekannt ist!

Aber es gibt einige elende Sünder, die (wie sie selber meinen) nie getröstet werden sollten, weil sie nie so sein können, wie sie müssten; oder einige Erzsünder, die sich etwas Erschreckliches bewusst sind und mit Recht verdammt sein sollten; oder einige in Grund und Boden verdorbene Herzen, die nie recht aufrichtig, ernst, zerknirscht und betend werden können. Diese bilden alle ein elendes Volk. Höret alle, ihr Zöllner und Sünder! Ihr seid also verlorene Wesen, verlorene Schafe, verlorene Söhne und Töchter! Aber höret hier aus dem eigenen Munde Christi, dass Er gerade solche sucht, und gerade in diesem verlorenen Zustande, bevor es noch besser geworden ist. Und da nach dem Gesetz „alle Sache besteht auf zweier oder dreier Zeugen Mund“, so haben wir auch hier drei Zeugen für diese tröstliche Wahrheit. Zuerst zeugen Christi wirklichen Werke davon; denn die ganze Ursache des Murrens der Pharisäer war gerade diese, dass Er die Zöllner und Sünder so gnadenvoll angenommen hatte. Hier sehe ich dann vor meinen Augen, dass Christus wirklich vergibt und Sünder begnadigt - und große Sünder, die wirklich Sünden, schwere und ganz ungebührliche Sünden auf dem Gewissen haben. Die Zöllner waren wegen ihres schlechten Lebens, insonderheit wegen Betruges, Räuberei und Schalkhaftigkeit bei ihren Zollgeschäften, allgemein bekannt. Der Name „Sünder“ in diesem Zusammenhang umfasst alle anderen wegen großer Sünden und Laster berüchtigten Personen, so dass mit diesen zwei Worten die eigentliche Hefe und der eigentliche Auswurf des Volkes bezeichnet wird. Jetzt sehe ich hier vor Augen, dass Christus wirklich die aller ärgsten Sünder annimmt, sobald sie in ihrer Schande und in ihrer Verdammnis zu Ihm kommen und Sein eigen werden wollen. Das bezeugen Seine Werke hier und überall in der ganzen Schrift, ganz vom Anbeginn der Welt an. Das ist die Summa des ganzen Evangeliums Gottes, dass „Jesus die Sünder annimmt“. - Aber dasselbe bezeugen zweitens sogar Seine Feinde. Die murrenden Pharisäer wollten gewisslich nichts Gutes von ihm sagen, noch etwas, was die Sünder trösten würde. Aber in ihrer Feindseligkeit sagten sie hier etwas, was unser lieblichstes Evangelium ist: „Dieser nimmt die Sünder an und isst mit ihnen.“ Diejenigen, welche befürchten, dass die Freunde Jesu Ihn zu sehr rühmen, müssen dann Seinen Feinden glauben! Auch sie sagen: „Er nimmt die Sünder an!“ - Drittens zeugen am allerherrlichsten Seine eigenen Worte davon. O, ein ewiger Trost! Wem sollte ich in dieser meiner allerwichtigsten Frage über Gott glauben, wenn nicht Ihm Selber? Hier kann ich Gott ins Herz hineinschauen, sehen, wie Er Sünder betrachtet, welche Gedanken Er über uns hat. Siehe nun hier „die Höhe und die Tiefe!“ - Mit dem Blick auf die gröbsten Sünder, „Zöllner und Huren“, sagt Christus: „Ich sehe sie an als verlorene Schafe, als verlorene Groschen, ja als verlorene Kinder, Trauerkinder! Ich habe ein solches Herz für sie, dass ich so handele wie derjenige, der hundert Schafe hat, aber ein einziges vermisst und sofort die neunundneunzig verlässt, die in Verwahrung sind, und umhergeht und nach dem einen sucht, das verloren ist, bis dass er es finde. Und wenn Ich Mein Schaf gefunden habe, schlage und treibe Ich es nicht vor Mir her, sondern lege es auf Meine Achseln „mit Freuden“ und trage es zur Herde und spreche zu Meinen Freunden: „Freuet euch mit Mir, denn Ich habe Mein Schaf gefunden, das verloren war.“ - Ich bin wie das Weib, das zehn Groschen hatte, die für sie der Arbeitslohn ebenso vieler Tage sind. Sie hat einen derselben verloren, und sogleich zündet sie ein Licht an und kehrt das Haus und sucht mit Fleiß nach dem einen Groschen, der verloren war; und wenn sie ihn gefunden hat, ruft sie aus: „Freuet euch mit mir, denn ich habe meinen Groschen gefunden, den ich verloren hatte!“ So habe auch Ich um Menschenseelen gearbeitet und betrachte eine jede derselben als Lohn Meiner Mühe an Meinem dreißigjährigen Arbeitstage und will nicht eine einzige von ihnen verlieren. Nein, gleichwie Freude wurde für den Hirten, der sein verlorenes Schaf fand, und für das Weib, das ihren Groschen fand, also auch, sage Ich euch, wird Freude sein im Himmel über einen Sünder, der Buße tut.“ - Ja, Ich bin ein Vater, der zwei Söhne hat. Der eine von ihnen wird ein Trauerkind für Mich. Er will nicht unter Meiner Zucht bleiben, er will lieber Mein Brot entbehren; er zeiht weg in ein fremdes Land und verprasst da sein Erbe in einem lasterhaften Leben; aber er gerät in Not. Erniedrigt zur Gesellschaft mit den Schweinen, kann er sich nicht einmal mit den Trebern der Schweine sättigen. Da kommt er zur Besinnung, fängt an, an das Haus seines Vaters zu denken, wo die Tagelöhner Brot die Fülle haben, und steht dann auf, um wieder zu seinem Vater zu gehen. Und als er noch ferne von dannen ist, sieht ihn der Vater und erkennt in ihm Sein Kind. Es wird ihm da so wunderbar ums Herz, Er wird aufs neue jung, erwärmt von Vatergefühlen, - es jammert Ihn“! Er konnte nicht an die Schuld des unwürdigen Sohnes denken, sondern sprach bei Sich Selber: „Er ist ja mein Ben-Oni, Mein Schmerzenssohn, um dessen Lebens willen ich in einem Schweißkampfe gestorben bin, hört er als Rahels (1. Mose 35, 18). Ich muss Mich seiner erbarmen!“ Und Er lief ihm entgegen, fiel ihm um seinen Hals und küsste ihn, und kleidete ihn in das beste Kleid und legte einen Fingerreif an seine Hand und Schuhe an seine Füße und ließ ein Freudenfest anrichten wegen seiner Zurückkunft, sprechend: Man muss jetzt fröhlich und guten Muts sein! Denn dieser Mein Sohn war tot und ist wieder lebendig geworden; er war verloren und ist gefunden worden. So ist Mein Herz Sündern, ja diesen verächtlichen Zöllnern und Sündern gegenüber!„ So redet der Herr Selber. Siehe die Höhe, siehe die Tiefe der Liebe Christi, die alle Erkenntnis übertrifft.

Wenn man mit einer rechten Aufmerksamkeit und einem rechten Nachdenken erwägt, dass Christus mit allen seinen Gleichnissen Sich Selber und den Sünder schildert, dass Sein Endzweck gerade der ist, uns merken zu lassen, wie Sein Verhältnis zu Sündern ist, wie der Sünder vor Seinem Herzen aussieht und betrachtet wird, so ist es höchst bedenkenswert, erstens, dass der gnädige Herr solche Gleichnisse wählt, die von unschuldigen, ja unwissenden und nur verlorenen Dingen handeln, wie „Schaf“ und „Groschen“, und sodann, dass Er von dem unwürdigen Sohn nicht ein einziges Wort über die Sträflichkeit in seinem Verhalten sagt, sondern nur auf seinen verlorenen Zustand hinweist. Er sagt nicht: „Dieser Mein Sohn war ein niedriger Verächter, aber Ich habe ihm vergeben,“ sondern Er sagt: „Dieser Mein Sohn war tot und ist wieder lebendig geworden, er war verloren und ist wieder gefunden. Lasst uns jetzt essen und fröhlich sein.“ - O, hier merke ich, dass ein Ernst in dem liegt, was Paulus sagt: „Und Er rechnetet ihnen ihre Sünden nicht zu.“ „Gott war in Christo und versöhnte die Welt mit ihm Selber und rechnete ihnen ihre Sünden nicht zu“;(2. Korinther 5, 19) und was der Herr Selber so ausdrückte: „Ihr seid umsonst verkauft, ihr sollt auch ohne Geld gelöst werden“; (Jesaja 52, 3) und wiederum Paulus: „Gleichwie durch Eines Sünde die Verdammnis über alle Menschen gekommen ist, also ist auch durch Eines Gerechtigkeit die Rechtfertigung des Lebens über alle Menschen gekommen. Denn gleichwie durch Eines Menschen Ungehorsam viele Sünder geworden sind, also auch durch Eines Gehorsam werden viele Gerechte.“ (Römer 5, 18-19) „Wir sind Gott versöhnt durch den Tod Seines Sohnes, da wir noch Feinde waren.“ (Römer 5, 10) Und dann verstehe ich auch das, was Paulus wiederum erklärt, dass Vorwürfe, Forderungen und Urteile, kurz, alles, „was das Gesetz sagt, das sagt es denen, die unter dem Gesetz sind, auf dass (zu dem Endzweck, dass) aller Mund verstopft werde und alle Welt Gott schuldig sei,“ (Römer 3, 19) - das sagt es zu dem Endzweck, „dass es uns ein Zuchtmeister auf Christum sei, auf dass wir durch den Glauben gerecht würden.“ Denn nachdem der Herr „unser aller Sünde auf ihn geworfen hat“, nachdem Gottes Sohn unter das Gesetz getan war“ für uns und „Sein Blut zur Vergebung der Sünden vergossen hat“, so gilt vor Gott gar nichts weder im Himmel noch auf Erden als nur der Gehorsam des Sohnes; so sind vor Gott alle Sünder gleich; - „Es ist hier kein Unterschied, sie sind allzumal Sünder, und werden ohne Verdienst gerecht“ usw. (Römer 3) - so hat Gott nichts, weder im Himmel noch auf Erden, um das Er so eifert wie um die Ehre des Lammes. Er spricht: „Küsset den Sohn, dass Er nicht zürne“ usw. Das ist das ganze Geheimnis, weshalb der Herr so gnadenvoll die unwürdigsten, verlorenen Söhne annimmt und Sich über sie freut. Denn den Sohn zu küssen, dazu ist niemand so geschickt und so bereit wie die armen Sünder, die nichts anderes haben als Sünde und Schande. Daher kommt es, dass der Herr zu den Religiösesten sprach: „Die Zöllner und Huren mögen wohl eher ins Himmelreich kommen denn ihr;“ daher kommt es, dass Er sprach: „Die Ersten werden die Letzten und die Letzten werden die Ersten sein.“ So verwunderlich wird im Reich der Gnade geurteilt! Daher bleibt es so, wie Luther sagt: „Viele gehen in Frömmigkeit sogar bis an die Pforte des Himmels und kommen dennoch in die Hölle; und viele gehen in Sünde und Gottlosigkeit bis an die Pforte der Hölle und kommen doch in den Himmel.“ Diese hohe, verwunderliche Regierung, dieses feine, scharfe, heimliche Urteil zieht sich durch das ganze Reich Christi hindurch. Darum, wenn du Gott nahmen willst, so hüte dich wohl, mit einer eigenen Würdigkeit vor Ihn zu kommen; denn dann ist Er ein verzehrendes Feuer. - „Aber gegen die Sünde ist Er auch ein verzehrendes Feuer. Wie soll ich mich denn anstellen?“ Antwort: Darum musst du dir das Zeugnis Gottes von Seinem Sohne sagen lassen, dass Er unsere Krankheit trug und auf Sich unsere Schmerzen lud„, nämlich gerade die Schmerzen der Glut dieses verzehrenden Feuers und des Fluches des Gesetzes; „Er ist um unserer Missetat willen verwundet und um unserer Sünde willen zerschlagen.“ - Wenn du nicht glaubst, dass deine Sünden auf Christus geworfen und Seine eigenen geworden sind, und dagegen, dass Sein Verdienst und Seine Werke dir geschenkt und deine eigenen sind, so wirst du ewiglich verdammt! Wenn du auch in schweren Sünden gewesen und noch darin bist, ja in etwas ganz Ungebührlichem, wodurch du recht unglücklich und verloren bist, so kannst du unmöglich durch irgendwelche eigene Arbeit davon frei werden (siehe Römer 7, 7-13), sondern nur dadurch, dass du mitten in deiner ärgsten Not zu diesem Glauben an Christus kommst; dass du der Stimme des guten Hirten still hältst, d. h. so das Evangelium hörst, dass dein Herz davon überwunden, eingenommen und nur mit dem Verdienste und der Gnade Christi erquickt wird. Dann bist du augenblicklich in Seinen Armen und auf Seinen Achseln. Dann ist augenblicklich Freude im Himmel und Freude in deinem Herzen. Sowohl Gott als auch du sind beide zufrieden, und dein ganzes Urteil ist verschwunden. Der Vater umfasst den Sohn, und der Sohn umfasst den Vater. Jetzt ist es keine schwere, ängstliche und unmögliche Sache, deinen Heiland zu lieben und Ihm zu dienen. Nein, jetzt ist es deines Herzens Lust und Leben. Alles das folgt mit dem Glauben. Alles das geschieht in dem Augenblick, in dem du in deiner Sündennot an Christus glaubst. Darum noch einmal: Wenn du nicht glaubst, dass deine Sünden Christi eigenen und Seine Werke deine eigenen sind, dass Sein Verdienst, „das beste Kleid“, dein eigenes ist, dann bist du ewiglich verdammt. O, wenn du hier die Liebe Christi siehst, wie Er brennt, wie Er sie beschreibt, dass Er einem verlorenen Schafe nachläuft, und wie es Seine Freude wird, wenn es wiedergefunden ist, so bereite ihm diese Freude. Du hast Ihn oft betrübt, bereite ihm jetzt Freude. Das geschieht durch den Glauben, den Glauben, dass deine Sünden Seine sind und Seine Gerechtigkeit deine ist.

Sobald Christus sowohl mit Wort als auch mit Tat Seine brennende Herzensgesinnung gezeigt hatte, wie Er „Sünder annimmt“, ja nach ihnen sucht usw., so hebt Er gleich darauf den Weg hervor, auf dem wir dieser Seiner großen Gnade teilhaftig werden. Er wusste wohl, wie notwendig das war. Alles Evangelium, alle Predigt von der Gnade, von dem Verdienste Christi und Seiner Liebe bleibt ganz und gar fruchtlos, wenn man nicht auch einen wahren Bericht darüber erhält, wie und wann man teil daran bekommt, einen Bericht über die Gnadenordnung oder die Bekehrung des Sünders. Denn sonst werden etliche Menschen die Gnade so deuten, dass auch alle Sicheren und Unbußfertigen Trost haben, andere wiederum so, dass alle recht erweckten, mit Sünden belasteten und elenden Seelen davon ausgeschlossen werden. Der eine beschreibt die Bekehrung, die dem Glauben vorangeht (Markus 1, 15; Lukas 24, 47), ganz in derselben Weise wie Heiligung und meint, dass alle Sünde zuerst überwunden werden müsse, bevor Gnade gegeben würde. Ein anderer dagegen meint, dass wenn man nur Qual über seine Sünden hat, man die rechte Bekehrung habe und sich für selig ansehen dürfe, auch wenn keine Veränderung dieser Reue und diesem Glauben folgt. Der eine will jede geistliche Geburt in allen ihren geringsten teilen und Umständen nach einer gewissen pünktlichen Aufstellung haben und fordert, dass eine jeder, der vom Geiste geboren ist, über den Gang des heiligen Windes im Klaren sein müsse (Johannes 3, 8), bevor er glauben dürfe. Andere meinen, dass alles Religiöse und Fromme selig und gut sei, ohne alle Prüfung, ob die Bekehrung und der Glaube da ist, von dem die Schrift spricht, um nicht von den groben Irrtümern zu reden, die entweder auf Grund der allgemeinen Gnade Gottes oder des Verdienstes Christi die Meinung aufbauen, dass kein Mensch verloren gehen werden, dass alle selig würden. O, welche Gnade - schon wegen eines solchen Wirrwarrs in den Meinungen -, dass der Herr Christus Selber uns auch den Weg, die Gnade zu erlangen, erklärt hat! Aber insonderheit wird das einer um ihre Seligkeit recht bekümmerten Seele lieb und teuer zu hören sein. Eine solche macht für ihre eigene Person oft das ganze Evangelium mit einer einzigen Frage zunichte: „Wem soll alles das angehören? Von der Liebe Christi weiß ich, von der Gnade, von der Versöhnung weiß ich; aber alles das werden auch die Verdammten wissen und dessen eingedenk sein zu ihrer eigenen Herzensqual. Alle sind erlöst, aber darum werden nicht alle selig. Es gibt also eine Bedingung von unserer Seite. Wenn ich nur wüsste, dass ich die rechte Bekehrung und den rechten Glauben hätte, dann würde ich glauben, dass die grässlichsten Sünden mir vergeben würden“ usw. - Siehe dann hier die eigene Antwort Christi auf alle derartigen Fragen. Er hat an dem verlorenen Sohn und seiner Rückkehr mit den lieblichsten Farben die Bekehrung eines Sünders sowie auch das, was derselben folgt, geschildert. Gott erleuchte die Augen unseres Verständnisses, auf dass wir es sehen können! - Er sagt:

„Ein Mensch hatte zwei Söhne.“ Warum zwei? oder wer sind diese zwei Söhne? Das sind die zwei Arten von Menschen, die stets in der Kirche zu finden sind, die zwei Haufen, die auch jetzt den Herrn Christus umgaben, und die Er hier schilderte. Um ein Gleichnis zu verstehen, ist es immer notwendig, den Anlass desselben zu bedenken. Der Anlass war dieser, dass Jesus eine Schar unglücklicher, verlorener, erniedrigter Sünder kam, und dass eine andere Schar, die sich nicht für so verloren ansah, über die Gnade murrte, womit der Herr den verlorenen, unwürdigen Haufen annahm. Siehe Vers 1-3. Darum folgt hier schließlich, wie der ältere Bruder des verloren Sohnes über die Güte des Vaters gegen den zurückgekehrten Sohn murrte und sich selber rühmte, nie Sein Gebot übertreten zu haben. Diese zwei Söhne sind also der große, leichtsinnige Haufen und der selbstgerechte Haufen in der Kirche. Aber bald haben wir noch eine dritte Person im Gleichnis, den zurückgekehrten, begnadigten und aufs Neue lebendig gewordenen Sohn. Wo das Evangelium gepredigt wird und einige zur wahren Bekehrung kommen, findet man sie alle drei. Und dann finden wir hier die ganze Christenheit beschrieben. Erstens den leichtsinnigen, gottvergessenen Haufen, zweitens den bekehrten und begnadigten und drittens den selbstgerechten, murrenden Haufen. Der erste ist weltlich, ungeistlich; die zwei letzteren sind religiös, aber dennoch innerlich verschieden. Diese drei Haufen findet man zu allen Zeiten und in allen Ländern der Welt, wo das Evangelium Christi gepredigt wird, welche Kirchenabteilungen, Parteien oder sonderliche Meinungen sonst auch herrschen mögen - Aber wir gehen jetzt daran, dem verloren Sohn in seiner unglücklichen Erniedrigung sowie in seiner seligen Rückkehr und Begnadigung zu folgen.

Der verlorene Zustand des Sünders

Hier beschreibt der Herr Christus nun den verlorenen Zustand des Sünders. Der Sohn forderte sein Erbe und zog weg - zog ferne über Land; und daselbst brachte er sein Gut um mit Prassen. Was das bezeichnet, ist leicht zu verstehen, nämlich wie ein Mensch von Gott weggeht, ein Kind der Welt wird, die Taufgnade und alles das, was damit folgt, verscherzt, tot durch Übertretungen und Sünden ist und ohne Gott in der Welt lebt. Und so ferne von Gott zu sein und sein Erbe verscherzt zu haben, dazu ist nicht erforderlich, lasterhaft oder verbrecherisch zu sein; denn das liederliche Leben wird erst später erwähnt (Vers 15), nur als ein anderer Grad und eine andere Form desselben gottlosen Lebens. Nein, man kann das beste Mitglied der Gemeinschaft, redlich, ordentlich und wohltätig und doch „lebendig tot“, doch „ohne Gott in der Welt“ sein. Wir müssen auf die Worte Acht geben, die der Herr hier von dem verlorenen Sohn gebraucht. Das erste ist, dass er ferne über Land zog. - Beachte! Er sagt nicht, dass er ein Verbrechen beging, sondern nur, dass er „ferne zog“, ja weit weg - „über Land“ - fern von seinem Vater. Ein Kind der Welt, d. h. ein Mensch von der gewöhnlichen Sorte, dem allgemeinen Haufen, eine nicht wiedergeborene Seele ist immer fern von Gott; wenn sie sonst auch die naturfrömmste und liebenswürdigste ist, sie ist doch fern - ja, auch wenn sie betet oder ihre Knie vor dem Altar des Herrn beugt; denn davon sagt der Herr: „Dies Volk naht zu Mir mit seinem Munde und ehrt Mich mit seinen Lippen, aber ihr Herz ist ferne von Mir.“ - Das andere Wort war: „Er brachte sein gut, sein Erbe um“, d. h. die Kindschaft bei Gott, die Teilhaftigkeit am ganzen Verdienste Christi, der Heilige Geist im Herzen und die ewige Seligkeit im Himmel, kurz, alles das, was Christus uns erworben hat und was uns in der Taufe geschenkt wurde, ist verscherzt. Der Mensch ist wieder ganz und gar unter der Gewalt des Teufels, in das ganze Elend versenkt, das aus dem Falle Adams her floss. Aus dem Falle Adams aber kam der Verlust des ganzen Bildes Gottes. Und es wurde die entschiedene Natur des Menschenherzens, die Sünde und das Eitle zu lieben, aber hingegen Gott und dem Himmlischen abgeneigt zu sein; und die entschiedene Natur des Menschenverstandes, das Irdische zu fassen, aber nicht das Himmlische, in seinen Gedanken von Gott und geistlichen Dingen zu irren und lieber der Lüge als der Wahrheit zu glauben. Alles das ist ein für allemal die ebenso entschiedene Art aller Menschennatur, wie es die Art des Schnees und des Eies ist, kalt, und die Art des Feuers ist, warm zu sein. Wenn der Mensch fern von Gott, weggegangen ist und sein Erbe umgebracht hat, dann ist diese Natur ganz und gar herrschend. Hierhin gehört das, was der Herr ferner von dem verlorenen Sohn sagt: „Er war tot“ (Vers 24). Beachte, tot! Dem leiblichen Leben nach war er gewiss lebendig und munter; aber er war geistlich tot, tot vor Gott und dem Geistlichen! Auch deutet der Herr (Vers 17) an, dass er verwirrt, von Sinnen war; denn für die Worte: „Er schlug in sich“ steht im Grundtext: Er kam zu sich selbst. Ja, ein Mensch, der fern von Gott leben kann, ist gewisslich von Sinnen. Alles das könnte aufs lebhafteste mit unzähligen Beispielen aus dem steten geistlichen Verhalten eines jeden gewöhnlichen Menschen bewiesen werden. Bist du nicht von Sinnen, wenn du an die Nähe Gottes glaubst, aber dennoch das zu reden und zu tun wagst, was du nicht tun wolltest, wenn nur ein Engel sich im Zimmer zeigte? Bist du nicht geistlich tot, wenn du glaubst, dass Gottes eingeborener Sohn Mensch, unser Bruder und Anverwandter geworden ist, und du dennoch nie so froh darüber gewesen bist wie über eine geringe irdische Gabe? Ist das Herz seiner Natur nach nicht irdisch und geistlich tot, wenn du den ganzen Tag von dem Irdischen reden kannst und nicht eine Stunde vom Heiland? „Wes das Herz voll ist, des geht der Mund über.“ (Lukas 6, 45b) - Aber der Beispiele würden zu viele, um sie aufzuzählen. Alles das, was Christus hier von dem verlorenen Sohne sagt, „er zog ferne“, - „über Land“, - „brachte sein Gut um“, - „war tot und von Sinnen“, ist nur das, was der Apostel von uns allen Epheser 2 sagt: „Ihr wart ohne Christum, fremd und außer der Bürgerschaft Israels und fremd den Testamenten der Verheiß8ng; daher ihr keine Hoffnung hattet und wart ohne Gott in der Welt. - Da ihr tot wart durch Übertretungen und Sünden, in welchen ihr weiland gewandelt habt nach dem Lauf dieser Welt und nach dem Fürsten, der in der Luft herrscht, nämlich nach dem Geist, der zu dieser Zeit sein Werk hat in den Kindern des Unglaubens, unter welchen wir auch alle weiland unseren Wandel gehabt haben in den Lüsten unseres Fleisches und taten den Willen des Fleisches und der Vernunft und waren auch Kinder des Zorns von Natur, gleichwie auch die anderen“ (Vers 1-3.12).

Aber ohne Gott in der Welt zu leben, wird dem Menschengeist schließlich öde und leer. Bedenke, des Morgens aufzustehen ohne Gott, des Nachts zu schlafen ohne Gott, ohne Gott bei der Arbeit und ohne Gott in der Ruhe, ohne Gott in der Freude und ohne Gott in der Sorge! - Ach ein finsteres und ödes Leben! Denn da die Seele doch von Gott ausgegangen und für das Leben mit Gott bestimmt ist, so entsteht dadurch eine öde Leere. Darüber sagt Jesus nun weiter von dem verlorenen Sohn: „Und da er nun all das Seine verzehrt hatte, ward eine große Teuerung durch dasselbe ganze Land, und er fing an zu darben“ - er fühlte eine öde Leere, einen Mangel in seiner Seele. Und was macht er dann? Siehe nun hier den Übergang von dem feineren Weltleben zu dem groben und liederlichen Leben, womit eine leere Seele alle Besinnung zu übertäuben und Ersatz für den Frieden Gottes sucht! „Er ging hin und hängte sich an einen Bürger desselben Landes, der schickte ihn auf seinen Acker, die Säue zu hüten.“ Das ist die tiefste Erniedrigung! Da sitzt der geliebte Sohn eines reichen Mannes und eines zärtlichen Vaters nun, weit entfernt von dem reichen, glücklichen Vaterhause, in einem fremden Lande, mit zerfetzten und unreinen Resten der guten, kostbaren Kleidung, hungrig und entblößt, hinter dem Stallgebäude eines unbarmherzigen Herrn, um den wühlenden Schweinen zuzusehen und ihr Grunzen anzuhören. So beschreibt Christus den jämmerlichen Zustand eines Sünders, der den Gott seines Lebens, seinen himmlischen Vater, verlassen hat. Dazu bestimmt, in der Gemeinschaft Gottes und der Engel zu stehen, in der glänzenden Kleidung der Gerechtigkeit Christi geschmückt einherzugehen, den eigenen Heiligen Geist des Herrn in seinem Herzen zu haben, ist er jetzt zum Sklaven des grausamen Teufels erniedrigt und dazu angestellt, die unreinsten Lüste und Begierden zu hüten.

„Da begehrte er, seinen Bauch zu füllen mit Trebern, die die Säue aßen, und niemand gab sie ihm.“ Der Sünder findet nicht die Befriedigung, die er sucht, nicht einmal in der freiesten Ausübung seiner Lüste. Er kann zwar die Treber kosten, kann sich aber nicht damit nähren, d. h. er erhält keine Sättigung und Befriedigung, sondern wird nur noch unglücklicher, finsterer und unruhiger in seinem Innern. Diese Not wird eine Ursache seiner Besinnung, sagt der Herr. „Da schlug er in sich und sprach: Wie viel Tagelöhner hat meine Vater, die Brot die Fülle haben, und ich verderbe im Hunger. Ich will mich aufmachen und zu meinem Vater gehen.“ Hier sind verschiedene Umstände zu beachten. Dass der Herr hier sagt, dass die Not den verlorenen Sohn zur Besinnung trieb, und dass Er nicht von einer Botschaft vom Vater, nicht von dem eigentlichen Erweckungsmittel, dem Worte, noch von dem Rufen des Geistes redet, das rührt daher, dass Sein Endzweck hier der war, den Unterschied zwischen den gröberen Sündern und den Selbstgerechten hervorzuheben. Er sagte zu den Pharisäern: „Die Zöllner und Huren mögen wohl eher ins Himmelreich kommen denn ihr.“ Wenn er jetzt die Ursache dazu zeigen sollte, dann nannte Er nicht das, was sie gemeinsam hatten, das Wort und das Rufen des Geistes, sondern nur das, was den Unterschied zwischen ihnen bildete, nämlich, dass, während die Pharisäer Tagelöhner waren, die Brot die Fülle hatten, d. h. Trost genug in ihrer eigenen Arbeit, ihrem Dienst und ihrer Gerechtigkeit hatten2), die Zöllner dagegen solche verlorenen Söhne im fernen Lande waren, die ihre Not kannten und darum eher das Wort annahmen und dem Rufe des Geistes Folge leisteten. Aber sonst ist es die bestimmte Erklärung Christi: „Niemand kommt zu Mir, es sei denn, dass ihn ziehe der Vater.“ Zu einer Neugeburt aus dem Geist ist das eigene Mittel und die eigene Arbeit des Geistes in der Seele erforderlich. Die Größe und Erschrecklichkeit der Sünde, der darauf folgende Ekel, die Leere und Unruhe, ferner die leibliche Not, Sorgen und Verluste, fehlgeschlagene Hoffnungen in der Welt, unerwartete Todesfälle der Verwandten - alles das, was hier mit der schweren Hungersnot des verlorenen Sohnes in dem fremden Lande bezeichnet wird, wendet der Herr an, um die Sünder zu der ernsten Besinnung zu erwecken; aber keine Neugeburt des Herzens geschieht nur dadurch. Derer gibt es viele, die wegen Sorgen und fehlgeschlagener Hoffnungen zur Religion fliehen, um in derselben einen Trost und einen Ersatz zu erhalten. diese werden aber keine wahren Christen, wenn nicht das Wort jetzt bei ihnen eine neue Sorge erweckt, die die irdische Sorge übersteigt und verschlingt - „eine göttliche Traurigkeit, die zur Seligkeit eine Reue wirkt, die niemand gereut“. Darum sagt der Herr hier auch, dass die Sorge des verlorenen Sohnes eigentlich diese war: „Vater, ich habe gesündigt gegen den Himmel und vor Dir, ich bin hinfort nicht mehr wert, dass ich Dein Sohn heiße.“

Kennzeichen der rechten Bekehrung

Aber wir wenden uns wieder zum Text. Der Herr sagt: „Da schlug er in sich“, oder „da kam er zu sich selbst“. Er war abwesend, war gleichsam in einem Rausch gewesen. Wir haben auch gezeigt, dass ein jeder, der fern von Gott ist, auch der allerklügste und beste Naturmensch, verwirrt ist. Während er klug und nachdenkend in allem anderen ist, ist er in dem Geistlichen von seinen Sinnen und meint trotzdem, auch darin ganz zu Hause, nachdenkend und klar sehend zu sein. Und nachher sitzen alle Erweckten da, wundern sich und sagen: „Wo habe ich meinen Verstand, wo habe ich meine Augen und Ohren gehabt, der ich nicht früher das gesehen und das bedacht habe?“ Als der verlorene Sohn aber nun wieder zu sich gekommen war, ach, welche bitteren, schmerzlichen Betrachtungen standen ihm jetzt vor seiner Seele! Er sagte: „Wie viel Tagelöhner hat mein Vater, die Brot die Fülle haben, und ich verderbe im Hunger.“ Hier sitze ich in einem fremden Lande, weit weg von meines Vaters Wohnung, in Hunger und Schmutz, zur Gemeinschaft mit den Schweinen erniedrigt, und kann mich nicht einmal mit Schweinetreibern nähren; und in dem Hause meines Vaters haben die Tagelöhner Brot die Fülle; und ich, der ich Sohn und Erbe bin, verderbe hier im Hunger. Ach, ich will mich aufmachen und zu meinem Vater zurückkehren und zu Ihm sagen: „Vater, ich habe gesündigt gegen den Himmel und vor Dir; und ich bin hinfort nicht mehr wert, dass ich Dein Sohn heiße; mache mich als einen Deiner Tagelöhner!“ Beachte, er hatte immer noch nur den Glauben und den Trost, der in unserer Natur liegt, nämlich diesen, wenn er sich recht bekehre und recht reuevoll und zerknirscht zu seinem Vater käme, dann würde er Gnade erhalten. So ist der erste Trost aller Erweckten. Darum können sie oft bei der ersten Erweckung viele liebliche und prachtvolle Vorstellungen von Gott haben, gegründet auf ihre künftige Reue und Bekehrung 3). Aus solchem Trost fließen jetzt die schmerzlichsten Betrachtungen von der Art, wie wir sie eben von dem verlorenen Sohne anführten: „In meines Vaters Haus haben die Tagelöhner Brot die Fülle, und ich (der ich Sohn bin) verderbe hier im Hunger.“ In Wahrheit eine Betrachtung, die jeden verlorenen Sünder zur Besinnung erwecken sollte! Sie lautet in dem Munde einer erweckten Seele, wenn die Bildersprache entfernt wird, ungefähr folgendermaßen: „Hier gehe ich in der Sklaverei der Welt, des Satans und der Lüste, erniedrigt und weit abgekommen in Sünde und Gnadenverachtung. Aber ach, ich bin ja noch ein Mensch, bestimmt zu etwas Höherem als dieser erniedrigenden Sklaverei. Ich habe ja noch einen Vater im Himmel, ja einen liebevollen Heiland, Der mich einmal so teuer erkauft hat, ein Kind des Himmels zu sein, Der auch einst in der Taufe mich in Seine Arme genommen hat. Und jetzt, jetzt bin ich so weit weggekommen, so tief erniedrigt, nur wegen meiner sündigen Lüste. Ach, was habe ich in ihrem Dienst gewonnen? Nichts anderes als Leere und Qual. Wie die Seelen doch glücklich sein müssen, die Gott kennen, die in Freundschaft und Vereinigung mit Gott stehen! O, ich will mich aufmachen und wieder zu meinem Vater gehen. Ich will in einer wahren Bekehrung, mit einem zerknirschten und demütigen Herzen Ihn um Gnade bitten, aber nicht nur um Gnade, sondern auch darum, Sein Diener werden zu dürfen, dann wird Er mich nicht verwerfen“ usw.

Siehe, in dieser Weise mischen sich jetzt Reue und Eigengerechtigkeit, Besserungsvorsätze und Unglaube, Qualen und liebliche Gefühle durcheinander. - „Das enthält ja Widersprüche“, dürfte jemand meinen, und dies kann nicht geleugnet werden, aber es verhält sich gerade so, dass die Bekehrungsarbeit einer erweckten Seele voller Widersprüche ist. die Unerfahrenen sagen: „Wie kann eine über ihre Sünde erschreckte und niedergeschlagene Seele Eigengerechtigkeitsbegierde hegen?“ Jawohl, es ist nicht besser mit den Kindern Adams, als dass sie noch in den ärgsten Umständen sich mit den Feigenblättern der Eigengerechtigkeit umgeben und nicht als ganz nackt und verloren vor Gott erscheinen wollen. Dies wird bald mit den eigenen Worten Jesu in dieser Seiner Beschreibung der Bekehrung eines Sünders bewiesen werden. Aber wir wollen zunächst betrachten, wie der Herr hier die Echtheit und die Redlichkeit der Bekehrung kennzeichnet, auf dass, wenn es möglich ist, eine selbst betrogene Seele einmal im Namen des Herrn erweckt werden und die Falschheit ihres Wesens merken könnte.

Wir reden nicht davon, dass der verlorene Sohn über seine Sünde klagte: „Vater, ich habe gesündigt gegen den Himmel und vor Dir“ usw., denn alle Menschen wissen, dass man die Sünde fühlen und bereuen muss. Viele Unbußfertige haben auch oft grässliche Qualen von der Sünde und kommen dennoch nie zur Bekehrung. Nein, das erste Wort, woraus wir hier die Redlichkeit der Bekehrung merken, ist dies: „Ich bin hinfort nicht mehr wert, dass ich Dein Sohn heiße; mache mich als einen Deiner Tagelöhner!“ Beachte, er wollte lieber nur ein „Tagelöhner“ in dem Hause seines Vaters werden, lieber in strenger Tagelöhnerarbeit dahingehen, als draußen im fremden Lande der Sünde zu sein. Er wollte bei seinem Vater in Dienst treten und an Ihn gebunden werden. Es gibt viele, die in der Qual über ihre Sünden zu Gott und Seinem Worte kommen und Gnade, Trost und Ruhe für ihre unruhigen Herzen haben wollen; aber sie wollen nicht auf immer Sein eigen werden, wollen auch nicht um des Herrn willen etwas verleugnen und leiden. Sie wollen sozusagen das Brot des Vaters draußen im „fremden Lande“, in welchem sie sich befinden, haben, wollen nicht in Seinen Dienst treten. In der rechten Bekehrung dagegen sucht die Seele für ihre ganze Lebenszeit ein ganz neuer Mensch und des Herrn eigen zu werden und achtet nicht darauf, was sie leiden soll, wenn sie nur auf immer dem Herrn eigen werden kann. Sie sagt von Herzen: „Koste es, was es kosten möge, wenn ich nur des Herrn eigen werde; dann achte ich nicht darauf, was ich leiden soll.“ - Und wahrlich, geht die Bekehrungssorge nicht so tief, dass alles andere in der Welt eine Kleinigkeit demgegenüber, ein rechter Christ zu werden, wird, dann ist sie noch nicht recht. Eine andere Sache ist es, dass der Mensch, wie Luther über den 6. Psalm sagt, „in dieser Not mehr übernimmt, als er je ausführen kann“, und dass es mit dem Werke selbst jämmerlich geht. Aber es ist wirklich sein voller Ernst, seine wirkliche Meinung, und es muss dahin kommen, dass er gern alles tun und leiden will, wenn er nur Gnade erhält. Diejenigen, die diesen Ernst haben, dass ihnen nichts in der Welt so wichtig ist wie, rechtschaffene Christen zu werden, klagen dennoch stets darüber, dass sie nicht recht ernst, sondern allzu kalt und träge sind.

Der Herr sagt weiter: „Und er machte sich auf und kam zu seinem Vater.“ Das ist der zweite Beweis. Höre, es blieb nicht nur bei bloßen Gedanken, Worten, Klagen, Vorsätzen, sondern es wurde auch Werk und Tat. Kannst du noch den Mut haben, mit deiner Falschheit zu schweigen und gute Miene zu machen, zu hoffen und ruhig zu sein, du, der du an die Bekehrung, an die Reue, an das Sichtrennen von der Sünde und der Welt - nur denkst, nur davon hörst und, wenn es nötig ist, sprichst, aber nie die Sache selbst wirklich vornimmst? Du scherzest so mit dem Herrn und deiner Seele, dass du Gnade begehrst; aber du willst doch in deinen Lieblingssünden bleiben. Du begehrst Gnade, du willst nicht mit der Welt umkommen; aber du willst doch im Wesen der Welt verbleiben, willst doch die Freundschaft und die Achtung der Welt besitzen. Der Herr Christus weiß einen Unterschied zu machen zwischen denken und reden oder tun! Er lässt sich nicht betrügen. Auch diejenigen, die Qualen von der Sünde haben, aber dennoch in der Sünde bleiben, diejenigen, die unter dem Weltwesen leiden, aber dennoch Sklaven der Welt verbleiben, nie die Kraft erhalten, ihr Wesen zu verwerfen und die Schmach auf sich zu nehmen, sie sollten doch merken, dass sie, wenn sie auch von Gott besucht und erweckt wurden, wenigstens nicht von Gott geboren sind und noch nicht den rechten Glauben haben. „Denn alles, was von Gott geboren ist, überwindet die Welt; und unser Glaube ist der Sieg, der die Welt überwunden hat“ (1. Johannes 5, 4). Aber, es ist wahr, wir reden nur noch von dem erweckten Sohn, bevor er zum Glauben gekommen war, vom Vater umarmt und mit Gerechtigkeit und Stärke bekleidet wurde; und siehe, doch konnte er nicht in dem fremden Land bei den Schweinen bleiben. Er hatte keine eigentliche Heiligungskraft, diese wurde erst nachher zugeteilt, als er Schuhe an den Füßen erhielt; aber dennoch wurde er von der Not gezwungen, aus dem fremden Land hinauszugehen. Man sieht ja auch bei allen recht erweckten Seelen, dass schon die bloße Not sie aus der Welt hinaustreibt, bevor sie noch zum Glauben gekommen sind. Und außerdem, hast du nicht die Kraft zu allem, das tut nichts, wenn du nur fühlst, was dir fehlt, und du einen solchen Stich durchs Herz erhalten hast, dass du dich nicht zufrieden geben kannst, bevor du zum wahren Leben gekommen bist. Aber früher zu ruhen, zufrieden zu sein und zu denken: „Ich bin doch auf dem Wege, ein Christ zu werden, wenn ich es auch noch nicht geworden bin“ - beachte, damit zufrieden zu sein, das ist Sicherheit und bewirkt, dass man nie ein Christ wird. Wenn die Geburtsschmerzen aufhören, dann kommt es zu keiner Geburt. Nein, der Herr sagt: „Er machte sich auf und ging.“ Es wurde Werk und Tat.

Aber mit diesem preiswürdigen Ernst, dieser lieblichen Redlichkeit und Aufrichtigkeit vereinigt sich eine Neigung, die das ganze angefangene Gnadenwerk zunichte machen und eine erweckte Seele zu einem Pharisäer machen könnte, wenn der Geist des Herrn nicht teils mit kräftigen Erweckungen, teils in anderer Weise dem entgegenwirkte. Der Mensch ist einem Betrunkenen gleich, der nie in der Mitte des Weges gehen kann, sondern von der einen Seite auf die andere taumelt. Entweder will er ganz sicher und sorglos in der Sünde verbleiben, oder er will geradezu sein eigener Heiland sein. Christus hat nicht vergessen, hier diese allgemeine, tiefe Neigung bei uns hervorzuheben. Er sagt, dass der verlorene Sohn bei sich selber überlegte, wie er zu seinem Vater sprechen wollte: „Ich habe gesündigt gegen den Himmel und vor Dir, - aber mache mich als einen Deiner Tagelöhner!“ Beachte, wenn er nur bei seiner Rückkehr in dieses Bekenntnis ausgebrochen wäre, dann hätte dies nur die Zerknirschung seines Herzens bewiesen; dass er aber draußen im fremden Lande darüber nachsann, beweist, dass Er selber auf seine Demut und sein Gebet Gewicht legte und meinte, dass dieselben notwendig seien, um den Vater zur Barmherzigkeit zu rühren und zu bewegen. Das ist gerade die Eigengerechtigkeit. Zuerst konnte er nicht glauben, dass der Vater schon so versöhnt und so gnädig sei, dass Er ihn sogleich zum Kinde aufnehmen könnte, sondern er meinte, dass er sich zuerst „hinauf dienen“, dass er sich anbieten müsse, Tagelöhner zu werden, und zweitens, dass er sich demütig und bittend anstellen müsse. Zerknirschung und Gebet, meinte er, würden den Vater bewegen. Siehe hier, wie der Herr Christus mit uns Bescheid weiß. Er kennt wohl unsere Natur. Er hat das auch genügend gesehen an den vielen Tausenden von verlorenen Söhnen, die Er angenommen hat. Es gibt niemand, der dies so gesehen hat wie Er. Unzählig sind die arbeitenden Herzen, die Er gesehen hat, die sich gewunden und gedacht haben, Ihn mit ihrer Demut und ihrem Gebet zu bewegen. Er wusste wohl, dies hervorzuheben. - Und wo gibt es eine einzige bekehrte Seele, die sich nicht dessen bewusst ist, dass es nichts gibt, woran man so hängt und denkt wie daran, wie man recht demütig, zerknirscht und bittend erscheinen möchte? Ist dies nicht der Seufzer und der Gedanke aller Erweckten, ja auch oft der Gläubigen: „Ach, wenn ich nur meine Sünde recht bereuen und recht beten könnte! Wenn ich nur recht zerschlagen über meine Sünde wäre, dann würde ich die Gnade Gottes für die schwersten Sünden glauben. Weil ich aber so hart, so kalt bin und nicht beten kann, wie ich soll, so kann ich nicht glauben, dass Gott mir gnädig ist!“ - Es ist wahr, in dieser Sorge um Reue und Zerknirschung usw. liegt auch eine Redlichkeit, eine wohlbegründete, heilsame Furcht vor Selbstbetrug, vor einer falschen Bekehrung und einem falschen, selbst genommenen Trost. Aber dahinein mischt sich dann die Seuche der Eigengerechtigkeit, indem man meint, dass Gott uns gnädig würde, wenn man so oder so zerknirscht und betend wäre. Wir müssten ja sonst bedenken, dass Reue und Zerknirschung nicht für Gott notwendig sind, sonder für uns; das Zerknirschung nicht dazu dient, Gott für uns zu bewegen, sondern uns für Gott zu bewegen; nicht, um uns Raum im Herzen Gottes zu bereiten, sondern um Gott Raum in unseren Herzen zu bereiten; nicht, um dem Volke einen bereiten Herrn zu machen, sondern um dem Herrn ein bereitet Volk zu machen. - Aber wie groß die Zerknirschung und die Reue dazu sein müssen, davon bald mehr.

Das andere, woran die Eigengerechtigkeit sich klammert, ist das Dienen: „Mache mich als einen Deiner Tagelöhner“; d. h. „wenn ich jetzt nur dem Herrn eine Treue beweisen könnte! Wenn ich nur mit etwas Kraft gegen die Sünde wachen und streiten und meinem ganzen Wesen nach fromm und heilig sein und in dieser Weise die Redlichkeit meiner Reue und meines Gebetes beweisen könnte, dann würde ich glauben, dass Gott mir gnädig sei. Aber wie kann Er es sonst sein?“ - Siehe, in dieser Weise kämpfen alle redlich erweckten Seelen, ihre eigene Gerechtigkeit aufzurichten, um sich nicht als ganz verlorene Sünder auf Christum zu werfen. Aber lasst uns nun weiter sehen, wie es geht, wenn es richtig zugeht.

Wir haben schon zwei Beweise einer wahren Bekehrung gesehen. Der erste, dass der Sohn lieber alles leiden und sich lieber allem unterwerfen wollte, als fern zu bleiben von seinem Vater, dass er lieber ein „Tagelöhner“ werden wollte; der zweite, dass er nicht nur dachte und redete, sondern dass es auch Wirklichkeit wurde, dass er sich aufmachte und ging.

Nun folgt das dritte Zeichen der Echtheit der Bekehrung; und dies besteht darin, dass der Sohn auf seinem Bekehrungswege nie sein beabsichtigtes Ziel (vorwärts zu kommen, zu beten und sich zu demütigen) erreichte, sondern noch ferne von dannen war, als ihn der Vater mit Gnade überraschte (Vers 20). Und jetzt sind wir zu dem eigentlichen, großen Geheimnis der rechten Bekehrung gekommen. Beachte, die Geschichte des verlorenen Sohnes ist kein Ereignis, sondern ein von Christo zusammengestelltes Gleichnis, in welchem Er das Bild der Sache anpasste, die abgebildet werden sollte. Sonst hätte Er sagen können: Als der Sohn endlich nach Hause kam und sich in Reue und Gebet ergossen hatte, wie er beschlossen hatte, da erbarmte sich der Vater usw. Nein, in dieser Weise geht es nie, wenn es richtig zugeht. Der Herr sagt: „Da er aber noch ferne von dannen war, sah ihn sein Vater und es jammerte Ihn, lief und fiel ihm um seinen Hals und küsste ihn.“ - Beachte doch diese „Ferne von dannen!“ Das sind die Worte der geistlich Armen. Ihre Klage ist stets diese, dass sie so weit von dem entfernt sind, was sie sein sollten. Sie können nicht so bereuen, nicht so beten, sich nicht so bessern, nicht so zerschlagen werden, wie sie sollten, sondern sind in allem noch ferne von dannen. - Aber es gibt noch andere, welche sprechen: „Ich habe so bereut, gebetet, mich so bekehrt, wie das Wort fordert. Und da, als ich fand, dass meine Besserung den Forderungen des Wortes entsprach, da wusste ich, dass die Zeit da sei, an die Gnade zu glauben und mir dieselbe anzueignen.“ Diese sollten hier erwachen und merken, dass ihre Bekehrung ein „Affenwerk“ ist. „Warum das? Warum ist eine solche Bekehrung unwahr?“ - Antwort: Weil sie schnurstracks gegen die deutlichen Worte der Schrift von den rechten Wirkungen des Gesetzes (siehe Römer 7, 7-13), schnurstracks gegen den Endzweck des Gesetzes (siehe Römer 3, 19; Kap. 5,20), schnurstracks gegen diese Worte: „Als er noch ferne von dannen war“, schnurstracks gegen das Gleichnis vom Zöllner im Tempel, der „von ferne stand und an seine Brust schlug“, streitet.

Das Geheimnis ist dieses: Denen es in ihrer Bekehrung geglückt ist, so dass sie werden, wie sie wollen, so beten, bereuen und sich bessern können, wie sie sollten - denen ist das Angesicht Mosis nie entschleiert worden, sie haben nie die geistlichen Forderungen des Gesetzes, dessen Forderungen an den inwendigen Menschen gefühlt, sondern nur das Gesetz oberflächlich genommen, sich nur auf Werke, auf gewisse religiöse Beobachtungen, auf Religionsübungen und einen redlichen, frommen Wandel, auf eine religiöse Wirksamkeit usw. geworfen. Und über alles das, was in Bezug auf den inwendigen Menschen oder auch im Leben gemangelt hat, haben sie sich selber damit getröstet, dass „niemand vollkommen ist“, und also alles das, was ihnen zu schwer war, fahren lassen. Um die Reinheit des Herzens und die Neugeburt des Herzens haben sie sich nicht gekümmert. Sie haben also mit dem Gesetz akkordiert und seinen Stachel abgebrochen, haben selber ein Ziel ihrer Frömmigkeit nach eigenem Gutdünken oder nach den Regeln und Meinungen anderer ebenso oberflächlicher Christen gesteckt, und dieses Ziel wird so passend hoch gesetzt, dass sie es erreichen können. Ach, sie haben sich erdreistet, den Grenzstein des Heiligen zu verrücken! Und der Hauptgrund war dieser, dass ihre Erweckung nie tief, geistlich und gründlich genug war. Wer ernstlich vom Geiste recht erweckt ist und zweitens die Höhe der geistlichen Forderungen stehen lässt, wie Gott sie gesetzt hat, d. h. wer das heilige Gesetz Gottes nimmt, wie es lautet, und sich danach richten will, wer die Heiligkeit Gottes zu sehen bekommen hat und Seine Forderungen an das Herz und an Vollkommenheit in allem, auch in dem Innersten, fühlt, der wird nie sagen, dass er das Ziel erreicht habe oder eine solche Bekehrung, ein solches Gebet usw. zustande gebracht habe, wie er sollte, sondern er wird eher sagen: „Ach, ich bin so ferne von dannen!“ Viele können wohl einräumen und sagen: „Ich bin ferne von dannen“; aber hier handelt es sich um Erfahrung und Wahrheit. Dann entsteht oft eine grässliche Not. Ich sehe, wie billig alles das ist, was Gott fordert; ich nehme es mir vor, aber kann es nicht ausführen; ich bitte Gott um Hilfe, aber es wird ärger. Sünden, deren ich mir früher kaum bewusst war, werden mir jetzt übermächtig (Römer 7, 7-15). Ich sollte dann wenigstens erschrecken, aber nein, dann bin ich oft so leichtsinnig und so sicher; ich sollte wenigstens ernstlicher beten, aber nein, dann flattern die Gedanken hinweg. Und wenn ich auch sündig und schwach bin, dann sollte ich doch wachen und ernstlich gegen das Böse streiten, aber nein, dann folge ich schnell der ersten Versuchung. Das ist ja erschrecklich! Und ich möchte zusammenbrechen, um anders zu werden, aber - bin noch derselbe. Ich fliehe zum Worte Gottes, dann ist dies mir dürr und ebenso geschmacklos, wie an dürrem Holz zu kauen. ich gehe zum Abendmahl, und dann werde ich doppelt unglücklich. Ich muss befürchten, dass ich ganz von Gott einem verkehrten Sinn anheim gegeben bin, dass ich nicht einer der Auserwählten bin oder dass ich die Sünde gegen den Heiligen Geist begangen habe. Ach, wie hält es schwer, ach welcher Kampf auf Leben und Tod, bevor eine harte, eigengerechte Seele durch die „enge Pforte“ kommt und dazu gebracht werden kann, sich als ganz verloren der eigenen, bloßen Barmherzigkeit Gottes in Christo anheim zugeben und sich als gottlos, als hart, sicher, heuchlerisch, tot, kalt, zur Sünde geneigt, ja als teuflisch aus ihrem Glute, aus dem Sündenschlamm aufheben zu lassen. So wie sie ist, und sich ganz machtlos dem barmherzigen Samariter zu übergeben, um nur auf Seinen Achseln, auf dem eigenen Blutverdienste Christi zu ruhen! Nein, man will sich notwendig fromm und lebendig fühlen, bevor man die Vergebung annehmen will. - Andere kommen leichter hindurch, wozu viele Umstände betrage; aber alle bekennen: „Ich erhielt Gnade, gerade als ich am ärgsten war, als ich „noch weit von dem entfernt“ war, wonach ich strebte.“ Da wird die Gnade reine Gnade, dann kommt sie als eine unerwartete selige Überraschung. Dann wird der Glaube nicht dieser: „Ich fand meine Bekehrung so, wie sie sein sollte, und da wusste ich, dass es mir zukam, zu glauben“; nein, im Gegenteil dieser: „Ich fand, dass ich in allem ferne von dannen war, ich dachte, dass es mir unmöglich jetzt zukäme, zu glauben, ich suchte im Gegenteil noch erschrockener und zerknirschter zu werden; aber da kam der Herr mit einem evangelistischen Wort und tröstete mich, bevor ich es dachte!“ Ist das nicht gerade das, was hier steht: „Da er noch ferne von dannen war, lief sein Vater, fiel ihm um den Hals und küsste ihn“?

Und hier ist nun der Unterschied zwischen einem selbst genommenen Glauben und einem von Gott bewirkten Glauben. Der selbst, genommen ist der, den ich mir selber nehme, wenn mir schient, dass ich dazu würdig und wohl bereit sei; der von Gott bewirkte ist der, der aus dem Evangelium kommt, gerade dann, wenn ich am unwürdigsten bin. Und hier sehen wir aus den drei angeführten Zeichen der rechten Bekehrung, wie groß die Sündennot sein muss, um ihren Endzweck zu erreichen. Wir haben gesehen, dass die Sündennot dann zu klein ist, wenn dir noch etwas in der Welt teurer ist, als die Gnade Gottes, oder wenn du etwas auf dem Wege der Gottesfurcht siehst, was dir zu schwer ist, etwas, dem du dich nicht unterziehen willst; wenn du also bleiben kannst, wo du bist, und nur an Bekehrung denkst und von Bekehrung redest, es aber nicht weiter kommt. Zweitens ist die Erweckung und die Sündenerkenntnis nicht richtig, wenn du in deiner Bekehrung nicht zuschanden wirst, sonder dich eines beruhigenden Fortschrittes erfreust und also darin Trost erhältst. Kommt es dagegen dahin, dass du lieber alles leiden willst, als fern von Gott zu sein, und dass du darum in Streit und Kampf mit deinem Bösen gerätst, aber in einem solchen Kampf, dass du in demselben „schuldig“, unglücklich, verlegen wirst, dass dein Mund „verstopft“ wird und dass du schlecht von dir selber denkst - siehe, dann kann das Gesetz nichts mehr ausrichten, und dann will Gott dich nicht betrübter haben; dann ist es nur die überfließende Gnade, die dir jetzt Leben, Seligkeit und Kraft geben kann.

Gottes offener Vaterarm

Aber lasst uns jetzt schließlich die selige Begegnung des Vaters und des Sohnes betrachten; lasset uns sehen, wie Christus darin Seine Herzensgesinnung gegen die Sünder beschreibt: „Und da er noch ferne von dannen war, sah ihn sein Vater und es jammerte Ihn, lief und fiel ihm um seinen Hals und küsste ihn.“ Das Vaterherz wurde zu brennend in Ihm, als Er den verlorenen Sohn, über den Er getrauert hatte, sich nähern sah. Er konnte unmöglich auf seine Ankunft harren und warten, sondern, da er noch ferne von dannen war, läuft der Vater ihm entgegen, fällt ihm um den Hals und küsst ihn. Jeremia 31, 18-20, redet der Herr aus Seinem Herzen heraus von dieser seligen Begegnung mit Seinem unwürdigen, erniedrigten und beweinten Ephraim: „Ist nicht Ephraim Mein teurer Sohn und Mein trautes Kind! Denn Ich denke noch wohl daran, was Ich ihm geredet habe; darum bricht Mir Mein Herz gegen ihn, dass ich Mich seiner erbarmen muss, sprich der Herr. - Ich habe wohl gehört, wie Ephraim klagt: Du hast mich gezüchtigt, und ich bin auch gezüchtigt, wie ein geil Kalb; gekehre Du mich, so werde ich bekehrt; denn Du, Herr, bist mein Gott! Da ich bekehrt ward, tat ich Buße; denn nachdem ich gewitzigt bin (nachdem ich zur Erkenntnis gekommen), schlage ich mich auf die Hüfte. Denn ich bin zuschanden geworden und stehe schamrot; denn ich muss leiden den Hohn meiner Jugend.“ - Beachte die Worte des Herrn: „Darum bricht Mir Mein Herz gegen ihn, dass Ich Mich seiner erbarmen muss“ - Und während der Sohn mit matten, wankenden Schritten langsam geht, sagt Christus hier, dass der Vater lief; d. h. es kann dem Sünder nie so viel daran gelegen sein, Gnade zu erhalten, dass es Gott nicht viel mehr daran gelegen ist, Gnade mitteilen zu dürfen. - Und hier hören wir nicht eine einziges Wort des Vorwurfs. Lasst uns die grässliche Schuld des Sohnes uns ins Gedächtnis rufen, wie unwürdig er seinen Vater verlassen und verachtet, sein Erbe vergeudet, in großen Lastern und in Gemeinschaft mit den Schweinen gelebt hatte, - und jetzt ist alles vergessen, tot und begraben! Wie unrein und erniedrigt der Sohn auch ist, fällt ihm der Vater um den Hals, weint Tränen des erbarmenden Vaterherzens und küsst ihn, froh darüber, noch einmal Sein beweintes Kind umarmen zu können. Er sagt: „Jetzt muss man fröhlich und guten Muts sein, denn dieser Mein Sohn war tot und ist wieder lebendig geworden; er war verloren und ist wiedergefunden“ (Vers 24, 32); und sogleich das „beste Kleid“ hervor und einen Ring an seine Hand und Schuhe an seine Füße; und dann „das gemästete Kalb“ hervor und ein Freudenfest im Hause - aber kein einziges Wort des Vorwurfs! Das bewirte „das beste Kleid“. Die Gerechtigkeit Christi deckt alle Sünde reichlich zu. Da darf kein Vorwurf gehört werden.

Lasst uns nie vergessen, dass Christus mit alledem Sich Selber und uns beschreibt, dass Er Seine Gesinnung gegen die Sünder schildert, sowie dass es dich und mich angeht. O, dann kann ich ja so glücklich sein, als wäre ich schon im Himmel! Denn dann weiß ich ja bestimmt, wie der Herr in meiner allerwichtigsten Angelegenheit urteilt. Dann sehe ich, wie Gott mich annimmt und betrachtet. Wem sollte ich in Bezug auf Gott mehr glauben als Ihm Selber? Wer im Himmel und auf Erden kann besser sagen, wie der Herr gesinnt ist, als Christus Selber? Was in der ganzen Welt ist gewisser und sicherer als das, was Er Selber gesagt hat? O, hier sehe ich, dass wenn ich auch eben so tief wie dieser Sohn gesunken und unwürdig gewesen bin oder es noch bin - zuerst ein niedriger Abtrünniger von Gott, danach besudelt von allen groben Sünden und Lastern, endlich in meiner Bekehrung unglücklich, nur auf den halben Weg gekommen, „weit“ vom Ziele entfernt, in allem schuldig, ohnmächtig, kalt, tot - dass es dennoch vor Gott und Seinen Engeln eine Freude sein wird, wenn ich mir nur Gnade schenken lasse. O, dann wage ich nicht, zu verzweifeln. Weg Sorge! Weg Verzweiflung! Der Herr Selber hat dies gesagt.

Wir gehen jetzt wieder an den Text. Nachdem der Vater Seinen Sohn schon umarmt und geküsst hatte, bricht letzterer noch in dies reuevolle Bekenntnis aus: „Vater, ich habe gesündigt gegen den Himmel und vor Dir und bin hinfort nicht mehr wert, dass ich Dein Sohn heiße.“ Die Liebe und die Umarmung des Vaters hatten sein Sündengefühl nicht zunichte gemacht. Nein, im Gegenteil war die Reue wohl nie so tief, fühlbar und bitter wie gerade jetzt. Gerade die Größe der Gnade bewirkt, dass meine Sünden mir noch unwürdiger und bitterer wird. Wäre Gott nicht so überaus gnädig, dann wäre meine Sünde minder ungebührlich und meinem Herzen weniger zerknirschend; dass der himmlische Vater aber noch mir verlorenem Sündensklaven gegenüber eine so zärtliche und brennende Vatergesinnung hegt, das zerschmettert mein Herz ganz und gar, das bringt es zum Brechen und Zerschmelzen. So sagt Luther von Adam, der gefallen und bebend, doch mit Entschuldigungen, Ausflüchten und Murren gegen den Herrn Selbst hervortrat: „Hätte Gott gleich gesagt: „Adam, du hast gesündigt, aber Ich will dir deine Sünde vergeben“, dann würde Adam aufs höchste die Sünde verflucht und sie demütiglich und ohne Heuchelei erkannt haben.“ Es ist also ein Irrtum, wenn man meint, dass die Gnade und der Glaube die Sündenreue aufheben würden. Nein, im Gegenteil! Die Gnade und der Glaube machen die Sünde teils noch unwürdiger, teils wirken sie in dem Menschen einen wachsamen und aufmerksamen Geist, der jetzt auf die Augen seines Freundes achtet, und dadurch werden die Sünden viel feiner und schärfer bemerkt und gefühlt. Darum wird das Sündengefühl durch die selige Glaubensvereinigung mit dem Heilande im Gegenteil größer, obwohl es jetzt der Kummer eines gläubigen Kindes Gottes und nicht das Zittern des Knechtes ist.

Beachte, der Sohn ließ jetzt in seinem Bekenntnisse die Worte aus: „Mache mich als einen Deiner Tagelöhner“. Er war durch die große Barmherzigkeit des Vaters und durch dessen Umarmung zu der Vertröstung gekommen, er habe etwas Besseres zu hoffen, als Tagelöhner zu werden. Außerdem scheint sein Bekenntnis durch den Befehl des Vaters bezgl. „des besten Kleides“ abgebrochen zu sein; denn gerade da, als der Sohn von seinen Sünden sprach, befahl der Vater, das Kleid hervorzubringen. Dieses Kleid wurde die Antwort auf das Sündenbekenntnis. Als der Sohn mit seinem beabsichtigten Bekenntnis hervorkam: „Vater, ich habe gesündigt gegen den Himmel und vor dir“ usw., da antwortete der Vater ihm nichts, sondern wandte Sich an die Knechte mit dem Befehl bezüglich des besten Kleides, gleichsam um zu zeigen, dass Er nicht einmal dieses Bekenntnis nötig habe, um zur Barmherzigkeit bewogen zu werden, sondern dass Er schon ein Kleid bereit habe, das alles zudecke.

Wir wollen jetzt die Worte betrachten „Bringet das beste Kleid hervor“ usw. und werden darin Worte und Dinge finden, derentwegen man den lieben Herrn in Ewigkeit nie genug preisen kann, sondern - bei deren Betrachtung man wohl ganz besonders bitten muss: „Herr, hilf uns! Öffne uns die Augen!“

Die meisten und die geistreichsten Schriftausleger sind darin einig gewesen, dass diese Worte von dem Kleide, dem Fingerreife, den Schuhen usw. nicht nur Füllworte im Gleichnisse seien, sondern dass jedes einzelne seine entsprechende geistliche Bedeutung habe, wie wir auch bald betrachten werden. Aber beachte hier zunächst, dass, wenn wir auch annehmen wollten, dass diese Worte von dem Kleide, dem Fingerreife usw. nur zur Vollständigkeit des Gleichnisses erforderlich seien und zusammengefasst nur bedeuten sollten, dass der Vater auf Seinen zurückgekehrten Sohn den Reichtum Seiner ganzen Barmherzigkeit ausschüttete, dass dann noch ein merkwürdiger Umstand vorhanden ist, dieser nämlich: Warum sagt Christus, dass gerade das beste Kleid hervorgebracht und dem verlorenen Sohn angelegt werden soll? Der Vater hätte ja sagen können: Bringet ein gutes Kleid, ein reines,, ein schönes Kleid hervor! Was meint der Herr, wenn ER die Worte so verfasst? Lasset uns dessen tief eingedenk sein, dass es der Herr Christus, der Göttliche Ernst und die Göttliche Wahrheit sind, die dieses reden. Und Er redet hier doch etwas, das seinen Grund nicht in einem natürlichen Ereignis hat, sondern das ganz eigenartig ist. Denn in dem Ereignis, dass ein unwürdiger, weggelaufener Sohn zurückkehrt, liegt kein natürlicher Grund und keine Notwendigkeit dafür, dass gerade er das beste Kleid haben musste, gleichwie es auch keinen natürlichen Grund dafür gibt, weshalb der Vater ihn gerade von ferne sehen muss; sondern in einem natürlichen Ereignis ist es ebenso möglich, dass der Sohn ganz unbemerkt nach Hause kommt und den Vater überrascht. Nein, derartige Worte im Gleichnisse hat Christus von der Sache selbst, die dargestellt werden sollte, genommen, und nicht darum, weil das benutzte Gleichnis solche Hinzufügungen erforderte. - Dann fragt man mit Grund: Was will Christus zu erkennen geben, wenn Er die Worte des Vaters so ausdrückt: „Bringet das beste Kleid hervor“? Die Ursache war diese, dass es der unwürdigste Sohn im Hause war, der mit demselben bedeckt und geschmückt werden sollte! Der am tiefsten Gefallene bereitet ja die größte Freude, wenn er zurückkehrte. Oder ist dies nicht ganz dasselbe wie das, was uns das ganze Evangelium Gottes lehrt, dass „wo die Sünde mächtig ist, da ist die Gnade doch viel mächtiger geworden! - dass, wenn du der vornehmste unter den Sündern wärest, Gott an dir vornehmlich alle Geduld erzeigen will (1. Timotheus 1); „auf dass du daran gedenkest und dich schämest und vor Schande nicht mehr deinen Mund auftun dürfest, wenn Ich dir alles vergeben werde, was du getan hast, spricht der Herr HERRR“ (Hesekiel 16, 63); „denn sie hat Zwiefältiges empfangen von der Hand des Herrn für alle ihre Sünden“ (Jesaja 40, 2) und „Gnade um Gnade“ (Johannes 1, 16)? - „Auf dass du daran gedenkest und dich schämest“, spricht der Herr. Bedenke, welch ein seliges Schamgefühl musste der verlorene Sohn empfinden, als er trotz allem, dessen er sich bewusst war, trotz seines verächtlichen Weggehens vom Vater, der Vergeudung seines Erbes, seines lasterhaften Lebens usw. nicht nur gnadenvoll empfangen, sondern auch mit dem besten Kleide geschmückt wurde! Er, der Unwürdigste, soll die größte Gnade empfangen! Aber das ist es ja auch, was das ganze Evangelium zeigt, dass das Herz Gottes keine größere Lust hat, als die Sünder durch unerwartete Gnade mit seligem Schamgefühl zu erfüllen. Er kennt kein lieblicheres Schauspiel, als die selige Verlegenheit zu sehen, worin der Sünder dann gerät, wenn er als der aller unwürdigste Verbrecher gegen seinen Gott doch die größte Gnade - als der Unreinste das beste Kleid erhält. Wir finden auch, dass der gnädige Herr in anderen Gleichnissen ganz dasselbe dargestellt hat, z. B. wenn Er sagt, dass gerade diejenigen, die den ganzen Tag müßig am Markte gestanden und nur eine Stunde gearbeitet hatten, eine Gabe vom Herrn des Weinberges erhielten, als sie ihre Schande fühlten und erkannten; diejenigen hingegen, die des ganzen Tages Last und Hitze getragen hatten, denen wurde nicht das allergeringste geschenkt, sondern sie erhielten schlicht und recht das, was sie verdient hatten, und wurden außerdem mit Vorwürfen weg gewiesen, als sie murrten. Ebenso der Zöllner, der sich wegen seiner Sünden, deren er sich bewusst war, mit Recht schämte, so dass er nicht wagte, seine Augen aufzuheben, er wird gerecht vor dem anderen, der viele unleugbare Verdienste besaß. Eine solche Ordnung hat der Herr festgestellt, um das stolze Geschlecht des Adam tief zu demütigen. Er hat alles unter die Sünde beschlossen, auf dass Er Sich aller erbarme.

Wenn dann aber jemand sprechen wollte: „So sollen wir denn sündigen, auf dass die Gnade mächtiger werde“, so steht zuerst Pauli wohlbekannte Antwort darauf Römer 6, und wir fügen ferner hinzu: Sünden fehlen dir nicht! Du brauchst nicht noch mehr zu sündigen, auf dass die Sünde überfließe! Nein, im Gegenteil, höre auf zu sündigen, setze einmal einen Damm gegen deine Sünden, so wirst du fühlen, wie sie überfließen. „Durch das Gesetz“ - nicht durch Gesetzlosigkeit - „kommt die Erkenntnis der Sünde“ - „Das Gesetz ist neben eingekommen“ - nicht abgeschafft worden -, „auf dass die Sünde mächtiger würde“. So steht es geschrieben. Darum, lerne nur die Sünden erkennen, die du hast, dann hast du sofort mächtige, überfließende Sünden. - Aber der große, unaussprechliche Trost, den der Herr Christus hier gibt, ist dieser, dass wenn du so unglücklich in die Gewalt der Sünde und des Satans geraten bist, dass dir nicht nur scheint, du wärest der aller ärgste Sünder, sondern dass du auch wirklich der Verabscheuungswürdigste bist, den die Erde getragen hat, dies dennoch nicht verhindern kann, dass du doch der Höchstbegnadigte werden kannst; denn so ganz und gar hat der Herr alle unsere Würdigkeit zunichte gemacht und verworfen, wenn es sich um unsere Begnadigung vor Gott handelt. so ganz und gar hat Er alles unter die Sünde beschlossen, auf dass Er Sich aller erbarme, dass, wenn der unwürdigste, verlorenste Sündensklave zurückkommt, es Seine größte Lust ist, diesem die allergrößte Gnade zu geben und ihn dadurch am allermeisten selig beschämt zu machen. Im Himmel werden auch keine seligen Geister so stark und schön zur Ehre des Lammes rufen wie gerade die unwürdigsten Sünder. Das zeigt sich auch schon hier auf Erden.

Aber wir kehren zum Text zurück. Es ist ohne allen Zweifel, dass Christus ein sonderliches geistliches Gut mit einer jeden Gabe, die der verlorene Sohn erhielt, bezeichnen wollte. Und was könnte der Herr dann mit dem „besten Kleide“ meinen? Die Gläubigen wissen es wohl. Könnten sie nur diese herrliche Kleidung so glauben und bedenken, wie sie aus dem Worte die Bedeutung derselben sehen und verstehen! Aber wir wollen doch einige Stellen in der Schrift anführen, die ein höheres Licht über die herrliche Kleidung verbreiten werden. Als der Herr für eine Weile die Pforte des Himmels dem Auge des Johannes öffnete und dieser vor dem Throne des Lammes eine große, unzählbare Schar sah, angetan mit langen, weißen Kleidern, fragte ihn einer der Ältesten des Himmels: „Wer sind diese, mit weißen Kleidern angetan, und woher sind sie gekommen?“ Aber Johannes entzog sich der Antwort, indem er sagte: „Herr, Du weißt es!“ Da antwortete der himmlische Mitbürger: „Diese sind es, die gekommen sind aus großer Trübsal, und haben ihre Kleider gewaschen und haben ihre Kleider hell gemacht im Blut des Lammes. Darum sind sie vor dem Stuhl Gottes (Offenbarung 7).“ Beachte zuerst: „Sie sind gekommen aus großer Trübsal.“ Nun ist es wahr, wir müssen durch viele und mancherlei Trübsale in das Reich Gottes gehen. Die einzige Trübsal aber , die zu einem bestimmten Kennzeichen der seligen Schar dient, ist die Trübsal, die zum Blut des Lammes hintreibt und nur durch das Waschen in demselben gestillt wird (2. Korinther 7, 10). Sie haben große Trübsale gehabt, aber ihre Kleider gewaschen im Blut des Lammes. Da haben wir auch die Not und Trübsal des verlorenen Sohnes, die ihn zurück zum Vater trieb. Da haben wir eine ähnliche Zusammenstellung wie zwischen den Worten: Und er sprach: „Vater, ich habe gesündigt gegen den Himmel und vor Dir“ usw. Da - beachte - da sprach der Vater zu den Knechten: „Bringet das beste Kleid hervor und tut es ihm an!“ - Ein Kleid aber, das weiß geworden ist im Blute des Lammes, was bedeutet das anderes als das Verdienst des Blutes Jesu Christi, uns zugerechnet, uns angetan? „Denn das Blut ist die Versöhnung für das Leben“ (3. Mose 17, 11). So sehen wir denn, dass das beste Kleid nichts anderes ist als das Kleid der Gerechtigkeit Christi (Jesaja 61, 10), wie auch mit deutlichen Worten in derselben Offenbarung Kapitel 19 steht: „Die Seide aber ist die Gerechtigkeit der Heiligen“.

Noch ein Beispiel solches Ankleidens. In Sacharja 3 steht: „Der Herr sagte von Josua: „Ist dieser nicht ein Brand, der aus dem Feuer errettet ist?“ Und Josua hatte unreine Kleider an und stand vor dem Engel (dem Engel des Bundes, Christus, weil Er Derjenige ist, Der die Sünden wegnimmt). Und der Engel sprach zu denen, die vor Ihm standen: „Tut die unreinen Kleider von ihm!“ Und Er sprach zu ihm (zu Josua): „Siehe, ich habe deine Sünde von dir genommen und habe dich mit Feierkleidern angezogen.“ - Haben wir hier nicht wiederum den verlorenen Sohn „wie ein Brand, der aus dem Feuer errettet ist“, in „seinen unreinen Kleidern“ vor dem Herrn dastehend? Und was erhielt er an deren Statt? Antwort: „Siehe, Ich habe deine Sünde von dir genommen und habe dich mit Feierkleidern angezogen.“

Ja, als der Herr Christus, Der Selber gesagt hat: „Mein Blut wird vergossen zur Vergebung der Sünden“, hier in kurzen Worten die großen Gaben angeben wollte, die der himmlische Vater einem zurückgekehrten Sohne gibt, war es ja natürlich, dass Er zuallererst diese allergrößte nennen würde, die Versöhnung durch Sein Blut, die den Grund des ganzen Gnadenstandes, in den der Sohn jetzt versetzt werden sollte, legt, und welche Gabe Grund aller anderen Gaben ist, die der Sohn erhielt. - Die Schrift redet gewisslich von zweierlei geistlicher Kleidung. Paulus sagt z. B. Kolosser 3: „So zeihet nun an, als die Auserwählten Gottes, Heiligen und Geliebten, herzliches Erbarmen, Freundlichkeit, Demut“ usw. Aber dies ist nicht das „beste Kleid“, ist nicht das „Feierkleid“, womit man vor dem König bestehen kann, sondern es ist die Alltagskleidung der Kinder Gottes, worin sie unter den Menschen leben sollen. Aber hier ist die Rede von dem besten Kleid, das die Sünden zudeckt und vor Gott besteht.

Hier haben wir nun also die große Hauptgabe selbst, die uns vor Gott würdig macht, - und hier das große Geheimnis im Gnadenreiche, das Geheimnis der verwunderlichen und hohen Gnade, womit Gott den aller ärgsten Sünder annehmen kann, das Geheimnis des seltsam unerschütterlichen Gnadenstandes, worin die Gläubigen leben, wodurch ihnen nie mehr eine Sünde zugerechnet wird, obwohl sie nicht vollkommen rein sind, sondern die Sünde ihnen stets anklebt. Dass sie dennoch vor den Augen Gottes beständig wohlgefällig und herzlich geliebt sind, dass sie dennoch in der Schrift Heilige genannt werden, dass sie in einem Gnadenreich leben, das so sehr über den Werken waltet, wie der Himmel hoch über der Erde ist, so dass sie wegen aller ihrer Versündigungen keinen Augenblick ihren hohen Wert, ihre Gerechtigkeit und Wohlgefälligkeit vor Gott verlieren, - das rührt alles von diesem heimlichen, uns unsichtbaren, aber vor Gott beständig glänzenden, besten Kleide her.

Aber welch ein beklagenswerter Jammer und welche Not ist es doch, dass wir dies herrliche Kleid nie vor unserem Glaubensauge behalten können, sondern es beständig wieder vergessen und nur auf unsere eigenen Kleider, nur auf uns selber und unsere eigene Gerechtigkeit blicken! Wenn nicht aus anderem Grunde, so könnte man nur wegen dieser Not sich wünschen, bald von hinnen fahren zu dürfen! Unser Herz ist durch den Fall Adams so verderbt, dass alles das, was Gott uns sagt, sofort ein Nichts ist, sobald wir es nicht mit den eigenen Augen sehen. Wenn das beste Kleid nun nicht in etwas, was bei uns gefunden wird, sondern in der eigenen Gerechtigkeit Christi besteht, dann ist es uns gleich so, als wäre dieselbe gar nicht vorhanden, und wir leben dann unsere Tage dahin, als gäbe es keinen Christus und keine geschenkte Gerechtigkeit, sondern als wäre uns gleichsam gelehrt, dass wir vor Gott in unserer eigenen Gerechtigkeit bestehen sollten. So können unser armes Herz, unser Unglaube und der Teufel alles das zur Lüge, ja zunichte machen, was Gott uns durch eine große Schar von Zeugen gelehrt hat. Sie zeugen wie mit einem Munde von diesem köstlichen Kleid. Bei Jesaja sagt die Braut oder die gläubige Seele: „Ich freue mich im Herrn, und meine Seele ist fröhlich in meinem Gott; denn Er hat mich angezogen mit Kleidern des Heils und mit dem Rock der Gerechtigkeit gekleidet“ usw. (Jesaja 61, 10). Bei Hesekiel 16 sagt de Herr zur Braut: „Ich badete dich mit Wasser und wusch dich von deinem Blut und kleidete dich mit gestickten Kleidern und zog dir Schuhe aus feinem Leder an, und du warest überaus schön durch den Schmuck, so Ich an dich gehängt hatte.“ Bei Sacharja sagt der Engel: „Siehe, Ich habe deine Sünden von dir genommen und habe dich mit Feierkleidern angezogen“ (Kap. 3). David sagt zum Herrn: „In Deinem Schmuck gehen der Könige Töchter, die Braut steht zu Deiner Rechten in eitel köstlichem Golde“ (Psalm 45). Paulus sagt: „Wie viele euer auf Christum getauft sind, die haben Christum angezogen“ (Galater 3). Johannes sagt: „Die Seide ist die Gerechtigkeit der Heiligen; sie haben ihre Kleider gewaschen und haben ihre Kleider hell gemacht im Blut des Lammes.“ Und Christus Selber spricht: „Bringet das beste Kleid hervor und tut es ihm an!“

Siehe diese leuchtende Reihe von Zeugen, was sie alle gleichsam mit einem Munde bezeugen; - und doch, es gilt gar nichts, unser armes Herz macht alles das zu einem Nichts, zur Lüge, sobald wir bei uns selber nichts Herrliches, sondern im Gegenteil Sünde und Unreinheit sehen. Gewisslich ist es jämmerlich, gewisslich kann man wünschen, von einem so verdorbenen Herzen erlöst zu werden, das Gott zum Lügner macht und uns beständig der Freude beraubt, die wir mit Recht haben sollten.

Das beste Kleid liegt bereit

Aber da das ganze Evangelium Gottes von diesem besten Kleide redet, wollen wir jetzt schließen, nachdem wir noch zwei Anmerkungen über unseren Text hinzugefügt haben. Der Vater sagt: „Bringet das beste Kleid hervor“ usw. Er sagt nicht: „Machet ein Kleid.“ - am allerwenigsten sagt Er, dass der Sohn Zeit und Stoff erhalten solle, sich selber ein Kleid anzufertigen, sondern so: „Bringet das beste Kleid hervor!“ Es war also im voraus fertig, bevor der Sohn zurückkam. O, eine teure und sehr wichtige Lehre! Christi Gerechtigkeit liegt bereit für einen jeden und wartet auf den Sünder, dass er nur komme und sich in dieselbe kleiden lasse. Paulus sagt: „Wir sind Gott versöhnt durch den Tod Seines Sohnes, da wir noch Feinde waren“ - „da wir noch Sünder waren“; - und abermals: „Gott war in Christo und versöhnte die Welt mit Ihm Selber“ - beachte, die ganze Welt, nicht nur die Bekehrten! Luther redet von dem falschen Traum der Sophisten, welche meinen, dass die Gerechtigkeit Christi eine in uns eingegossene Gnade, Christi Heiligkeit und Tugenden in uns durch die Wirkung des Geistes abgespiegelt, sein solle. Ach, ein feines Meisterwerk des Satans, um den armen Seelen den ganzen Trost und Nutzen der Gerechtigkeit Christi zu rauben! Nein, die Heiligkeit Christi in uns abgespiegelt ist wohl ein vortreffliches Werk, aber durchaus nicht die Gerechtigkeit, die vor den Flammenaugen Gottes besteht, sondern sie gehört zu der hier nie vollendeten Heiligung. Nein, die Gerechtigkeit, die das beste Kleid ist und vor Gott besteht, ist Christi eigene Gerechtigkeit, die Er hier auf Erden in eigener Person vollendete, und die dem niedergeschlagenen Sünder ganz geschenkt und zugerechnet wird, sobald er durch den Glauben zu Christo hin flieht. Sie besteht ganz und gar nur darin, dass Christus unter das Gesetz getan und für uns zur Sünde gemacht wurde, dass Er an unserer Statt alles das war, tat und litt, was wir hätten sein, tun und leiden sollen, und was uns so ganz und gar geschenkt und zugeeignet wird, wenn wir es mit dem Glauben umfassen, als wären wir es in eigener Person gewesen und hätten es in eigener Person getan und gelitten. „Sintemal wir halten“, sagt der Apostel, „dass, so Einer für alle gestorben ist, so sind sie alle gestorben“; - „denn Gott hat Den, Der von keiner Sünde wusste, für uns zur Sünde gemacht, auf dass wir würden in Ihm (beachte!) die Gerechtigkeit, die vor Gott gilt“ (2. Korinther 5). Darum wird „dies Sein Name sein, dass man Ihn nennen wird: Herr, Der unsere Gerechtigkeit ist!“ (Siehe und beachte Jeremia 23, 6). Der Blutschweiß Christi ist meine vollgültige Sündenreue; Christi geöffnetes Herz ist mein ganz reines Herz; Christi durchbohrte Hände und Christi Frömmigkeit, Andacht, Liebeswerke, Gebete usw. sind meine Frömmigkeit, meine Liebeswerke, meine Gebete usw. - „Aber,“ sagt Luther, „solche Gerechtigkeit ist gar heimlich und verborgen, nicht allein vor der Welt und Vernunft, sondern auch vor den Heiligen; denn sie ist nicht ein Gedanke, noch Werk in uns selbst (wie die Sophisten von der Gnade geträumt haben, dass es sei ein eingegossenes Ding in unsre Herzen), sondern gar außer und über uns, nämlich der Gang Christi zum Vater, da ist Sein Leiden und Auferstehung oder Himmelfahrt, und dasselbige dazu aus unsern Sinnen und Augen gesetzt, dass wir's nicht sehen und fühlen können, sondern allein mit Glauben muss ergriffen werde, des Worts, so von Ihm bepredigt wird, dass Er Selbst sei unsre Gerechtigkeit.

Das ist ja eine wunderliche Gerechtigkeit, dass wir sollen gerecht heißen oder Gerechtigkeit haben, welche doch kein Werk, kein Gedanken und gar nichts in uns, sondern gar außer uns in Christo ist und doch wahrhaftig unser wird durch Seine Gnade und Geschenk und so gar unser eigen, als wäre se durch uns selbst erlangt und erworben. Diese Sprache könnte freilich keine Vernunft verstehen, dass das soll Gerechtigkeit heißen, da ich nichts tue und leide, ja, nichts gedenke, noch fühle oder empfinde, und gar nichts in mir ist, um des willen ich Gott gefällig und selig werde, sondern außer mir halte an den Christum, Den ich doch nicht sehe!“ So weit Luther. - Siehe, so verstehe ich, was die Gerechtigkeit Christi ist, nämlich etwas, was fertig ist und auf uns wartet, ganz seitdem Er ausrief: „Es ist vollbracht!“, das auf uns wartet, dass wir nur kommen und uns in dieselbe kleiden lassen.

Die Gnad' in Gottes Herzen
Sie ist für alle ja;
Auch die, die sie verscherzen,
Für sie war Gnade da.
Es darf kein Mensch sich schämen,
Die Gabe anzunehmen;
Doch, wer das Leben von sich stößt,
Stirbt ewig - und war einst erlöst.

Das andere, was bemerkt werden sollte, war, dass das Wort im Grundtext, das Christus hier für „Kleid“ anwendet, eigentlich ein langes, bis auf die Füße herabreichendes Gewand, eine Stola, bedeutet. Dabei muss zunächst bemerkt werden, dass ein solches bis auf die Füße herabreichendes Kleid freie, angesehene Personen auszuzeichnen pflegte. Und der verlorene Sohn und alle Sünder, die in die Gerechtigkeit Christi gekleidet sind, sind in Wahrheit vor Gott freie und hohe Personen, Königssöhne, Christi Brüder und Miterben. Aber wir wollen noch eines anderen köstlichen Umstandes bei diesem langen Kleide eingedenk sein, dessen nämlich, dass das Kleid der Gerechtigkeit auch unsere Füße bedeckt, d. h. unseren Wandel, wie Luther sagt: „Die Gerechtigkeit Christi macht sowohl unsre Personen als auch unsern Wandel Gott angenehm“. Es gibt Christen, die die Wege des Herrn sowohl verstehen als auch lieben, aber selten einen richtigen Trost haben, da sie sich an ihrem eigenen Wandel stoßen, der in einem gewissen Stück mangelhaft ist; und sie sagen: „Ich würde wohl Vergebung für alle Sünden glauben, wenn ich nur leben könnte, wie es einem Christen geziemt und ansteht; da aber handgreifliche Fehler in meinem Wandel sind“ usw. Liebe Seele, dies ist gewiss schlimm und beklagenswert; was ist aber Sünde, wenn nicht Fehler im Leben und in der Beweisung des Christentums? Welchen Nutzen hätten wir von der Gerechtigkeit Christi, wenn alle diese Fehler nicht zugedeckt wären, wenn wir nicht ganz und gar mit allem, was in uns ist, inneren und äußeren Mängeln, zugedeckt wären? Ein Christ ist darum in einem solchen Reiche, wo nichts ihm schaden kann und keine Sünde ihm zugerechnet wird, solange er in Christo ist, wie die Schrift sagt: „Selig ist der Mann, welchem Gott keine Sünde zurechnet“; - es heißt nicht, „welcher keine Sünde hat“, sondern „welchem keine Sünde zugerechnet wird“. Dies bewirkt das bis auf die Füße herabreichende weiße Kleid; es bedeckt auch meine Füße; d. h. die Gerechtigkeit Christi macht sowohl meine Person als auch mein Leben vor Gott angenehm.

Von dem Ring, den Schuhen, dem gemästeten Kalb usw. können wir kürzer reden. Denn wenn wir nur das beste Kleid gut kennen, wenn wir nur im Glauben an die Gerechtigkeit Christi leben, dann folgt alles Übrige von selbst. Das Wort von der Gerechtigkeit Christi ist die eigentliche Lebensnahrung des Glaubens.

Der Ring galt bei den Römern als Zeichen einer frei geborenen Person, oder dass jemand Sohn sei und nicht Knecht; bei den Griechen bezeichnete der Ring einen hohen Stand und Reichtum. Da er aber von alter Zeit her dazu benutz worden ist, damit zu siegeln, so haben die Alten hier mit dem Ring einen hohen Stand und Reichtum. Da er aber von alter Zeit her dazu benutzt worden ist, damit zu siegeln, so haben die Alten hier mit dem Ringe insonderheit das „Zeugnis und die Besiegelung des Geistes“ verstanden, nach 2. Korinther 1, 22; Römer 8, 15-17. In diesem letzten Spruch haben wir die ganze Bedeutung des Ringes: „Ihr habt nicht einen knechtischen Geist empfangen, dass ihr euch abermals fürchten müsstet, sondern ihr habt einen kindlichen Geist empfangen, durch welchen wir rufen: Abba, lieber Vater! Derselbe Geist gibt Zeugnis unserem Geist, dass wir Gottes Kinder sind. Sind wir denn Kinder, so sind wir auch Erben“ usw. Nun, wer den Ring, das Zeugnis, empfangen hat, der weiß es; wer es nicht empfangen hat, der hüte sich vor Gleichgültigkeit dagegen, aber hüte sich auch davor, es im Gefühl zu suchen, bevor er dem Zeugnisse Gottes von Seinem Sohne geglaubt und Ihn beim Wort gefasst hat.

Schuhe an den Füßen. Da die Füße den Wandel bezeichnen und man immer besser mit Schuhen wandelt als ohne dieselben, so wird hier mit den Schuhen die neue Heiligungskraft, die insonderheit dem Zeugnisse und der Gewissheit der Kindschaft folgt, bezeichnet; denn dann entsteht ein Leben, eine Lust und Kraft zur Nachfolge Christi, so dass man fröhlich den Weg der Gebote Gottes läuft, wie David sagt: „Wenn Du mein Herz tröstest, so laufe ich den Weg Deiner Gebote“ (Psalm 119, 32). Dann sagt man: „Ich tue jetzt das mit Vergnügen, was früher schwer gewesen ist“; oder mit Johannes: „Sine Gebote sind nicht schwer“. Und siehe hier die Ordnung: Zuerst die Kleider, danach den Ring, das Zeugnis, alsdann Schuhe, Heiligungskraft. Nach dieser Ordnung geht es.

Das Gastmahl oder das Freudenfest ist zum Teil leicht zu verstehen. Es ist eine Heimkehrsfreude, ein Freudenfest, sowohl für den begnadigten Sünder als auch für Gott und Seine Engel, nach den Worten Christi: „So jemand die Tür auftun wird, zu dem werde Ich eingehen und das Abendmahl (Gastmahl) mit ihm halten und er mit Mir“. Es ist natürlich, dass derjenige sich freuen muss, der sich jetzt wie einen Brand aus dem Feuer gerissen sieht, der Vergebung für alle seine Sünden hat, in die eigene Gerechtigkeit Christi gekleidet, mit dem Heilande aufs innigste vereinigt ist und den Heiligen Geist in seinem Herzen hat. Wäre der Glaube nicht mit Dunkel umhüllt, dann würden wir wohl vor Freude sterben. Einige Seelen, insonderheit diejenigen, die in tiefer Finsternis waren, schmecken auch so außerordentliche Dinge und werden so „trunken von den reichen Gütern des Hauses Gottes“, dass ihre irdische Hütte es kaum aushält. Aber es ist notwendig, zu beachten, dass die Austeilung Gottes hierin höchst ungleich ist. Das einzige Bedeutende hier ist, dass ein jeder das gemästete Kalb zu seinem Gastmahl geschlachtet bekommen muss, d. h. dass Christus, für uns geopfert, mein wird, dass Er des Herzens höchste Freude wird. - In Bezug auf die Freude, die im Himmel über einen zurückgekehrten Sünder entsteht, sagt der Vater hier unaussprechlich liebliche Worte: „Lasst uns essen und fröhlich sein, denn dieser Mein Sohn war tot und ist wieder lebendig geworden; er war verloren und ist gefunden worden.“ Dies ist eine solche Beschreibung der Liebe Gottes, die wir hier in der Zeit nie ins Herz hineinbringen, nie recht glauben können. es hilft nicht, dass Christus es gesagt hat, und dass wir sonst in allem Ihm glauben wollen. Hier können wir Ihm doch nicht glauben. Unser Glaube an Gottes Liebe und Gesinnung gegen uns steigt nicht leicht höher, als zu glauben, dass Er uns unsere Sünden vergibt und uns aus Gnaden zu Kindern und Freuden aufnimmt. Dass wir aber eine Freude vor Gott und seinen Engeln sein sollen, - wir armen, unwürdigen Sünder, - nein, das geht nicht in unser Herz hinein. Indessen hat der Herr Selber es gesagt. Gewisslich sollten wir uns anbetend vor seiner Wahrheit beugen und erkennen: „Vor Gott ist nichts unmöglich“. Er kann auch ein solches Herz haben. „Himmel und Erde werden vergehen, aber Seine Worte werden nicht vergehen.“ Und Er sagt in allen drei Gleichnissen und mit deutlichen Worten: „Freude wird vor Gott und Seinen Engeln über einen Sünder, der Buße tut.“

Der verlorene Sohn und seinen Rückkehr verbleibt doch ein unaussprechlicher, unerschöpflicher und unentleerbarer Gegenstand der Lehre, des Trostes und der seligen Freude. Gott gebe uns Gnade dazu, dies nie, nie zu vergessen, sondern unter den Sorgen und allen Anfechtungen des Jammertales beständig wieder auf diesen Gegenstand zurückzukommen! Amen.

1)
Schweden
2)
Wie die Pharisäer sowohl der ältere Bruder als auch zugleich Tagelöhner sind, das erklärt Paulus Galater 4, 1; aber solche Dienstsöhne, sagt er, „sollen hinaus gestoßen werden und nicht erben mit dem Sohne der Freien“, v. 22-30; vergl. Kap. 3,10
3)
Diese Seelen setzen ihre Hoffnung auf ihre noch zustande kommende Bekehrung.