Inhaltsverzeichnis

Roos, M. Magnus Friedrich - Christliches Hausbuch - Oktober

1. Oktober. Morgen-Andacht.

Ich habe Deinen Namen kund gethan. Joh. 17,6.

Ehe Christus in der Welt erschien, sagte zwar der HErr: Ich bin Israels Vater, und: Israel ist Mein erstgeborner Sohn, Jer. 31,9. 2 Mos. 4,22., doch erkühnten sich einzelne Israeliten nicht, Gott in ihren Gebeten Vater zu nennen, wie denn im ganzen Psalter und überhaupt in allen Büchern des Alten Testaments diese Ansprache an Gott nie vorkommt, außer Jes. 63,16., wo sie den Israeliten, die sich zur Zeit des Neuen Testaments bekehren werden, in den Mund gelegt wird. Als aber der eingeborne Sohn Gottes in der Welt erschienen war, that Er den Menschen, die Ihm der Vater von der Welt gegeben hat, den Vaters-Namen desselben so kund, daß Er sie belehrte, der Gott, den sie anbeten, sei Sein Vater und ihr Vater. Er sagte deßwegen, wenn Er mit Seinen Jüngern redete, sehr oft: euer Vater, oder: euer himmlischer Vater, und that dieses zuerst in der Bergpredigt, die Er eigentlich an Seine Jünger hielt, und befahl ihnen sogar, in ihrem Gebet zu sagen: unser Vater, der Du bist im Himmel. Indem Er aber so von dem himmlischen Vater redete, ließ Er auch das herumstehende Volk zuhören, um es zu reizen, daß es auch in das Recht, Gott Vater zu nennen, durch die Buße eintreten möchte. Als Er einmal mit rohen und feindseligen Leuten redete, welche trotzig sagten: wir haben einen Vater, nämlich Gott, so widerlegte Er dieses Vorgeben, und sagte: wäre Gott euer Vater, so liebtet ihr Mich, denn Ich bin ausgegangen und kommen von Gott – ihr seid vom Vater dem Teufel, Joh. 8,41.42.44. Johannes aber schreibt Joh. 1,12.13.: wie Viele Jesum aufnahmen, denen gab Er Macht, Gottes Kinder zu werden, die an Seinen Namen glauben, welche nicht von dem Geblüt, noch von dem Willen des Fleisches, noch von dem Willen eines Mannes, sondern von Gott geboren sind. Hieraus lernen wir, daß der Heiland alle diejenigen, welche als Wiedergeborne an Ihn glauben und Ihn lieben, vergewissert habe, daß Gott ihr Vater sei, und daß Er hiebei nichts auf die Abstammung von Abraham oder Israel gebauet habe. Diejenigen aber, die Gott im Geist und in der Wahrheit Vater nennen, dürfen nach dem Kindrecht ein großes Zutrauen zu Ihm haben, und das himmlische Erbe hoffen. Es ist also etwas sehr Großes, daß der Heiland den Namen Seines Vaters kund gethan hat. Ob aber gleich der Vaters-Name Gottes oft in den Büchern des Neuen Testaments steht, so ist doch auch eine innerliche Offenbarung des Vaters nöthig, denn Christus sagt Matth. 11,27.: Niemand kennet den Vater, denn nur der Sohn, und wem es der Sohn will offenbaren, was der Vater sei. Der Sohn offenbart aber den Vater durch den Geist der Weisheit und der Offenbarung, denn dieser Geist ist es, der in den Herzen der Glaubigen rufet: Abba, lieber Vater, folglich die Erkenntniß des Vaters, das kindliche Vertrauen zu dem Vater, und die geziemende Ansprache an den Vater wirkt. Gleichwie nun die aufgehende Sonne die Nacht vertreibt, also vertreibt der Vaters-Name Gottes, wenn er den Menschen durch den Geist geoffenbart wird, die Nacht des Unglaubens und der knechtischen Furcht, und macht den Menschen willig, diesem himmlischen Vater und Seinem eingebornen Sohn Jesu Christo mit einer kindlichen Liebe in Heiligkeit und Gerechtigkeit, die Ihm gefällig ist, zu dienen. HErr Jesu, offenbare uns den Vater, so genüget uns.

Mel.: Ach, was sind wir ohne Jesu. 1.
Gott das höchste Wesen nennen,
Zeigen auch die Himmel an;
Gott als einen Bundsgott kennen,
Hat auch Moses kund gethan;
Aber Gott als Vater ehren,
Kann allein der Sohn uns lehren.

2.
Daß Er uns mit sich versöhnet,
Daß Er alle Welt geliebt,
Daß des Sohnes Blut uns dienet,
Daß der Sohn den Geist uns gibt:
Das hat Jesus uns entdecket,
Sonst blieb’s ewig uns verstecket.

3.
Sohn, in dem des Vaters Namen
Uns auf Erden kundbar ward,
Dir dankt Aller Mund zusammen,
Wem Du Ihn geoffenbart.
Das ist ja das ew’ge Leben,
Gott den Namen Vater geben!

4.
Vater, nimm von uns, als Kindern,
Lob und Ehre, Dank und Ruhm.
Mach’, o Sohn, das Herz uns Sündern
Zu des Vaters Heiligthum;
Schreib auch Deines Gottes Namen
Dort einst ewig auf uns. Amen!

1. Oktober. Abend-Andacht.

Denn ich halte es dafür, daß dieser Zeit Leiden der Herrlichkeit nicht werth sei, die an uns soll offenbaret werden. Röm. 8,18.

Den Menschen dünken oft ihre eigenen Leiden, und die Leiden anderer Leute, welche sie mitleidig ansehen, sehr groß und schwer zu sein; und fürwahr, wenn man nur so geradezu auf diese Leiden hinsieht, und sie nicht mit etwas Anderem vergleicht, so kann man so davon urtheilen; ja man kann in die Versuchung gerathen, den großen Gott gleichsam bei Ihm selber zu verklagen, weil Er den Menschen und auch den Gerechten unter ihnen das Leben so sehr erschwere und verbittere, und Einige unter ihnen auch von dem Guten, welches Andern noch vergönnt ist, so wenig genießen lasse. Allein wenn die Seele mehr Licht bekommt, und anstatt ihren Blick nur auf das Leiden zu heften, rückwärts, vorwärts und himmelwärts sehen kann, so urtheilt sie gar anders. Das Leiden, worüber sie Klage führte, ist ein Leiden dieser Zeit, folglich kein ewiges Leiden. Diese Zeit ist kurz. Von dieser kurzen zeit ist gemeiniglich alsdann, wenn das Leiden langwierig und sehr schwer zu sein scheint, schon ein namhafter Theil verflossen. Der übrige Theil der Leidenszeit ist vielleicht kleiner, als der Leidende vermuthet; gesetzt aber auch, er sei länger, so geht er doch auch schnell vorbei, und nimmt, weil das Leben eines Menschen nur einer Hand breit ist, bald ein Ende. Wenn man sich nun unter dem Leiden zu Gott wendet, fleißig betet, sich an Sein Wort hält, und sich von Ihm zerknirschen, erleuchten und läutern läßt, so folgt auf das Leiden etwas Neues; und was denn? Nicht nur ein Zustand, da man zwischen Freude und Leid gleichsam mitten inne säße, nicht nur eine kleine Erholung und Erquickung, sondern eine Herrlichkeit. Der Leidende wird aus der Tiefe seines Elends bis zu einer ewigen und über alle Maßen wichtigen Herrlichkeit, folglich bis zur Aehnlichkeit mit dem verherrlichten Heiland erhoben. Was kann Größeres gedacht und gesagt werden? Vorher fiel man andern Leuten als ein Leidender in’s Gesicht, und wurde von Einigen mit Verachtung, von Andern aber mit Mitleiden angesehen: am Tage Jesu Christi aber wird die Herrlichkeit an denen, die durch das Leiden bewährt worden sind, vor Engeln und Menschen offenbar werden, daß Niemand mehr Mitleiden mit ihnen haben, sondern Jedermann sie bewundern wird. Diese Herrlichkeit wird so groß sein, daß man schon jetzt, wenn man sie nach dem Wort Gottes betrachtet, sagen muß, dieser Zeit Leiden sei derselben nicht werth, oder es sei in der Vergleichung mit derselben für sehr klein, ja für nichts zu achten, und die Herrlichkeit sei insonderheit für keinen verdienten Lohn des Leidenden zu halten. Weil denn also dieser Zeit Leiden der Herrlichkeit nicht werth ist, die an uns offenbaret werden soll, so muß, weil Gott nichts ohne Ursache thut, etwas anders die Ursache der Schenkung dieser Herrlichkeit sein; und was ist die Ursache? Nichts als die Gerechtigkeit des eingebornen Sohnes Jesu Christi, des Mittlers zwischen Gott und den Menschen. Das Lamm, das geschlachtet worden, ist würdig zu nehmen Kraft und Reichthum und Weisheit und Stärke und Ehre und Herrlichkeit und Lob, Offenb. 5,12. Weil nun Jesus würdig war, dieses Alles zu empfangen, so ist Er auch berechtigt, es denjenigen mitzutheilen, die Er für Seine Knechte, Kinder, Brüder und Miterben hält. Ihre Würdigkeit beruhet auf der Seinigen, ja sie ist in der Seinigen enthalten.

Mel.: O Durchbrecher aller Bande.

1.
Christen! wenn das Kreuz uns drücket,
Rechnen wir die kurze Zeit;
Die Geduld und Hoffnung blicket
Auf die lange Herrlichkeit.
O was wird sich offenbaren
An dem Ziel von uns’rer Bahn!
Denn man wird noch mehr erfahren,
Als der Pilgrim fassen kann.

2.
Alle Ehre ist noch wenig,
Wenn man das dagegen stellt,
Daß der Ewigkeiten König
Uns für Seine Söhne hält;
Nichts ist, das dem Erbgut gleiche,
So wir kriegen in dem Licht;
Prinzen erben hier auch Reiche,
Doch sind die der Himmel nicht.

3.
Seht auf Ahasveros Schlösser,
Die der beste Wein getränkt:
Waidet nicht das Lämmlein besser,
Das uns Lebenswasser schenkt?
Wenn an Salomonis Kleide
Auch der Lilien Schönheit wär’,
Dennoch wär’ die weiße Seide
Jener Heiligen noch mehr.

4.
Uns’re Brüder, die einst glaubten,
Mögen uns ein Beispiel sein;
Denn sie ließen sich enthaupten,
Schliefen unter Steinen ein.
Dieses fassen wir zu Herzen,
Wie das Wort uns glauben lehrt,
Daß kein Spott und keine Schmerzen,
Noch ein Beilstreich Kornen werth!

2. Oktober. Morgen-Andacht.

Setzet eure Hoffnung ganz auf die Gnade, die euch angeboten wird durch die Offenbarung Jesu Christi. 1 Petr. 1,13.

Als Christus in die Welt kam, und durch das Evangelium geoffenbart wurde, so erschien die heilsame Gnade Gottes allen Menschen. Diese Gnade wird allen denjenigen nicht nur angeboten, sondern auch wirklich geschenkt, welche an Christum glauben, und denen Er also auch innerlich durch den Heiligen Geist geoffenbart wird. Aber wenn ihnen nun Gnade widerfahren, oder wenn die Gnade, wie Petrus eigentlich redet, zu ihnen hergebracht ist, so sind noch nicht alle Berge überstiegen. Sie sind vollkommen gerechtfertigt, sollen aber auch noch vollkommen geheiligt werden. Die Sünde aber hat ihre Natur wie ein Gift durchdrungen: wie soll sie also ausgetrieben, wie soll ihre Natur ganz gereinigt werden? Wenn die Gerechten hierüber kleinmüthig werden wollen, so ruft ihnen Petrus zu: setzet eure Hoffnung ganz auf die Gnade, die euch widerfuhr. Diese wird’s thun. Diese Gnade ist die Quelle eurer vollkommenen Heiligung. Die Gerechten sind ferner vielerlei Versuchungen und Anfechtungen ausgesetzt. Sie stehen im Leiden, welches matt machen kann. Sie leben in einer Welt, welche reizt und schreckt. Sie werden von bösen Geistern angefallen, welche listiger und stärker sind als die Menschen. Wenn sie nun hierüber muthlos und träg werden wollen, so ruft ihnen Petrus zu: begürtet die Lenden eures Gemüths, das ist: seid rüstig, und seid nüchtern in Ansehung des Leibs und Gemüths, und setzet eure Hoffnung ganz auf die Gnade. Diese wird euch erhalten, stärken, durchdringen, euch den Sieg über Alles verschaffen, und euch zum ewigen Leben verhelfen. Die Gerechten haben ferner den Tod vor sich, welcher als etwas Widernatürliches der Natur Grauen macht, und gemeiniglich auf eine schwere Krankheit folgt, die alle Leibes- und Seelenkräfte zu Boden drückt. Petrus aber sagt: setzet eure Hoffnung ganz auf die Gnade, die euch widerfährt. Diese wird euch in der letzten Noth erhalten, den Tod für euch unschädlich, ja zum Gewinn machen, und euch zum himmlischen Reich Gottes, wo kein Schmerz und kein Tod mehr sein wird, verhelfen. Ueberhaupt ist die Gnade des größten Vertrauens werth, und der größten Hoffnung Grund. Wer das Wort Gnade recht verstünde, würde keiner Furcht, die Pein hat, bei sich Raum lassen. Gnade ist in Gott, und neigt sich um Christi willen zu uns herab, ohne daß wir’s verdient hätten. Die Gnade Gottes ist nichts Unsicheres, womit derjenige, der sich darauf verläßt, betrogen würde, sondern etwas Festes und Gewisses; denn der HErr unser Erbarmer sagt Jes. 54,10.: es sollen wohl Berge weichen und Hügel hinfallen, aber Meine Gnade soll nicht von dir weichen, und der Bund Meines Friedens soll nicht hinfallen. Die Gnade Gottes ist nichts Schwaches oder Unthätiges, sondern äußert sich in kräftigen Wirkungen und köstlichen Wohlthaten. Sie ist die Quelle, woraus das ewige Leben ausfließt, sie hebt und trägt, erquickt und beglückt alle Auserwählten in Ewigkeit. Wer dürfte also seine Hoffnung nicht ganz auf diese Gnade setzen? Wir setzen zuweilen unsere Hoffnung auf dieselbe, so lange es leicht hergeht, oder so lange nur die gewöhnlichen Versuchungen vorkommen, welche wir schon oft überwunden haben; aber wenn eine neue und ungewohnte Noth entsteht, so will unsere Hoffnung wanken. Petrus aber, der immer ein Fels und muthiger Glaubensheld war, will eine solche mit heimlicher Furcht vermengte Hoffnung nicht gelten lassen, sondern sagt: setzet eure Hoffnung ganz oder vollkommen auf die Gnade.

Mel.: HErr Jesu, Gnadensonne.

1.
Ich hoffe ganz auf Gnade,
Auf Gnade ganz allein.
Nicht hoffen, das ist Schade,
Falsch hoffen, ist nur Schein.
In Jesu darf ich hoffen,
Da steht mir gnade offen,
Da flieh’ ich ganz hinein.

2.
Die Sünde kann mich quälen;
Doch Jesus tilgte die.
Die Gnade sagte der Seelen:
Sieh’, Jesus ist allhie;
Auf diesen kannst du hoffen,
Die Wunden steh’n dir offen,
Und du wirst heil durch sie.

3.
Das Kreuz kann mich noch drücken,
Weil ich im Fleische bin;
Der Tod kann mich bestricken;
Doch dieß auch ist Gewinn.
In Jesu darf ich hoffen,
Die Gnade bringt mich hin.

4.
So preis’ ich Jesu Gnade,
Auf der mein Hoffen ruht,
Zwar auf dem Pilgrimspfade,
Doch mit getrostem Muth;
Dort wird es erst das Ganze,
Wenn man im Zionsglanze
Ihm ewig Ehre thut.

2. Oktober. Abend-Andacht.

Wenn aber des Menschen Sohn kommen wird in Seiner Herrlichkeit, und alle heiligen Engel mit Ihm, dann wird Er sitzen auf dem Stuhl Seiner Herrlichkeit, und werden vor Ihm alle Völker versammelt werden. Matth. 25,31.32.

Unser göttlicher Erlöser nannte sich, so lange Er in Seiner Niedrigkeit lebte, sehr oft des Menschen Sohn, und zeigte damit an, daß Er, ob Er schon in dem erhabensten Sinn der eigene und eingeborene Sohn Gottes sei, und auf eine übernatürliche Weise im Leibe der Maria empfangen worden, doch ein wahrhaftiger und geborener Mensch, und durch die Geburt von einem Menschen unserm Geschlecht einverleibt worden sei, und uns deßwegen Seine Brüder nennen könne, Hebr. 2,11. Er hat auch Seine von der Maria angenommene menschliche Natur bei Seiner Erhöhung nicht abgelegt, und wird deßwegen, wenn Er nach derselben in einer herrlichen Menschengestalt erschien, auch noch der Menschensohn genannt, s. Ap.Gesch. 7,55. Offenb. 1,13.14. Dieser Menschensohn, der auch Gott über alles gelobet in Ewigkeit ist, wird in Seiner Herrlichkeit kommen, die Welt zu richten; gleichwie Er vorher in der Niedrigkeit gekommen war, die Welt zu erlösen. Alle heiligen Engel, die ein sehr großes Heer mit einander ausmachen, und deren jeder eine feurige und glänzende Natur hat, werden mit Ihm kommen, und Ihm an diesem sehr merkwürdigen Tag besondere Dienste leisten. Er aber, dessen Herrlichkeit und Würde aller Engel Herrlichkeit unendlich übertrifft, wird als ein König einen Stuhl oder Thron haben, der Offenb. 20,11. ein großer weißer Thron genannt wird. Auf diesem Thron wird Er sitzen, gleichwie ehemals die Könige auf ihren Thronen saßen, wenn sie ein Gericht hielten. Alsdann werde alle Völker, die mit einander ein einziges Geschlecht ausmachen, vor Ihm versammelt werden. Kein einziger Mensch, von Adam an bis auf das letzte Menschenkind, das zunächst vor dem jüngsten Tag geboren werden wird, wird da vermisset werden. Auch ich werde dabei sein, und den HErrn Jesum auf Seinem herrlichen Thron sehen, aber auch von Ihm gesehen werden. Doch werden die Menschen nicht lange Einen Haufen ausmachen: denn der König Jesus wird sie von einander scheiden, wie ein Hirt die Schafe von den Böcken scheidet, und die Schafe zu Seiner Rechten, die Böcke aber zu Seiner Linken stellen. Alsdann wird das allerwichtigste Gericht gehalten, und das Wohl und Weh eines jeden Menschen auf eine unwiderrufliche Weise entschieden werden.

Diese Zukunft des HErrn Jesu in Seiner Herrlichkeit, und Alles, was damit verbunden ist, stellt uns die heilige Schrift oft vor Augen, um uns anzutreiben, daß wir bei Leibesleben wachen, beten, Gnade suchen, der Heiligung nachjagen, dem HErrn dienen, und auf den Geist säen, damit wir am Tag dieser Zukunft ein Lob, ein herrliches Erbe und eine reiche Ernte erlangen mögen. Jetzt sieht Er den Menschen gleichsam stillschweigend zu, und läßt ihnen Raum, Gutes oder Böses zu thun, und ihre kostbare Gnadenzeit wohl oder übel anzuwenden. Aber an jenem Tag wird offenbar werden, wie viel an demjenigen gelegen sei, was die Menschen vorher gedacht, geredet und gethan haben. Wohl dem, der vorher recht geglaubt, und Ihm treulich gedient hat!

Mel.: Gottlob, ein Schritt zur Ewigkeit.

1.
Wie herrlich wird des Menschen Sohn
Zum Richten einst erscheinen!
Da kommen vor den weißen thron
Die Großen und die Kleinen;
Kein Meer verbirgt die Todten mehr;
Der Tod gibt seine Todten her,
Die Hölle ihre Todten.

2.
Es werden Bücher aufgemacht,
Da steht genau beschrieben,
Was jedes Herz bei sich gedacht,
Was jeder Mensch getrieben;
Da wird das Gute offenbar,
Da wird das Böse alles klar,
Und Alles abgewogen.

3.
O Herrlichkeit! wenn Seinen Sitz
Der Engel Heer umringet,
Und wenn Sein Aug’ als wie ein Blitz
In die Gewissen dringet,
Und wenn Sein Mund im Richterspruch
Den bösen Werken ihren Fluch,
Den guten – Segen redet.

4.
O Herrlichkeit! bei Seinem Wort
Muß Alles ewig bleiben;
Weist Er zum See des Feuers fort,
Wer will es hintertreiben?
Und nimmt Er in des Vaters Reich,
Gesegnete, was könnte euch
Den Eingang noch verschließen?

5.
HErr! meine Werke sind nicht gut,
Doch hast Du mir vergeben;
Ach schreibe mich mit Deinem Blut
Zu denen, die da leben!
Wer glaubt, der kommt nicht in’s Gericht;
Ich glaub’ an Dich, Du wirst mich nicht
Von Deinem Thron verstoßen!

3. Oktober. Morgen-Andacht.

Siehe, Ich bin mit dir. 1 Mo. 28,15.

Als Jakob, der vorher bei seinen Eltern 77 Jahre in den Hütten gewohnt hatte, wegen der Drohung seines rohen Bruders Esau, und in der Absicht, sich besser als er zu verheirathen, einen sehr weiten Weg durch viele unbewohnte Gegenden, nicht ohne tägliche Lebensgefahr, als arm und verlassen, nach Mesopotamien reisete, so gereichte es ihm zu einer besondern Erquickung, da er unterwegs einen göttlichen Traum bekam, und in demselben eine Leiter sahe, die von der Erde bis an den Himmel reicht, und an welcher die Engel Gottes auf und nieder stiegen. Oben darauf stand der HErr, und sagte unter Anderem zu ihm: Ich bin der HErr, Abrahams deines Vaters Gott, und Isaaks Gott – siehe, Ich bin mit dir, und will dich behüten, wo du hinziehest, und will dich wieder bringen in dieß Land. Denn Ich will dich nicht lassen, bis Ich thue Alles, was Ich geredet habe. Wie erquicklich müssen diese Worte dem Jakob gewesen sein! Wer ist aber nun, der zu unserer Zeit eine solche tröstende Ansprache von dem HErrn bekommt? Alle Kinder und Knechte Gottes werden solcher Ansprachen gewürdigt, besonders wenn sie verlassen und bedrängt sind, und etwa auch einen neuen Theil ihrer gefährlichen Wallfahrt antreten sollen. Sie bekommen aber dieselbe gewöhnlich nicht durch Traumgesichte, sondern durch eine deutliche und kräftige Zueignung der in dem Wort Gottes enthaltenen Verheißungen. Jeremias betete Klagl. 3,57.: nahe Dich zu mir, wenn ich Dich anrufe, und sprich: fürchte dich nicht. Wer ist nun, der nicht auch so beten dürfte? Und wer ist, der nicht erhöret würde, wenn er so betet? Wer aber erhöret wird, zu dem nahet der Herr zu einer Stunde, da er’s bedarf, auf eine fühlbare Weise, und spricht ihm durch Seinen Geist eine in der Bibel enthaltene Verheißung in’s Herz hinein, da es dann eben so viel ist, als ob Er zu ihm spräche: fürchte dich nicht. Auch das Wort, das Gott zu dem Jakob gesagt hat: siehe, Ich bin mit dir, kann uns so zugeeignet werden; denn Jakobs Gott ist auch unser Gott, und Jakob empfing die tröstliche Verheißung: siehe, Ich bin mit dir, nicht aus Verdienst der Werke, sondern aus Gnaden. Wenn der Herr mit uns ist, so kann uns nichts in Ansehung unsers wahren und ewigen Heils schaden. Unser Weg ist alsdann recht vor Gott, und ob wir schon darauf nicht ohne Straucheln wandeln, so vergibt Er doch, und züchtiget heilsam, und weiset uns wieder zurecht. Alle Dinge müssen uns zum Besten dienen. Doch lehrt uns das Beispiel Jakobs, daß man sich bei der Verheißung: siehe, Ich bin mit dir, nicht einbilden dürfe, ohne Kreuz zu bleiben; denn nach einer mühseligen Reise mußte er seinem Schmäher Laban einen langen beschwerlichen Dienst leisten; seine Wiederkehr in’s Land Canaan war mit Gefahr umgeben, und sein Aufenthalt in diesem Land mit traurigen Begebenheiten durchflochten; und nach seiner Ankunft in Aegypten, da ihn schon das Alter drückte, konnte er zu dem König Pharao sagen: wenig und bös ist die Zeit meiner Wallfahrt. Und doch erfüllte der HErr das Wort an ihm: siehe, Ich bin mit dir. Es ging ihm überhaupt wohl; und so geht es Allen wohl, mit denen der HErr ist, daß sie zuletzt sagen können: der HErr hat Alles wohl gemacht. Wenn ein Gerechter in eine Noth kommt, so gilt ihm das Wort des HErrn, Ps. 91,14.15.16.: er begehret Mein, so will Ich ihm aushelfen; er kennet Meinen Namen, darum will Ich ihn schützen; er rufet Mich an, so will Ich ihn erhören. Ich bin bei ihm in der Noth; Ich will ihn herausreißen und zu Ehren machen. Ich will ihn sättigen mit langem Leben, und will ihm zeigen Mein Heil.

Mel.: Allein Gott in der Höh’ etc.

1.
Allein und ohne Gott zu sein,
Das ist ein elend Leben;
Man lebt sich selbst zu seiner Pein,
Und bleibt im Elend kleben.
Bin ich allein, sei Du bei mir,
Mein Gott, so rede ich von Dir,
Und sing’ von Deiner Gnade.

2.
Allein und ohne Jesum sein,
Das ist ein todtes Leben;
Man wird von keiner Sünde rein,
Die Schuld ist nicht vergeben.
Bin ich allein, sei Du bei mir,
Mein Heiland, so rühm’ ich von Dir,
Und sing’ von Deiner Liebe.

3.
Allen und ohne Geist zu sein,
Ist ein betrübtes Leben;
Da schleicht der Trauergeist sich ein,
Weil wir im Elend schweben.
Bin ich allein, sei Du bei mir,
O Geist, so freu’ ich mich in Dir,
Und kann mich selig singen.

3. Oktober. Abend-Andacht.

Ermahnet euch selbst alle Tage, so lange es heute heißet. Hebr. 3,13.

Das Heute, von dem der Apostel redet, ist keine Ewigkeit, sondern eine eingeschränkte und für einen jeden Menschen abgemessene Zeit, worin er Gottes Stimme oder Wort hören kann. Hier kommt es nun darauf an, daß er glaube, was Gott geredet hat, und durch den Glauben den Ruhm der Hoffnung der ewigen Ruhe erlange, und diesen Ruhm bis an’s Ende fest behalte, und alsdann in die ewige Ruhe Gottes eingehe. Höret er aber die Stimme Gottes vergeblich, ist er bei diesem Gehör und zugleich bei dem Anblick der Werke Gottes unglaubig, irret er mit seinem Herzen, tritt er ab von dem lebendigen Gott, wird er bitter gegen den Geist Gottes, und gegen alle Menschen, die ihm das Sündigen im Namen Gottes wehren wollen, verstocket er sein Herz durch einen hartnäckigen Vorsatz zu sündigen, es möge darauf folgen, was da wolle: so gelangt er nicht zur Ruhe Gottes, ob sie ihm schon verheißen war, das Wort der Predigt hilft ihm nichts, und der Zorn Gottes schlägt ihn endlich so darnieder, daß er in das höllische Feuer versinkt.

Um diesem Jammer zu entgehen, sollen die Christen einander selbst alle Tage, so lange es heute heißet, ermahnen; folglich die Gefahr nicht für entfernt, und den Verfall nicht für unmöglich halten. Auch wer stehet, soll zusehen, daß er nicht falle, und deßwegen eine Ermahnung von Andern gern annehmen. Christen sollen einander ermahnen, daß nicht Jemand unter ihnen verstockt werde durch Betrug der Sünde. Die Sünde schleicht bei dem Menschen zuerst unter dem Schein des Rechts, der christlichen Freiheit, oder der Nothwendigkeit ein. Das arge Herz denkt, man dürfe doch ein wenig sündigen, Andere thun’s auch, man könne sich durch die Sünde ein Vergnügen oder ein Glück verschaffen, und doch in der Gnade verharren, oder bald wieder Gnade erlangen. Wenn aber nun die Sünde den Menschen betrogen hat, so verdammt ihn sein eigenes Herz, und wenn er wieder sündigt, so verdammt es ihn wieder; endlich aber findet er eine solche Annehmlichkeit in der Sünde, daß er ungeachtet aller Gewissensschläge lieber die Gnade und Christum und Sein Himmelreich fahren läßt, als die Sünde. Er fährt also im Sündigen fort, die Verdammungen des Gewissens werden schwächer, und hören oft gar auf, er wird ein Feind der Wahrheit, die ihn beunruhiget hat. Er macht sich eine eigene Religion, nach welcher seine Sünde keine Sünde ist, und verspottet den richtigen Weg, und nimmt sich vor, nimmer anders zu werden. Alsdann ist er aber durch den Betrug der Sünde verstockt, und fährt in das Verderben dahin. Wie nöthig ist’s also, daß Christen einander alle Tage ermahnen, weil nicht nur rohe Leute, die ihre Herzen gegen die vorlaufende Gnade verstocken, in diesen Verfall gerathen können, sondern weil auch Solche wieder abfallen können, welche einmal erleuchtet waren, und geschmeckt hatten die himmlischen Gaben, und theilhaftig worden waren des Heiligen Geistes, und geschmeckt hatten das gütige Wort Gottes und die Kräfte der zukünftigen Welt, Hebr. 6,4.5.6. Von den Israeliten, welche aus Aegypten gingen, wird Mos. 14,31. gesagt: sie fürchteten den HErrn, und glaubten an Ihn und Seinen Knecht Mose. Und doch richteten sie nach diesem guten Anfang in der Wüste eine Erbitterung an, und verstockten ihre Herzen, daß der HErr schwur in seinem Zorn, sie sollten nicht zu Seiner Ruhe kommen.

Mel.: HErr Jesu, Gnadensonne.

1.
Ich zähle meine Tage
Nur auf die Ewigkeit.
Hier sind sie voller Plage,
Dort lebt man ohne Leid.
Kein Tag soll mir vergehen,
Da ich nicht wollte flehen:
Mach’, Jesu, mich bereit!

2.
In Deinen Fleischestagen
Hast Du Gebet und Fleh’n
Dem Vater vorgetragen,
Der Kelch soll von Dir geh’n;
Du wurdest auch erhöret,
Und was dir Gott gewähret,
Ist mir zum Heil gescheh’n.

3.
Ich zähl’ von diesen Tagen
Mein neues Leben her;
Du wardst für mich geschlagen,
Daß ich erlöset wär’;
Du hast Dein Blut gegeben,
Dein Blut gibt mir das Leben,
Ich sterbe nun nicht mehr.

4.
So geht es alle Tage
Nun der Erlösung zu.
Im Kreuz, das ich hier trage,
Find’ ich bei Dir doch Ruh’.
Du wirst mein Heil besorgen;
Dir fleh’ ich alle Morgen:
HErr Jesu! walte Du.

5.
Sich selbst lebt man vergebens:
Wer Dir lebt, hat Gewinn;
Gib’, daß ich jenes Lebens
Allein begierig bin.
Weil ich Dein Zeichen trage,
So stell’ an jenem Tage
Mich Dir zur Rechten hin!

4. Oktober. Morgen-Andacht.

Ich will dem HErrn singen, daß Er so wohl an mir thut. Ps. 13,6.

Ein Christ ist gegen die Leiden, die auf ihn zudringen, nicht unempfindlich, und wird durch dieselben zuweilen sehr in die Enge getrieben und tief niedergedrückt. Er begehrt sich auch durch eine leichtsinnige Zerstreuung seiner Gedanken und weltliche Lustbarkeiten über die Empfindung seines Elends nicht wegzusetzen, und verstellt sich nicht, wenn er traurig ist, sondern betet, redet und handelt so, wie es der Zustand seiner Seele mit sich bringt. Er sucht aber doch den rechten Ausgang seiner Traurigkeit sehnlich. Er bestrebt sich, aus der Dunkelheit in das helle Licht, aus der Tiefe in die Höhe des Glaubens, und aus der Enge in einen weiten Raum zu kommen. Wie erreicht er aber diesen Zweck? Durch’s Gebet und durch einen ringenden Glauben, dem Gott mit Seiner Gnade und Hülfe zur rechten Zeit begegnet. Dieses Alles lehret der 13. Psalm, in welchem David zuerst klagte und fragte: HErr, wie lange willst Du mein so gar vergessen? Wie lange verbirgst Du Dein Antlitz vor mir? Wie lange soll ich sorgen in meiner Seele, und mich ängsten in meinem Herzen täglich? Wie lange soll sich mein Feind über mich erheben? Er betete auch: Schaue doch, und erhöre mich, HErr, mein Gott. Erleuchte meine Augen, daß ich nicht im Tode entschlafe. Daß nicht mein Feind rühme, er sei mein mächtig worden, und meine Widersacher sich nicht freuen, daß ich darniederliege. Bi daher war David niedergeschlagen, und rief aus der Tiefe zu Gott; nun erleuchtete aber Gott seine Augen, wie er gebeten hatte, nun wurde sein Glaube gestärkt, nun wurde seine Seele aufgerichtet; darum konnte er zuletzt sagen: ich hoffe aber darauf, daß Du so gnädig bist; mein Herz freuet sich, daß Du so gerne hilfest. Ich will dem HErrn singen, daß Er so wohl an mir thut. Zuerst kam also eine neue Hoffnung in seine Seele, darnach Freude, und aus der Freude entstand das Gelübde: ich will dem HErrn singen. Zuerst dachte er daran, daß der HErr gnädig sei, darnach, daß Er nicht nur helfen werde, sondern auch gern helfe, und endlich, daß Er nicht nur aus der Noth helfe, sondern auch wohlthue, oder die Wohlfahrt der Seinigen schaffe und befestige.

Dieser Psalm bestraft mich wegen meines Eigensinns, mit welchem ich oft allzulang im Trauern und Klagen verharrt bin, und den Ausgang aus der Traurigkeit und dem Klagen, welchen David oft bald gefunden hat, nicht auch gesucht habe. Wenn ich meine Klagen bei mir selbst behalten und hundertmal in Gedanken wiederholt habe, so bin ich nicht heiter worden; und wenn ich nur bei mir selbst oder nur bei Menschen Hülfe gesucht habe, so ist mir nicht geholfen worden. Wenn ich aber meine Klage vor dem HErrn ausgeschüttet, wenn ich Ihn mit einer demüthigen Vertraulichkeit gefragt habe: warum? wenn ich Ihn als meinen Gott um Trost und Hülfe gebeten habe, so ist meine Seele wieder heiter worden. Anstatt der traurigen Schreckbilder ist mir die Gnade Gottes vor’s Gesicht gekommen; meine Traurigkeit ist in Freude und meine Klage in einen Lobgesang verwandelt worden. HErr, lehre mich durch Deinen guten Geist diesen Ausgang aus der Schwermuth immer bald suchen und finden, und vergib mir den hartnäckigen Unglauben, womit ich mich oft wider Deinen Willen verfinstert und gequält habe. Meine Klage und mein Lobgesang komme in Dein gnädiges Angedenken um des Fürsprechers Jesu Christi willen. Amen.

Mel.: Allein Gott in der Höh’ etc.

1.
Denk’ ich an Gott mit heit’rem Sinn,
Daß Er mir Seel’ und Leiben
Und Alles, was ich hab’ und bin,
Und gar den Sohn gegeben,
So wallt’ ein dankbar Herz in mir:
Du bist mein Gott, ich danke Dir;
Mein Gott, ich will Dich preisen.

2.
Denk’ ich an Jesum, der sogar
Sein Herz mit mir getheilet,
Und mich, der ich voll Aussatz war,
Mit Seinem Blut geheilet,
So jauchzt mein glaubig Herz in mir:
Du bist mein Gott, ich danke Dir;
Mein Gott, ich will Dich preisen.

3.
Gedenk’ ich, was der Geist gethan,
Der mich lehrt Jesum kennen,
Der schaffet, daß ich glauben kann
Und Gott selbst Vater nennen,
So wirkt Er auch dieß Lied in mir:
Du bist mein Gott, ich danke Dir;
Mein Gott, ich will Dich preisen!

4. Oktober. Abend-Andacht.

So lasset uns nun fürchten, daß wir die Verheißung, einzukommen in Seine Ruhe, nicht versäumen, und unser Keiner dahinten bleibe. Hebr. 4,1.

Gleichwie Christus Matth. 25,21.23. sagt, Er werde zu einem frommen und getreuen Knecht am Tage Seiner Zukunft sprechen: gehe ein zu deines HErrn Freude: also sagt der Apostel Hebr. 4,1., diejenigen, die bis an ihr Ende Glauben halten, werden in die Ruhe Gottes eingehen. Der HErr der Knechte freuet Sich als der Allerseligste in Seiner Herrlichkeit, und läßt Seine Knechte auch in diese Freude eingehen oder an derselben Antheil nehmen. Gott ruhete am siebenten Tage von allen Seinen Werken, und ruhet noch immer und wird ewiglich ruhen, ob Er schon immer thätig ist. In diese Ruhe Gottes sollen die glaubigen und treuen Christen einkommen und sie auch genießen, folglich auch von ihren Werken ruhen, wie Gott von den Seinigen. Nicht nur von den Leiden wird man also ruhen, sondern auch von den Werken, folglich keine Welten erschaffen, und überhaupt keine Werke mehr thun, wie sich die Leute einbilden, die in der Geschäftigkeit ihre Glückseligkeit suchen. Ruhen wird man, und das Gute genießen, das da ist, und keines Zuwachses mehr bedarf. Alles Bestreben nach etwas Neuem wird da aufhören. Diese Ruhe Gottes ist verheißen, wie der Apostel aus dem Spruch beweist: heute, so ihr Seine Stimme höret, so verstocket eure Herzen nicht; denn weil Gott vorher gesagt hatte: Ich schwur in Meinem Zorn, daß die Israeliten, die au Aegypten gegangen waren, nicht zu Meiner Ruhe kommen sollen, so schließt der Apostel aus dieser Ermahnung: heute, so ihr Meine Stimme höret u.s.w., daß dem Volk Gottes noch eine Ruhe verheißen sei, um deren willen es die Stimme Gottes hören und die Herzen nicht verstocken soll. Hierauf zielt auch die Ermahnung: lasset uns fürchten, daß wir die Verheißung, in die Ruhe Gottes einzukommen, nicht versäumen. Fürchten sollen wir uns, weil ein Mensch ein arges, unglaubiges Herz haben kann, das von dem lebendigen Gott abtritt, Kap. 3,12. Fürchten sollen wir uns, weil wir nach einem guten Anfang von Gott in den Versuchungen abfallen, und als Abtrünnig niedergeschlagen werden könnten, wie die Israeliten in der Wüste. Fürchten sollen wir uns, weil wir durch Betrug der Sünde, die sich oft unter einer guten Gestalt zeigt, verstockt werden, oder in ein hartnäckiges Widerstreben gegen die Zucht des Geistes hineingerathen könnten: und wenn dieses geschähe, würden wir bei der Erfüllung der Verheißung durchfallen oder zurückstehen müssen. So lange zwar der Mensch lebt, und das Gericht über ihn noch nicht gehalten wird, hofft er gemeiniglich von sich das Beste; auch können andere Menschen, die ihn nicht genau kennen, von ihm noch viel Gutes hoffen; wenn man aber sein arges und unglaubiges Herz, sein Abtreten von dem lebendigen Gott, seinen Rückfall aus einem bessern Zustand, und sein hartnäckiges Widerstreben gegen den Geist Gottes wahrnimmt, so scheint es, er habe die Verheißung fahren lassen, oder sei dahinten geblieben. Und von Vielen wird’s leider am Tag des Gerichts offenbar werden, daß es geschehen sei. So lasset uns denn die Ermahnung des Apostels zu Herzen nehmen, weil der Gewinn oder Verlust so groß ist. Wer nicht in die Ruhe Gottes hineinkommt, wird Gottes Rache und Strafe im Pfuhl, der mit Feuer und Schwefel brennt, empfinden.

Mel.: Ruhet wohl, ihr Todtenbeine.

1.
Ruhe hat uns Gott verheißen,
Ruhe, die da ewig währt;
Da wir hier durch Wüsten reisen,
Wo uns Gott den Glauben lehrt,
Soll uns die Verheißung treiben,
Daß wir nicht dahinten bleiben.

2.
Lehr’ mich, HErr, im Glauben wallen,
Nur nach Deiner Führung geh’n;
Stehen, wenn schon And’re fallen;
Hoffen, wo noch nichts zu seh’n;
Denn die Dein Wort angenommen,
Läßst Du, Gott, zur Ruhe kommen.

3.
Will der Weg mir lange werden,
Zeige mir das nahe Land;
Ist das Streiten voll Beschwerden,
Stärke mir zum Sieg die Hand.
Dahin, wo ich ausgegangen,
Laß mein Fleisch nicht mehr verlangen.

4.
Laß mich nicht von Ruhe träumen,
Wo mein Geist doch keine hat.
Die nicht glauben, die versäumen
Ihren Antheil jener Stadt;
Und in dieser Erden Wüste
Sind die Gräber ihrer Lüste.

5.
Was ich denke, was ich thue
Unter meiner Pilgerlast,
Alles geh’ auf Deine Ruhe,
Die Du uns verheißen hast,
Daß ich auf Verheißung sterbe,
Und das Loos des Glaubens erbe!

5. Oktober. Morgen-Andacht.

Gott hat unter uns aufgerichtet das Wort von der Versöhnung. 2 Kor. 5,19.

Das Gesetz ist durch Moses gegeben worden; überdieß haben vor und nach seiner Zeit Verheißungen und Vorbilder den Menschen Hoffnung gemacht, daß der Messias in der Welt erscheinen, und die Menschen durch ein Opfer mit Gott versöhnen werde. Die Altväter sind damals im Glauben gestorben, haben aber die Erfüllung dieser Verheißung nicht empfangen, sondern sie von ferne gesehen, und sich derselben vertröstet, Hebr. 11,13. Als aber die Zeit des Alten Testaments zu Ende ging, so richtete Gott etwas Neues unter den Menschen auf, und was denn? Nicht ein neues Gesetz, nicht eine reinere Sittenlehre; denn das alte Gesetz war schon vollkommen, und die Sittenlehre, welche in den Schriften Mosis und der Propheten enthalten war, bedurfte keiner Zusätze. Er richtete aber das Wort von der durch Christum geschehenen Versöhnung auf. Dieses war das gute Wort, auf welches Er die Altväter vertröstet hatte, und das Evangelium, welches Er zuvor verheißen hatte, Röm. 1,1.2.; dieses Wort ist etwas sehr Großes und Wichtiges. Nun kann man predigen: Gott war in Christo und versöhnte die Welt mit Ihm selber, und rechnete ihnen ihre Sünden nicht zu. Nun sind Botschafter an Christus Statt vorhanden, durch die Gott vermahnet. Ja diese Botschafter bitten die Menschen an Christus Statt: seid doch versöhnt mit Gott, haltet dafür, daß ihr durch Christum mit Gott versöhnt seid, fasset eine Zuversicht zu Gott, liebet Ihn, und dienet Ihm williglich. Will Jemand wissen, wie uns Gott durch Jesum Christum mit Ihm selber versöhnt habe, so sagt man ihm: Gott hat Den, der von keiner Sünde wußte, für uns zur Sünde oder zu einem Sündopfer gemacht, auf daß wir würden in Ihm die Gerechtigkeit, die vor Gott gilt. Wir sind also durch Christum mit Gott versöhnt worden, in so fern Er unsere Sünden getragen hat, und ein Sündopfer für uns worden ist, und die unmittelbare Frucht dieser Versöhnung soll diese sein, daß wir in Christo Jesu lauter Gerechtigkeit, und zwar eine Gerechtigkeit, die vor Gott gilt, werden, folglich bei der Vergebung unserer Sünden ein volles Recht zu allen himmlischen Gütern, ja zu der ewigen Gemeinschaft mit Ihm selbst haben.

Hat nun Gott unter uns das Wort von der geschehenen Versöhnung aufgerichtet, so ist es unrecht, wenn man immer bei dem Gesetz oder bei dem Berg Sinai stehen bleiben, und gleichsam von diesem Berg aus in den Himmel steigen will. Hier ist kein Weg zum Himmel gebahnt. Das Gesetz hat seinen Nutzen, indem es dem Menschen die hohen Forderungen Gottes entdeckt, ihn, weil er sie nicht leisten kann, zum Sünder macht, und ihm die Nothwendigkeit zeigt, durch den Glauben an Christum gerecht und selig zu werden. Dieser Glaube selbst aber wird durch das Wort von der Versöhnung erweckt, und hält sich an dieses Wort, j an Christum den Erlöser selbst, welcher uns durch dieses Wort vor die Augen gemalt wird. Wie soll ein Mensch, der sich bewußt ist, daß er den gerechten Gott nicht nur durch grobe und muthwillige Sünden beleidigt, sondern auch durch seine besten Werke Seinen hohen und gerechten Forderungen niemals eine vollkommene Genüge geleistet habe – wie soll ein solcher Mensch getröstet und ruhig werden, wenn er nicht weiß und glaubt, daß Christus seine Sünden getragen habe, für dieselben ein Opfer worden sei, und ihn dadurch mit Gott versöhnt habe? Bei diesem Glauben vergeht die alte Knechtschaft unter der Sünde, und es wird Alles neu. V. 17. So lasse denn der große Gott das Wort von der Versöhnung in meiner Seele recht klar und kräftig werden.

Mel.: Jesus meine Zuversicht.

1.
HErr, Dir sei auf ewig Ruhm
Für Dein Wort von der Versöhnung.
Herrlich’s Evangelium,
Unvergleichliche Bedienung,
Die Gott selber aufgericht’t,
Der durch Seine Boten spricht!

2.
Machtwort, voll von Gottes Kraft,
Daß die Sünder selig werden;
Für die arme Sünderschaft
Ist kein Trostwort sonst auf Erden;
Aber dieses spricht allein
Uns das Leben wieder ein.

3.
Leerer Ruhm in eig’nem Thun!
Falscher Trost in eig’nem Büßen!
Nur in dem Wort kann ich ruh’n,
Da ich hätte sterben müssen;
Hab’ ich kein Versöhnungswort,
So bleibt mir die Hölle dort.

4.
Kommt und hört’s, wer glauben kann,
Danket Gott mit Freudenthränen,
Kniet und betet lobend an
Den, der kann mit Gnade krönen;
Bring einst in dem Heiligthum
Gott noch den Versöhnungsruhm!

5. Oktober. Abend-Andacht.

Gott mache euch fertig in allem guten Werk, zu thun Seinen Willen, und schaffe in euch, was vor Ihm gefällig ist, durch Jesum Christum. Hebr. 13,21.

Es sind also göttliche Wirkungen nöthig, wenn ein Mensch fertig werden soll, Gottes Willen zu thun, und der Mensch bedarf, daß Gott in ihm schaffe, was vor Ihm gefällig ist, und dieses Alles geschieht durch Jesum Christum, welcher der Mittler zwischen Gott und Menschen ist, um Deßwillen sich Gott zu dem verdorbenen und zu allem Guten untüchtigen Menschen neigt, um wieder etwas Gutes in ihm zu wirken. Es ist aber merkwürdig, daß der Apostel wünscht, daß Gott die Hebräer, an die er schrieb, fertig machen möge, in allem guten Werk Seinen Willen zu thun; gleichwie er auch 2 Tim. 3,17. sagt, die heilige Schrift, welche von Gott eingegeben worden, könne einen Menschen Gottes vollkommen, und zu allem guten Werk geschickt machen. Es gibt gute Werke, auf denen auch bei der Welt keine Schmach liegt, und deren Ausübung weder beschwerlich noch gefährlich ist. Zu solchen mag sich denn auch ein schwacher Christ leichtlich entschließen. Es gibt aber gute Werke, um deren willen man bei der Welt verachtet, verspottet und gehaßt werden kann, und durch die man sich die Gefahr, sein zeitliches Glück, ja gar das Leben zu verlieren, zuziehet. Solche Werke thaten alle diejenigen, welche Christo in den Tagen Seines Fleisches anhingen und Ihm nachfolgten, Ihn beherbergten, Ihm Gutes thaten, und sich’s öffentlich ansehen ließen, daß sie Ihn hoch halten und an Ihn glauben. Auch haben alle Propheten und Apostel solche Werke gethan, und darüber Vieles gelitten. Wer aber auch kein Apostel oder Prophet, sondern nur ein vollkommener oder gegründeter Christ werden will, muß fertig werden, in solchen Werken Gottes Willen zu thun, und wird dazu auf dem Weg, auf welchem er wandelt, Gelegenheit finden. Wenn nun hier das Fleisch sich zurückziehen will, oder der Teufel den Gedanken einraunet: schone deiner selbst, so soll der Christ dennoch fertig sein, mit Verläugnung seiner selbst in dem guten Werk, das von ihm gefordert wird, den Willen Gottes zu thun, und sich nicht selber bereden oder von Andern bereden lassen, dasjenige sei dem Willen Gottes nicht gemäß, was seinem Fleisch beschwerlich ist, oder seiner Vernunft gefährlich zu sein scheint. doch ist freilich ein göttliches Licht nöthig, um zu prüfen, was der gute, wohlgefällige und vollkommene Wille Gottes in den vorliegenden Fällen erfordere, damit man nicht in einem blinden Trieb zufahre, und große Thaten thun wolle, wozu man weder berufen noch tüchtig gemacht ist. Dasjenige allein ist gut, was vor Gott gefällig ist, und dieses Wohlgefallen Gottes empfindet derjenige, der unter der Leitung Seines Geistes nach Seinem Willen und zu Seiner Ehre Etwas gethan hat. Paulus sagt Gal. 1,10.: wenn ich Menschen gefällig wäre, so wäre ich Christi Knecht nicht; hingegen schrieb er 2 Kor. 5,9.: wir befleißigen uns, wir seien daheim oder wallen, daß wir dem HErrn wohlgefallen. Nun der Gott des Friedens, der von den Todten ausgeführt hat den großen Hirten der Schafe durch das Blut des ewigen Testaments, unsern HErrn Jesum, der mache uns auch fertig, in allem guten Werk zu thun Seinen Willen, und schaffe in uns, was vor Ihm gefällig ist, durch Jesum Christ, welchem sei Ehre in Ewigkeit. Amen.

Mel.: Befiehl du deine Wege.

1.
Des Friedensgottes Wille
Ist uns’re Seligkeit;
Er hat die Gnadenfülle
In Christo zubereit’t,
Der ist der große Hirte,
Den Seinem Volk zu gut
Gott aus den Todten führte
Durch’s Testamentes Blut.

2.
Von daher kann’s nicht fehlen,
Er bringt auch uns zur Ruh’,
Und richtet uns’re Seelen
Nach Seinem Willen zu;
Er läßt den Geist uns lehren,
Was Ihm gefällig ist,
Und schafft’s zu Seinen Ehren
Auch selbst durch Jesum Christ.

3.
Dein Geist gieß’ Deine Liebe,
O Vater, aus in mir;
Die ersten zarten Triebe
Sind eine Kraft von Dir;
Im Geben bist Du milde,
Getreu, wenn Du uns rufst;
Schaff’ mich nach deinem Bilde,
Wie Du im Anfang schufst.

4.
Mach’ Du zu dem mich fertig,
Was Dir gefällig ist;
Ich bin des Heils gewärtig,
Du zeigst’s in Jesu Christ.
Er wird mich nicht verlieren,
Er wird auch durch Sein Blut
Mich aus den Todten führen;
Ich glaub’ es, daß Er’s thut.

6. Oktober. Morgen-Andacht.

Die Schaar und der Oberhauptmann und die Diener der Juden nahmen Jesum und banden Ihn. Joh. 18,12.

Um den HErrn Jesum gefangen zu nehmen, wurde von den römischen Soldaten, welche zur zeit des Osterfestes bei dem Tempel die Wache hatten, eine Schaar, die aus einigen hundert Mann bestand, und der ihnen vorgesetzte Oberhauptmann oder römische Oberste abgeschickt, diesem heidnischen Haufen aber die Amtsdiener der jüdischen Hohenpriester und vielleicht auch der Rathsherrn zugestellt. Diese Leuten nun nahmen Jesum und banden Ihn. Es war dem Rath Gottes nicht gemäß, daß Jesus in ein Gefängniß gelegt würde: aber gebunden ist Er worden, entweder mit Stricken, oder, wie es wahrscheinlich ist, mit Ketten. Man sah also den großen Wunderthäter, den Messias, den Sohn Gottes, als einen gefangenen und gebundenen Mann in die Stadt Jerusalem hinein gehen. Zuerst führte man Ihn zu dem abgesetzten Hohenpriester Hannas, der in großem Ansehen stand, und der Schwäher des wirklichen Hohenpriesters war. Jener sandte Ihn gebunden zu dem Kaiphas, welcher Ihn in seinem Palast im Beisein mehrerer Rathsherren zur Nachtzeit verhörte. Früh Morgens wurde Er vor den ganzen versammelten Rath auf dem Tempelberg, wo dessen Rathsstube war, hinaufgeführt, und nach einem kurzen Verhör für todeswürdig erklärt. Als Jesus vor diesem Rath stand, waren Ihm die Bande abgenommen; denn als man Ihn von da aus zu dem Pilatus führte, band man Ihn auf’s Neue. Matth. 27,2.

Ohne Zweifel haben sich Paulus und viele Märtyrer dieser Bande Jesu zu ihrem Trost erinnert, wenn sie auch Bande trugen, und dadurch in eine Aehnlichkeit mit dem gebundenen Jesu gesetzt wurden. Wann uns Todesbande umfangen, Ps. 18,5., wenn Trübsale wie Bande uns bedrängen, Jes. 52,2., ja wenn wir beängstigt sind, es möchte uns gehen, wie von Jenem, der kein hochzeitlich Kleid an hatte, geschrieben steht: bindet ihm die Hände, daß er sich nicht wehren kann, und die Füße, daß er nicht entlaufen kann, und werfet ihn in die äußerste Finsterniß hinaus: so können wir uns des gebundenen Jesu glaubig erinnern, der uns die wahre Freiheit erworben hat, und wenn wir Ihn anhaltend darum bitten, schenken will. Freiheit ist das Gegentheil der Bande. Wen aber der Sohn Gottes frei macht, der ist recht frei. Joh. 8,36. Er hat in den Tagen Seines Fleisches den Gefangenen eine Erledigung und den Gebundenen eine Oeffnung gepredigt, Jes. 61,1., und verschafft sie denjenigen wirklich, welche Sein Evangelium annehmen und glauben, und verhilft ihnen endlich zur herrlichen Freiheit der Kinder Gottes, Röm. 8,21.

Der HErr Jesus trug Seine Bande freiwillig, denn Er hätte sie viel leichter zerreißen können, als Simson die seinigen. Er trug sie aber als ein Zeichen, daß Er nun in der Sünder Hände übergeben, und unter die Uebelthäter gerechnet sei. Uebrigen hatte Er schon in dem Lobgesang, den Er mit Seinen Jüngern nach der Osterlamms-Mahlzeit sprach, in der Anwendung auf Sich selber gesagt: o HErr, Ich bin Dein Knecht; Ich bin Dein Knecht, Deiner Magd Sohn; Du hast Meine Bande zerrissen. Dir will Ich danken, und des HErrn Namen predigen , Ps. 116,16.17. Freilich zerriß der himmlische Vater alle sichtbaren und unsichtbaren Bande des HErrn Jesu, und erhöhete Ihn zu Seiner Rechten; und auch wir haben durch Christum die Hoffnung, als befreiet von allem Uebel mit Ihm zu herrschen.

Mel.: Ach bleib’ mit Deiner Gnade.

1.
Wer legte Dir die Bande,
Geduldig’s Lämmlein, an?
Nicht eig’ne Schuld noch Schande,
Die Liebe hat’s gethan!

2.
Die Welt in ihrem Theile
Hieß es den Henkersstrick;
Ich nenn’ es Liebesseile,
Worin ich Dich erblick’.

3.
Du gabst Dich selbst gefangen,
Mit allem dem, was Dein,
Für uns am Kreuz zu hangen:
Das muß ja Liebe sein.

4.
Mein Jesu, laß Dich fassen
Mit froher Glaubenshand,
Dich halten, Dich nicht lassen,
Wie Dich die Liebe band.

5.
Ach nimm mich aus den Schlingen
Der Sünden ganz dahin,
Daß ich in allen Dingen
Des HErrn Gebund’ner bin.

6.
O bind’ in Deine Hände
Auch meine Seele ein;
Denn bis zu meinem Ende
Will ich Dein eigen sein.

7.
Reiß einst von meiner Zungen
Des Todes Band entzwei,
Damit Dein Lob besungen,
Dein Nam’ verherrlicht sei!

6. Oktober. Abend-Andacht.

Die Du Mir gegeben hast, habe Ich bewahret. Joh. 17,12.

Der Heiland sagte diese Worte, als Er vor Seinem Hingang in den Garten Gethsemane zu Seinem himmlischen Vater betete, und setzte hinzu: und ist Keiner von ihnen verloren, ohne das verlorene Kind (Judas Ischarioth), daß die Schrift erfüllet würde. Nach dem eigentlichen Laut dieser Worte möchte man meinen, der Heiland rede nur von der vergangenen Zeit, allein Johannes, der mit den übrigen Aposteln das Gebet Jesu angehört hatte, erzählt Joh. 18,8.9., der HErr Jesus habe bei Seiner Gefangennehmung am Oelberg zu Seinen Feinden gesagt: suchet ihr Mich, so lasset diese Meine Jünger gehen, auf daß das Wort erfüllet würde, welches Er sagte: Ich habe der Keinen verloren, die Du Mir gegeben hast. Hieraus erkennen wir, daß die Worte Jesu: die Du Mir gegeben hast, habe Ich bewahret, und ist Keiner von ihnen verloren, auch auf diejenige Zeit zu deuten sei, die von Seine Gebet an bis auf Seinen Tod verfloß. Der Heiland betete damals schon als ein Sterbender, oder als Einer, der zum Vater kam, V. 13. Er war im Geist schon nicht mehr in der Welt, V. 11. Es däuchte Ihn, Er stehe am Rand der Welt und am Eingang des Himmels, und bei dieser Erhebung Seines Geistes legt Er Seinem Vater Rechenschaft ab wegen der Treue, die Er gegen Seine Jünger bewiesen hatte, und in diese Rechenschaft war auch dasjenige noch eingeschlossen, was Er ihretwegen am Oelberg zu Seinen Feinden sagte. Als Er nämlich am Oelberg gefangen genommen wurde, waren Seine Jünger noch nicht so befestigt im Glauben, daß sie mit Ihm in’s Gefängniß und in den Tod hätten gehen können, ob sie sich schon vorher dazu anheischig gemacht hatten; allein die Furcht, womit sie flohen, und die Schwachheit, welche Petrus im Hof des Hohenpriesters zeigte, da ihn eine vermeinte Lebensgefahr bewog, Jesum zu verläugnen, bewies deutlich, daß es zur Bewahrung der Jünger in der Gnade höchst nöthig gewesen, daß der Heiland sie vor den Banden und dem Tod bewahrte, und durch das Machtwort: lasset diese gehen, Seine Feinde bewegte, sie laufen zu lassen.

Joh. 6,37. sagt der Heiland: Alles, was Mir Mein Vater gibt, das kommt zu Mir, und wer zu Mir kommt, den werde Ich nicht hinausstoßen. Will Er den Kommenden nicht hinausstoßen, so will Er ihn in Seine Gnade und in Sein Reich aufnehmen; will Er ihn aufnehmen, so will Er ihn auch bewahren bis an sein Ende. Er hat die Treue, die Er in den Tagen Seines Fleisches gegen diejenigen, die Ihm der Vater gegeben hat, bewiesen, bei Seiner Erhöhung nicht abgelegt, sondern beweiset sie noch auf dem Thron Seines Vaters, und bewahret sie, bis sie das Ziel ihrer Vollendung erreicht haben. Weil Er sie aber bewahren will, so wendet Er alle Versuchungen von ihnen ab, die ihnen zu schwer sind, gibt ihnen Licht in zweifelhaften Fällen, gibt ihnen, wenn sie müde sind, neue Kraft, erhält sie, wenn sie fallen, richtet sie auf, wenn sie niedergeschlagen sind, läßt sei bei dem Sterben einen sonderlichen Beistand genießen, vollführt das in ihnen angefangene gute Werk bis an den Tag Seiner herrlichen Erscheinung, und bewahrt auch die Seele eines Jeden, wenn sie von dem Leib geschieden ist, als eine Ihm anvertraute Beilage, bi sie mit dem auferweckten und verklärten Leib wieder vereinigt ist. Dank sei Dir, lieber Heiland, gesagt für Deine Treue. Bewahre uns ferner, bis wir aller Gefahr entgangen sind.

Mel.: Alles ist an Gottes Segen.

1.
Jesu! Du kennst die Gefahren;
Würdest Du mich nicht bewahren,
O wo käm’ ich endlich hin!
Denn der Feind hat tausend Tücke,
Daß ich alle Augenblicke
Nicht vor ihm gesichert bin.

2.
Die Dein Vater Dir gegeben,
Denen halfst Du aus zum Leben;
Hilf auch mir, denn ich bin Dein.
Wie ein Hirt der Schafe hütet,
Wenn der Löwe um sie wüthet,
Also schließt Dein Schutz uns ein.

3.
Bitte für mich, wenn ich wanke;
Heile mich, wenn ich erkranke;
Stärke mich, so oft ich matt;
Richte selbst mich auf vom Falle;
Führe mich, so lang ich walle,
Bis zum Thor an Deiner Stadt.

4.
O man kann sich schnell verlieren!
Doch Du läß’st Dir nichts entführen,
Was Dir einst gegeben ist.
Hast Du in der Welt gebeten,
Wirst Du uns auch jetzt vertreten,
Da Du in dem Himmel bist.

5.
Wenn ich vor mir selbst mich scheue,
HErr, so trau’ ich Deiner Treue,
Weil ich Dir gegeben bin;
Deine Kraft ist’s, nicht die meine;
Bringe mich, wie all’ die Deine,
Wohlbewahrt zum Vater hin!

7. Oktober. Morgen-Andacht.

Gott war in Christo und versöhnte die Welt mit Ihm selber, und rechnete ihnen ihre Sünden nicht zu. 2 Kor. 5,19.

Wenn in den Schriften des Neuen Testaments von der großen Versöhnung gehandelt wird, welche durch Christum geschehen ist, so wird immer gesagt, daß die Menschen Gott versöhnt worden seien, und diese werden alsdann als gewesene Feinde Gottes vorgestellt; wie denn Paulus Röm. 5,10. sagt: wir sind Gott versöhnet durch den Tod Seines Sohnes, da wir noch Feinde waren, und Kol. 1,21.22.: euch, die ihr weiland Fremde und Feinde waret durch die Vernunft in bösen Werken, hat Er nun versöhnet mit dem Leibe Seines Fleisches durch den Tod, auf daß Er euch darstellete heilig und unsträflich und ohne Tadel vor Ihm selbst. Wer will also die menschliche Natur, wie sie nach dem Sündenfall ist, rühmen? Es steckt eine Feindschaft wider Gott in ihr, welche sich durch die Vernunft äußert, die der Wahrheit Gottes widerspricht, arge Gedanken und Anschläge, und wohl gar Spöttereien und Gotteslästerungen aussinnet, und dabei euch in bösen Werken ausbricht. Diese Feindschaft wider Gott muß ein jeder Mensch in der Buße mit Schmerzen fühlen, erkennen und bekennen, aber auch eingestehen, daß er wegen derselben verwerflich und verdammungswürdig sei. Wie tröstlich ist’s aber, wenn der Mensch alsdann höret, daß Gott uns mit Ihm selber versöhnet habe durch Jesum Christ, 2 Kor. 5,18., oder daß Gott in Christo gewesen, da Er am Kreuz hing, und die Welt mit Ihm selber versöhnet habe. Es mangelte Gott nicht an einer vorläufigen Liebe gegen die Welt; denn der Sohn Gottes hat selber gesagt: also hat Gott die Welt geliebt, daß Er Seinen eingebornen Sohn gab. Ja eben dadurch hat Gott Seine Liebe gegen die Welt geoffenbart, oder, wie Röm. 5,8. gesagt wird, gepriesen, daß Er sie durch Jesum Christum mit Ihm selber versöhnt hat. Niemals bekehren sich so viele Menschen, daß die heilige Schrift hätte sagen können, die Welt bekehre sich, oder habe sich bekehrt; sie sagt aber, Gott habe die Welt mit Ihm selber versöhnt. Auch sagt sie nie, daß Gott die Welt durch das Evangelium oder durch Seinen Geist mit Ihm selbst versöhnt habe oder noch immer versöhne, sondern schreibt diese Versöhnung als eine geschehen Sache dem Tod Jesu zu, wodurch Jesus für uns zur Sünde oder zu einem Sündopfer gemacht worden ist, Röm. 5,10. 2 Kor. 5,21. Wir müssen also diese Versöhnung als eine sehr große und wichtige Sache ansehen, die geschehen ist, da Christus am Kreuze starb. Gott liebte die Welt; damit sich aber Seine Liebe an ihr auf eine geziemende Weise zu ihrer Seligmachung offenbaren könnte, mußte Christus am Kreuz sterben, zur Erweisung der göttlichen Gerechtigkeit, Röm. 3,25., welcher sonst durch die Begnadigung der Feinde Gottes einen Eintrag geschehen wäre. Gott rechnete um des Todes Jesu willen Seinen Feinden ihre Sünden nicht zu, daß Er um derselben willen über sie einen neuen Fluch ausgesprochen, und sie durch einen richterlichen Ausspruch von Seinem Angesicht verstoßen hätte, sondern richtete dagegen das Wort von der Versöhnung unter ihnen auf; Er ließ ihnen die durch Christum geschehene Versöhnung verkündigen, und sie dadurch locken und einladen, zu Ihm zu kommen, und zu Seinem Gnadenthron hinzunahen, damit sie Barmherzigkeit empfangen und Gnade finden, auf die Zeit, da ihnen Hülfe noth ist. Nun die durch Christi Tod geschehene Versöhnung sei auch heute mein Trost, und gebe mir Zuversicht, zu Gott zu nahen, und im Frieden vor Ihm zu wandeln.

Mel.: Ach Alles, was Himmel etc.

1.
Da Wunder der Gnade sei ewig gepriesen,
Das Gott an den Menschen in Christo bewiesen;
Er wollte die Welt mit Ihm selber versöhnen,
Die Schulden der Sünden durchstreichet Er ihnen.

2.
O Tiefe der Weisheit, erstaunliche Sache!
Daß Gott für die Sünder zur Sünde Den mache,
Der niemals von eigener Sünde nichts wußte,
Und dennoch ein Opfer für Alle sein mußte.

3.
Was hat ihr, was gebt ihr, ihr Menschen, dagegen?
Durchaus nichts! Was sollte ein Sünder vermögen?
Wir geh’n nur gebücket zum göttlichen Throne,
Und glauben die Liebe des Vaters im Sohne.

4.
Wir lassen uns billig in Christo versöhnen
Und danken der Gnade, daß sie uns erschienen;
Wir schicken uns, dort die Erbarmung zu loben,
Die uns aus der Hölle zum Himmel erhoben!

7. Oktober. Abend-Andacht.

So bekräftige nun, HErr Gott, das Wort in Ewigkeit, das Du über Deinen Knecht geredet hast, und thue, was Du geredet hast. 2 Sam. 7,25.

Gott hatte dem König David durch den Propheten Nathan verheißen, er wolle seinen Samen nach ihm erwecken, und den Stuhl seines Königreiches ewiglich bestätigen; Er wolle seines Samens Vater sein, und derselbe volle Sein Sohn sein; das Haus Davids und sein Königreich solle ewiglich beständig sein, und sein Stuhl ewiglich bestehen u.s.w. Diese Verheißung hat ein Prophet, Namens Ethan, im neun und achtzigsten Psalmen noch weiter ausgeführt, und deutlich auf den Messias, den Sohn Davids, gedeutet: David hat aber selber auch erkannt, daß diese Verheißung allzugroß sei, als daß sie ganz an seinem nächsten Nachfolger auf dem Throne erfüllt werden könne, und deßwegen V. 18. 19. gesagt: wer bin ich, HErr, HErr, und was ist mein Haus, daß Du mich bis hieher gebracht hast? Dazu hast Du das zu wenig geachtet, HErr, HErr, sondern hast dem Hause Deines Knechtes von fernem Zukünftigen geredet, das (was Du von meinem Stamm geredet hast) ist die Weise (oder Beschreibung) eines Menschen, der in der Höhe Gott, der HErr, ist. Er setzte aber V. 25. in seinem Gebet noch weiter hinzu: so bekräftige nun, HErr Gott, das Wort in Ewigkeit, das Du über Deinen Knecht geredet hast, und thue, was Du geredet hast. In eben diesem Sinn sagte die demüthige Maria Luk. 1,88. zu dem Engel Gabriel, der ihr etwas Ungemeines im Namen des HErrn verheißen hatte: siehe, ich bin des HErrn Magd; mir geschehe, wie du gesagt hast.

Uns, die wir im Gnadenreich unseres HErrn Jesu Christi nichts Außerordentliches zu gewarten haben, sind dennoch viele theure und sehr große Verheißungen Gottes geschenkt, deren Summe darin besteht, daß wir der göttlichen Natur theilhaftig werden sollen, so wir anders die vergängliche Lust der Welt fliehen, 2 Petr. 1,4. Diese Verheißungen sind mit vielen und vielerlei Worten in der heiligen Schrift ausgedrückt: es kommt aber nun darauf an, daß ein Jeder glauben könne, Gott habe dasjenige, was Er verheißen hat, über ihn, Seinen Knecht, geredet, oder die Verheißung gelte ihm, obschon sein Name in der Bibel nicht ausgedrückt ist. Diese glaubige Zueignung ist aber ein Werk des Trösters, des Heiligen Geistes, welcher ein jedes Verheißungs- und Trostwort, das in der Bibel steht, dem Menschen so an’s Herz reden, oder so in seine Seele hineinsprechen kann, daß der Mensch wie Jakob 1 Mo. 32,12. zu Gott sagen kann: Du hast gesagt: Ich will dir wohlthun, oder wie David: Du hast dieß und das über Deinen Knecht geredet. Alsdann soll aber der Glaube in der tiefsten Demuth sich dem gnädigen Willen Gottes unterwerfen; er soll zu der Verheißung Ja und Amen sagen, und sprechen: so bekräftige nun, HErr Gott, Dein Wort, thue, was Du geredet hast; mir geschehe, wie Du gesagt hast. Welch’ ein innerlicher Friede muß alsdann in einer Seele entstehen, wenn sie so auf eine Verheißung des wahrhaftigen Gottes gleichsam niedersinkt; und wie wohl muß es dem lieben Gott gefallen, wenn auf Sein Verheißungswort ein solches Echo des Glaubens erfolgt! Der Mensch hat nicht nöthig hiebei einzusehen, wie Gott Sein Wort bekräftigen oder erfüllen werde, sondern kann und soll sich, wie Abraham, damit beruhigen, daß Gott, was Er verheißen hat, auch thun könne, Röm. 4,21. Ach Gott, rede Du durch Deinen Geist Deine Verheißungen mir an’s Herz, damit ich sie glauben könne, und von den quälenden Sorgen befreit werde.

Mel.: O Gottes Sohn, HErr Jesu etc.

1.
Was bin ich, Herr, daß Du auch mir
Hast Deinen Sohn gegeben?
So komm’ ich Sünder noch zu Dir
Und aus dem Tod zum Leben;
Wie soll ich Dir für Deine Huld,
Für die Vergebung meiner Schuld,
Du Gott der Liebe, danken!

2.
Was bin ich, HErr, daß Du Dein Blut
Für Deinen Feind gegeben!
Du, Heiliger, starbst mir zu gut,
Daß ich durch Dich soll leben;
Ich bin versühnt, o Jesu, Dir
Soll nunmehr Alles, was in mir,
Für Deine Gnade danken.

3.
Was bin ich, HErr, daß Du auch mir
Ein neues Herz gegeben!
Mein Glaube kommt allein von Dir,
Und auch die Kraft zum Leben;
Sollt’ ich nicht Dir auch meines Theils
Für die Versieglung meines Heils,
Geist der Verheißung, danken?

4.
Bekräftige nun, HErr, Dein Wort
An mir, der armen Made,
Und führe mich zum Leben fort
In unverdienter Gnade;
Mach’ Du Gott, Vater, Sohn und Geist,
An mir auch wahr, was Du verheiß’st,
Daß ich Dir ewig danke!

8. Oktober. Morgen-Andacht.

Wir werden reichlich getröstet durch Christum. 2 Kor. 1,5.

Ist Gott nicht noch immer der Vater der Barmherzigkeit und der Gott alles Trostes? Tröstet Er nicht noch immer reichlich durch Christum? Warum ist denn die Welt so voll von Klagen, Sorgen, Mißvergnügen, Schwermuth? Ja, sagen Einige: wir sind Wittwen und Waisen; wir sind arm, kränklich oder krank; wir werden durch das Sterben der Unsrigen betrübt; uns begegnet viel Unglück. Seid ihr aber Christi, so dürfet ihr, wie Paulus, sagen: wir haben des Leidens Christi viel; denn Christus wurde auch ein Waise, weil Joseph, Sein Pflegvater, vor Seinem dreißigsten Jahr starb, Er war auch arm, geschmäht, gehaßt, und in Seinem letzten Leiden ein Mann voller Schmerzen und Krankheit. Alle Leidenden, die Christo angehören, dürfen also sagen, sie haben Leiden Christi, und, wenn sie viel leiden, sie haben des Leidens Christi viel. Ist aber dieses wahr, so sollen sie auch sagen können: wir werden reichlich getröstet durch Christum. Paulus klagte nicht so kleinmüthig, wie wir, sondern wickelte die Erwähnung von seinen vielen Leiden in’s Lob Gottes ein, da er sagte: gelobet sei Gott und der Vater unsers HErrn Jesu Christi, der Vater der Barmherzigkeit und der Gott alles Trostes, der uns tröstet in aller unserer Trübsal, daß wir auch trösten können, die da sind in allerlei Trübsal, mit dem Trost, damit wir getröstet werden von Gott. Denn gleichwie wir des Leidens Christi viel haben, also werden wir auch reichlich getröstet durch Christum, V. 3.4.5. Gott ist’s also, der die Leidenden tröstet. Er tröstet nicht kärglich, sondern reichlich. Er tröstet durch Christum, indem Er die tröstliche Lehre Christi der Seele kräftig macht, das Beispiel Seiner Leiden dem leidenden Menschen zu seiner Beruhigung vorhält, die Versühnung, die Er ausgerichtet hat, ihn genießen läßt, und dadurch Friede in seiner Seele anrichtet, und ihr eine Aussicht auf die ewige Herrlichkeit gibt, welche auf das Leiden der Glaubigen folgt. Kurz zu sagen, durch Christum neigt sich die Liebe des Vaters zu dem Menschen; durch Christum empfängt er den Heiligen Geist, als einen treuen Tröster und Beistand, welcher das Evangelium ihm klar und kräftig macht; und so wird der Mensch, der des Leidens Christi viel hat, reichlich getröstet durch Christum.

Woher entstehen aber die kümmerlichen Klagen, und die unmuthigen Bekümmernisse? Sie entstehen aus dem Unglauben, welcher die Seele vor Gott verschließt, und wodurch der Mensch sich von Ihm abwendet. Herrscht dieser Unglaube in dem Menschen, so ist er keines evangelischen Trostes fähig, und wenn die Seele in der Buße vom Unglauben zum Glauben übergeht, so kann etwa eine Zeit lang in gewissem Maße zu ihr gesagt werden: du Elende, über die alle Wetter gehen, und du Trostlose! Jes. 54,11. Auch kann ihr auf dem Glaubensweg zuweilen um Trost sehr bange, und sie gedrungen werden, zu Gott zu sagen: meine Augen sehnen sich nach Deinem Wort, und sagen: wann tröstest Du mich? Ps. 119,82. Gott aber tröstet denjenigen, der Ihn sucht und anruft, und dabei still ist und harret, bald wieder reichlich durch Christum. Er tröstet so, daß er das Bewußtsein und die Empfindung der Leiden nicht immer aufhebt, das Trauern nicht verbietet, weil Christus selber getrauert hat, und die Seele nicht immer in eine hüpfende Freude versetzt, Er tröstet aber doch so, daß die Seele ruhig wird, die gute Ursache und den guten Zweck der Leiden einsieht, Gott mit Loben und Danken ehren, und auf ihrem Glaubensweg bei der Hoffnung der Herrlichkeit richtig fortschreiten kann. Und dieses heißt schon reichlich getröstet durch Christum. Gott tröste uns, und laß leuchten Dein Antlitz, so genesen wir.

Mel.: Valet will ich dir geben.

1.
Im Jammer dieser Erde
Wünscht sich die Seele Ruh’,
Und will getröstet werden;
Hier aber reicht nichts zu.
Hingegen den Erlösten
Wird nie ihr Trost zu Spott;
Gott kann sie mächtig trösten:
Durch Christum tröstet Gott.

2.
Der Weltwitz heilt mit Gründen
Von allzuschwacher Art,
Beschwätzet das Empfinden,
Doch ist das Herz zu zart;
Bald spricht er vom Geschicke,
Und bald vom Ungefähr,
Doch bleibt in beidem Stücke
Der Grund des Herzens leer.

3.
In Christo sind die Quellen
Zum wahren Herzenstrost,
Der taugt zu allen Fällen,
Auch wenn’s das Leben kost’t,
Auch gegen alle Sünden,
Auch gegen Gottes Zorn,
Auch gegen Höllenschlünden
Ist hier der off’ne Born.

4.
Du Vater voll Erbarmen,
Wie herzlich tröstest Du;
Du reicher Gott der Armen,
Wie kräftig sprichst Du zu!
Nimm schon aus Pilgrimshütten
Durch Christum Dank und Ruhm,
Und wenn es ausgelitten,
Auch dort im Heiligthum!

8. Oktober. Abend-Andacht.

Wer überwindet, dem will Ich geben, mit Mir auf Meinem Stuhl zu sitzen, wie Ich überwunden habe, und bin gesessen mit Meinem Vater auf Seinem Stuhl. Offenb. 3,21.

Der HErr Jesus sagte nicht, daß der Ueberwindende mit Seinem Vater auf Seinem Stuhl oder Thron sitzen werde. Dieses ist das Vorrecht des eingebornen Sohnes Gottes, der, weil Er die menschliche Natur in die Einigkeit Seiner göttlichen Person aufgenommen hat, würdig war, sich auf den göttlichen Thron des Vaters zu setzen, folglich zur göttlichen Majestät und Gewalt erhöht zu werden. Wer mit dem Vater auf Seinem Thron sitzt, hat keinen Thron und König über sich, gleichwie der Vater keinen über sich hat, und ist im völligsten Verstand der Allerhöchste. Wir haben also einen solchen Hohenpriester, der da sitzet zu der Rechten der Majestät in dem Himmel, Hebr. 8,1. Bis dahin wird kein Engel erhöht; denn zu welchem Engel hat Gott jemals gesagt: setze dich zu Meiner Rechten? Hebr. 1,13. Auch hat er dieses zu keinem Menschen gesagt, sondern nur zu demjenigen, zu dem Er auch gesagt hat: Du bist Mein Sohn, heute habe Ich Dich gezeuget, V. 5. Dieser ist, nachdem Er überwunden hat, mit Seinem Vater gesessen auf Seinem Stuhl. Nun sagt Er aber mit einer unbegreiflichen Liebe: wer überwindet, dem will Ich geben, mit Mir auf Meinem Stuhl zu sitzen. Indem Er sagt: Ich will geben, so zeigt Er an, daß Er der Erstgeborne unter vielen Brüdern und der HErr über Alles sei. Er verheißt hier eben dasjenige, das der Heilige Geist durch Paulus verspricht, der 2 Tim. 2,11.12. schreibt: das ist je gewißlich wahr: dulden wir, so werden wir mit herrschen. Der Thron Jesu, auf dem die Ueberwindenden mit Ihm sitzen sollen, bezieht sich ohne Zweifel auf das Reich, das Er am Ende Gott und dem Vater übergeben wird, 1 Kor. 15,24. Gleichwie Er als Gottmensch und als der eingeborne Sohn Gottes gleiche Majestät und Gewalt mit dem Vater hat, zu welcher kein bloßes Geschöpf gelangen kann: also will Er als der Erstgeborne Seine vielen Brüder zur Gemeinschaft der Herrlichkeit und Gewalt, welche Er als der erhöhte Menschensohn besitzt, erhöhen. Er herrscht, und sie sollen mit Ihm herrschen. Er regiert, und sie sollen mit Ihm regieren, Offenb. 20,4. 22,5. Er will die Rechte Seiner erhöhten Menschheit (Seine göttliche Hoheit, oder Seinen Namen, der über alle Namen ist, ausgenommen) den Ueberwindern mittheilen. Doch was stammeln wir davon? Lasset uns überwinden, so werden wir von demjenigen, was hier verheißen ist, mehr erfahren, als wir jetzt verstehen können.

Der Bischof zu Laodicea, an den Jesus diese Verheißung schreiben ließ, war, weil er nicht bekehrt war, aber doch viele Rührungen und eine feine Erkenntniß hatte, weder kalt noch warm, sondern lau, und sprach in einer eiteln Einbildung: ich bin reich, und habe gar satt, und bedarf nichts. Wenn er nun die liebreiche Bestrafung Jesu annahm, und nach Seinem Rath das Gold eines lebendigen Glauben, Augensalbe der Erleuchtung, und weiße Kleider der Gerechtigkeit umsonst und ohne Geld kaufte, so hat er im Ueberwinden schon einen guten Anfang gemacht, und es, was die Hauptsache anbelangt, gewonnen.

Mel.: Gott sei Dank in aller Welt. 1.
Jesus sitzet, als der Sohn,
Jetzt auf Seines Vaters Thron;
Weil Er Seinen Sieg vollbracht,
Gab der Vater Ihm die Macht.

2.
Seine Macht ist königlich:
Er setzt Sieger neben Sich;
Solche Ehre, hört es doch,
Kriegt man nach dem Kämpfen noch!

3.
Jesu! gib mir Heldenmuth,
Auch zu siegen durch Dein Blut;
Nur durch dieses kann ich rein
Und im Eifer hitzig sein.

4.
Spei’ mich nicht, als lau, dahin;
Prüfe selbst mich, wie ich bin;
Bin ich arm und blind und bloß,
O so ist mein Elend groß!

5.
Du bist gegen Arme hold:
Schenke mir des Glaubens Gold,
Zieh’ mir weiße Kleider an,
Daß ich vor Dir stehen kann.

6.
Reich’ mir Augensalbe dar,
Mach’ mir Alles offenbar,
Dich, als wahrhaft und getreu,
Mich, wie noth mir Buße sei.

7.
Wen Du liebst, den züchtigst Du,
Redest scharf und liebreich zu:
Halte mich in Deiner Zucht,
Die der Seelen Bestes sucht.

8.
Du bist immer näher da,
Und mein Ende ist mir nah’:
Komm’ und kehre bei mir ein,
Was ich habe, das ist Dein.

9.
Gib mir, was ich fassen kann;
Bricht Dein großer Tag einst an,
Gib mir, Dich als Gottes Sohn
Anzubeten auf dem Thron!

9. Oktober. Morgen-Andacht.

Welche Gott versehen hat, die hat Er auch verordnet, daß sei gleich sein sollen dem Ebenbild Seines Sohnes, daß derselbe der Erstgeborne sei unter vielen Brüdern. Welche Er aber verordnet hat, die hat Er auch berufen, welche Er aber berufen hat, die hat Er auch gerecht gemacht, welche Er aber gerecht gemacht, die hat Er auch herrlich gemacht. Röm. 8,29.30.

Paulus macht hier große Schritte von der Ewigkeit, die vor der Welt war, bis zu der Ewigkeit, die nach dieser Welt sein wird. Von Ewigkeit, ehe der Welt Grund gelegt war, hat Gott diejenigen, die selig werden, versehen, oder liebreich erkannt, oder erwählt, und zugleich zu einem sehr edeln und herrlichen Zustand verordnet oder bestimmt. Was ist aber dieses für ein Zustand? Es ist die Gleichförmigkeit mit Seinem Sohn. Die Auserwählten sollen Seinem Sohn gleich werden, 1 Joh. 3,2. Auch ihre auferweckten Leiber sollen so verherrlicht werden, daß sie Seinem verklärten Leibe ähnlich werden, Phil. 3,21. Der Sohn Gottes gibt ihnen die Herrlichkeit, die Ihm der Vater gegeben hat, Joh. 17,22. Der Zweck hievon ist dieser, daß derselbe der Erstgeborne sei unter vielen Brüdern. Als der eingeborne Sohn Gottes hat Christus keine Brüder, wie dieser Name selber anzeigt, und Er kann Niemand die Herrlichkeit mittheilen, die Er als ein Solcher zur Rechten des Vaters hat: aber als der Erstgeborne hat Er viele Brüder. Als der Erstgeborne hat Er den Vorzug vor Allen. Sein ist die Herrschaft und das Priesterthum; doch ist es Sein und des Vaters Wille, daß Seine vielen Brüder Seinem Ebenbild ähnlich und Seine Miterben seien. Bis dahin will es also die Liebe Gottes bei allen Auserwählten bringen; und wer ist, der sich einen herrlicheren Zustand vorstellen könnte?

Nachdem Paulus dieses geschrieben hatte, so ging er zurück, und fing wieder bei der göttlichen Verordnung oder Bestimmung an, welche vor der Schöpfung der Welt in der göttlichen Vorsehung oder Erwählung enthalten gewesen war, und zeigte die Ordnung, in welcher Gott diese Seine Verordnung zur Erfüllung bringe. Erstlich redete er von dem kräftigen Beruf, der an einen jeden Auserwählten in seiner Lebenszeit von Gottes wegen ergehe, und schritt hernach fort zu der Rechtfertigung, welche allen denjenigen widerfährt, welche durch die berufene Gnade zum Glauben an Jesum gelangen, von dieser aber zur Verherrlichung. Es ist klar, daß Paulus hier voraussetze, es gehe Alles in der Ordnung nach dem Willen Gottes, und der Mensch widerstrebe dem göttlichen Beruf nicht, und weiche auch nach der Rechtfertigung nicht mehr von Gott ab. Wo bleibt aber, möchte man fragen, die Heiligung, ohne welche Niemand den HErrn sehen wird? Diese ist schon der Anfang der Verherrlichung; denn Paulus sagte 2 Kor. 3,18., indem er von derselben redete: nun spiegelt sich in uns Allen des HErrn Herrlichkeit mit aufgedecktem Angesicht, und wir werden verherrlicht in dasselbe Bild von einer Herrlichkeit zu der andern als vom HErrn, der der Geist ist. Und fürwahr, wenn heilige Menschen sagen können: wir haben Christi Sinn, und: wie Er ist, so sind auch wir in dieser Welt, so hat ihre Verherrlichung, folglich auch ihre Gleichheit mit dem Ebenbild des Sohnes Gottes, schon angefangen, und die göttliche Verordnung schon etwas von ihrem Zweck erreicht. O Gott! wir sind nichts werth. Laß uns aber werden, was Du aus uns machen willst, zum Lob Deiner Herrlichkeit.

Mel.: Nun ruhen alle Wälder.

1.
Die Gnade geht durch Stufen
Mit denen, die berufen
Nach Gottes Vorsatz sind.
Er hat’s zuvor ersehen,
Sein Vorsatz muß bestehen,
So wie Sein Sohn ist, wird das Kind.

2.
O großes Haupt der Glieder,
Du Erster Deiner Brüder,
Man hat’s in Dir allein!
Berufen sein vom Sterben,
Verordnet sein zum Erben,
Gerecht gemacht und herrlich sein.

3.
HErr Gott, auf jedem Grade
Von dieser hohen Gnade
Sei Dir Dein Ruhm gebracht!
Dir singt zu Deinen Ehren,
Wer Deinen Ruf kann hören,
Dir dankt, wen Du gerecht gemacht.

4.
Dich rühmt, wer herrlich worden,
Als Glied vom Kinderorden,
Auch in der Leidenszeit.
Dort auf der höchsten Stufen
Wird Alles jauchzend rufen:
Gott, Dir sei Macht und Herrlichkeit!

9. Oktober. Abend-Andacht.

Derselbige Geist, den Ich euch senden werde, wird Mich verklären. Joh. 16,14.

Als der HErr Jesus erhöhet wurde, wurde Er bei dem Vater verkläret, und zwar mit der Klarheit, die Er bei Ihm hatte, ehe die Welt war: der Heilige Geist aber, den Er sandte, verklärte Ihn in den Herzen der Glaubigen, gleichwie Er selbst schon vorher den Vater auf Erden dadurch verkläret hatte, Joh. 17,4., daß Er den Namen desselben den Menschen offenbarte, die Ihm der Vater von der Welt gegeben hatte, V. 6. Auch war Er selbst schon in den Aposteln verkläret, da Er für sie betete, V. 10., weil sie die Worte, die Ihm der Vater gegeben hatte, und die Er ihnen gab, angenommen, und wahrhaftig erkannt hatten, daß Er vom Vater ausgegangen sei, und glaubten, daß der Vater Ihn gesandt habe, V. 8. Wenn also die Herrlichkeit Jesu den Menschen offenbar oder von ihnen erkannt wird, so wird Er ihnen verkläret. Seine Herrlichkeit besteht aber darin, daß Er der eingeborne Sohn Gottes und der Mittler zwischen Gott und den Menschen ist. Dazu rechne man aber alle herrlichen Namen, welche Ihm die heilige Schrift beilegt, da sie Ihn Jesus oder Heiland, Christus oder den Gesalbten, Immanuel oder Gott mit uns, und Licht, Leben, Weg, Wahrheit, König, Priester, Wort und Weisheit nennt. Wenn nun ein Mensch Jesum nach diesen Seinen Namen, und nach allen evangelischen Zeugnissen, welche Erklärungen derselben sind, erkennt, so ist Jesus in ihm verklärt. Diese Verklärung aber hat ihre Stufen, wie man an den Aposteln wahrnehmen kann, in denen Jesus vor Seinem Tod verklärt war, denen aber doch eine weitere Verklärung desselben verheißen wurde, deren sie nach Seiner Himmelfahrt sollten gewürdigt werden. Niemand denke aber, daß diese Verklärung nur in einer Wissenschaft bestehe, die der Mensch bekomme, ohne daß sein Herz geändert werde. Ach nein: sondern wenn Jesus in den Menschen verklärt wird, so spiegelt sich in ihm des HErrn Klarheit, und er selbst wird in dasselbe Bild verklärt von einer Klarheit zu der andern. Er ist das beständige Licht der Seele, die vorher finster gewesen war. Er gewinnt in der Seele eine Gestalt. Seine Erkenntniß wird in ihr überschwänglich, das ist, sie bekommt ein Uebergewicht gegen alle anderen Vorstellungen und Neigungen. Sie betet an, sie liebt, sie lobt Denjenigen, der in ihr verklärt ist, sie hanget Ihm an, sie unterwirft sich Ihm ganz, sie erlangt durch diese Verklärung Gnade und Frieden, Gerechtigkeit und Stärke. Die Wichtigkeit derselben zeigt schon an, daß sie kein Werk der menschlichen Vernunft und Kraft, sondern ein Geschäfts des Geistes der Wahrheit sei, den Jesus gesandt hat, und noch sendet. Derselbige, sagt Christus, wird Mich verklären. Man predige also einem Menschen den ganzen christlichen Glauben, man erkläre und beweise ihm einen jeden Artikel auf das Deutlichste und Gründlichste: ohne die Wirkung des Heiligen Geistes wird doch der Mensch blind und finster bleiben, und Jesus wird in ihm nicht verklärt werden. Wenn aber der Heilige Geist das gehörte oder gelesene Wort, das von Jesu handelt, dem Menschen klar und kräftig macht, so geschieht diese Verklärung in ihm, und diese währt fort und nimmt zu, bis endlich der von allem Uebel erlöste Mensch Jesum in jener Welt so erkennt, wie er von Ihm erkannt ist, und von Seiner Herrlichkeit ganz durchdrungen und erfüllt ist. Himmlischer Vater, verkläre Deinen Sohn in uns durch Deinen Geist.

Mel.: Jesus, meine Zuversicht.

1.
Der Vernunft scheint Jesus klein,
Wie Er eh’mals war auf Erden;
Doch Er drang zum Himmel ein,
Ueber Alles HErr zu werden,
Und es ist vom Lügengeist,
Wem nicht Jesus herrlich heißt.

2.
Jesus ist dem Glauben groß,
Und in Wahrheit ist nichts größer;
Der am Kreuz mit Blute floß,
Ward mein ewiger Erlöser;
Und es ist von Gottes Geist,
Wenn uns Jesus herrlich heißt.

3.
Was die Erde Herrlich’s kennt,
Welket wie des Grases Blume;
Was der Himmel Mächte nennt,
Weicht doch weit des Sohnes Ruhme;
Denn der Sitz auf Gottes Thron
Ist das Erbrecht für den Sohn.

4.
O Du Geist der Herrlichkeit,
Mach’ mir Jesum groß im Herzen,
Daß mich Sein’ Erkenntniß freut
Mitten unter Schmach und Schmerzen!
Den ich noch nicht schauen kann,
Bet’ ich doch im Glauben an.

5.
Jetzt ist’s noch ein holder Schein,
Wer in Seine Klarheit siehet;
Künftig wird’s ein Blitzen sein,
Dem die Bosheit nicht entfliehet.
Bring’ mich dahin, Jesu Christ,
Wo Du ewig Sonne bist!

10. Oktober. Morgen-Andacht.

Christus ist so viel besser worden als die Engel, so viel einen höhern Namen Er von ihnen ererbet hat. Hebr. 1,4.

Paulus wollte den HErrn Christum in dem Brief an die Hebräer hoch preisen, und bewies deßwegen, daß Er besser worden sei, als die Engel, und daß Er größer sei als Mose und Aaron, welche unter allen Menschen die höchste Würde erlangt haben, weil jener als Prophet, und dieser als Priester für sich und Andere zu Gott nahen durfte. Außer dem menschlichen Geschlecht gibt es keine so vortrefflichen Geschöpfe als die Engel. Auch die vier Thiere oder lebendigen Wesen, welche Johannes zunächst bei dem Thron Gottes sahe, sind in dem Brief an die Hebräer unter den Engeln begriffen, ob sie schon Offenb. 7,11. in einem andern Verstand von allen Engeln unterschieden werden. Christus nun, der Gesalbte, der Sohn der Maria, ist von Seiner Empfängniß an viel besser worden, als die Engel, so viel einen höhern Namen Er vor ihnen ererbet hat. Was ist dann dieses für ein Name? Es ist der Name: Sohn Gottes; denn der Apostel sagt: zu welchem Engel hat Gott jemals gesagt: du bist Mein Sohn, heute habe Ich dich gezeuget? Ps. 2,7., und abermal: ich werde Sein Vater sein, und Er wird Mein Sohn sein, 2 Sam. 7,14. Da also der Engel Gabriel Luk. 1,35. zu der Maria sagte: der Heilige Geist wird über dich kommen, und die Kraft des Höchsten wird dich überschatten; darum auch das Heilige, das von dir geboren wird, wird Gottes Sohn genannt werden: so belehrte er sie, daß Jesus schon als Kind viel besser, größer, ehrwürdiger und vornehmer als die Engel sein werde, und daß Ihn deßwegen alle Engel Gottes anbeten sollen, Hebr. 1,6. Menschen können Kinder Gottes heißen; Engel heißen, Hiob 38,7., Söhne Gottes; aber in demjenigen Verstand, in welchem Jesus der Sohn Gottes ist, ist’s Keiner von ihnen. Er ist der Eingeborne, der Seines Gleichen nicht hat. Er war vor Seiner menschlichen Geburt das Wort, und als das Wort bei Gott, und selber Gott, und konnte, da Er in der Niedrigkeit wandelte, sagen: Ich und der Vater sind Eins, und hat, nachdem Er die Reinigung unserer Sünden durch Sich selbst gemacht hatte, Sich zur Rechten der Majestät in der Höhe gesetzt, wohin kein Engel aufsteigen darf, und wo Er mit eben den Worten von den himmlischen Heerscharen gepriesen wird, mit welchen sie den Vater preisen.

Ist nun Jesus über die Engel und über Alles erhaben, und der eingeborne Sohn Gottes, ja der wahrhaftige Gott und das ewige Leben, so sollen wir Ihn anbeten, und in unsern Herzen, mit unserm Mund, und mit unsern Werken ehren. die Ehre, die wir Ihm erweisen sollen, hat keine Grenzen in der heiligen Schrift; wir dürfen also nicht fürchten, daß wir Ihn zu viel ehren können: da hingegen Johannes den Engel, der mit ihm redete, zweimal zu viel ehrete, da er vor ihm niederfiel. Auch können wir nicht zu viel Vertrauen auf Ihn setzen, und nicht zu viel Liebe gegen Ihn haben, wie bei einem jeden erschaffenen Wesen, wenn es auch sehr vortrefflich wäre, leichtlich geschehen könnte, weil doch seine Kraft und Güte Grenzen hätte. Alles, was wir dem Jehovah, dem Schöpfer des Himmels und der Erden, dem Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs leisten sollen, sind wir schuldig auch dem Messias Jesus zu leisten, wie viele Stellen der heiligen Schrift deutlich beweisen, weil Er selbst auch Jehovah, unsere Gerechtigkeit, ist. Wenn wir den Engel sähen, der Offenb. 10. beschrieben ist, so würden wir meinen, es gäbe nichts Herrlicheres: aber Jesus ist viel herrlicher. Die Engel sind Seine Engel, Er aber ist ihr HErr.

Mel.: Schmücke dich, o liebe Seele.

1.
Jesus ist viel besser worden,
Als der Engel hohe Orden;
Er hat einen höhern Namen,
Als dieß Flammenheer zusammen.
Nach dem priesterlichen Sterben
Mußt’ Er diesen Namen erben,
Und der Vater gab dem Sohne
Alle Macht auf Seinem Throne.

2.
So sitzt Er zu Gottes Rechten,
Und hat Engel selbst zu Knechten,
Die sich freu’n, vor Ihn zu treten,
Und Ihn, Gott gleich, anzubeten.
Alle Seine Feinde müssen
Sein zum Schemel Seiner Füßen;
Aber denen lieben Seinen
Wird Er bald zum Heil erscheinen.

3.
Freu’ dich, Seele, Seiner Größe;
Schämest du dich deiner Blöße,
Wisse, daß Er dir im Glauben
Doch den Zutritt will erlauben.
Bete an vor Seinem Throne,
Dank’ dem Vater in dem Sohne;
Künftig loben All’ zusammen,
Mensch und Engel, Seinen Namen.

10. Oktober. Abend-Andacht.

Denn die Liebe Christi dringet uns also; sintemal wir halten, daß, so Einer für Alle gestorben, so sind sie Alle gestorben. 2 Kor. 5,14.

Wenn die Liebe dringt, so ist es ein angenehmer, sanfter, aber mächtiger Drang. Die Seele wird durch sie gleichsam gefangen gehalten, und kräftiglich geneigt und getrieben, nur für den geliebten Liebhaber zu leben, und ihm ungeachtet der Schmach und Schmerzen, die dabei vorkommen mögen, gefällig zu sein. Das Gesetz befiehlt, drohet, flucht, und bringt nichts zuwege, als die kraftlosen Wünsche und Bestrebungen, die Röm. 7. beschrieben sind: aber der Drang der Liebe Christi wirkt dasjenige, was das Gesetz heischt, und verschafft, daß die Gerechtigkeit, vom Gesetz erfordert, in dem Menschen erfüllt wird. Alle Seligen im Himmel leben und bewegen sich bei diesem süßen Drang der Liebe Christi, und die Gerechten auf Erden sollen ihn auch fühlen. Die Liebe Christi gegen uns kann empfunden und erkannt werden. Daß sie empfunden oder gefühlt werden könne, bezeugt das Hohelied Salomo’s nebst vielen Sprüchen der heiligen Schrift, und alle Heiligen bezeugen es aus der Erfahrung; daß man sie aber auch mit dem Verstand erkenne, bezeugt Paulus, indem er sagt: sintemal wir halten, daß, so Einer für Alle gestorben ist, so sind sie Alle gestorben. Dieses ist die größte Probe der Liebe Christi, daß Er für Alle gestorben ist. Sterben ist doch das Aeußerste, das ein Mensch aus Liebe übernehmen kann. Christus ist aber aus Liebe gestorben, Er ist für Alle gestorben, und dieses gilt so viel, als ob Alle gestorben wären, weil Er im Sterben ihre Stelle vertreten hat. Wer nun diese Liebesprobe Christi mit seinem Verstand erkennt und betrachtet, und Seine Liebe zugleich fühlt, wie sie noch jetzt sich u den Sündern neigt, und sie tröstet, erquickt, erleuchtet, reiniget, zurechtweiset, stärket, und zur Empfahung des himmlischen Erbes zubereitet, wird sich auch gedrungen fühlen, nicht mehr sich selber zu leben, sondern Demjenigen, der für ihn gestorben und wieder auferstanden ist. Ein solches Leben verdient allein den Namen eines christlichen Lebens, und kann bis an’s Ende der Wallfahrt durch viele Jahre, wenn Gott es haben will, fortgeführt werden, weil die Liebe Christi eine Quelle ist, die nie vertrocknet, und ein Licht, das nie verlöscht, und dem Müden immer neue Kraft gibt. Unter diesem Drang der Liebe Christi haben alle wahren Christen sich selber verleugnet, ihr Kreuz auf sich genommen, und sind Christo nachgefolgt, ohne sich über die Härtigkeit ihres HErrn oder über die Schwere Seiner Gebote zu beklagen. Niemals aber haben sie dafür gehalten, daß sie die Liebe Christi völlig erkannt haben; denn sie übertrifft alle Erkenntniß, Eph. 3,19., oder daß sie dieselbe ganz empfunden haben, denn der irdische Zustand und die noch übrige Sünde hindert solches. Hier hat also ein geistliches Wachsthum statt, bis das Vollkommene kommt, und das Stückwerk aufhört. In Ewigkeit aber wird man nicht aufhören, von Christo geliebt zu werden, und Ihn zu lieben, und dabei über alle Maßen vergnügt und glückselig sein.

Mel.: Nun sich der Tag geendet hat.

1.
Die Liebe Christi dringet uns,
Es ist ein sanfter Drang;
Sie ist das Triebwerk unsers Thuns,
Und wirkt doch ohne Zwang.

2.
Ihr Seelen, die Er sich erwarb:
Die Liebe dringet euch;
Da Einer für uns Alle starb,
So starben wir zugleich.

3.
So oft mein Herz hieran gedenkt,
So geht ein Feuer an;
Sein Geist ist’s, der mir Gnade schenkt,
Daß ich Ihn lieben kann.

4.
Denn darum starb Er uns zum Heil,
Auf daß man glaubensvoll,
Als Sein mit Blut erworb’nes Theil,
Dem Heiland leben soll.

5.
Die Liebe dringt ganz angenehm
Im neuen Herzensgrund;
Man lebt sich selbst nicht, sondern Dem,
Der starb und auferstund.

6.
Mein Heiland! ich erkenne Dich;
Mein Freund ist weiß und roth;
ach Deine Liebe dringe mich,
Die stark ist wie der Tod!

7.
Du hast es tausendmal verdient,
Daß Dich die Seele liebt;
Die Tod hat mich mit Gott versöhnt,
Der mir die Schuld vergibt.

8.
Schleicht eine fremde Liebe sich
Mit ihrer Reizung ein,
So dringe Deine Liebe mich,
Nur Dir getreu zu sein.

9.
Ja, Deine Liebe dringe mich
Zur Sehnsucht nach Dir an,
Daß ich, o lieber Heiland, Dich
Dort ewig lieben kann.

11. Oktober. Morgen-Andacht.

Was betrübst du dich, meine Seele, und bist so unruhig in mir? Harre auf Gott, denn ich werde Ihm noch danken, daß Er meines Angesichtes Hülfe und mein Gott ist. Ps. 42,12.

Was zuvor geschrieben ist, das ist uns zur Lehre geschrieben; folglich auch dieses, daß ein Christ, wie David, betrübt werden könne wegen der Leiden, die auf ihm liegen, und unruhig wegen der Dinge, die er wünscht, und zur selbigen Zeit nicht haben kann. David sagte Ps. 42,4.: meine Thränen sind meine Speise Tag und Nacht, weil man täglich zu mir sagt: wo ist nun dein Gott? und V. 10.11.: ich sage zu Gott, meinem Fels: warum hast Du mein vergessen? Warum muß ich so traurig gehen, wenn mein Feind mich dränget? Es ist als ein Mord in meinen Gebeinen, daß mich meine Feinde schmähen, wenn sie täglich zu mir sagen: wo ist nun dein Gott? Es mögen aber diese oder andere Ursachen der Betrübniß und Thränen bei einem Christen entstehen, so darf er sich derselben nicht schämen, weil auch Christus betrübt gewesen ist und geweint hat, und weil nicht die Betrübniß, sondern die Furcht dem Glauben zuwider ist. David war ferner wegen des Orts seines Aufenthaltes unruhig; denn er mußte sich wegen des Aufruhrs, den sein leiblicher Sohn Absalom wider ihn erweckt hatte, am Jordan, am Berg Hermon und Misar aufhalten, und hatte ein unruhiges Verlangen, dem erquicklichen Gottesdienst auf dem heiligen Berg Zion, wo die Bundeslade war, beizuwohnen. So wünscht oft ein Christ, da oder dort zu sein, diese oder jene Veränderung seiner Umstände zu erleben, diesen oder jenen Genuß zu erreichen; aber indem er es wünscht, hat er es nicht, es steht auch nicht in seiner Macht, seinen Wunsch zu erfüllen, und er sieht vielleicht auch kein Mittel vor sich, wodurch er erfüllt werden könnte. Was ist nun da zu thun? Die Welt spottet und sagt: wo ist nun dein Gott? Auch kann der Versucher sprechen: hältst du noch fest an deiner Frömmigkeit? Ja, segne Gott und stirb, oder: hilf dir selber, oder: dieses und jenes will ich dir geben, so du niederfällst und mich anbetest. Ein redlicher Christ aber sagt durch den Beistand des Heiligen Geistes zu sich selber: was betrübst du dich, meine Seele, und bist so unruhig in mir? Harre auf Gott, denn ich werde Ihm noch danken, daß Er meines Angesichtes Hülfe und mein Gott ist. Die Frage: was betrübst du dich? ist gleichsam ein Verweis, den man sich selber gibt, wie denn freilich keine Betrübniß und Unruhe bei dem Sünder ohne Tadel ist. Auch verwundert sich der Mensch, der diese Frage an seine eigene Seele tut, daß sie der Betrübniß und Unruhe so lange nachgehängt habe, da doch ein Ausweg vorhanden sei, auf welchem sie jener und dieser entgehen könne. Welches ist aber dieser Ausweg? Das Harren auf Gott, oder das Warten mit einer auf Gott gesetzten Zuversicht. Was man nicht hat, soll man hoffen, und auf das, was nicht ist, warten, und sich dabei auf Gottes Güte, Treue, Allmacht, und auf die Wahrheit Seiner Verheißungen, die in Christo Jesu Ja und Amen sind, verlassen. Man sagt also zu sich selber mit einer ruhigen Gewißheit: ich werde Gott noch danken, daß Er meines Angesichtes Hülfe und mein Gott ist. V. 6. sagt David: ich werde Ihm noch danken, daß Er mit hilft mit Seinem Angesicht, welches Er über mir wird leuchten lassen, und welches auf meine Feinde sehen wird, 1 Petr. 3,12. Hier aber sagt er: ich werde Ihm noch danken, daß Er meines Angesichtes Hülfe und mein Gott ist, Er wird mir also helfen, daß ich es sehen werde, und mein trauriges Angesicht dadurch heiter werden wird, und ich werde erfahren, daß mein Gott, wegen dessen die Welt spöttisch fragt, wo Er sei, wahrhaftig mein Gott sei.

Mel.: Wer Jesum bei sich hat.

1.
Mein Herz gib dich zur Ruh’,
Was soll das Zagen?
Was willst du immerzu
Dein Elend klagen?
Laß die bekümmert sein,
Die Gott nicht kennen,
Die Ihn in ihrer Pein
Nicht Vater nennen.

2.
Auf, schau nur über sich,
Wer dich betrübet;
Der Vater sieht auf dich,
Der stäupt und liebet;
Nach Ihm sieh in die Höh’
Mit steifem Sehnen,
Und glaube nur, Er seh’
Dir in die Thränen.

3.
Wenn du im Seufzen meinst,
Wie viel dir fehle,
So sage, wenn du weinst,
Doch deiner Seele:
An Jesu ist’s genug,
Den Er gegeben.
Das ist des Vaters Zug,
Er zieht zum Leben.

4.
Sei still in mir, mein Herz,
Was willst du wanken?
Ich werd’ Ihm nach dem Schmerz
Gewiß noch danken.
Mir hilft Sein Angesicht,
Ich habe Proben.
Mein Gott, ich will im Licht
Dich ewig loben.

11. Oktober. Abend-Andacht.

Gott wird ihnen kräftigen Irrthum senden, daß sie glauben der Lügen, auf daß gerichtet werden Alle, die der Wahrheit nicht glauben, sondern haben Lust an der Ungerechtigkeit. 2 Thess. 2,11.12.

Dieses ist eine schreckliche Drohung, welcher der gegenwärtigen Zeit gilt, denn es läßt sich Alles dazu an, daß der Christenheit ein Abfall von der christlichen Religion geschehe, und alsdann offenbart werde der Mensch der Sünden und das Kind des Verderbens, das man den Antichrist zu nennen pflegt, V. 3. Es gibt viele Menschen in der Christenheit, welche die Liebe der Wahrheit nicht annehmen, und der Wahrheit nicht glauben, welche sie zur Gerechtigkeit führen sollte, sondern an der Ungerechtigkeit Lust haben, folglich sich selbst eine Religion erdenken, bei welcher sie ungerechte Leute bleiben können. Die heilige Schrift wird verunehrt, und als ein altes Buch behandelt, worin Weisheit und Thorheit untereinander gemengt sei, und ein Jeder also nach dem Urtheil seiner Vernunft, welche hiemit auf’s höchste erhoben wird, die Weisheit herauslesen müsse. Die ewige Gottheit Christi, die versöhnende Kraft Seines Todes, die Wirkungen des Heiligen Geistes, und andere wichtige und nöthige Dinge werden geleugnet, und fast die ganze Religion in eine seichte Moral verwandelt, welche die Natur ohne den Geist Gottes fromm machen soll. Kurz zu sagen, vieler Christen Religion enthält nichts, als was auch die klugen Heiden erkannt haben, außer daß man anstatt der vielen Götter, welche diese im Mund geführt haben, einen einzigen Gott nennt, wobei es aber zu besorgen ist, daß bei Vielen der Name Gott, eine geringe Bedeutung habe. Wenn man nun solche Leute, deren Anzahl sehr groß ist, und sich durch das heranwachsende junge Volk noch weiter vermehrt, widerlegen oder zurechtweisen will, so haftet es insgemein nicht. Warum aber? Darum, weil solche Leute die Wahrheit nicht lieben, und als eine ihnen verhaßte Sache nicht glauben, sondern an der Ungerechtigkeit Lust haben. Sie haben, wie David Ps. 4,3. sagt, das Eitle lieb, und die Lügen gern. Die Vorneigung zu den Lügen und zu der Ungerechtigkeit verursacht, daß ihnen die Lügen wahrscheinlich zu sein dünken, und eine lockere seichte Lehre, welche der Ungerechtigkeit Raum läßt, köstlich zu sein scheint, die Wahrheit aber, welche eine gänzliche Sinnesänderung oder Bekehrung erfordert, ihnen verhaßt ist, und sie also die schlechtesten Einwendungen wider dieselbe gern ergreifen. Weil nun die Menschen sich so wider die von Gott geoffenbarte und von Christo, dem Sohn Gottes, selbst gepredigte Wahrheit versündigen, so wird ihnen Gott kräftige, mit teuflischen Kräften begleitete und mit falschen Wundern bestätigte Irrthümer senden, daß alsdann ihre Religion nicht mehr, wie vorher, nur im Verneinen und Leugnen, in einer seichten Moral, sondern in wirklichen verderblichen Irrthümern bestehen wird, und sie den Lügen glauben, welche der Drache und das Thier und der falsche Prophet ausbreiten werden. Die Zulassung Gottes hiebei wird ein Strafgericht Gottes sein; das Ende aber dieser Leute das Verderben. Ach Gott, bewahre mich und die Meinigen vor diesem Gericht, und erhalte uns in der Liebe zur Wahrheit und im Glauben der Wahrheit bis an unser Ende!

Mel.: Wer weiß, wie nahe mir mein Ende.

1.
Bei denen, die verloren gehen,
Wirkt Satan jetzt mit aller Kraft;
Der läßt sie gar auch Zeichen sehen,
Doch sind die Wunder lügenhaft,
Sie lassen keine Wahrheit ein,
Dadurch sie könnten selig sein.

2.
So strafst Du, Gott, die Lügenliebe;
O unbegreifliches Gericht!
Der Mensch verliert durch Satans Triebe
Sich immer weiter von dem Licht,
Und wird ihm das, was Wahrheit war,
Erst am Gerichtstag offenbar.

3.
Das Höchste, das wir Wahrheit nennen,
Ist Jesus Christus, Gottes Sohn;
Zuletzt muß Alles noch bekennen,
Er sei der HErr, vor Seinem Thron.
O selig, wer Ihn hier bekennt,
Eh’ man Ihn dort mit Zittern nennt!

4.
HErr! laß mich nicht verloren gehen,
Laß nicht dem Satan Macht an mir;
Und ließ’ er sich mit Zeichen sehen,
Bewahr’ mich durch Dein Wort dafür;
Dein Geist thu’ mir die Wahrheit kund,
Und Jesum, als den Glaubensgrund.

5.
Nur diese Wahrheit laß mich lieben;
Denn diese macht allein mich frei;
In dieser Wahrheit lehr’ mich üben,
Was recht und Dir gefällig sei,
Bis mich die Wahrheit ewig freut
Im Anblick Deiner Herrlichkeit!

12. Oktober. Morgen-Andacht.

Wir wollen euch, lieben Brüder, nicht verhalten von denen, die da schlafen, auf daß ihr nicht traurig seid, wie die Andern, die keine Hoffnung haben. 1 Thess. 4,13.

Paulus sagt von den Ephesern Kap. 2,12., daß sie keine Hoffnung gehabt, und ohne Gott in der Welt gewesen seien; und auf solche Heiden deutete er auch, da er an die Thessalonicher schrieb, sie sollen nicht traurig sein, wie die Andern, die keine Hoffnung haben. Wie solche Leute gedacht haben, hat der Verfasser des Buchs der Weisheit K. 2,1. u.ff. ausführlich beschrieben. Es sind rohe Leute, spricht er, und sagen: es ist ein kurz und mühselig Ding um unser Leben, und wenn ein Mensch dahin ist, so ist’s gar aus mit ihm; so weiß man Keinen nicht, der aus der Höllen wieder kommen sei. Ungefähr sind wir geboren, und fahren wieder dahin, als wären wir nie gewesen; denn das Schnauben in unserer Nase ist ein Rauch, und unsere Rede ist ein Fünklein, das sich aus unserm Herzen reget. Wenn dasselbige verloschen ist, so ist der Leib dahin, wie eine Loderasche, und der Geist zerflattert, wie eine dünne Luft. – Wohl her nun, lasset uns wohl leben – wir haben doch nicht mehr davon, denn das, - lasset uns den armen Gerechten überwältigen – was wir nur thun können, das soll recht sein; denn wer nicht thun kann, was ihn gelüstet, der gilt nichts u.s.w. Paulus faßt es 1 Kor. 15,32. kürzer, und sagt, die fleischliche Weisheit dieser Leute besteht darin, daß sie sprechen: lasset uns essen und trinken, denn morgen sind wir todt. Hiermit kommt die Beschreibung überein, die Paulus Röm. 1. von den Heiden macht. Wer also glaubt, daß nach dem Tod nichts zu hoffen, folglich auch nichts zu fürchten sei, und den Menschen für ein vernünftiges Thier hält, von dem nach dem Tod nichts als ein Leib, der niemals aufersteht, übrig bleibe, lebt als ein Thier, und ist aller Wollüste und Bosheit fähig, weil ihn, wenn er einmal das Gewissen erstickt hat, nichts als der schwache Zaum zeitlicher Belohnungen oder Strafen zurück hält. Was die heidnischen Weltweisen von der Vortrefflichkeit der Tugend gesagt haben, hat ohne Zweifel den Pöbel nicht gerührt, gleichwie es bei jenen selbst eine geringe Wirkung gehabt hat. Zwar haben die Klügsten unter ihnen auch für wahrscheinlich gehalten, daß die Seelen nach dem Tod übrig bleiben, und Strafen oder Belohnungen empfangen; weil sie es aber billig für unglaublich hielten, daß Menschenseelen, die zur Bewohnung der Leiber bestimmt seien, immer außer den Leibern bleiben, so haben sie, weil sie keine Auferstehung glaubten, den albernen Wahn gehabt, daß das höchste Wesen diese Seelen wieder in andere durch die Empfängniß gebildete Leiber schicke, da sie dann den mühseligen Lauf auf dieser Welt wieder, wer weiß, wie oft, machen müssen. Hier war also die Hoffnung wieder sehr beschnitten, aber auch Alles ungewiß. Wie köstlich ist also die Lehre des Evangeliums, welche uns Hoffnung macht, nämlich Hoffnung der Auferstehung, durch welche der Mensch wieder ganz und in einer bessern Welt unaussprechlich vergnügt und herrlich werden kann! Christen sollen also über den Todten, die im HErrn sterben, nicht unmäßig trauern. Es ist nichts von ihnen verloren. Sie werden leben. Sie werden ganz leben. Sie werden auferstehen, und alsdann mit denen, welche die Zukunft des HErrn als lebendig ergreifen wird, in den Wolken hingerückt werden, dem HErrn entgegen in der Luft, und werden also bei dem HErrn sein allezeit. So tröstet euch nun, ihr Kinder Gottes, mit diesen Worten untereinander.

Mel.: Ach bleib’ mit Deiner Gnade.

1.
Die Liebe darf wohl weinen,
Wenn sie ihr Fleisch begräbt;
Kein Christ muß fühllos scheinen,
Weil er im Fleische lebt.

2.
Doch lässet gleich der Glaube
Sein Aug’ gen Himmel geh’n;
Was uns der Tod hier raube,
Soll herrlich aufersteh’n.

3.
So ist’s uns um die Herzen,
Die Gnade macht uns so;
Uns ist noch wohl im Schmerzen,
Im Trauern sind wir froh.

4.
Was tröstet uns? das Hoffen;
Wie gut ist’s Christi sein!
Man sieht den Himmel offen,
Und nicht das Grab allein.

5.
HErr Jesu, unser Leben,
In Thränen dankt man Dir,
Daß Du uns Trost gegeben;
Denn davon leben wir.

6.
Was wir mit Schwachheit säen,
Das wird in Herrlichkeit
Auf Dein Wort auferstehen;
Das ist’s, was uns erfreut.

7.
HErr, bild’ aus uns’rer Aschen
Zu Deinem Lob den Leib,
Der durch Dein Blut gewaschen,
Dort frei vom Tode bleib’!

12. Oktober. Abend-Andacht.

Es sind die Reiche der Welt unsers HErrn und Seines Christus worden, und Er wird regieren von Ewigkeit zu Ewigkeit. Off. 11,15.

Der HErr, der Gott Israels, wird 2 Mos. 15,18. das erstemal und hernach sehr oft König genannt, und Seine Herrschaft gepriesen. Auch hat Sich der HErr Jesus schon Joh. 1,49. den König von Israel nennen lassen, hernach Joh. 10,34. den Spruch Ps. 82,6., der von den Regenten handelt, auf Sich gedeutet. Luk. 19. redete Er von Sich selbst als einem Edlen, der im Himmel ein Reich einnehme, und auf der Erde herrsche. Matth. 25,34. u.ff. nannte Er Sich selbst bei der Beschreibung des jüngsten Gerichts einen König. Vor dem Pilatus bekannte Er, daß Er ein König sei, vor Seiher Himmelfahrt aber sagte Er: Mir ist gegeben alle Gewalt im Himmel und auf Erden. Die Apostel haben hernach oft bezeugt, daß Er auf dem göttlichen Königsthron zur Rechten des Vaters sitze und herrsche, und der Vater Ihn über Alles erhöhet, und Alles unter Seine Füße gethan habe. Bei diesem Allem aber ist auch wahr, was Hebr. 2,8. steht: jetzt sehen wir noch nicht, daß Ihm Alles unterthan sei; denn gleichwie es noch Feinde Jesu gibt, welche noch nicht zum Schemel Seiner Füße gelegt sind, 1 Kor. 15,25., also gibt es auch Weltreiche, worin nach menschlicher Willkür und nach menschlichen Gesetzen regiert wird, und welche zwar Herbergen für das Reich Christi, aber nicht das Reich Christi selber sind. Wenn nun diese Weltreiche, von denen Dan. 2. und 7. Vieles geweissagt, und unter Anderem Dan. 7,12. gesagt ist, daß ihnen Zeit und Stunde bestimmt sei, wie lange ein jedes währen solle, nach dem Inhalt alter und neuer Weissagungen werden zernichtet sein: so wird der Stein, welcher das Reich Christi bedeutet, die ganze Erde erfüllen, Dan. 2,35.45., oder das Königreich der Welt wird auf eine neue Weise unsers HErrn und Seines Gesalbten werden, und Er wird von da an mit einer völligern Gewalt von Ewigkeit zu Ewigkeit regieren. Es wird aber dieser neue Anbruch der Regierung Gottes unter der siebenten Trompete geschehen; weßwegen solches Offenb. 11,15. als das Ziel dieser Trompete geweissagt wird; denn als der siebente Engel trompetete, und den letzten großen Krieg zwischen Christo und Belial ankündigte, so wurden große Stimmen im Himmel, die sprachen: es ist das Königreich der Welt des HErrn und Seines Gesalbten worden, und Er wird regieren in die ewigen Ewigkeiten, und die 24 Aeltesten sprachen: wir danken Dir, HErr Gott, Allmächtiger, der ist und der war, daß Du hast ergriffen Deine große Macht und die Regierung angenommen. Die Sache selbst, wie sie nach langem Warten, welches aber freilich denen, die im Himmel sind, nicht langweilig ist, und nach vielen und großen Nöthen zu Stande kommen wird, ist Dan. 2,34.35.44.45. 7,13.14.18.22.26.27. und Offenb. 19,11-21. ausführlich beschrieben. Uns gebührt jetzt, die Weltreiche, deren Zeit noch nicht ganz verflossen ist, als Gottes Ordnung anzusehen, und der Obrigkeit, die Gewalt über uns hat, von Herzen unterthan zu sein, dabei aber doch Jesum als unsern König durch die tiefste Unterwürfigkeit unter Ihn und Seinen Geist, durch das Halten Seiner Gebote, und durch das Vertrauen, das wir auf Seinen königlichen Schutz setzen, zu ehren. Wehe denen, die da sagen: wir wollen nicht, daß dieser über uns herrsche! Der HErr ist König, deß freue sich das Erdreich, und seien fröhlich die Inseln, so viel ihrer ist. Zion höret’s und ist froh, und die Töchter Juda sind fröhlich, HErr, über Deinem Regiment. Ps. 97,1.8.

Mel.: Mein’s Herzens Jesu.

1.
Des HErrn ist nun das Königreich
Und des Gesalbten worden;
Ihr Unterthanen freuet euch,
Droht schon der Feind mit Morden;
Der HErr ergreift die große Macht,
Sein Zorn ist nunmehr aufgewacht,
Verderber zu verderben.

2.
Dir huldige ich, Jesu Christ,
Dir bin ich unterthänig;
Weil Du des HErrn Gesalbter bist,
So bist Du auch mein König;
Ich geh’ zu Deinem Throne hin;
So elend und so arm ich bin,
So bin ich doch Dein eigen.

3.
Mein eigen will ich nicht mehr sein,
Laß mich zur Gnade finden;
Schreib’ mich zu einem Bürger ein,
Und schenk’ mir alle Sünden.
Was in mir ist, gehöret Dir;
So herrsche denn allein in mir,
Du Herrscher über Herzen.

4.
Dein Geist erfreue meinen Geist
Mit Deines Reiches Rechten;
Und gib auch mir, was Du verheißst
Zu geben Deinen Knechten.
Jetzt ist die Zeit der Todten schon;
Du kommst mit Deinem Gnadenlohn,
Ach komm auch mir zur Wonne!

13. Oktober. Morgen-Andacht.

Mephiboseth betete an, und sprach: wer bin ich, dein Knecht, daß du dich wendest zu einem todten Hund, wie ich bin? 2 Sam. 9,8.

Es war bei den Israeliten zu Davids Zeit gewöhnlich, daß man sich oder einen Andern einen todten Hund nannte, wenn man von sich selbst oder von einem Andern verächtlich reden wollte. David sagte zu dem König Saul 1 Sam. 24,15.: wem jagest du nach? einem todten Hund, einem einzigen Floh (wie ich bin)? Abisai sagte zu David von dem Simei, 2 Sam. 16,9.: sollte dieser todte Hund meinem Herrn, dem König, fluchen? Mephiboseth aber betete an, das ist, er fiel vor dem König David auf die Erde nieder, und sprach: wer bin ich, dein Knecht, daß du dich wendest zu einem todten Hund, wie ich bin? Die Veranlassung zu dieser demüthigen Rede gab David durch Erweisung einer besondern Gnade, denn er sagte zu Mephiboseth, da derselbe ängstlich auf dem Boden vor ihm lag: fürchte dich nicht, denn ich will Barmherzigkeit an dir thun, um Jonathan deines Vaters willen, und will dir allen Acker deines Vaters Sauls wiedergeben, du aber sollst täglich auf meinem Tisch das Brod essen. Mephiboseth war der Geburt nach ein vornehmer Mann, der Enkel eine Königs, und der Sohn eines wackern königlichen Prinzen. Gott hatte ihn aber durch ein Gebrechen seines Leibes gedemüthigt, denn im fünften Jahr seines Alters fiel er auf der Flucht, und ward hinkend an beiden Füßen, 2 Sam. 4,4. 9,13.; auch erlebte er, daß sein Großvater, Vater, und alle Brüder seines Vaters durch das Schwert jämmerlich umkamen, sein ganzes Geschlecht in’s Elend herabsank, und er selbst im Hause eines reichen Mannes jenseits des Jordans seinen Unterhalt suchen mußte. Er selbst hatte David, wie es scheint, nie beleidigt: sein Großvater Saul aber hatte ihn verfolgt, und sich sonst schwer versündigt; auch war seines Vaters Bruder, Isboseth, Davids Feind gewesen. Unter diesen Umständen war es dem demüthigen Mephiboseth etwas Unerwartetes, daß David ihm nicht nur das ansehnliche Landgut, welches Saul’s gewesen war, wiedergab, sondern ihn sogar an seine königliche Tafel zog, und zu seinem täglichen Tischgenossen machte.

Wir lernen aus dieser Geschichte, daß das Leiden demüthige Leute mache, wenn sie bei dem Leiden weise sind, und daß ein Demüthiger, wenn ihm eine große Gnade widerfährt, dadurch in eine Verwunderung gesetzt, und noch mehr gedemüthiget werde. hat sich der lahme und arme Mephiboseth vor dem König David so sehr gedemüthigt: was sollen wir Erdenwürmer, wir Sünder, wir untüchtige und unreine Menschen thun, wenn wir vor Jesum, den Sohn Gottes, den HErrn aller Herren, den König aller Könige treten, der uns eine viel größere Gnade erzeigen will und kann, als David dem Mephiboseth erzeigt hat? Wir sollen uns tief niederbücken, und mit Verwunderung freuen, wenn wir hören, daß Er uns über den Stand unsers Vaters Adam erhöhen, und als der Erstgeborne unter vielen Brüder sogar zu Seinen Miterben machen wolle. Schamhaft sollen wir uns verwundern, daß Er uns, alldieweil wir noch auf der Erde leben, an Seinen Tisch setzen, und mit Seinem kräftigen Wort und mit Seinem heiligen Leib und blut speisen und tränken, überdieß aber auch zu dem Abendmahl Seiner Hochzeit im Himmel berufen will. Alles dieses ist Gnade. Wir sind dieser Gnade unwürdig. Je größer die Gnade ist, desto mehr soll uns unsere Unwürdigkeit in die Augen fallen.

Mel.: Die lieblichen Blicke etc.

1.
Ich weiß mich nicht würdig zum Tische des HErrn;
Doch bin ich geladen,
Und lebe von Gnaden,
Denn hungrige Gäste hat Jesus so gern.
Ich esse mich satt,
Vom Darben so matt,
Vom Hunger verzehrt:
So hat Er’s begehrt.

2.
Hier bin ich, mein König: so preise mich dann;
Dein Fleisch in dem Brode
Errettet vom Tode
Und gibt uns das Leben;
Ich bete Dich an.
Dein Blut in dem Wein
Flößt Leben uns ein;
So tränke mich dann,
Ich bete Dich an.

3.
Ich danke Dir, Jesu, ich elender Gast.
Was können die Kranken,
Als loben und danken,
Daß Du sie der Tafel gewürdiget hast?
Was lebet in mir,
Das lebe von Dir.
HErr, höre auch gern
Mein: danket dem HErrn!

13. Oktober. Abend-Andacht.

Betet ohne Unterlaß. 1 Thess. 5,17.

Ein Christ soll das Beten nicht als eine Nebensache ansehen, nicht mit einem flüchtigen Gemüth verrichten, nicht damit eilen, um bald an die Arbeit zu kommen, und noch weniger unter dem Vorwand des Fleißes, den er auf die Geschäfte wenden müsse, gar unterlassen, sondern dem Gebet als einer Hauptsache und sehr wichtigen Pflicht mit Fleiß obliegen. Die Morgen- und Abendstunden sind dazu vorzüglich bequem, doch sollen wir uns erinnern, daß Petrus und Johannes um die neunte Stunde, das ist Nachmittags um drei Uhr, in den Tempel gegangen, um zu beten, Ap. Gesch. 3,1., und Petrus ein andermal um die sechste Stunde, das ist Mittags um zwölf Uhr, gebetet, Ap. Gesch. 10,9., der HErr Jesus aber schlaflose Nachtstunden dazu angewendet habe. Ueberhaupt ist eine jede Zeit zum Beten bequem, weil der große Gott immer gegenwärtig ist, und immer höret. Meistens soll ein Christ allein beten, oder nur einen vertrauten Ehegatten oder Freund mit sich beten lassen: doch ist auch das gemeinschaftliche Gebet Vieler, die versammelt sind, von großem Werth. Uebrigens ist der Heilige Geist der Urheber aller erhörlichen Gebete, und wird deßwegen der Geist der Gnade und des Gebetes genannt. Er erweckt die Seele dazu. er schenkt und stärkt den Glauben, mit dem man beten soll. Er lehrt den Menschen, was und wie er beten solle. viele Leute meinen, sie beten, wenn sie ihre gewöhnlichen Gebetlein ohne Andacht wiederholen und auswendig daher sagen, oder wenn sie ein Gebet in einem Buch kaltsinnig lesen: allein diese Uebung ist kein Beten. Man naht dadurch nur mit seinem Mund zu Gott und ehret Ihn mit den Lippen, das Herz aber ist ferne von Ihm. Solche Leute begehren auch nichts von Gott, ja es wäre ihnen leid, wenn ihnen Gott dasjenige, was in ihren auswendig gelernten Gebetlein, oder in ihren Morgen- und Abendsegen enthalten ist, gäbe, weil sie alsdann fromm werden müßten, und nicht mehr muthwillig sündigen dürften. Viele Leute nennen das Verlangen nach geistlichen Gaben, die Zukehr des Herzens zu Gott und das Anhangen der Seele an Ihm ein innerliches Gebet, und wenn man diesen Namen brauchen will, so muß man auch bekennen, daß das innerliche Gebet an Einem fort währen müsse. Doch soll Niemand unter dem Vorwand dieses innerlichen Gebetes das Gebet mit dem Munde unterlassen, weil Jesus selbst mündlich gebetet hat, und alle Heiligen diese Weise beobachtet haben. David hat viele von seinen Gebeten aufgeschrieben, und diese aufgeschriebenen Gebete Davids sind ohne Zweifel von vielen einzelnen Israeliten bei dem Beten gebraucht, aber auch im Tempel als Psalmen öffentlich gesungen worden. Christus hat Seine Jünger das Vater Unser gelehrt, welches ein unvergleichliches und für Jedermann taugliches Gebet ist, aber von Wenigen verstanden wird. Hernach aber haben die Christen auch noch viele andere Gebetsformeln verfertigt, welche zum Theil Litaneien oder Lieder sind, und in den Büchern stehen. Diese Gebetsformeln sind Vielen nützlich und nöthig, und es thun auch geübte Christen wohl, wenn sie sich derselben zuweilen bedienen: doch soll ein Christ sich auch gewöhnen, aus dem Herzen zu beten, und seine Klagen, Verlangen, Dank und Lob mit eigenen Worten Gott vorzutragen. Er heißt und ist Vater, und siehet nicht auf kunstreiche Worte, sondern auf ein glaubiges Herz. Warum sollte also ein Christ mit diesem Vater nicht vertraulich reden können, ohne sich fremder Formeln zu bedienen?

Mel.: Gottlob, ein Schritt zur Ewigkeit.

1.
Der Glaube, der in Christo lebt,
Schöpft Athem in dem Beten;
Ein Christ, der an der Welt nicht klebt,
Freut sich, vor Gott zu treten;
Sein Bethaus ist sein Kämmerlein,
Da muß sein Herz ein Gluthfaß sein,
Woraus sein Weihrauch steiget.

2.
Was ich verlang’ und haben soll,
Darf ich den Vater bitten;
Ist mir das Herz von Thränen voll,
So darf ich’s gar ausschütten;
Da such’ ich Nachlaß meiner Schuld,
Da hol’ ich Kräfte zur Geduld,
Da nehm ich Gnad’ um Gnade.

3.
Ach Vater! feure selbst mich an
Im Bitten, Suchen, Klopfen;
Wein’ ich, so heilige alsdann
Durch Christi Blut die Tropfen;
Der Du der Herzen Tiefen weißst,
Gib mir im Seufzen Deinen Geist,
Im Danken und im Loben.

4.
Mein letztes Beten gründe sich
Allein auf Jesu Namen,
So weiß ich, Du erhörest mich,
In Jesu ist es Amen.
Dort treibt uns weder Sünd’ noch Tod,
Man betet an, doch nicht in Noth,
Es ist ein ewig’s Preisen!

14. Oktober. Morgen-Andacht.

Welche der Geist Gotte treibet, die sind Gottes Kinder. Röm. 8,14.

Paulus, der die Lehre von der Rechtfertigung durch den Glauben in dem Brief an die Römer vorgetragen hat, behauptet in diesem Brief und in allen seinen Schriften, daß man nicht gerechtfertigt werden könne, ohne zugleich ein geistlicher Mensch, folglich wiedergeboren zu werden, und daß Niemand ein geistlicher oder wiedergeborner Mensch sei, der nicht auch den Geist des Vaters, der Jesum von den Todten auferweckt hat, welcher auch der Geist Christi ist, empfange. Er nennt diesen Geist Röm. 8,14. den Geist Gottes, und sagt von ihm, daß Er die wiedergebornen Christen treibe, belebe, führe, folglich immer in einer guten Bewegung erhalte. Ob also gleich ein wiedergeborner Christ geistlich ist, und eine neue Natur, welche Geist heißt, in sich selbst hat, so ist doch dieser sein Geist nicht sich selber überlassen, sondern steht an Einem fort unter dem Trieb oder unter der Regierung des göttlichen Geistes. So lange der Mensch diesen göttlichen Geist in sich wohnend hat, bleibt er ein geistlicher und geistlich gesinnter Mensch, und kann nicht faul, kalt, träg, todt und unfruchtbar werden, weil durch denselben Geist immer gute Bewegungen und Regungen in ihm erweckt werden, welche in Worte und Werke, die Gott wohl gefallen, ausbrechen. Paulus sagt Röm. 8,13., daß die Glaubigen des Fleisches Geschäfte tödten: dazu treibt sie aber der Geist Gottes. Er sagt V. 15., daß sie Gott als Abba, Vater anrufen: sie thun es auch durch Seinen Geist. Hernach redet er von einer innerlichen Sehnsucht nach der Kindschaft, von der Hoffnung der Herrlichkeit, vom Beten und Seufzen, vom Feststehen und Ueberwinden: dieses Alles aber wirket derselbige ewige Geist Gottes, der in den Herzen der Wiedergebornen wohnet, und sie treibet. Indem Er sie aber treibet, dürfen sie gewiß sein, daß sie Gottes Kinder seien, denn Er ist ein kindlicher Geist, oder das Siegel der Kindschaft Gottes, und der Urheber wahrer kindlicher Gesinnungen gegen Gott. Er zeuget auch mit ihrem Geist, daß sie Gottes Kinder seien; sind sie aber Kinder, so sind sie auch Erben, nämlich Gottes Erben und Miterben Christi; so sie anders mit leiden, auf daß sie auch mit zur Herrlichkeit erhoben werden, V. 16.17.

Aus diesem Allem läßt sich erkennen, wie thöricht diejenigen zu ihrem eigenen Schaden seien, welche durch die Kraft ihrer natürlichen Vernunft wahre Christen sein und Gott gefallen wollen. Obschon von weltklugen, gelehrten und witzigen Leuten zuweilen gesagt wird, daß sie geistreich seien, oder viel Geist haben, so sind sie doch im biblischen Verstand keine geistlichen Menschen, es sei denn, daß sie aus Gott geboren seien. Ist dieses nicht geschehen, so muß ihre Vernunft zu dem Fleisch gerechnet werden, von welchem Paulus Röm. 8. redet, und weil solche fleischliche Menschen auch fleischlich gesinnt sind, so ist gewiß, daß sie auch eine Feindschaft wider Gott in sich haben, und dem Gesetz Gottes nicht unterthan sein können. Ist aber ein Mensch nicht mehr fleischlich, sondern geistlich, so muß auch der Geist Gottes in ihm wohnen, und wenn er diesen nicht hat, so ist er nicht Christi. Er ist weder wiedergeboren noch gerechtfertigt, und weder ein Kind noch Erbe Gottes. Lasset uns diese Wahrheiten wohl bedenken, und uns hüten, den Heiligen Geist, wenn wir Ihn empfangen haben, zu betrüben. Sein Trieb werde in uns immer kräftiger.

Mel.: Von Gott will ich nicht lassen.

1.
Mein Herz will sich nicht trauen,
Es fühlt sich ungetreu,
Da macht der Zweifel Grauen,
Daß ich kein Kind mehr sei.
Doch fass’ ich mich geschwind:
Ich kann vom Geist getrieben
Im Glauben Jesum lieben,
So bin ich Gottes Kind.

2.
Wenn ich nun Jesum liebe,
Ach HErr, Du weißt es ja,
So sind die guten Triebe
Nicht von mir selber da.
Zeugt mein Herz wider mich,
So kann der Geist mir zeugen;
Da muß mein Herz dann schweigen,
Denn Jesum liebe ich.

3.
Ein glaubensloser Sünder
Weiß nichts von dieser Sach’;
Um Liebe sorgen Kinder.
Sind oft die Kinder schwach,
So daur’t die Kindschaft doch,
Weil sie um Liebe sorgen,
Da bleibt es nicht verborgen,
Es treibt der Geist sie noch.

4.
Dir dank’ ich, Geist der Gnade,
Daß Du mich kindlich treibst,
Und bei dem schwächsten Grade
Mir doch mein Zeuge bleibst.
Ach, zeug’ mir auch hierin,
Daß ich kann Jesum loben,
Und lehr’ mich’s jetzt in Proben,
Bis ich vollendet bin!

14. Oktober. Abend-Andacht.

Lieben Brüder, betet für uns, daß wir erlöset werden von den unartigen und argen Menschen. 2 Thess. 3,1.2.

Paulus wurde durch einen Aufruhr, welchen die halsstarrigen Juden erregten, genöthigt, Thessalonich zu verlassen, wo er ohne Zweifel gern länger geblieben wäre. Eben so ging es ihm zu Beroe, und er mußte dieser Juden halber ganz Macedonien verlassen, und sich zu Schiff nach Athen begeben. Hier hatte er zwar der Juden halber Ruhe, hingegen disputirten da etliche der Epikurer und Stoiker Weltweisen mit ihm, und nannten ihn einen Lotterbuben oder Plauderer, da sie selbst solche waren. Auf dem Gerichtsplatz hielt er zwar eine Rede von Gott, von Christo und von der Auferstehung: es wurden aber nur wenige von den Zuhörern glaubig, die Andern aber spotteten über seine Rede. Um diese Zeit schrieb er den ersten und bald hernach den zweiten Brief an die Thessalonicher, und ermahnte sie unter Anderem, für ihn und den Silas und den Timotheus zu beten, daß sie von den unartigen und argen Menschen erlöset werden. Ob er hier auf die Juden, die ihn zu seiner Betrübniß aus Macedonien getrieben hatten, oder auf die atheniensischen Spötter gezielt habe, ist schwer zu bestimmen. Jene und diese waren unartige und arge Menschen; doch weil er 1 Thess. 2,15.16. sehr über die Juden geklagt hatte, so ist glaublich, daß er auch 2 Thess. 3,2. an sie gedacht habe, denn sie waren es, welche mit allem Fleiß hindern wollten, daß das Wort Gottes nicht laufen möchte, und nicht gepreiset würde, V. 1., und deßwegen wünschte auch Paulus, von ihnen erlöset zu werden. Paulus hatte vorher auch diesen unartigen und argen Menschen das Evangelium geprediget, bei ihnen aber nichts ausgerichtet, weil der Glaube, wie er 2 Thess. 3,2. sagt, nicht Jedermanns Ding ist, oder weil es Leute gibt, die zerrüttete Sinne haben, und zum Glauben untüchtig sind; darum ermahnt er jetzt die Thessalonicher, zu beten, daß er von ihnen erlöset, folglich nimmer gehindert werden möchte, sein Apostelamt unter den Heiden auszurichten. Er hat auch nach seinem kurzen Aufenthalt zu Athen 1 Jahr und 6 Monate eine ruhige Zeit und offene Thüre zu Korinth gehabt, und hernach zu Ephesus 2 Jahre das Evangelium frei gepredigt.

Zu unserer Zeit hat manche christliche Obrigkeit unter ihren Unterthanen, mancher Prediger unter seinen Zuhörern, und mancher Hausvater oder Hausmutter unter ihren Hausgenossen unartige und arge Menschen, an denen auch das Wort erfüllt wird: der Glaube ist nicht Jedermanns Ding. Man darf wünschen, von solchen Menschen erlöset zu werden, und Gott um diese Erlösung bitten, da dann diese Bitte die reinste Absicht hat, wenn sie die Ausrichtung des Willens Gottes oder die Ausbreitung Seines Reiches, der diese Leute im Weg stehen, zum Zweck hat. Gott erlöset auch von solchen Leuten, wenn Er sie als unfruchtbare Bäume, die das Land hindern, abhauet, oder sie sterben läßt, oder wenn Er ihnen die Macht zu widerstehen oder zu schaden nimmt, oder wenn Er Seinen Knechten an einem andern Ort Ruhe verschafft und eine Thüre aufthut. Am völligsten erlöst Gott von allen unartigen und argen Menschen, wenn Er Seine Kinder und Knechte in Sein himmlisches Reich aufnimmt, wo kein unartiger und arger Mensch hinkommt. HErr, erlöse uns von allem Uebel!

Mel.: O wie selig sind die Seelen.

1.
Vater! sieh auf uns’re Brüder
Auch von Deinem Thron hernieder,
Wo sie in der Drangsal sind;
Schütze sie in Schmach und Schanden,
Rette sie aus ihren Banden,
Weil man bei Dir Hülfe find’t.

2.
Unter ihrer Feinde Schnauben
Gründ’ und mehre ihren Glauben,
Ihre Hoffnung und Geduld;
Halte sie an Deinem Sohne,
Mach’ sie froh mit jenem Lohne,
Tröste sie mit Deiner Huld.

3.
Stärke sie mit Lebensworten,
Sei ihr Licht in dunkeln Orten,
Fülle sie mit Deinem Geist;
Höre ihr geheimes Sehnen,
Zähle ihre stillen Thränen,
Laß sie seh’n, was Du verheißst.

4.
Laß sie Deinen Ruh stets wecken,
Daß kein Locken oder Schrecken
Ihren Seelen schädlich sei;
Steh’ im Reden und im Schweigen,
Im Erdulden und im Zeugen
Ihnen als Fürsprecher bei.

5.
Jesu, der Du selbst gelitten
Und vor uns auf blut’gen Schritten
Aus der Welt zum Vater gingst,
Zeige ihnen von dem Throne,
Daß Du dort die Lebenskrone
Auch auf ihr Haupt schon empfingst!

15. Oktober. Morgen-Andacht.

Eures Vaters Geist ist’s, der durch euch redet. Matth. 10,20.

Als der HErr Jesus Seine zwölf Apostel aussandte, das Evangelium etliche Wochen lang in den israelitischen Städten und Flecken zu predigen, so befahl, verkündigte, und verhieß Er ihnen Vieles nicht nur in der Absicht auf diese kurze Reise, sondern auch in der Absicht auf ihren Ausgang in alle Welt, den sie nach Seiner Himmelfahrt machen mußten. Er sagte unter Anderem Matth. 10,17.18.19.20.: hütet euch vor den Menschen, denn sie werden euch überantworten vor ihre Rathhäuser, und werden euch geißeln in ihren Schulen, und man wird euch vor Fürsten und Könige führen um Meinetwillen, zum Zeugniß über sie (die Juden) und über die Heiden. Wenn sie euch nun überantworten werden, so sorget nicht, wie und was ihr reden sollet; denn es soll euch zu der Stunde gegeben werden, was ihr reden sollet; denn ihr seid es nicht, die da reden, sondern eures Vaters Geist ist es, der durch euch redet. Wenn die Apostel und andere Jünger Jesu vor Fürsten, Könige und andere Richter geführt wurden, so hätten sie als ungelehrte Leute, die keines Umgangs mit den Großen in der Welt gewohnt waren, von der Furcht übernommen werden können, daß sie gar nichts hätten reden können, oder ungeschickt geredet hätte; da dann das nöthige Zeugniß für Juden und Heiden nicht abgelegt, und der Name Christi geschmäht worden wäre. Auf solche Fälle nun verhieß der Heiland Seinen Jüngern, es werde ihnen zur Stunde gegeben werden, was sie reden sollen, denn ihres Vaters Geist sei es, der durch sie rede. Stephanus und Paulus, deren Reden in der Apostel Geschichten beschrieben worden, haben neben vielen Andern die Erfüllung dieser Verheißung genossen. Aber nicht nur vor Königen und Fürsten und auf Rathhäusern, sondern auch bei andern Gelegenheiten hat der Geist des Vaters durch die Apostel geredet; denn da dieser Geist die Welt von der Sünde, von der Gerechtigkeit und von dem Gericht überzeugte, wie der Heiland Joh. 16,8. verheißen hat, so that Er’s durch den Mund der Apostel und anderer Prediger des Evangeliums, und thut’s noch auf diese Weise: auch hat Paulus 1 Kor. 2,13. bezeugt, daß er und Andere das Evangelium mit Worten, die der Heilige Geist lehre, predigen, und Röm. 15,18., er dürfte nicht etwas reden, wo dasselbe Christus nicht (durch Seinen Geist) in ihm wirkte. Wir lernen hieraus, daß Gott nicht nur den Menschen eine Gabe schenke, mit Weisheit von den Glaubenslehren, oder mit Erkenntniß von dem nöthigen klugen Verhalten zu reden, 1 Kor. 12,8., sondern daß Er auch zu jeder Stunde gebe, was man reden (oder auch schreiben) soll, und daß Sein Geist alsdann durch die Menschen rede, folglich die Gott gefälligen Gedanken und Worte in ihren Seelen bilde, und sie zugleich von der Furcht befreie, damit sie dieselben aussprechen können. Ist eine Seele so rein und so in der Gewalt Gottes, wie die Seelen der Apostel waren, so ist alsdann das Wort, das sie durch den Mund hervorgibt, ein lauteres Wort Gottes; fließen aber unter die Worte, die der Heilige Geist sie lehret, auch solche hinein, welche von dem menschlichen Willen entstehen, so müssen die Worte gerichtet und geprüft werden, wie Paulus 1 Kor. 14,29. bei denen, die in der Korinthischen Gemeinde weissagten, für nöthig achtet. Bei gerichtlichen Verhören hatte keine Vorbereitung zum Reden statt; sonst kann der Geist des himmlischen Vaters auch bei einer solchen Vorbereitung wirksam sein, und die Worte, die man hernach reden solle, mittheilen. Wehe dem, der ohne die Wirkung dieses Heiligen Geistes redet und schreibt!

Mel.: Jesus, meine Zuversicht.

1.
Vater, Dir sei ewig Ruhm,
Der Du in dem Sohn uns liebest,
Und als Seinem Eigenthum
Selbst auch Deinen Geist uns giebest;
Denn man lernt’s von diesem Geist,
Daß man Dich den Vater heißt.

2.
in des Menschen Geist ist nicht,
Daß er könnte Gott erkennen,
Ihn den Vater alles Lichts,
Ja des Sohnes Vater nennen;
Aber dieser spricht von Dir
Und das Abba kindlich für.

3.
Wer erkennte Deinen Sinn
Und wer glaubte Deine Liebe,
Wenn der Geist des Vaters ihn
Nicht durch Seine Gnade triebe?
Denn durch diesen weiß das Kind,
Wie es seinen Vater find’t.

4.
Vater, in dem Geist sei Dir
Nun ein kindlich Lob gesungen;
Nur mit Lallen dankt man hier,
O verklär’ einst uns’re Zungen,
Daß sie dort Dein Geist erfüllt,
Der vom Throne stromweis quillt!

15. Oktober. Abend-Andacht.

Ein Mensch siehet, was vor Augen ist: aber der HErr siehet das Herz an. 1 Sam. 16,7.

Was es mit dem Herzen des Menschen, das ist mit dem Innersten seiner Seele, für eine sonderbare Bewandtniß habe, kann man am deutlichsten daraus erkennen, daß in der heiligen Schrift keinem Engel und keinem Menschen, sondern allein dem allwissenden Gott das Vermögen zugeschrieben wird, es zu prüfen, zu erforschen oder zu ergründen. Es geschieht dieses in vielen biblischen Sprüchen, am deutlichsten aber Jer. 17,9.10., wo der HErr sagt: es ist das Herz ein trotzig und verzagt Ding, und hierauf fragt: wer kann es ergründen? Da Er dann mit Ausschließung aller Geschöpfe antwortet: Ich der HErr kann das Herz ergründen, und gebe einem Jeglichen nach seinem Thun und nach den Früchten seiner Werke. Wenn wir also fragen, warum der HErr den Eliab, der dem Samuel wegen seiner Gestalt und großen Person wohl gefiel, nicht zum König hat über Israel salben lassen, so müssen wir antworten, weil der HErr das Herz Eliabs angesehen, und es so befunden, daß Er ihn hat verwerfen müssen. Warum hat der HErr hingegen den David erwählt? Darum weil Er zwar noch keine Geschicklichkeit zu regieren bei ihm wahrgenommen, doch aber sein Herz so gefunden, daß er ein rechtschaffener König, und ein Mann nach Seinem Herzen werden würde. Gott kann überhaupt einem Jeden nach seinem Thun und nach den Früchten seiner Werke geben, weil Er die Herzen ergründen kann; folglich kann Niemand ein Richter der Menschen sein, als wer ein Herzenskündiger ist. Weil nun dem HErrn Jesu vom Vater alles Gericht übergeben worden ist, so muß auch der HErr Jesus ein Herzenskündiger, folglich Gott sein. Der Werth der Werke des Menschen richtet sich nach dem Rath des Herzens, 1 Kor. 4,5., oder nach der verborgenen Absicht, die der Mensch dabei hat. Auch liegt Vieles in dem Herzen eines jeden Menschen verborgen, dessen er sich selbst nicht bewußt ist; es liegen Samen darin, die noch nicht aufgegangen sind, und Anlagen, die sich noch nicht entwickelt haben, die aber Gott siehet. Weil Er sie aber siehet, so behandelt Er den Menschen nach denselben. Er läßt ihm Glück und Unglück widerfahren, Er führt ihn diesen oder jenen Weg, versagt ihm Vieles und gibt ihm Vieles, läßt ihm Einiges gelingen und Anderes mißlingen. Hier verwundert sich der Menschensinn, gleichwie ich Samuel verwundert haben mag, daß David seinem Bruder Eliab vorgezogen wurde, da doch keiner von Beiden ein Verdienst der Werke für sich hatte. Aber der HErr sagt: Ich sehe das Herz an, darum gehe Ich mit diesem oder jenem Menschen so oder so um: und hinten nach wird’s offenbar, daß Alles, was Er thut, recht sei, oder daß alle Seine Wege lauter Gericht, das ist, der Beschaffenheit der menschlichen Herzen angemessen seien. Auch ich bin Dir, o Gott, völlig offenbar: Du kennst mein Herz besser, als ich es kenne. Reinige es durch den Glauben, und ertödte darin Alles, was die Ursache eines Schmerzenswegs für mich werden könnte. Mein Herz sei Dir übergeben, daß es von Dir bearbeitet werde, und Du allein der Trost desselben seiest.

Mel.: Mein Gott, das Herz etc.

1.
Ein Mensch sieht, was vor Augen ist:
Gott sieht die Herzen ein;
Er fängt die Weisen in der List,
Und straft des Heuchlers Schein.

2.
Was wahr und falsch sei, kennet Er,
Und richtet wie Er’s find’t.
Ein wahrer Seufzer heißt Ihm mehr,
Als tausend Worte sind.

3.
Allsehender! es liegt vor Dir
Auch meines Herzens Grund,
Dir ist doch Alles, was in mir,
Auch das Geheimste kund.

4.
Laß nichts als Wahrheit in mir sein;
Du hassest Heuchelei;
Ich rede, bete, oder wein’,
Schaff’, daß es redlich sei.

5.
Sieh nicht mein Herz in Sünden an,
Sonst bist Du mir nicht gut;
Sieh, was Dein Sohn daran gethan,
Er reinigt’s durch Sein Blut.

6.
Sieh nicht des Herzens Unmacht an,
Noch wie verderbt es sei;
Sieh, was Dein Geist daran gethan,
Er macht das Alte neu.

7.
Laß mein Herz, lieber Vater, nun
Nach Deinem Herzen sein,
Und lehr’ es Deinen Willen thun;
Es sei und bleibe Dein.

8.
Ist mir es ein geheimer Schmerz,
Wenn mich mein Herz verklagt,
So sei Du größer als mein Herz,
Und mach’ mich unverzagt.

9.
Mein Herz sterb’ einst im Glauben ab;
Wenn dann kein Wurm es schont,
So weck’ es herrlich aus dem Grab,
Weil da Dein Geist gewohnt!

16. Oktober. Morgen-Andacht.

Gott hat gesandt den Geist Seines Sohnes in eure Herzen. Gal. 4,6.

Gott ist ein überall gegenwärtiger Geist, dessen Kraft alle Dinge erhält, durch alle Geschöpfe und in allen Geschöpfen wirkt, allen Menschen die Herzen lenkt, der den Geist, das ist den Muth, ganzer Völker und einzelner Menschen erweckt, 2 Chron. 21,16., und den Menschen Talente, das ist Gaben, gibt, und bis zum Tag des Gerichts überläßt, wenn sie auch untreu damit umgehen, Matth. 25,15.18. u.ff. In Ihm leben, weben und sind wir, Ap. Gesch. 17,28. Dieses Alles aber ist noch nicht dasjenige, was die heilige Schrift andeutet, wenn sie von dem Heiligen Geist, von dem Geist des Vaters und des Sohnes, der das Siegel der göttlichen Kindschaft und das Angeld des himmlischen ist, redet. Bei jenen allgemeinen Wirkungen Gottes kann man noch unwiedergeboren sein und verloren werden, ob man schon dabei gleichsam eine Axt ist, mit welcher der große Gott hauet, oder ein Mensch, das ist ein Werkzeug, der Hand Gottes heißen kann, Jes. 10,15. Ps. 17,14. Welche aber der Geist Gottes treibet, die sind Gottes Kinder und Erben, Röm. 8,14.17., und eben deßwegen, weil sie durch die Wiedergeburt und den Glauben an Christum Kinder Gottes worden sind, hat Gott den Geist Seines Sohnes in ihre Herzen gesandt, der da schreiet: Abba, lieber Vater, Gal. 4,6. Der Geist Gottes wird niemals der Geist des Menschen, wohl aber der Geist des Sohnes Gottes genannt, und eben dadurch wird angezeigt, daß der Sohn Gottes von allen Menschen unterschieden und wahrhaftiger Gott ist, denn wessen Geist der Geist Gottes ist, der ist selber Gott. Es wird aber dieser Geist in die Herzen der Glaubigen gesandt, Er wohnet in ihnen, und offenbart Sich durch verschiedene Wirkungen als der Geist der Weisheit, Erkenntniß, Kraft, Liebe, Zucht u.s.w. Die Glaubigen werden durch die Inwohnung dieses Geistes nicht nur Werkzeuge, sondern auch Tempel Gottes, und da die Weisen dieser Welt Gott nach Seiner allmächtigen Wirkung und herzlenkenden Kraft so dienen, daß sie Seine Absichten ohne, ja oft wider ihren Willen befördern, unter allen aber ihre eigene Ehre und ihren eigenen Nutzen zum Zweck haben, so macht hingegen der Geist des Sohnes Gottes diejenigen, in denen Er wohnet, tüchtig, nicht ihnen selbst, sondern Demjenigen zu leben, der für sie gestorben und wieder auferstanden ist. Ihre Werke sind wahrhaftig gute Werke und eine Frucht des Geistes, sie leiden auch dabei gern um Seines Namens willen, und begehren ihren Lohn nicht in dieser Welt zu empfangen. Wer nur die allgemeinen Wirkungen Gottes in seiner Seele erfährt, oder wer nur solche Gaben von Ihm empfangen hat, die Er in die ungeheiligte Natur eines Menschen legen kann, ist noch ein Knecht der Sünde, und läuft, wenn keine Sinnes-Aenderung und Wiedergeburt in ihm vorgeht, mit einem unruhigen Gewissen der Hölle zu: der Geist des Sohnes Gottes aber heiliget die Seele, wird durch eine jede Untreue betrübt, führt auf ebener Bahn, zeuget mit dem Geist des Menschen, daß er ein Kind Gottes sei, und richtet dadurch Frieden mit Gott in dem Herzen an. Der Uebergang von der allgemeinen Wirkung Gottes zu der Empfahung des Heiligen Geistes ist sehr wichtig und nöthig. Bei demselben wird dem Menschen offenbar, daß seine vorigen Werke (gesetzt, daß sie auch einigen Nutzen geschafft hätten) um seines Herzens willen unrein und verwerflich gewesen seien, daß er mit demselben unter dem Zorn Gottes gestanden sei, und daß er ganz untüchtig sei, etwas wahrhaft Gutes zu thun. Wenn ihm aber Gott Gnade und Seinen Geist schenkt, so wird er ein Gefäß der Barmherzigkeit, und zu allem guten Werk tüchtig.

Mel.: Wachet auf, ruft uns etc.

1.
Gott ist ein einig Wesen;
Wie wir vom Geist des Vaters lesen,
So ist Er auch des Sohnes Geist;
Er hat auf Einem Throne
Die gleiche Ehre mit dem Sohne,
Weil Er der Odem Gottes heißt.
Als der Erlösung Pfand
Wirst Du von Ihm gesandt,
Geist des Sohnes;
Dich bete dann
Im Glauben an,
Wer durch Dich glaubt und beten kann.

2.
Der Sohn hat Dich erworben,
Dieweil Er uns zum Heil gestorben
Und auferstanden uns zum Heil.
Wer Dich nicht will erkennen,
Kann Jesum seinen HErrn nicht nennen,
Und hat am Leben keinen Theil.
Verkläre Du noch hier
Auch Gottes Sohn in mir,
Geist des Sohnes;
Dort fließe Du
Mir in der Ruh’
Als Strom vom Thron des Lammes zu.

16. Oktober. Abend-Andacht.

Seid ohne Tadel und lauter und Gottes Kinder, unsträflich mitten unter dem unschlachtigen und verkehrten Geschlecht, unter welchem ihr scheinet als Lichter in der Welt. Phil. 2,15.

Es gibt Leute, die sich selbst für fromm halten, weil sie Vieles wissen, oder weil sie etwas Sonderbares und Neues wissen, da es doch gemeiniglich nur ein alter, schon lange widerlegter Irrthum ist, oder weil sie äußerliche Uebungen und Gebräuche mitmachen, welche sie bei frommen Christen wahrnehmen. Solche Leute betrügen sich gemeiniglich selbst, und Andern wird ihre Heuchelei bälder offenbar, als ihnen selbst. Es ist nie keine gründliche Bekehrung in ihnen vorgegangen. Sie sagen, sie erkennen Gott, und mit den Werken verleugnen sie Ihn. Sie haben den Schein eines gottseligen Wesens, aber seine Kraft verleugnen sie, oder sie zeigen an, daß sie diese Kraft nicht haben. Sie wollen der Schrift Meister sein, und wissen nicht, was sie sagen oder was sie setzen, 1 Tim. 1,7. Ganz anders beschreibt Paulus rechtschaffene Christen, indem er ermahnungsweise sagt: seid ohne Tadel, daß man nämlich mit Recht nichts an euch tadeln kann (denn aus Haß und Unverstand tadelt man oft, was gut ist), und seid lauter, daß Niemand Ursache findet, sich an euch zu ärgern; seid unsträfliche Gottes-Kinder: seid, wie es Kindern Gottes gebührt, die ihres Vaters Geist haben, Ihn kindlich fürchten und lieben, und in Seiner Liebe ruhen, und bedenket, daß Kinder Gottes keiner Untreue oder Schalkheit bezüchtigt werden sollen. Seid solche Kinder Gottes nicht im Winkel, nicht zwischen vier Mauern, nicht in einem besondern gelobten Land, welches jetzt nirgends ist, sondern mitten unter dem unschlachtigen und verkehrten Geschlecht, unter welchem ihr nach Gottes Willen als zerstreut leben müsset. Freilich müsset ihr dabei beobachten, was Ps. 26,4.5.6. steht: ich sitze nicht bei den eitlen Leuten, und habe nicht Gemeinschaft mit den Falschen; ich hasse die Versammlung der Boshaftigen, und sitze nicht bei den Gottlosen; ich wasche meine Hände in Unschuld, und halte mich, HErr, zu Deinem Altar. Doch könnet ihr übrigens die Welt nicht räumen. Ihr müsset mitten unter dem unschlachtigen und verkehrten Geschlecht wohnen, und auch in äußerlichen Dingen mit demselben zu thun haben: aber hier muß sich die Kraft eurer Gottseligkeit zeigen. Euer Glaube muß die Welt überwinden. Ihr sollet mit den unfruchtbaren Werken der Finsterniß keine Gemeinschaft haben, sondern sie vielmehr strafen. Ihr sollet, kurz zu sagen, euch unter dem unschlachtigen und verkehrten Geschlecht als Kinder Gottes Ihm zur Ehre beweisen. Unter den Leuten dieses Geschlechts, die in der Finsterniß wandeln, und inwendig lauter Finsterniß sind, scheinet ihr als Lichter in der Welt, wie denn Christus zu Seinen Jüngern gesagt hat: ihr seid das Licht der Welt. Ihr sollt Gott erkennen, den die Welt nicht kennet, verständig auf’s Seelenheil sein, alldieweil die Leute jenes Geschlechts unverständig sind, und andern mit euren Worten und Werken vorleuchten, daß sie von euch und an euch lernen können, wie ehrwürdig, heilig und vergnüglich das wahre evangelische Christenthum sei. Ein Christ, der nach dieser Ermahnung gebildet ist, ist ein wahrer Christ. Ach, daß deren Viele zu unserer Zeit wären! Der HErr kennet die Seinen; es trete aber ab von der Ungerechtigkeit, wer den Namen Christi nennet.

Mel.: HErr Jesu, Gnadensonne.

1.
Die Christen sind doch Lichter
In der verkehrten Welt;
Die Welt macht sich zum Richter,
Die nichts von ihnen hält;
Doch lassen sie im Dunkeln
Stets ihren Glauben funkeln,
Durch den man Gott gefällt.

2.
So macht der Welt ihr Tadel
Dem Christen keine Pein;
Das ist sein hoher Adel,
Ein Gotteskind zu sein,
Und unter Ungeschlachten,
Die Gott und ihn verachten,
Behält dieß Licht den Schein.

3.
HErr! hier sind Kedars Hütten,
Hier herrscht die Finsterniß;
Ich bin in ihrer Mitten,
Mach’ meinen Ganz gewiß,
Daß ich unsträflich handle,
In laut’rer Wahrheit wandle,
Und Gottes nicht vergiß.

4.
Mein Glauben, Hoffen, Lieben
Sei durch Dein Wort entzünd’t,
Daß sich in meinen Trieben
Ein stetes Brennen find’t.
Die Lichter, die nur rauchen,
Sind nicht mehr zu gebrauchen,
Dieweil sie stinkend sind.

5.
Bring’ mich zu Deinen Erben
Als Kind des Lichtes ein;
Laß auch in meinem Sterben
Den Glauben lichte sein;
Des Lichtleins letzter Funken,
Das in sein Oel versunken,
Verlischt nicht ohne Schein.

17. Oktober. Morgen-Andacht.

Jesus herzte die Kindlein, und legte die Hände auf sie, und segnete sie. Mark. 10,16.

Nachdem der HErr Jesus in den Tages Seines Wandels auf Erden Juden und Heiden, Gelehrten und Ungelehrten, Männern und Weibern, Zöllnern und Sündern freundlich und weislich begegnet war, so waren noch die kleinen Kinder übrig, von denen man nicht wissen konnte, wie Er gegen sie gesinnt sei. Es geschah aber unter der Vorsehung des himmlischen Vaters, daß man Kindlein zu Ihm nicht hinführte, sondern brachte, und dabei nicht die Absicht hatte, daß Er mit ihnen reden, sondern nur, daß Er sie anrühren, oder wie Matthäus sagt, die Hände auf sie legen möchte. Diese Kindlein waren nicht krank, weßwegen man nicht begehrte, daß Er sie durch’s Anrühren wie andere Kranke gesund machen möchte, und die Jünger Jesu hätten auch ein solches Begehren nicht getadelt: sondern es war den Leuten um einen geistlichen Segen zu thun, den die Kindlein von Jesu empfahen sollte, wie denn der HErr Jesus auch hernach vom Reich Gottes redete. Weil nun die Jünger nicht glaubten, daß Kindlein, die noch keiner Belehrung fähig sind, einen geistlichen Segen von Jesu empfahen können, so fuhren sie diejenigen an, die sie trugen, und warfen ihnen ohne Zweifel vor, daß sie etwas Unmögliches oder Ungereimtes begehren. Da es aber Jesus sahe, ward Er über Seine Jünger unwillig, und sprach zu ihnen: lasset die Kindlein zu Mir kommen, und wehret ihnen nicht; denn solcher ist das Reich Gottes, folglich sind sie auch eines geistlichen Segens fähig. Wahrlich, setzte Er hinzu, wer das Reich Gottes nicht empfähet als ein Kindlein, nämlich ohne Verdienst der Werke, mit einem Geist ohne Falsch, und so, daß seine Seele dabei ohne eigenmächtiges Wollen oder Laufen empfängt, was ihr umsonst gegeben wird, der wird nicht hinein kommen. Der HErr Jesus bezeugte also, daß die Seelen kleiner Kinder sogar des Reichs Gottes fähig seien, und daß alle Seelen der Erwachsenen, um dasselbe Reich zu empfahen, den Seelen jener Kindlein ähnlich werden müssen, wie Er es auch Matth. 18,3. bezeugt hatte. Nach diesen Worten rief Er die Kindlein zu Sich, nahm sie einzeln nach einander in oder auf Seinen heiligen Arm, und umfaßte sie liebkosend mit demselben, und nachdem Er dieses gethan hatte, legte Er, ohne ein Wort mit den Kindlein selbst zu reden, die Hände auf sie und segnete sie. Ohne Zweifel hat die Auflegung Seiner heiligen Hände und Sein ausgesprochener Segen eine Kraft gehabt, und diesen Kindlein eine geistliche Gabe für die damalige, und einen Genuß der göttlichen Liebe auf die künftige Zeit verschafft.

Was hindert es also, daß man kleine Kinder nicht taufen sollte, da sie doch dem HErrn Jesu lieb, und eines geistlichen Segens, ja des ganzen Reichs Gottes fähig sind? Wie denn auch der Täufer Johannes noch im Mutterleibe mit dem Heiligen Geist erfüllt worden ist. Die Kinder verstehen nichts bei der Taufe: sollte aber Gott, der allmächtige Schöpfer aller Menschenseelen, nur durch die Thüre des Verstandes zu ihnen eingehen können? Sollte Er ihnen nichts mittheilen, und nichts in ihnen wirken können, wenn sie sich dessen nicht bewußt sind? Ist doch die Erbsünde in sie eingedrungen, ohne daß sie es wußten, warum sollten nicht auch geistliche Gaben in sie gelegt werden können, ohne daß sie es wissen?

Mel.:O Durchbrecher aller Bande.

1.
Gottes Sohn, in Fleisch gekleidet,
Hat die Kindlein auch geherzt;
Es sind Lämmlein, die Er waidet,
Deren Tod Ihn auch geschmerzt.
Das heißt große Sanftmuth üben,
Das muß Herzensdemuth sein;
Seinem wunderen Lieben
Ist der Sünder nie zu klein.

2.
HErr, ich preise Dein Erbarmen,
Segnen ist ja Deine Lust;
Ich lag auch Dir in den Armen
Noch als Säugling an der Brust;
Denn ich ward auch Dich getaufet.
Leib und Seele, freuet euch!
Jesus, der mich Ihm erkaufet,
Gab mir da Sein Himmelreich.

3.
Mutterliebe ist noch wenig,
Vatersegen ist gering
Gegen dem, was ich, o König,
Schon als Kind von Dir empfing.
Doch das war Dein Wohlgefallen;
Nimm ein Lob jetzt von mir an;
Was ich hier kann kindlich lallen,
Sing’ ich Dir dort als ein Mann.

17. Oktober. Abend-Andacht.

Ihr seid nicht kommen zu dem Berg, der mit Feuer brannte, sondern ihr seid kommen zu dem Berg Zion, und zu der Stadt des lebendigen Gottes. Hebr. 12,18.22.

Vor dem Anbruch des Neuen Testamentes gab es keine größere Offenbarung der Herrlichkeit Gottes als diejenige, die auf dem Berg Sinai geschah, weßwegen auch in den Psalmen und in den Büchern der Propheten sehr oft davon geredet wird. Wenn nun die Israeliten diesen Berg, der mit Feuer brannte, und den außer Moses Niemand anrühren durfte, immer vor Augen hatten, so konnte es nicht fehlen, es mußte eine Furcht bei ihnen entstehen, und sie mußten wie unmündige Kinder werden, welche man so behandelt, daß zwischen ihnen und den Knechten kein Unterschied ist. Gott hat zwar auch große Verheißungen auf diesem Berg ausgesprochen, oder vielmehr die älteren Verheißungen, die Er dem Abraham gegeben hatte, wiederholt und bestätigt: es wurden aber diese Verheißungen in so fürchterliche Offenbarungen des göttlichen Feuereifers eingehüllet, und mit so vielen Satzungen und Geboten verbunden, daß sich zwar der Glaube daran halten konnte, doch aber kein kindlicher Glaube werden, und zu keiner ganzen Freimüthigkeit gegen Gott erwachsen konnte. Nun sagt aber Paulus zu den Glaubigen des Neuen Testaments: ihr seid nicht kommen zu dem Berg, der mit Feuer brannte, daß ihr dabei still stehen, ihn immer ansehen, und eure ganze Erkenntniß Gottes dorther bekommen müßtet: sondern ihr seid kommen zu dem Berg Zion, und zu der Stadt des lebendigen Gottes. Was ist der Berg Zion? Ps. 2,6. sagt der himmlische Vater: Ich habe Meinen König eingesetzt auf Meinem heiligen Berg Zion. Gleichwie nämlich auf dem irdischen Berg Zion in der Stadt Jerusalem die königliche Burg Davids war, also ist auch auf Erden überall ein unsichtbarer Berg Zion, wo Christus als ein gnädiger König durch Sein Evangelium und durch Seinen Geist herrscht, und im Himmel ist der Berg Zion, wo sich der HErr Jesus als König in Seiner herrlichen, schönen Pracht offenbaret, und in Seinen mächtigen Thaten erzeigt. Johannes sah Offenb. 14,1. den himmlischen Berg Zion im Gesicht, und auf demselben das Lamm Gottes stehen, und mit Ihm Hundertundvierundvierzigtausend, die den Namen Seines Vaters an ihrer Stirne geschrieben hatten. Zu dem Berg Zion gekommen sein heißt also, eine lebendige Erkenntniß des Königs Jesu bekommen haben, und durch die Erleuchtung des Heiligen Geistes glauben, daß Er als Gottmensch über die durch Sein Blut erkauften und Ihm freiwillig unterworfenen Menschen mit großer Gnade, Weisheit und Macht herrsche, und sie durch sich selbst selig und herrlich mache. Diesen Blick auf Jesum und Sein Reich soll ein Christ niemals verlieren, denn er ist überwiegend gegen alle Versuchungen der Lust und Furcht. Ein neutestamentlicher Christ aber ist auch zu der Stadt Gottes, zu dem himmlischen Jerusalem gekommen, daß er es auch im Glauben und in der Hoffnung vor Augen habe, und nach den Sitten und Rechten desselben gebildet werde. In diesem himmlischen Jerusalem ist auch der königliche Thron Gottes und des Lammes, Offenb. 22,3., es ist aber auch eine Hütte Gottes bei den Menschen, und Er wird bei ihnen wohnen, und sie werden Sein Volk sein, und Er selbst, Gott mit ihnen, wird ihr Gott sein, Offenb. 21,3.

Mel.: Die Seele Christi heil’ge mich.

1.
Wir geh’n im Neuen Testament
Nicht zu dem Berg, da Feuer brennt,
Und wo man unter Gottes Fuß
Vor Seiner Stimme zittern muß.

2.
Wir treten in getrostem Sinn
Nun zu dem Berge Zion hin,
Zu des lebend’gen Gottes Stadt,
die zehenfache Tausend hat.

3.
Wo man der Engel Menge find’t,
Die allzumal versammelt sind;
Wo sich die Erstgebornen seh’n,
Im Himmel angeschrieben steh’n.

4.
Da ist die Anschau angenehm
Im himmlischen Jerusalem,
Wie hier der große Richter sitzt,
Der Aller Gott ist und uns schützt.

5.
Zum Berge Zion treten wir,
Zu jenen Geistern naht man hier,
Die, nach dem Sieg, selbst Gottes Geist
Vollendete Gerechte heißt.

6.
Zu Jesu, den man Mittler nennt
Von dem ganz neuen Testament,
Man nahet zum Besprengungsblut,
Das besser red’t, als Abels thut.

7.
Auf, auf, mein Herz, schwing dich dahin,
Wo ich bei Gott und Jesu bin,
Laß deinen Glauben wacker sein,
Die Hoffnung fest, die Liebe rein!

8.
O Geist der Gnaden! führe Du
Mich dieser Stadt und Berge zu,
Allwo ich Gott und Jesum seh’,
Und dam mit Blut besprenget steh’!

18. Oktober. Morgen-Andacht.

Wir haben nur Einen Gott, den Vater, von welchem alle Dinge sind, und wir in Ihm. 1 Kor. 8,6.

Paulus hat den Korinthern, welche ihn wegen des Götzenopfers gefragt hatten, geschrieben, ein Götze sei eigentlich nichts in der Welt, und wenn man von Göttern reden wolle, so solle man der Heiden Götzen nicht so nennen. Es gebe zwar sowohl im Himmel als auch auf Erden erschaffene Dinge, die in der heiligen Schrift Götter genannt werden, nämlich himmlische Fürsten und irdische Fürsten, und so seien viele Götter und viele Herren, aber in die Klasse derselben gehören die Götzen der Heiden nicht, man möge entweder die Bilder in den heidnischen Tempeln, oder die Dämonen oder geistigen Wesen, welche sich dabei wirksam beweisen, betrachten. Ob es aber gleich nach einer niedrigen Bedeutung viele Götter und viele Herren gebe, so sei doch im eigentlichen Verstand kein anderer Gott als der Einige. Eben diese Wahrheit wiederholt er V. 6. ausführlicher, indem er sagt: wir haben nur Einen Gott, den Vater, von welchem alle Dinge sind, und wir in Ihm oder zu Ihm, und Einen HErrn, Jesum Christum, durch welchen alle Dinge sind, und wir durch Ihn. Man bemerke hiebei, daß der Vater nicht ausgegangen und gesandt worden sei, wie Gott der Sohn und der Heilige Geist, und daß der Vater Sich nie erniedrigt habe, und nie ein Mittler worden sei, wie der Sohn. Wenn also die Heilige Dreieinigkeit nach ihrem thätigen Verhältniß gegen die Geschöpfe (ökonomisch) vorgestellt wird, so wird der Vater Gott genannt, weil Er Sich nur als Vater und als Gott geoffenbart hat; der Sohn aber hat sich als HErr und Jesus Christus, und der Heilige Geist als eine Gabe geoffenbart. Uebrigens ist auch Christus als das Wort bei Gott, und selber Gott, und der Heilige Geist ist der Geist Gottes, folglich in Gott, von dem Er ausgeht, und hat ein göttliches Wesen, gleichwie der Geist eines Menschen ein menschliches hat. Wenn ich den Vater als Gott betrachte (und anders kann ich Ihn nicht betrachten, weil Er Sich in keinem andern Verhältniß geoffenbart hat), so muß ich Ihn den Einigen Gott nennen, weil es das große Vorrecht Gottes ist, daß Er der Einige ist, und Seines Gleichen nicht hat. Ich muß ferner glauben, daß von dem Einigen Gott alle Dinge seien, weil Er ihr Schöpfer und Erhalter ist, und daß insonderheit wir Menschen dazu bestimmt seien, daß wir zu Ihm kommen, oder Ihm wieder zugeführet werden, nachdem wir durch die Sünde von Ihm abgewichen sind. Fragen wir aber, durch wen alle Dinge entstanden seien, so antwortet Johannes Kap. 1. und Paulus 1 Kor. 8,6.: es sei Alles durch das wesentliche Wort erschaffen, wiewohl von diesem Wort, in so fern es Gott ist, Hebr. 1,10., auch geradezu gesagt wird: Du hast von Anfang die Erde gegründet, und die Himmel sind Deiner Hände Werk. Fragen wir ferner, durch wen wir Menschen zu Gott kommen und Ihm zugeführt werden sollen, so antwortet Paulus: durch den Einigen HErrn, in so fern Er Jesus Christus, oder der Heiland und der Gesalbte ist. In so fern ist Er der Weg, durch den man zum Vater kommt, Joh. 14,6. Ehre sei dem Vater, welcher sich als der Einige Gott geoffenbaret hat! Ehre sei dem HErrn Jesu Christo, durch den wir zum Vater kommen! Ehre sei dem Heiligen Geist, der uns tüchtig macht, durch Christum zum Vater zu gelangen! Ehre sei der Heiligen Dreieinigkeit!

Mel.: Ich will Dich lieben, meine Stärke.

1.
Macht Götter, die ihr Gott vergessen,
Aus Fleisch und Holz, und was noch mehr;
Ein Gott, den auch der Wurm kann fressen,
Der heißt mir kein lebendiger,
Was ich zum Gott selbst machen kann,
Das bete ich nicht an.

2.
Von solchen Göttern mag ich keinen,
Der mich nicht ewiglich erfreut.
Ich kenne Gott nur als den Einen,
Der ist und lebt von Ewigkeit;
Den, der mich selig machen kann,
Den bet’ ich herzlich an.

3.
Dem Vater, welcher selbst das Leben,
Und der im Sohn die Welt geliebt,
Dem soll mein Herz die Ehre geben,
Die Ihm auch Erd’ und Himmel gibt.
Ich glaube, was er mir gethan
Und bete dankbar an.

4.
Ja, mein Gott, Dir sei Lob und Ehre,
Daß Du mir Dein Erkenntniß schenkst,
Weil sonst mein Beten Thorheit wäre;
Wer bin ich, daß Du mein gedenkst?
O mach’ mich selig, und alsdann
Bet’ ich Dich ewig an!

18. Oktober. Abend-Andacht.

Gedenke nicht der Sünden meiner Jugend und meiner Uebertretung: gedenke aber mein nach Deiner Barmherzigkeit um Deiner Güte willen. Ps. 25,7.

Wer ist, der nicht nöthig hätte, also zu beten? In der Jugend ist man unerfahren, leichtsinnig, feurig, und empfindet alle Reizungen zur Sünde sehr lebhaft. doch regt sich die Taufgnade bei Christen eine Zeit lang, widerstrebt der Sünde, und läßt das Kind nicht ohne Scham und Angst bleiben, wenn es sich übereilt hat. Weil aber die Versuchungen stärker wachsen, so kommt kein getauftes Kind durch, es sei denn, daß es auch nach dem Beispiel Christi an Weisheit und Gnade bei Gott und Menschen wachse, und zu der kleinen Geisteskraft, die es von der Taufe her in sich hat, eine größere aus der Fülle Jesu Christi bekomme. Wenn aber ein Kind die Empfahung dieser größern Kraft versäumt, folglich nicht ernstlich betet, nicht wacht, das Wort Gottes nicht fleißig hört, liest und betrachtet, dagegen aber sich zu bösen Gesellschaften schlägt, und an dem thörichten und muthwilligen Beginnen der Weltkinder sich vergafft: so verliert es die Taufgnade, wird mit Lastern befleckt, fällt von einer Sünde in die andere, und weicht mit seinem Herzen von Gott ab. Dieses ist das klägliche Schicksal der meisten getauften Kinder, und so mag es auch ehemals mit den meisten Kindern der Israeliten gegangen sein. David, der vielleicht in seiner Jugend vielen andern Kindern und Jünglingen vorzuziehen war, wurde von dem Geist Gottes zu derjenigen Zeit an die Sünden seiner Jugend gemahnt, da er Ps. 25,16.17.18. beten mußte: wende Dich zu mir, und sei mir gnädig; denn ich bin einsam und elend. Die Angst meines Herzens ist groß, führe mich aus meinen Nöthen. Siehe an meinen Jammer und Elend, und vergib mir alle meine Sünden. Da er also um die Vergebung aller seiner Sünden bat, so bat er auch um die Vergebung seiner Jugendsünden, deren er sich eben damals mit Reue und Scham erinnerte; da er in der Jugend selbst in seinem Gemüth flüchtig darüber weggegangen war. Es gibt also Stunden, in welchen Gott auch frommen und begnadigten Personen die Sünden ihrer Jugend, und so auch andere ehemalige Uebertretungen zu ihrer Zermalmung und Demüthigung vor die Augen stellt, und sie darnach auf’s Neue kräftig überzeugt, wie nöthig ihnen die Gnade und ein Erlöser sei. In diesem Fall aber soll ein Jeder bitten: gedenke nicht der Sünden meiner Jugend und meiner Uebertretung. Gedenke ihrer jetzt nicht, und gedenke ihrer nicht am Tage des allgemeinen Weltgericht, daß Du sie mir zurechnetest. Gedenke aber meiner nach Deiner Barmherzigkeit um Deiner Güte willen. Weil Du ein gütiger Gott und Vater, ja die Liebe bist, so gedenke meiner, der ich einsam und elend bin, nach Deiner Barmherzigkeit. Erzeige mir Hülfe, wenn mir Hülfe nöthig ist, schenke mir Licht und Kraft zum Sieg über alle Versuchungen; gedenke meiner, wenn ich sterbe, daß Du meine Seele sanft aus dem Leib heraushebest und aufnehmest. Gedenke meiner nach Deiner Barmherzigkeit, wenn Du die Welt richten wirst, daß Du mir alsdann keinen zornigen Vorhalt wegen meiner Sünden machest, sondern mir mit allen Auserwählten das ewige Erbe aus Gnaden schenkest. O Gott! gedenke auch meiner auf diese Weise am besten. Amen.

Mel.: Sollt’ es gleich bisweilen scheinen.

1.
Vater! laß mich Gnade finden,
Denke nicht der Jugendsünden,
Denke der Barmherzigkeit;
Denn sie sind mir herzlich leid.

2.
Konnt’st Du, da ich fiel, nicht sehen,
Daß ich sollt’ verloren gehen,
Und bekehrtest mich zu Dir:
Zürne nun nicht erst mit mir.

3.
Legtest Du mich Dir zu Fuße,
Wirktest Du selbst meine Buße,
Ach so rechne nun nicht an,
Was ich vormals Bös’s gethan!

4.
Hast Du nicht mir schon vergeben,
Schenktest Du mir nicht das Leben,
Da ich Dich um Gnade bat
Nach bereuter Missethat?

5.
Hat Dein Wort mir nicht erlaubet,
Daß ich mich versühnt geglaubet?
Machte nicht Sein Blut mich rein?
Aller Heiland ist auch mein!

6.
Ich will mich der Narben schämen;
Laß mich nur nicht darob grämen,
Daß die alte Wunde neu
Und noch nie geheilet sei.

7.
Laß mich wohl ihr Angedenken
Beugen, aber nicht mehr kränken,
Und der Schrecken vor Gericht
Störe meinen Frieden nicht.

8.
Gib in meinen letzten Stunden
Mir noch Trost aus Jesu Wunden;
Denke der Barmherzigkeit,
Die verlor’ne Söhne freut!

19. Oktober. Morgen-Andacht.

Es ist ein großer Gewinn, wer gottselig ist, und lässet ihm genügen. 1 Tim. 6,6.

In dem neunten und zehnten Gebot hat Gott die Ungenügsamkeit verboten, nach welcher den Menschen, der doch schon seinen bescheidenen Theil von Ihm empfangen hat, immer nach demjenigen gelüstet, was Gott seinem Nächsten und nicht ihm gegeben hat. Eine solche Ungenügsamkeit ist eine Marter für den Menschen selbst, und eine Wurzel vieler Sünden. Man versagt dabei dem großen Gott den schuldigen Dank für die Gaben, die man von Ihm empfangen hat; man murret wider Ihn mit einer heimlichen Feindschaft; man versäumt, in demjenigen treu zu sein, das Einem anvertraut ist; man macht sich untüchtig, Gott mit einem heitern Herzen zu dienen; man greift auch auf eine ungerechte Weise zu, wie man kann, will sich aus Ungeduld und ohne Gott bessere Umstände und ein größeres Glück verschaffen, greift aber dadurch nach einem stechenden Dorn, und verletzt insonderheit seine Seele. Salomo, der seinen Prediger in der Absicht schrieb, die Menschen die Genügsamkeit zu lehren, und deßwegen wider die unordentliche Lust und wider den Gram viele Zeugnisse darin ablegte, ermahnt den Menschen mehrmals, das Gute, das ihm Gott bescheret hat, unter Dessen Wohlgefallen mit Freuden zu genießen, und nicht immer mit Gram und Lust nach fremden Dingen, die doch eitel sind, zu gaffen. Paulus aber sagt: es ist ein großer Gewinn, wer gottselig ist, und lässet ihm genügen. Zu der Genügsamkeit ist also Gottseligkeit nöthig, denn ein Mensch ohne Gottesfurcht wird immer von seinen Lüsten umgetrieben, und hat seinen eigenen Peiniger in sich selbst. Er setzt hinzu: denn wir haben nichts in die Welt gebracht, darum offenbar ist, wir werden auch nichts (keinen Reichthum und keine einträglichen Ehrenstellen) hinausbringen. Dieses ist die Eitelkeit aller Dinge unter der Sonne, von welcher Salomo Vieles gesagt, und nach welcher ein jegliches nur seine Zeit hat, in welcher es anfängt, ist, und wieder vergeht. Wenn wir aber Nahrung und Kleider haben, welche mit einander das tägliche Brod sind, um welches wir bitten dürfen, so lasset uns begnügen. Denn die da reich werden, und Alle die ihre Umstände in der Ungeduld mit Gewalt verbessern wollen, fallen in Versuchung, und, wenn sie von derselben überwältigt werden, in Satans Stricke, und viel thörichter und schädlicher Lüste, deren eine auf die andere folgt, und den Menschen in neue unruhige Bewegungen setzt, und diese Lüste versenken die Menschen in’s Verderben und Verdammniß, denn Geiz oder unersättliche Begierde ist eine Wurzel alles Uebels. Wer aber gottselig ist, und sich genügen läßt, hat einen großen Gewinn, weil er Ruhe der Seele und einen fröhlichen Genuß der gegenwärtigen Gaben Gottes, dabei aber auch eine heitere Hoffnung himmlischer Güter hat; darum sagt die Schrift: der Gerechte hat’s besser, denn sein Nächster, aber der Gottlosen Weg verführet sie, Spr. 12,26. Es ist besser, wenig mit Gerechtigkeit, denn viel Einkommens mit Unrecht, Spr. 16,8. Es ist besser eine Hand voll mit Ruhe, denn beide Fäuste voll mit Mühe und Jammer, Pred. 4,6. Großer Gott, Du hast mich berufen zum ewigen Leben. Hilf mir, daß ich’s erlange, und mir auf Erden bei der Gottseligkeit genügen lasse.

Mel.: Seelenbräutigam.

1.
Groß ist der Gewinn:
Ein begnügter sinn,
Der durch Gnade darnach strebet,
Daß er nur gottselig lebet;
Außer diesem Sinn
Nützt mir kein Gewinn.

2.
Wenn der Leib nur satt,
Wenn er Kleidung hat,
Daran kann uns wohl genügen;
Und die Gnade, die wir kriegen,
Ist an Reichthums Statt,
Die macht ewig satt.

3.
Geiz hat nie genug,
Handelt gar nicht klug,
Läßt vom Gelde sich bestricken,
Und bis in’s Verderben drücken.
Bei der Gnade Zug
Kriegt das Herz genug.

4.
Gott, es preiset Dich
Mein Herz inniglich,
Daß Du mich die Zeit auf Erden
Nicht zu reich noch arm läß’st werden.
So ist’s gut für mich;
Mein Herz preiset Dich.

5.
Mach’ mich arm im Geist,
Und wie Du verheiß’st,
Reich in meines Heilands Gnade;
Denn der Weltgewinn ist Schade.
Wen Du selig preis’st,
Der ist reich am Geist.

6.
Wenn ich selig bin,
O das ist Gewinn;
Wenn mich einst das Lämmlein weidet
Und mit weißer Seide kleidet!
O da lob’ ich Ihn,
Wenn ich selig bin!

19. Oktober. Abend-Andacht.

In der Wiedergeburt, da des Menschen Sohn wird sitzen auf dem Stuhl Seiner Herrlichkeit, werdet ihr auch sitzen auf zwölf Stühlen, und richten die zwölf Geschlechter Israels. Matth. 19,28.

Es ist kein Zweifel, daß hier den Aposteln etwas Besonderes verheißen werde. Die zwölf Apostel sollen zwölf Stühle oder Thronen haben, und die zwölf Geschlechter Israels richten. Wann aber? Alsdann, wann des Menschen Sohn sitzen wird auf dem Stuhl oder Thron Seiner Herrlichkeit. Wann wird aber dieses geschehen? Alsdann, wann Er kommen wird in Seiner Herrlichkeit, und alle heiligen Engel mit Ihm, Matth. 25,31. So war ehemals zu Jerusalem der königliche Thron Davids; wenn er aber zu Gericht saß, so saßen auch seine Prinzen und vornehmsten Diener als Richter auf Thronen, wie aus Ps. 122,5. zu schließen ist. Merkwürdig aber ist’s, daß der Heiland hier auch ein Wort braucht, welches sonst nirgends in dem Neuen Testament vorkommt. Er redet nämlich von einer Palingenesie oder Wiedergeburt, welche alsdann geschehen werde, wenn Er auf dem Thron Seiher Herrlichkeit sitzen werde. Menschenseelen müssen wiedergeboren werden, alldieweil sie noch in den sterblichen Leibern sind, und was durch die Wiedergeburt in ihn angerichtet worden, muß durch die Heiligung in ihnen fortgeführt und endlich vollendet werden. Am jüngsten Tag aber wird eine große und sehr weit um sich greifende Wiedergeburt geschehen. Die Leiber der Gerechten, sie mögen todt oder lebendig sein, werden schnell verklärt werden. Auch wird geschehen, was der HErr, der auf dem Thron sitzt, zu dem Johannes sagte: siehe, Ich mache Alles neu, Offenb. 21,5. Die Kreatur, die vorher der Eitelkeit wider ihren Willen, das ist wider ihren Naturtrieb, unterworfen gewesen war, wird nicht zernichtet, sondern frei werden von dem verzehrenden Dienst, und zu der herrlichen Freiheit der Kinder Gottes durchdringen, Röm. 8,20.21. Der erste Himmel und die erste Erde werden vergehen, und das Meer wird nicht mehr sein: hingegen wird Gott einen neuen Himmel und eine neue Erde darstellen, und das neue Jerusalem vom Himmel herabfahren lassen; und alsdann wird das Wort des großen Gottes erfüllt werden: es ist geschehen: Ich bin das A und das O, der Anfang und das Ende, Offenb. 21,1.2.6. Alsdann wird eine neue Haushaltung Gottes angehen, in welcher, wer sich selbst erniedrigt hatte, erhöhet, und wer sich selbst erhöhet hatte, erniedrigt sein wird. Das größte Beispiel hievon werden die zwölf Apostel sein, welche von der tiefsten Schmach und Armuth bis zum Richteramt über Israel, und von den Richtplätzen, auf welchen fast alle hingerichtet worden sind, bis auf himmlische Throne erhöhet sein werden. Diese Wiedergeburt habe ein Jeder vor Augen, den der Anblick der gegenwärtigen Welt betrübet und ihre Verfassung drücket. Sie sei aber auch ein kräftiger Antrieb zur Bekehrung, bei welcher die Seele wiedergeboren wird, wie auch zur Treue und Beharrlichkeit in der Nachfolge Christi, zur Verleugnung des ungöttlichen Wesens und der weltlichen Lüste und zur Geduld im Leiden. Derjenige, der gesagt hat: siehe, Ich mache Alles neu, hat dem Johannes befohlen, es zu schreiben, und hinzugesetzt: diese Worte sind wahrhaftig und gewiß. Auch für uns sind diese Worte geschrieben, daß wir sie uns glaubend und hoffend zu Nutze machen.

Mel.: Wer weiß, wie nahe mir mein Ende.

1.
Wenn das Gesäte aus der Erden
Einst mit verklärten Leibern steigt,
Da wird man neu geboren werden;
Hier sind wir nur zum Tod gezeugt;
Dort wird die vorige Person
Ein neuer Mensch vor Christi Thron.

2.
Was wir vom ersten Adam waren,
Wird Erde, weil wir Erde sind;
Hernach wird sich auch offenbaren,
Was man im letzten Adam find’t;
Was Fleisch war, wird da geistlich sein,
Das Irdische wird himmelrein.

3.
Ein Christ ist schon aus Geist geboren,
Daß er ein ewig’s Leben hat;
Geht nun sein Leib des Tod’s verloren,
Baut Gott was Neu’s an dessen Statt;
Der neugebornen Seelen Haus
Geht dann vom Staub auch herrlich aus.

4.
Du Erstgeborner aus den Todten,
HErr Jesu! Du hast uns mit Macht,
Uns, denen Tod und Hölle drohten,
Zum neuen Leben wiederbracht;
Du bist’s, in dem des Vaters Kraft
Durch Glauben neue Menschen schafft.

5.
Ach lebe in mir, bis ich sterbe,
Und laß in Dir mich lebend sein
Und führe mich zu jenem Erbe
Mit denen, die Dir folgen ein;
So lobt mein Geist Dich ewighin,
Wenn ich dort neugeboren bin.

20. Oktober. Morgen-Andacht.

Sie aßen Alle, und wurden satt. Matth. 14,20.

Der HErr Jesus speisete bei fünftausend Mann, ohne Weiber und Kinder, vermittelst einer wunderbaren und übernatürlichen Vermehrung des geringen Vorraths, der zugegen war. Er speisete aber diese Leute so, daß sie satt wurden, und noch Brocken übrig blieben: folglich war der Heiland nicht karg bei der Bewirthung dieser Leute, und gönnte es ihnen, daß sie bis zur Sättigung aßen. Das Essen ist bei den Menschen in eine mannigfaltige Unordnung gerathen, seitdem Adam und Eva durch das Essen sich und das ganze menschliche Geschlecht unglücklich gemacht haben. Es gibt Leute, welche fressen und saufen, oder durch ihre Lüsternheit sich und ihr Geschlecht in die Armuth stürzen. Wer dieses thun kann, ist kein wahrer Christ. Uebrigens liegt in aller Menschen Herzen ein allzugroßer Hang oder eine wollüstige Neigung zum Essen und Trinken, und wenn man dieser Neigung nachhängt, so steht man in der Gefahr, seinen Bauch zum Gott zu machen, und seines Leibes so zu pflegen, daß er geil werde. Um nun dieser Gefahr zu entgehen, haben die Menschen oft Kasteiungsregeln erdacht, welche einigen Nutzen haben, aber auch einen mannigfaltigen Schaden anrichten können. Wer durch sein Fasten oder durch die Enthaltung von gewissen Speisen eine eigene Gerechtigkeit aufrichten und ein Verdienst der Werke sammeln will, und sich selbst dabei gefällt, kasteiet sich nach der Weise der Pharisäer, und hat seinen Lohn dahin. Wer durch seine Kasteiungen seine Gesundheit schwächt und seine Kräfte stumpf macht, wird von Paulus bestraft als ein eigenwilliger Mensch, der seines Leibes, den er doch zum Dienst Gottes brauchen sollte, nicht schont, Kol. 2,23. Ein Gelübde wegen solcher leiblichen Uebungen thun, ist gefährlich, weil sich oft der Zustand des Leibes und Anderes ändert, da dann das Gewissen über den Bruch des Gelübdes ängstlich wird. Wie aber gewisse Leute von der Verbindlichkeit ihrer Gelübde rechtmäßig los werden können, kann man aus 4 Mos. 30. lernen. Soll eine Enthaltung von Speisen oder eine Kasteiung des Leibes Gott gefallen, so muß sie einen guten Zweck haben, und dieser besteht darin, daß der Mensch zu gewissen Gebetsübungen oder Dienstleistungen, die er Gott und dem Nächsten schuldig ist, tüchtiger werde, und gewisse Versuchungen leichter überwinde. ist dieser Zweck für dießmal erreicht, so lasse man, um seines Leibes zu schonen, wieder nach, und esse sich wieder satt, oder esse sein Brod mit Freuden, und trinke seinen Wein mit gutem Muth, wie Salomo Pred. 9,7. sagt; denn der gütige Vater im Himmel gönnet es uns, und der leutselige Heiland hat auch auf Erden bis zur Sättigung gegessen und getrunken, und die Leute, denen Er Brod und Fische austheilen ließ, so gespeiset, daß sie satt wurden. Uebrigens muß das Herz von der unordentlichen Lust durch das Blut Jesu gereinigt werden, denn diese Reinigung wird durch keine leibliche Uebung erzwungen. Himmlischer Vater, Dir sei Dank gesagt, daß Du Alles, was lebet, mit Wohlgefallen sättigest. Reinige unsere Herzen durch den Glauben bei dem Genuß Deiner irdischen Gaben, und mache uns auch dereinst Deines ewigen himmlischen Tisches theilhaftig.

Mel.: Nun laßt uns Gott denn etc.

1.
Die ihr bei Jesu bleibet,
Indem Sein Wort euch treibet,
Die ihr nicht von Ihm gehet,
Dieweil ihr Wunder sehet:

2.
Was speist euch doch, ihr Armen?
Das göttliche Erbarmen,
Das segnet ganz verborgen,
Auch ohne eure Sorgen.

3.
Wenn wir von Tag zu Tagen,
Was da ist, überschlagen,
Und rechnen dann die Menge,
So sind wir im Gedränge.

4.
Doch wenn wir mit Vertrauen
Ihm auf die Hände schauen,
So nähret allerwegen
Uns ein geheimer Segen.

5.
Wie dieses mag geschehen,
Das kann man nicht verstehen;
Allein man sieht am Ende:
Es ging durch Gottes Hände.

6.
Man wundert sich und preiset
Den HErrn, der so gespeiset,
Man glaubt von Herzensgrunde
Und dankt mit frohem Munde.

7.
Kommt her und singt zusammen:
Wir rühmen Deinen Namen;
Du, HErr, bist unser König,
Dir sind wir unterthänig!

20. Oktober. Abend-Andacht.

Durch zwei Stücke, die nicht wanken (denn es ist unmöglich, daß Gott lüge), haben wir einen starken Trost, die wir Zuflucht haben, und halten an der angebotenen Hoffnung. Hebr. 6,18.

Paulus sagt Hebr. 6,13.14.: Gott habe dem Abraham eine Verheißung gegeben, und da Er bei keinem Größeren zu schwören gehabt, bei Sich selbst geschworen, und gesprochen: wahrlich, Ich will dich segnen und vermehren. Die Verheißung, auf welche der Apostel hier deutet, steht ausführlich 1 Mos. 22,16. u.ff., und lautet so: Ich habe bei Mir selbst geschworen, spricht de HErr, daß Ich deinen Samen segnen und mehren will, wie die Sterne am Himmel, und wie den Sand am Ufer des Meeres, und dein Same soll besitzen die Thore seiner Feinde, und durch deinen Samen sollen alle Völker auf Erden gesegnet werden. Paulus hat keine Verheißungen aus den Büchern des Alten Testaments so oft angeführt, und so ausführlich erklärt, als diejenigen, die dem Abraham gegeben worden sind. Er erinnert hiebei, Abraham habe die Verheißung von dem göttlichen Segen durch den Glauben bekommen, folglich werden Alle, die des Glaubens seien, mit dem glaubigen Abraham gesegnet, Gal. 3,9. Er behauptet ferner, der Samen Abrahams, von dem in diesen Verheißungen die Rede sei, bestehe aus allen Israeliten und Heiden, die in den Fußstapfen des Glaubens Abrahams wandeln; da also dem Abraham ein sehr zahlreicher und siegreicher Samen versprochen worden sei, so sei dadurch angezeigt worden, daß die Zahl der Glaubigen sehr groß werden, und sie über ihre Feinde triumphiren, ja zuletzt das Erdreich besitzen werden, Röm. 4,12. u.ff. Endlich lehret er, daß der Segen in diesen Verheißungen dem Fluch des Gesetzes entgegengesetzt sei, und daß uns Christus von diesem Fluch erlöst habe, da Er ein Fluch für uns worden sei, auf daß der Segen Abrahams unter die Heiden käme in Christo Jesu, und wir also den verheißenen Geist empfingen durch den Glauben, Gal. 3,13.14. Gleichwie also der Fluch des Gesetzes die Verdammniß in sich faßt, also schließt der Segen Abrahams die Seligkeit, und Alles, was dazu verhilft, folglich die Rechtfertigung und die Mittheilung des Heiligen Geistes in sich, wie denn Paulus Gal. 3. dieses Alles daraus herleitet. Endlich erinnert Paulus, daß die ausführliche Verheißung, die er aus 1 Mos. 22. angezogen hatte, sehr gewiß sei, und einen göttlichen Rathschluß in sich fasse, der nicht wanke, weil es erstlich unmöglich sie, daß Gott lüge, und weil Er zu Seinen an sich wahren Worten einen Eid hinzu gethan habe. Es seien also zwei Stücke da, die nicht wanken, nämlich erstlich der Ausspruch des wahrhaftigen Gottes selber, und der hinzugethane Eid. Wenn wir also zu unserm Gott und Heiland Zuflucht nehmen wollen, um die angebotene Hoffnung des ewigen Lebens zu ergreifen und uns zuzueignen, so haben wir einen starken Trost, der gegen alle Zweifel und Einwürfe bestehe, weil dieser Trost auf Gottes wahren Ausspruch und feierlichen Eid gegründet sei. Wir sollen also nicht träge, sondern Nachfolger derer werden, welche durch Geduld und Glauben die Verheißungen (nämlich die Erfüllung derselben) ererbet haben, V. 12. So segne uns denn, barmherziger Gott, und zwar vornehmlich mit geistlichem Segen in himmlischen Gütern, und laß uns um Deines Sohnes willen dem Fluch des Gesetzes ewiglich entrückt sein.

Mel.: O Durchbrecher aller Bande.

1.
Gottes Rath ist unbeweglich,
Daß man sicher glauben kann,
Ihm ist Lügen ganz unmöglich,
Er hat einen Eid gethan;
Die Verheißung stehet feste,
Und wir haben starken Trost;
Er setzt unsern Grund auf’s Beste,
Daß kein Sturm ihn niederstoßt.

2.
O Du ewiger Erbarmer,
Wie beständig bist uns Du!
Wirk’ es in mir, daß ich Armer
Ganz auf Deiner Gnade ruh’.
Zagt mein Herz, versucht der Teufel,
Zeig’ mir Deine Worte nur;
So benimmt mir allen Zweifel
Die Verheißung und Dein Schwur.

3.
Gott! Du läßst Dich weit herunter,
Bis das träge Herz Dir glaubt;
Mach’ mich in der Hoffnung munter,
Denn die Zuflucht ist erlaubt;
Laß mich an der Hoffnung halten,
Die uns angeboten ist;
Unser Glaube, wie der Alten
Traut Dir, daß Du wahrhaft bist.

4.
Selig ist’s, auch als ein Kranker
In der Hoffnung fest zu sein;
Denn so geht der Seelen Anker
In den Himmel selbst hinein.
Stärke mir bis an mein Ende
Meines Glaubens matten Trieb,
Bis ich Dir in Deine Hände
Meine Seele übergib.

21. Oktober. Morgen-Andacht.

Die Liebe ist des Gesetzes Erfüllung. Röm. 13,10.

Gott ist Liebe. Weil wir nun Sein Bild in uns haben und Seine Nachfolger sein sollen, so ist nöthig, daß wir die Liebe, die, wie Johannes sagt, von Gott ist, in uns haben, und in derselben bleiben und wandeln. Weil aber die Liebe des Gesetzes Erfüllung ist, und der ganze christliche Wandel auch ein Wandel in der Liebe heißt; so dürfen wir die Liebe nicht in einem eingeschränkten Verstand als eine einzelne und besondere Tugend ansehen, sondern müssen sie als den Inbegriff aller christlichen Gesinnungen und Tugenden betrachten. Paulus sagt V. 9.: das da gesagt ist: du sollst nicht ehebrechen, du sollst nicht tödten, du sollst nicht stehlen, du sollst nicht falsch Zeugniß geben, dich soll nichts gelüsten, und so ein ander Gebot mehr ist: das wird in diesem Wort verfasset: du sollst deinen Nächsten lieben als dich selbst. Hier finden wir schon die Liebe als einen Baum beschrieben, an dem Keuschheit, Huld, Gerechtigkeit in Ansehung zeitlicher Güter, Liebe der Wahrheit, und Genügsamkeit als schöne Früchte hangen. Wollen wir die verschiedenen Aeußerungen der Liebe auf eine andere Weise betrachten, so finden wir, daß Paulus 1 Kor. 13,4-7. geschrieben habe: die Liebe ist langmüthig und freundlich, die Liebe eifert nicht, die Liebe treibet nicht Muthwillen, sie blähet sich nicht, sie stellet sich nicht ungeberdig, sie suchet nicht das Ihre, sie lässet sich nicht erbittern, sie trachtet nicht nach Schaden, sie freuet sich nicht der Ungerechtigkeit, sie freuet sich aber der Wahrheit, sie verträget Alles, sie glaubet Alles, sie hoffet Alles, sie duldet Alles. Wollen wir aber einen ausgedehnteren Bezirk der Liebe ansehen, so dürfen wir nur Christum, der voll Liebe war, betrachten, wie Er nach Seinem Stand der Erniedrigung von den Evangelisten beschrieben ist. Er hat getröstet, geholfen, geduldet, willfahrt, und Jedermann gedient; Er hat aber auch gelehrt, bestraft, auf Kreuzeswegen geführt, und Menschen zuweilen einer heilsamen Trübsal und Traurigkeit überlassen, und dieses Alles in der Liebe. Eben so haben die Apostel des HErrn gehandelt, wie ihre Geschichten und Briefe zeugen. Ihre Liebe war keine Schmeichelei oder freundliche Gleichgültigkeit, sondern mit Salz gewürzt, und hatte das wahre Heil des Nächsten zum Zweck. Ja, wenn der Kirche Gottes ein großer Schaden geschehen sollte, so wurde ihre Liebe gegen die Kirche zu einem brennenden und verzehrenden Feuer, wie die Beispiele des Ananias, der Sapphira, des Elymas, und des Hymenäus und Philetus anzeigen. Wollen wir die Liebe in dem allerweitesten Umfang betrachten, so müssen wir uns in die unsichtbare Welt aufschwingen, allwo wir sehen werden, wie der Vater den Sohn auf’s Höchste verklärt habe, und der Sohn den Vater auf’s Höchste ehre, und wie der Vater und Sohn durch den Geist die Auserwählten zur großen Herrlichkeit erheb und ihnen Sein Reich als ein Erbe gebe; wie aber auch der Vater aus Liebe gegen Seinen Sohn allen denen ein verzehrendes Feuer sei, die Seinen Sohn geschmähet haben, und der Sohn alle diejenigen verdamme, welche Seines lieben Vaters Gebote nicht gehalten haben, und wie der Vater und Sohn alles Unrecht, das den Heiligen und Geliebten Gottes angethan worden, auf’s Schärfste räche. An diesen Liebeserweisungen werden die Heiligen Antheil nehmen, weil sei selbst auch die Welt richten werden. Die Liebe ist wie ein Licht, welches leuchtet und brennt.

Mel.: HErr Jesu Christ, mein’s etc. 1. Herr, Dein Gesetz ist wunderbar,
Ist Kindern und den Weisen klar;
Es flößt sich schon dem Säugling ein,
Der liebt und will geliebet sein.

2. Die Liebe knüpft der Ehe Band;
Auf Liebe baut sich jeder Stand;
Wo Liebe herrscht, wir kein Tyrann;
Aus Liebe wird man unterthan.

3.

Die Liebe zäumt den Herrn und Knecht;
Wo Liebe ist, da ist das Recht;
Ein Recht, das nicht auf Liebe ruht,
Scheint wohl ein Recht, und ist nicht gut.

4.

Als Liebe offenbarst Du Dich,
Und Dein Gesetz ist königlich;
Wenn Liebe Alles bei uns gilt,
So wird Dein ganz Gesetz erfüllt.

5.

Ach, wie hat uns der Haß betrübt!
O aber, wie hast Du geliebt!
Du gabst den Sohn der Liebe hin,
Nun lieben wir Dich nur durch Ihn.

6.

Ach gib uns auch den Liebesgeist,
Den uns Dein Sohn von Dir verheißt,
So geben wir der Liebe Ruhm
Dir ewig als Dein Eigenthum!

21. Oktober. Abend-Andacht.

Ich achte Alles für Schaden, auf daß ich Christum gewinne, daß ich Seinem Tode ähnlich werde, damit ich entgegen komme zur Auferstehung der Todten. Phil. 3,8.10.11.

Was dem Paulus in seinem pharisäischen Zustand ein Gewinn war, achtete er hernach für Schaden um eines höhern Gewinns willen. Als ein echter beschnittener Jude, als ein unsträfliche Pharisäer und Eiferer wider die christliche Religion gefiel er sich, und hatte Gunst bei den Obersten der Juden: diese Selbstgefälligkeit aber, und die dadurch aufgerichtete eigene Gerechtigkeit, wie auch die Gunst der jüdischen Obersten achtete er für Schaden, auf daß er Christum gewinnen möchte. So wird Vieles, das man sonst für recht oder doch für gleichgiltig hält, als Schaden erkannt, wenn man Christum dagegen hält, den man gewinnen soll. Als Mensch und als Bürger kann man Vieles unbestraft thun, das man als ein Christ, der einen höhern Zweck hat, nicht thun darf. Derjenige gewinnt Christum, der von Herzen sagen kann: Er ist mein. Paulus redet hernach besonders von der Gerechtigkeit Christi, die demjenigen, der in Christo ist, zugerechnet wird: und fürwahr, wenn man Christum gewinnt, so gewinnt man auch als ein Glaubiger, der in Ihm erfunden wird, Seine Gerechtigkeit. Er redet hernach ferner von der Erkenntniß Christi, die er noch völliger zu erreichen wünsche, und sagt, er begehre, die Kraft Seiner Darstellung oder Seines Auftritts in der Welt zu erkennen, und die Gemeinschaft Seiner Leiden, nach welcher ein glaubiger Christi bei Allem, was er leidet, dafür halten darf, er leide es mit Christo; und dabei verlange er, Seine Tode ähnlich zu werden: wie aber? So daß er dafür halten könne, er sei mit Christo gestorben, wie er anderswo ausführlich lehret. Christus wurde im Augenblick Seines Todes der Sündenlast, die auf Ihm lag, los, auch hörte Er auf, den Fluch des Gesetzes zu tragen, und trat in ein neues Verhältniß gegen alle Dinge ein. Derjenige wird also dem Tod Jesu ähnlich, der von der Sünde frei und vom Gesetz los wird, und überdieß sagen kann: von nun an kenne ich Niemand nach dem Fleisch; ich bin in Christo eine neue Kreatur; das Alte ist vergangen, siehe, es ist Alles in Ansehung meiner neu worden, 2 Kor. 5,16.17. Es ist ganz begreiflich, daß auch ein Apostel, zu geschweigen ein geringerer Christ, an dieser Aehnlichkeit mit dem Tod Jesu bis zu seinem eigenen Tod, der auch dazu gehört, hat wachsen können. Je mehr man aber darin wächst, desto völliger erreicht man die Auferstehung der Todten, oder den Zustand eines Gerechten, der von den Todten auferstanden ist, und nun allein für Gott und im Geist lebt. Christus ist der Erstling unter denen gewesen, die zum ewigen Leben auferstehen, weßwegen Paulus Röm. 6. die Gemeinschaft oder Aehnlichkeit mit Seinem Tod und die Gemeinschaft mit Seiner Auferstehung mit einander verbindet, und auch von dieser sagt, daß man sie schon jetzt durch den Glauben in gewissem Maße erlange, und als ein Mensch, der aus den Todten lebendig worden, Gott in Christo Jesu lebe, Röm. 6,4.5.8.11.13. Eph. 2,5.6. Nun dieses Alles wünsche ich auch durch die Wirkung des Heiligen Geistes immer mehr zu erreichen. Gott helfe dazu!

Mel.: O Welt sieh’ hier dein Leben.

1.
Weil Jesus auferstanden,
So ist ein Tag vorhanden,
Wo wir auch aufersteh’n;
Bleibt Alles sonst zurücke,
Will ich mit starkem Blicke
Im glauben dem entgegen geh’n.

2.
Dieß, dieß verlang’ ich sehnlich,
Daß ich nur Christo ähnlich
In Seinem Tode sei,
Mit Ihm an’s Kreuz gebunden
Und heil durch Seine Wunden,
In Ihm von aller Sünde frei.

3.
Dieß wünscht mein Herz beständig,
Mit Christo auch lebendig
Und mit erweckt zu sein;
Wird Er dann als das Leben
Sich anzuschauen geben,
Geh’ ich in’s Himmlische auch ein.

4.
Ach feu’re dieß Verlangen,
An Dir allein zu hangen,
Mein Heiland, immer an;
Sonst ist mir Alles Schaden,
Wenn ich, HErr, nicht aus Gnaden
In Dir mich selig wissen kann.

5.
Du kannst die Hand mir steifen,
Dich glaubig zu ergreifen,
Wie ich ergriffen bin;
Der Ruhm der eig’nen Stärke,
Der Trost der eig’nen Werke
Ist nichts: der Glaube schätzt sie hin.

6.
Bin ich in Todesstunden,
Mein HErr, in Dir erfunden,
So fehlt das Leben nicht;
Kein Zorn kann mich erschrecken,
Kein Grab mir Furcht erwecken,
Und nach dem Sterben kein Gericht!

22. Oktober. Morgen-Andacht.

Wenn ihr die Züchtigung erduldet, so erbeut Sich euch Gott als Kindern. Hebr. 12,7.

Ob es schon, wie Salomo Pred. 9,2. sagt, nach dem äußerlichen Ansehen dem Gerechten wie dem Gottlosen geht, so ist doch nach einer andern Seite das Leiden der Gerechten von dem Leiden der Gottlosen sehr unterschieden. Jene werden als Kinder gezüchtiget, tragen ihr Kreuz, das sie auf sich nehmen, und leiden mit Christo: diese aber haben ihre Plagen, und werden im eigentlichen Verstand gerichtet und gestraft, wiewohl der Zweck Gottes hiebei, so lange die Gnadenzeit währet, ihre Bekehrung ist. Paulus schrieb an die Hebräer: wenn ihr die Züchtigung erduldet, so erbeut Sich euch Gott als Kindern. Dasjenige also, was Kinder Gottes leiden, ist Züchtigung. Wie ein Vater bei der Erziehung seiner Kinder Schläge braucht, damit sie sich bessern, also braucht der himmlische Vater bei Seinen Kindern auch Schläge, damit sie sich bessern. Derjenige Mensch kennt sich selber nicht, der sich einbildet, die Worte Gottes würden ihn ohne Schläge oder Züchtigung zum Ziel der Vollkommenheit bringen, denn im Stand der Unschuld wäre dieses möglich gewesen, die verderbte Natur aber macht die Züchtigung nöthig. Wie aber? möchte man sagen, können Schmerzen fromm machen? Können Leiden für sich selbst die Seele bessern? Nein, sondern sie sind nur ein Mittel, die Seele aufzuwecken und auf die Worte Gottes aufmerksam zu machen. Sie sind ein Zaum, den Menschen von Ausschweifungen, von schädlichem Genuß eitler Dinge, und von befleckendem Umgang mit Weltmenschen zurückzuziehen. Sie sind ein äußerlicher Antrieb zum Gebet, und ein Wermuth, den Gott auf das Wesen dieser Welt streuet, das der Mensch sonst allzu lieb hat, über das er aber alsdann gern hinüber sieht, um ein Vaterland, in welchem kein Leiden ist, zu erblicken. Die Seele wird also unter dem Leiden in eine Verfassung gesetzt, bei welcher ihr der Heilige Geist durch’s Wort besser als sonst bekommen und diejenige kräftige Wahrheit beibringen kann, welche von der Sünde frei macht. Deßwegen hat Petrus, 1 Petr. 1,6.7., an die auserwählten Fremdlinge schreiben können: ihr seid traurig in mancherlei Anfechtungen, auf daß euer Glaube rechtschaffen und viel köstlicher erfunden werde, denn das vergängliche Gold, das durch’s Feuer bewähret wird. Paulus aber sagt Röm. 5,3.4.5.: wir rühmen uns der Trübsale, dieweil wir wissen, daß Trübsal Geduld bringet, Geduld aber bringet Bewährung, Bewährung aber Hoffnung, Hoffnung aber lässet nicht zu Schanden werden; 2 Kor. 4,17.18. aber steigt er in seiner Rede hoch empor und sagt: unsere Trübsal, die zeitlich und leicht ist, schaffet eine ewige und über alle Maßen wichtige Herrlichkeit, die wir nicht sehen auf das Sichtbare, sondern auf das Unsichtbare. Wenn man diesen Nutzen der Trübsal einsieht und empfindet, so kann man glauben, daß Sich Gott, wenn Er die heilsbegierigen Menschen züchtiget, gegen sie erbiete oder erzeige, wie ein Vater gegen Kinder, die er lieb hat, und dieser Glaube stärket die Seele, die Züchtigungen zu erdulden oder geduldig zu ertragen. Züchtige mich, HErr, doch mit Maßen und nicht in Deinem Grimm, daß Du mich nicht aufreibest.

Mel.: Werde munter, mein etc.

1.
Dir sei Dank, auch wenn wir weinen,
Vater, für die Züchtigung.
Will sie schon nicht Freude scheinen,
Dient sie doch zur Besserung;
Denn Du stäupest, den Du liebst;
Meinst es gut, wenn Du betrübst,
Und an dem, der neugeboren,
Geht gewiß kein Streich verloren.

2.
Bastarde sind keine Erben,
Und sind ohne Vaterszucht.
Kinder läßt man nicht verderben,
Und die Ruthe träget Frucht;
Ja die Kinder guter Art
Werden nicht von Schlägen hart,
Dürfen aber auch nicht zagen,
Daß der Vater sie geschlagen.

3.
Schlügest Du auf uns als Sünder,
O so würden wir verdammt,
Aber Du schlägst uns als Kinder,
Weil die Liebe bei Dir flammt.
Lob sei solcher Vaterstreu’!
Deine Stäupe macht uns frei
Von dem sündlichen Getümmel,
Und so ziehst Du uns zum Himmel.

22. Oktober. Abend-Andacht.

Es stunden aber bei dem Kreuz Jesu Maria, Seine Mutter, und der Jünger, den Jesus lieb hatte. Joh. 19,25.26.

Wir verwundern uns billig, daß Maria, die Mutter Jesu, als eine arme und nunmehr betagte Wittwe es gewagt habe, auf den Richtplatz Golgatha hinaus zu gehen, und daselbst vor das Kreuz Jesu hin zu stehen. Wäre sie von einem der spottenden und tobenden Juden erkannt worden, so wäre ihr ohne Zweifel übel begegnet worden, und der Apostel Johannes, der bei ihr stand, hätte sie so gar nicht schützen können, daß er vielmehr ein Mitgenossen ihrer Leiden worden wäre. Ueberdieß mußte sie hier den Anblick des entblößten, verwundeten und an’s Kreuz genagelten Leibes Jesu ertragen, und die greulichsten Schmachreden hören, womit man Ihn beleidigte. Warum hat sich nicht die heilige Maria, durch deren Seele damals ein Schwert drang, in einem Winkel verborgen, in welchem sie wenigstens nichts Kränkendes gesehen und gehört hätte? Warum hat sich nicht auch der Apostel Johannes so zurückgezogen und verborgen? Ohne Zweifel war es diesen zwei heiligen Personen darum zu thun, daß sie das Verhalten Jesu in Seiner tiefsten Noth beobachten, Seine letzten Worte hören, und den Ausgang Seiner unbegreiflichen Leiden, deren Ursache und Frucht ihnen noch nicht ganz klar war, sehen möchten. Was können aber auch wir Besseres thun, als daß wir im Geist bei dem Kreuz Jesu stehen, und Ihn ansehen, wie Er als ein Marterbild, als verwundet und bluttriefend, und als versunken in die tiefste Traurigkeit daran hing? Denn Christus wird uns deßwegen in dieser Gestalt von den vier Evangelisten vor die Augen gemalt, damit wir Ihn so ansehen können. Freilich würde dieser Anblick uns nichts nützen, wenn nicht der Heilige Geist uns durch das Evangelium belehrte, daß dieser Gekreuzigte der Sohn Gottes und der Mittler zwischen Gott und Menschen sei, und daß Er Sich an diesem Kreuz selber für unsere Sünden geopfert habe. Die Kreuzesgestalt Jesu lehrt uns, daß unsere Sünden groß und greulich seien, und daß kein Mensch durch irgend ein Werk oder Leiden dieselben büßen und tilgen könne. Vor dem heiligen und gerechten Gott wäre das ganze menschliche Geschlecht immer verwerflich geblieben, wenn Christus nicht für dasselbe gekreuzigt worden wäre. Aber welche Liebe, welche Liebe des Vaters, welche Liebe des Sohnes leuchtet aus diesem Kreuzestod heraus! Hier findet eine Menschenseele, die sich als sündig und verdorben fühlt, durch den Glauben Gnade und Frieden. Hier kann sie durch die Liebe des Vaters und Christi gedrungen werden, nicht mehr sich selbst, sondern Demjenigen zu leben, der für sie gestorben und wieder auferstanden ist. Unter dem Kreuz Jesu geschieht also die Rechtfertigung eines Sünders, und entsteht zugleich seine wahre Heiligung. Oeffne mir die Augen, o Gott, der Du das wesentliche Licht bist, daß ich in Deinem Licht meinen gekreuzigten Heiland immer deutlicher erblicken und immer völliger kennen könne, wie Er mir zur Weisheit und zur Gerechtigkeit und zur Heiligung und zur Erlösung gemacht ist.

Mel.: Gott sei Dank in aller Welt.

1.
Unter Jesu Kreuze steh’n
Und in seine Wunden seh’n,
Ist ein Stand der Seligkeit,
Dessen sich der Glaube freut.

2.
Nun heißt’s bei dem Kreuzesstamm:
Siehe, das ist Gottes Lamm,
Und mein Glaube tröstet sich:
Diese Wunden sind für mich.

3.
Dieß ist Gottes Sohnes Blut,
Und es trieft auch mir zu gut.
Er bat: Vater! ach vergib,
Und bat dieß auch mir zu lieb.

4.
Hör’ ich, wie der Schächer sprach,
O so sprech’ ich diesem nach:
HErr! gedenke Du zugleich
Meiner mit in Deinem Reich.

5.
Seh’ ich, wie Er überdieß
Sich von Gott verlassen ließ,
O so hofft mein Glaube fest,
Daß Sein Gott mich nicht verläßt.

6.
Hör’ ich, wie Er rief: Mich dürst’t,
Ruf ich aus: o Lebensfürst!
Mir zum Heil nahmst Du den Trank,
Dank sei Dir, ja ewig Dank!

7.
Hör’ ich Ihn: es ist vollbracht!
Nimmt mein Glaube das in Acht,
Die Versöhnung sei gescheh’n,
Und ich darf zum Vater geh’n.

8.
Wie Er letzt den Geist hingibt
Seinem Vater, der Ihn liebt,
So ist meines Glaubens’ Bitt’:
HErr! nimm meinen Geist auch mit.

9.
Wenn ich sterbe, führ’ mich Du
Unter Deinem Kreuz zur Ruh’,
Laß vor deinem Thron mich steh’n
Und die Wunden herrlich seh’n!

23. Oktober. Morgen-Andacht.

Gott sei gedankt, daß ihr Knechte der Sünde gewesen seid, nun aber gehorsam worden von Herzen dem Vorbild der Lehre, welchem ihr ergeben seid. Röm. 6,17.

Freilich hat man Gott zu danken, wenn man Leute vor sich sieht, zu denen man sagen kann: ihr seid Knechte der Sünde gewesen, ihr waret weiland Finsterniß, ihr waret todt und verloren: aber nun seid ihr dem Vorbild der Lehre von Herzen gehorsam, nun seid ihr ein Licht in dem HErrn, nun seid ihr die Leute, denen man das Zeugniß geben kann, sie seien lebendig gemacht und gefunden worden. Eine solche Veränderung verwandelt den ganzen Zustand des Menschen, und gibt den Ausschlag zu seinem ewigen Heil. Was nun die Knechtschaft anbelangt, von welcher Paulus Röm. 6,17. redet, so sagt Christus Joh. 8,34.: wer Sünde thut, der ist der Sünde Knecht, und hiemit kommt überein, was Paulus Röm. 6,16. schreibt: wisset ihr nicht, wem ihr euch darstellet als Knechte zum Gehorsam, dessen Knechte seid ihr, dem gehorchet ihr, und so verhält es sich, ihr möget Knechte der Sünde zum Tod, oder des Gehorsams zur Gerechtigkeit sein. Petrus aber sagt 2 Petr. 2,19.: von welchem Jemand überwunden ist, deß Knecht ist er worden. Die Erfahrung lehrt es auch, daß wenn ein Mensch eine Sünde einmal begangen hat, und nicht schnell durch Scham und Gewissensangst davon wieder zurück getrieben worden, sondern sich mit einem bedächtlichen Vorsatz dieser Sünde als einem vermeinten angenehmen Herrn zum längern Gehorsam dargestellt hat, so ist er ein Knecht der Sünde. Man begeht die Sünde einmal über das andere. Der Leib und die Seele werden dazu gestimmt. Man sieht den Schaden ein, den man von der Sünde hat, und begeht sie doch wieder; man schilt sich selber einen Narren, und sündiget doch in der Narrheit wieder. Nach dem Ausspruch Petri fängt die Knechtschaft an, wenn man überwunden wird; und man wird freilich auch von der Sünde überwunden, läßt sich aber gern von ihr überwinden, weil sie dem Fleisch angenehm ist. Wie kann aber ein Knecht der Sünde wieder frei werden? Christus sagt Joh. 8,31.32.: so ihr bleiben werdet in Meiner Rede, so seid ihr Meine rechten Jünger, und werdet die Wahrheit erkennen, und die Wahrheit wird euch frei machen. Auch sagt Er V. 36.: so euch der Sohn frei macht, so seid ihr recht frei. Wenn aber der Sohn Gottes den Knecht der Sünden durch Sein wahrhaftiges und kräftiges Wort frei macht, was wird er alsdann? Er wird ein Knecht der Gerechtigkeit und Gottes, Röm. 6,18.22. Bei dieser neuen Knechtschaft, ja auch bei dem Uebergang in dieselbe braucht der große Gott keinen Zwang, sondern legt dem Menschen ein Vorbild der Lehre oder einen Lehrplan, nämlich Sein Evangelium vor, welches wahrhaftig und ehrwürdig, lebendig und kräftig ist, und dem Verstand als eine vortreffliche Weisheit, dem ganzen Menschen aber als eine heilsame Arznei angeboten wird. Wenn nun der Mensch unter dem kräftigen, aber nicht zwingenden Antrieb des Heiligen Geistes von Herzen, folglich mit Ueberzeugung und williglich diesem Lehrplan unterthänig wird, und sich demselben ergibt, um ganz darnach gebildet und selig zu werden: so ist er ein Knecht Gottes, und hat dieses als eine Frucht dieser Knechtschaft zu genießen, daß er heilig wird, das Ende derselben aber ist das ewige Leben. Heilige, HErr, Deinen Knecht, und gib ihm das ewige Leben.

Mel.: Ich singe Dir mit Herz etc.

1.
Wie gut ist’s, von der Sünde frei!
Wie selig, Christi Knecht!
Im Sündendienst ist Sklaverei:
In Christo Kindesrecht.

2.
Im Sündendienst ist Finsterniß,
Den Weg erkennt man nicht:
Bei Christo ist der Gang gewiß,
man wandelt in dem Licht.

3.
Im Sündendienst ist Haß und Leid,
Man plagt und wird betrübt:
In Christi Reich ist Freudigkeit,
Man liebt und wird geliebt.

4.
Die Sünde gibt den Tod zum Lohn:
Das heißt ja schlimm gedient!
Das Leben aber ist ihm Sohn,
Der uns mit Gott versöhnt.

5.
O Heiland, Dir nur dien’ ich gern,
Denn Du hast mich erkauft;
Ich weiß und will sonst keinen Herrn,
Auf Dich bin ich getauft!

6.
Wen Du frei machst, der ist recht frei;
Du schenkst auch alle Schuld,
Und darum dank’ ich Deiner Treu’
Und rühme Deine Huld.

7.
Ich bete an, HErr Jesu Christ,
Und sage: ich bin Dein.
Nimm mich zu Dir, denn wo Du bist,
Soll auch Dein Diener sein!

23. Oktober. Abend-Andacht.

Wohl dem, den Du, HErr, züchtigest, und lehrest ihn durch Dein Gesetz, daß er Geduld habe, wenn es übel geht, bis dem Gottlosen die Grube bereitet werde. Ps. 94,12.13.

David klagt Ps. 94 sehr über die Hoffärtigen und Gottlosen, welche trotziglich reden, und viele Andere, zutheuerst auch Wittwen und Waisen drücken und beleidigen, und dabei sagen: der HErr siehet’s nicht, der Gott Jakobs achtet’s nicht. Er selber bekennt aber auch V. 18.: sein Fuß habe gestrauchelt, die Gnade des HErrn aber habe ihn gehalten. Ohne Zweifel ging es ihm, wie dem Propheten Assaph, welcher Ps. 73. sagt: ich hätte schier gestrauchelt mit meinen Füßen, mein Tritt hätte beinahe geglitten; denn es verdroß mich auf die Ruhmredigen, da ich sahe, daß es den Gottlosen so wohl ging u.s.w., hernach aber erzählt, wie ihn Gott im Heiligthum zurechtgewiesen, und auf die Betrachtung des Endes, welches allein bestimme, wer glücklich oder unglücklich sei, gelenkt habe, da er dann zu dem HErrn gesagt: dennoch bleibe ich stets an Dir, denn Du hältst mich bei meiner rechten Hand, Du leitest mich nach Deinem Rath, und nimmst mich endlich mit Ehren an u.s.w. David hat aber auch Ps. 39. bekannt, wie er seinen Mund mit Gewalt habe zäumen müssen, wenn er den Gottlosen vor sich gesehen, und wie ihn Gott zu seiner Beruhigung auch auf die Betrachtung des Endes geleitet habe. Auch Petrus betrachtete die frommen Christen, wie sie unter den Gottlosen wohnen und wandeln müssen, und gab ihnen deßwegen 1 Petr. 3,9.10.11.12. die Ermahnung: vergeltet nicht Böses mit Bösem, noch Scheltwort mit Scheltwort, sondern dagegen segnet, und wisset, daß ihr dazu berufen seid, daß ihr den Segen beerbet; denn wer leben will und gute Tage sehen, der schweige seine Zunge, daß sie nichts Böses rede, und seine Lippen, daß sie nicht trügen. Er wende sich vom Bösen und thue Gutes, er suche Frieden und jage ihm nach. Denn die Augen des HErrn sehen auf die Gerechten, und Seine Ohren auf ihr Gebet; das Angesicht aber des HErrn siehet auf die, die da Böses thun. Wer diese göttlichen Zusprüche zu Herzen nimmt, an dem wird das Wort erfüllet: wohl dem, den Du, HErr, züchtigest und lehrest ihn durch Dein Gesetz, daß er Geduld habe, wenn’s übel geht, bis dem Gottlosen die Grube bereitet werde. Der Anblick der Gottlosen, die Gewalt haben und glücklich sind, und ihre Bosheit lange ungestraft ausüben, kann die Seele mit einem unartigen Eifer entzünden, und dieser Eifer will durch die Zunge ausbrechen, ja er will sich in Klagen über Gott selber ergießen. Zuweilen kann der Mensch gar durch die Gedanken versucht werden, er sollte von der Frömmigkeit, die unglückliche Leute zu machen scheine, abstehen, unter den Lügnern auch lügen, unter den Uebelthätern auch Uebels thun, und im Fall einer Beleidigung anstatt der Geduld Böses mit Bösem, und Scheltworte mit Scheltworten zu vergelten. Allein der HErr will redliche Seelen innerlich in Seiner Zucht halten, daß sie nicht in einen solchen Verfall gerathen. Er will sie durch Sein Gesetz oder Wort lehren. Sie sollen wie David Ps. 39. ihr eigenes nahes Ende, und wie Assaph Ps. 73. das Ende des Gottlosen betrachten, und Geduld haben, bis diesem die Grube des Unfalls bereitet werde, worin er gestürzt wird. Dazu muß aber der Tag des Gottlosen kommen, Ps. 37,13., und dieser kommt oft später als der ungeduldige Zuschauer wünscht. Er kommt aber doch, und alsdann wird man von seiner Tyrannei frei und kann Gottes Gerechtigkeit preisen.

Mel.: Von Gott will ich.

1.
Bleibt in der Ruh’, ihr Stillen,
Auch wenn es übel steht,
Und wenn’s nach Seinem Willen
Dem Bös’wicht wohl ergeht;
Habt kurze Zeit Geduld:
Man gräbt gottlosen Buben
Bereits an ihren Gruben;
Gott straft nach ihrer Schuld.

2.
Wohl dem, dem Du, Herr, wehrest,
Daß er nichts Böses sucht,
Und den Du Beß’res lehrest
Durch Deiner Gnade Zucht.
Geduld bringt keine Reu’;
Gott züchtigt nur zum Guten,
Und braucht Er auch die Ruthen,
So ist es Vatertreu’.

3.
HErr! richte meine Gänge
Nach jenem Kleinod hin
Und lehr’ mich im Gedränge,
Daß ich zufrieden bin;
Mach’ mich nicht denen gleich,
Die nach den Sündenjahren
In ihre Grube fahren;
Da ist ein finst’res Reich.

4.
Laß mir die Zeit nicht lange
Bei Deiner Langmuth sein;
Wenn ich an Dir nur hange,
Bringst Du es reichlich ein,
Wenn mich Dein Tod erfreut
Auf meinem Sterbebette:
Es sei mir eine Stätte
Im Himmel zubereit’t!

24. Oktober. Morgen-Andacht.

Alle eure Sorge werfet auf den HErrn, denn Er sorget für euch. 1 Petr. 5,7.

Petrus wußte gar wohl, daß, obschon der HErr den Menschen in der Bergpredigt Matth. 6. freundlich geboten hatte, nicht für ihre Nahrung und Kleidung und überhaupt nicht für den andern Tag ängstlich zu sorgen, das menschliche Herz doch gar zu gern solche kümmerliche Sorgen ausgebäre, und ein jeder Glaubiger dazu versucht werde: er gibt deßwegen den Rath, man solle wenigstens solche Sorgen, wenn sie in der Seele aufsteigen, nicht hegen, oder als kluge und rechtmäßige Gedanken in sich herumtragen, sondern auf den HErrn werden. Auf gleiche Weise sagt David Ps. 55,23.: wirf dein Anliegen auf den HErrn: der wird dich versorgen, und wird den Gerechten nicht ewiglich in Unruhe lassen. Wie dieses Werfen geschehe, lehrt uns Paulus Phil. 4,6., wo er sagt: sorget nichts, sondern in allen Dingen lasset eure Bitte im Gebet und Flehen mit Danksagung vor Gott kund werden. Er rathet also, man solle aus seinen Sorgen Bitten machen, wie es David oft gemacht hat, wie es Jakob machte, da ihm sein Bruder Esau mit 300 Mann entgegen kam, 1 Mos. 32., wie es der König Hiskias und der Prophet Jesajas machte, als der König Sanherib wider Gott und Sein Volk Läster- und Drohworte ausgestoßen hatte, 2 Chron. 32,20., wie es die versammelten Christen machten, als die jüdischen Rathsherren die Predigt des Evangeliums verboten hatten, Ap. Gesch. 4,24., und wie es nach Ps. 107. und nach vielen andern Zeugnissen der heiligen Schrift die Geängsteten und Nothleidenden zu ihrem großen Vortheil gemacht haben und machen sollen. Durch’s Beten wird das beschwerte Herz eines Christen erleichtert, und die drückende und gefährliche Sache Demjenigen übergeben, der für Alles ohne eine Beschwerde väterlich, weislich, thätig sorgen kann und will, und der bei seinem Sorgen gern gibt und thut, was das Herz des Glaubigen begehret. Auch ist nöthig, daß ein Christ, der eine Versuchung zu kümmerlichen Sorgen fühlt, sein Herz in der Erinnerung der Gnadenfülle Jesu Christi, woraus ihm schon Vieles zugeflossen ist und noch mehr zufließen soll, und der unermeßlichen Liebe Gottes, welche Alles wohl macht, und des treuen Beistandes des Heiligen Geistes fasse und sammle, und sich überhaupt mit seinem Geist in das herrliche Evangelium Jesu Christi hineinschwinge, da dann die unmuthigen Klagen und ängstlichen Sorgen bald wie der Nebel vor der Sonne verschwinden und dagegen das Herz im Loben und Danken vor Gott überfließen wird. Das Mißvergnügen und Zagen steht einem Christen, der seinen Gott kennen soll, nicht wohl an. Eine sanfte Traurigkeit und ein kindlicher Glaube können bei einander sein; wenn wir aber sorgen, so ruft uns de Heiland zu: o ihr Kleinglaubigen! und wohl uns, wenn Er nicht gar sagen muß: o ihr Unglaubigen! Der himmlische Vater sorget für uns; doch hat Er nie versprochen, den Willen unsers Fleisches und unserer Vernunft zu erfüllen, und uns der Gemeinschaft mit dem Leiden Seines Sohnes zu überheben. Er versagt uns, was uns schädlich ist; Er züchtiget uns als Vater, wann wir’s bedürfen; und doch sorget Er für uns, und will uns nicht verlassen noch versäumen. Nur der Glaube kann bei der Erleuchtung des Heiligen Geistes dieses Alles zusammen reimen.

Mel.: Von Gott will ich nicht lassen.

1.
Gottlob, wir Kinder dürfen
Der Sorgen ganze Last
Auf Dich, o Vater, werfen,
Wie Du versichert hast;
So wird dem Herzen leicht,
Weil Du uns dieß erlaubet;
Wer nur dem Worte glaubet,
Der singt: ihr Sorgen weicht.

2.
Die Last brennt oft die Seelen,
Sie liegt zu nahe an,
Wenn dieß und jen’s will fehlen,
Da man nicht helfen kann.
Das Kind wirft sie von sich
Und macht sich Luft von Plagen:
Der Vater mag sie tragen,
Der Vater sorgt für mich.

3.
Ein Weltherz sucht oft lange,
Wo es sich Hülfe borgt.
Dem Christen ist nicht bange,
Er ist schon wohl versorgt:
Der Vater ist gar gut,
Der, ob wir schon nichts sehen,
Doch mehr als wir verstehen
Und überschwenglich thut.

4.
So quält euch nur mit Sorgen,
Ihr Kinder dieser Welt:
Bei uns ist’s alle Morgen
Dem Vater heimgestellt;
Am Abend loben wir
Des weisen Vaters Treue,
Und hoffen auf das Neue,
Und danken stets dafür.

24. Oktober. Abend-Andacht.

Welche werden Pein leiden, das ewige Verderben. 2 Thess. 1,9.

Diejenigen kennen Gott nicht recht, welche Ihn nur mit einem Arzt vergleichen, der den Kranken bittere Arzneien gibt, um sie gesund zu machen. Obgleich eine solche Vergleichung etwas Wahres in sich faßt, weil Christus selber Matth. 9,12. in der Absicht auf Sich selber sagt: die Starken bedürfen des Arztes nicht, sondern die Kranken: so ist doch dabei zu bedenken, daß Gott, und insonderheit der Sohn Gottes, auch ein HErr, König und Richter genannt, und daß Ihm eine Gerechtigkeit, ein Gericht, ein Zorn, eine Rache und Vergeltung zugeschrieben werde, und daß Er auch der Obrigkeit, welche Sein Bild ist, befohlen habe, die Uebelthaten zu strafen, die Strafe mag eine Besserung, die freilich immer erwünscht ist, nach sich ziehen, oder nicht. Wenn Gott nur ein Arzt wäre, und nicht als König und Richter die Sünde zurechnete und den Sünder strafte, so wäre auch keine Vergebung der Sünden oder keine Erlassung der Schulden, oder keine gerichtliche Rechtfertigung von Ihm zu erwarten, denn ein Arzt vergibt dem Kranken nicht, daß er krank ist, sondern heilt ihn nur. Nach dem Evangelium aber sind diejenigen selig, denen Gott ihre Ungerechtigkeit vergibt und ihre Sünden bedeckt und keine Sünde zurechnet, Röm. 4,7.8., und dieses Alles heißt die Rechtfertigung, welche dem Sünder, so bald er glaubig wird, ganz und vollkommen widerfährt, mit welcher aber zugleich die Heilung und Reinigung der Seele anfängt, welche durch viele Stufen endlich ihre Vollendung erreicht. Denjenigen, die Gott nicht erkennen, und nicht gehorsam sind dem Evangelium unsers HErrn Jesu Christi, werden ihre Sünden nicht vergeben, sondern zugerechnet, und deßwegen werden sie Pein, oder wie es eigentlich lautet, eine gerechte Strafe leiden, nämlich das ewige Verderben. Diese Strafe wird ihnen am jüngsten Tag nach der Aufdeckung ihrer Uebelthaten und ihres schlimmen Seelenzustandes gerichtlich zuerkannt werden. Gott wird alsdann recht richten, V. 5.; es wird recht sein bei Gott, zu vergelten Trübsal denen, die Seinen Kindern Trübsal angelegt haben, V. 6.; Er wird Rache ausüben, V. 8., das ist, Sein gefälltes Urtheil ohne Verzug vollziehen: folglich werden die Unglaubigen und Ungehorsamen nach Urtheil und Recht Strafe leiden, und die Strafe wird darin bestehen, daß Gott ihre Leiber und ihre Seelen in der Hölle, wo ihr Wurm nicht stirbt und ihr Feuer nicht verlöscht, verderben wird.

Solche fürchterliche Dinge hat Gott aus großer Liebe zur Warnung der Menschen geoffenbart. Er hat kein Gefallen am Tod des Gottlosen, sondern daß sich der Gottlose bekehre von seinem Wesen und lebe. Weil Er aber die Härtigkeit der menschlichen Herzen weiß, so will Er sie auch durch die Vorstellung des schrecklichen Endes der Gottlosen schrecken und zur Buße leiten. Diejenigen unter den Christen werden gewiß verdammt, denen noch nie bang geworden ist, sie möchten verdammt werden, oder die nicht glauben wollen, daß Gott außer Christo dem Sünder ein verzehrendes Feuer sei. Auch gerechtfertigte Seelen sollen sich noch fürchten und hüten, daß sie nicht noch durch einen Rückfall verwerflich werden; wie denn Paulus nach 1 Kor. 9,27. solches noch bei ihm selbst für möglich gehalten hat.

Mel.: Ruhet wohl, ihr Todtenbeine.

1.
Nur ein plötzlich Angedenken
An die finst’re Ewigkeit
Kann schon eine Seele kränken,
Die sich jetzt der Sünde freut.
O was wird man dann erfahren,
Wenn sich die wird offenbaren!

2.
Ewig sein, und doch nicht leben;
Heulen, aber unerhört;
Sünden tragen, ohn’ Vergeben;
Leiden, was beständig währt;
In den tiefen Finsternissen
Brennen, und vom Licht nicht wissen!

3.
Dürsten, wo kein Tropf’ zum Kühlen;
Zagen, wo kein Trost und Rath;
Sterben, und die Pein doch fühlen;
Reuen, aber nun zu spat;
Und im Schwefelpfuhl ersoffen,
Doch kein End’ und Rettung hoffen.

4.
Gott! bewahr’ mich vor den Flammen,
Die Dein Eifer angezünd’t,
Daß mein Glaube für’s Verdammen
Heil in Christo Jesu find’t;
Du hast ja den Sohn gegeben,
Daß wir sollen durch Ihn leben.

5.
Jesu, ewiger Erlöser!
bring’ mich in Dein ewig Licht;
Mach’ Dein Lob an mir stets größer;
In der Hölle dankt man nicht.
Dein Geist lehr’ mich ohne Kränken
An die Ewigkeit gedenken!

25. Oktober. Morgen-Andacht.

Jesus rührte der Blinden Augen an und sprach: euch geschehe nach eurem Glauben. Matth. 9,29.

Des HErrn Jesu Augen sahen in den Tagen Seines Fleisches nach dem Glauben. Er rühmte auch, wenn Er die Leute loben wollte, nichts als den Glauben. Als das cananäische Weib und der Vater des mondsüchtigen Knaben Ihn um Hülfe für ihre Kinder baten, so verlangte Er wenigstens, daß sie glauben sollten, daß Er helfen könne und wolle. Da aber einst zweimal zwei Blinde auf dem Feld bei Capernaum Ihm nachgelaufen waren, und geschrieen hatten: ach Du Sohn Davids, erbarme Dich unser, und als sie hernach in dem Haus, das Er zu Capernaum bewohnte, vor Ihn traten, so fragte Er sie: glaubet ihr, daß Ich euch solches thun kann? Da sprachen sie zu Ihm: HErr, ja. Da rührete Er ihre Augen an und sprach: euch geschehe nach eurem Glauben, und ihre Augen wurden geöffnet. Der Glaube dieser Blinden und Anderer reichte vermuthlich nicht so weit, daß Christus ihnen, wie kurz vorher dem Gichtbrüchtigen, der auch ohne eine deutliche Erkenntniß der Person Jesu, wie David, bußfertig und glaubig war, die Vergebung ihrer Sünden hätte ankündigen können: Er hatte aber doch ein Wohlgefallen daran, daß sie wenigstens glaubten, und Ihm zutraueten, Er könne ihnen die Augen öffnen. Auch jetzt können wir Ihn nicht besser ehren, als durch den Glauben, oder durch Zuversicht und Vertrauen. Wie sollen Ihm in allen leiblichen Nöthen zutrauen, daß er helfen könne, und so weit es nöthig und nützlich ist, helfen wolle, und zu diesem Glauben ist die Erkenntniß Seiner Allmacht und Güte nöthig. Drückt uns aber die Sünde, sind wir wegen unserer Seligkeit besorgt, und verlangen wir sehnlich gerechtfertigt und geheiligt zu werden, so müssen wir Ihn als den Heiland, Fürsprecher, oder als Denjenigen, der uns von Gott zur Weisheit, zur Gerechtigkeit, zur Heiligung und zur Erlösung gemacht ist, ansehen und glauben, daß Er als ein Solcher thun könne, was wir bitten, und geben, was wir suchen. Ohne einen solchen Glauben wäre das Beten unnütz, und dem vergeblichen Bitten der thörichten Jungfrauen Matth. 25,11. gleich. Die zwei Blinden wurden durch’s Gehör zum Glauben erweckt, da ihnen erzählt wurde, wie Jesus schon Vielen, die unheilbare Gebrechen an sich gehabt, durch eine Wunderkraft geholfen habe. Hieraus machten sie den billigen Schluß, daß Er ihnen Solches auch thun könne. Auch wir sollen auf die Gnadenwerke des HErrn Jesu aufmerksam sein, und beobachten, wie Er Sich schon an Andern als ein geistlicher und leiblicher Arzt und Nothhelfer bewiesen habe. Können wir uns hiebei eigener Erfahrungen erinnern, so ist’s desto besser. Ueberdieß haben wir ein wahres und klares Wort Gottes vor uns, welches uns von der Gnade Jesu Christi, von der Liebe Gottes, und von der Gemeinschaft des Heiligen Geistes, und von dem ewigen Heil, das aus dieser dreifachen Quelle fließt, viel mehr sagt, als wir selbst und Andere neben uns erfahren und genossen haben. Hier finden wir also eine beständige Reizung zu einem noch völligern Glauben, gleichwie uns auch von Zeit zu zeit ein neues Gefühl unserer Dürftigkeit und Noth dazu treibet. HErr, mehre unsern Glauben.

Mel.: Werde munter, mein etc.

1.
Wie ihr glaubt, so soll’s geschehen:
Werthes Wort, das Jesus spricht!
Denn es gibt uns, wenn wir flehen,
Eine starke Zuversicht.
Seelen, glaubt es, fürchtet nichts,
Wie Er redet, so geschicht’s;
Dieß Wort geht zum Glaubensgrunde
Selbst der Wahrheit aus dem Munde.

2.
HErr, ich glaube, daß die Sünde
Durch Dein Kreuz getilget ist,
Daß ich in Dir Gnade finde,
Weil Du mein Versöhner bist,
Daß Dein Vater mich jetzt liebt,
Daß Er Seinen Geist mir gibt,
Daß ich Dich einst werde sehen:
Also wird es mir geschehen.

3.
Hier noch glauben wir als Kranke,
Und Dein Wort erquickt uns oft;
Dorten werden wir Dir danken,
Wo man nicht mehr glaubt und hofft.
Mach’ Dein Lob durch uns recht groß,
Schenk’ uns das geglaubte Loos,
Daß wir singen in den Höhen:
Wie Er sprach, so ist’s geschehen.

25. Oktober. Abend-Andacht.

Ich will euch wieder sehen, und euer Herz soll sich freuen, und eure Freude soll Niemand von euch nehmen. Joh. 16,22.

Diese Worte wurden erfüllt, als der HErr Jesus Seinen Jüngern nach der Auferstehung erschien, denn damals wurden sie froh, daß sie den HErrn sahen, Joh. 20,20. Man darf auch nicht zweifeln, daß bei einer jeden Erscheinung Jesu, die auf jene folgte, die Freude bei den Jüngern erneuert worden sei. Die größte Freude entstand bei ihnen, als Jesus sie segnete, und von ihnen schied, und gen Himmel auffuhr. Sie beteten Ihn alsdann an, und kehreten wieder gen Jerusalem mit großer Freude; und waren hernach allewege im Tempel, preiseten und lobeten Gott, Luk. 24,52.53. Bei allen diesen Gelegenheiten sahen sie Jesum, und Er sahe sie. Sein Ansehen war’s eigentlich, was ihr Herz erfreute, weil sie durch Seinen ernsthaft-freundlichen Anblick Seiner Gnade auf’s Neue versichert wurden. Ihr Herz freute sich, weil der Geist der Gnade, der von Jesu ausging, in ihr Innerstes drang, und darin eine gründliche Freude anrichtete. Sirach hat bemerkt, daß nicht eine jede Freude eine Herzensfreude sei, weßwegen er Kap. 30,16. schrieb: es ist keine Freude der Herzensfreude gleich. Als der reiche Mann herrlich und in Freuden lebte, so war’s keine Herzensfreude: wenn aber der HErr durch Seine Gnade oder durch Sein Wort erfreut, so entsteht eine Herzensfreude, s. Ps. 4,8. 19,9. Pred. Sal. 5,19. Der Heiland verhieß Seinen Jüngern eine solche Herzensfreude, welche auf ihre damalige Traurigkeit folgen sollte, und setzte hinzu: eure Freude soll Niemand von euch nehmen, oder: Niemand nimmt diese eure Freude von euch, Niemand hindert oder unterschlägt sie, Niemand steht derselben im Weg. Gleichwie der HErr Jesus den Aposteln Seinen Frieden gab, Joh. 14,27., also gab Er ihnen auch Seine Freude, Joh. 15,11., sie wurde aber ihre Freude, weil sie in ihren Herzen entstand und von ihnen empfunden wurde. Wenn nun diese Freude vom Lob der Menschen oder von gefundenen irdischen Schätzen oder von niedlichen Speisen und Getränken hätte entstehen sollen, so wäre sie den Aposteln von der Welt unterschlagen gewesen, denn Niemand liebte und lobte sie nach dem Tod Jesu, Niemand schenkte ihnen Etwas; sie mußten sich verbergen, und die Thüren verschließen, aus Furcht vor den Juden: aber dem HErrn Jesu konnte Niemand den Zugang zu ihnen verwehren, Niemand konnte Ihn hindern, sie zu sehen; folglich konnte auch Niemand der Herzensfreude der Apostel im Weg stehen.

Geistliche Gaben sind also gewisser als leibliche, gleichwie sie auch unvergleichlich kostbarer sind als diese. Christen haben zuweilen Traurigkeit, ihre Traurigkeit wird aber auch zuweilen vom HErrn selbst, ohne daß ihnen ein irdisches Glück widerfahre, in eine Herzensfreude verwandelt. Alsdann geht auch ein neues Licht in ihnen auf, daß sie nichts zu fragen nöthig haben, Joh. 16,23. Nie wird diese Verwandlung merklicher und völliger sein, als bei der Aufnahme der vor ihrer Auflösung gepreßten Seele in das himmlische Reich Gottes, und hernach am Tag Jesu Christi, da sich der ganze Mensch bei dem Anblick des herrlichen Heilandes überschwenglich freuen wird. Diese Freude lasse der HErr auch uns widerfahren.

Mel.: Gottlob, ein Schritt etc.

1.
Herz, freue dich der Ewigkeit,
Du sollst auf Jesum sterben;
Was dich als Kind im Hoffen freut,
Wirst du vollkommen erben;
Was du gewünscht, das soll gescheh’n,
Den du geglaubt,
Den wirst Du seh’n:
Und so soll’s ewig bleiben.

2.
Ein Blick auf unsers Heilands Thron,
Ein Strahl von jener Sonne,
Ein schwacher Klang vom Harfenton,
Ein Vorschmack jener Wonne,
Ein Tröpflein von der Lebensquell’,
Ist hier schon wunderschön und hell;
Doch kann’s hier nicht so bleiben.

3.
Es ist ein froher Augenblick,
Der bald uns muß verlassen;
Das Sterbliche hält uns zurück,
Wir können’s jetzt nicht fassen;
Nur feu’rt Er uns den Glauben an,
Daß sich das Herz erfreuen kann:
Dort soll es ewig bleiben.

4.
Nimm, Jesu, mir das Herz ganz ein
Mit diesen großen Dingen,
Mich unaufhörlich und allein
Zur Ewigkeit zu schwingen.
Bleibst Du mit Deinem Geist in mir,
So bleibet auch mein Herz in Dir:
Und so wird’s ewig bleiben!

26. Oktober. Morgen-Andacht.

Das Volk verwunderte sich, und preisete Gott, der solche macht den Menschen gegeben hat. Matth. 9,8.

Der HErr Jesus hatte zu dem Gichtbrüchigen, dessen redlichen israelitischen Glauben Er vor Sich sahe, gesagt: sei getrost, Mein Sohn, deine Sünden sind dir vergeben. Dieser gnädige Zuspruch erquickte ohne Zweifel den Geist des Gichtbrüchigen, welcher durch die Erkenntniß der Sünden und durch das Gefühl des leiblichen Elends gedemüthigt war; etliche unter den Schriftgelehrten aber sprachen bei sich selbst: dieser lästert Gott. Jesus, der ihre Gedanken sah, bestrafte sie wegen derselben, und bewies auf der Stelle, daß Er Gott nicht gelästert, sondern wirklich die Macht habe, Sünden zu vergeben, indem Er den Gichtbrüchigen schnell gesund machte. Da das Volk das sah, verwunderte es sich, und preisete Gott, der solche Macht den Menschen gegeben hat. Ohne Zweifel dachte das Volk an die Macht, Sünden zu vergeben, von welcher der Heiland V. 6. geredet hatte; denn die Macht, Kranke gesund zu machen, hatte der Heiland schon so oft gezeigt, daß eine neue Erweisung derselben keine Verwunderung verursacht hätte, aber das Wort: sei getrost, Mein Sohn, deine Sünden sind dir vergeben, war etwas Neues und Unerhörtes. So hatte kein Prophet und Priester jemals die Menschen getröstet, besonders wenn kein Opfer vorhergegangen war. Nathans Rede 2 Sam. 12,13. hatte den Sinn nicht, den die Rede Jesu hatte, denn sie zeigte nur, wie Ps. 78,38. 85,3., die Erlassung der Todesstrafe an, weßwegen David hernach noch sehnlich um die wirkliche Vergebung seiner Sünden gebeten hat. Warum hat aber das Volk Gott gepriesen, daß Er solche Macht den Menschen gegeben habe, da es doch von Jesu allein wußte, daß Er sie habe? Ohne Zweifel hat das Volk Jesum nach Seiner göttlichen Würde nicht gekannt, sondern als einen Menschen zu seinem menschlichen Geschlecht gerechnet, wie es auch thun durfte, weil Sich Jesus bei dieser Gelegenheit selber den Menschen-Sohn genannt hatte. Es preisete also Gott, der den Menschen, das ist Einem aus den Menschen, welcher die Ehre des ganzen menschlichen Geschlechtes sei, die Macht, Sünden zu vergeben, gegeben habe. Es sah Jesum als denjenigen an, der im Namen und zum Besten der übrigen Menschen diese Macht empfangen habe.

Der Heiland hat hernach Joh. 20,23. zu Seinen Aposteln gesagt: welchen ihr die Sünden erlasset, denen sind sie erlassen, und welchen ihr sie behaltet, denen sind sie behalten. Die Apostel und mit ihnen alle Hirten und Lehrer haben also von dem HErrn Jesu auch die Macht bekommen, in Seinem Namen zu jedem bußfertigen und glaubigen Menschen, der ihrer Aufsicht anvertraut ist, zu sagen: sei getrost, deine Sünden sind dir vergeben. Sie sagen solches als bevollmächtigte Knechte, da Er’s als der HErr sagen konnte, dem alle Gewalt im Himmel und auf Erden gegeben war. Gepriesen sei Gott, der solche Macht den Menschen gegeben hat. Ach daß sie immer unter der Regierung des Heiligen Geistes ausgeübt werde, und alsdann denen, die der Vergebung ihrer Sünden fähig sind, zum Trost gereiche!

Mel.: Ihr Kinder des Höchsten.

1.
Erweckt euch, ihr Sünder, Gott dankbar zu werden,
Uns werden die Sünden vergeben auf Erden,
Der Vater gab Jesu die göttliche Macht,
So werden wir Todte zum Leben gebracht.
Denn ohne Vergebung blieb’ Alles verdorben;
Um diese Vergebung ist Jesus gestorben;
Nun freut sich der Glaube: mir ist sie erworben.

2.
Der Heiland läßt solche durch Menschen verkünden;
Wort, Taufe und Nachtmahl dient wider die Sünden;
In Himmel und Erden hat Er die Gewalt,
In welchen Sein Ruhm der Versöhnung erschallt.
Sei von uns, o Jesu, auf Erden erhoben;
Kein Sünder darf Dich in der Hölle mehr loben.
Ach führ’ uns gen Himmel, so preisen wir droben!

3.
So danken wir, Vater, Dir Alle das Leben;
Dem Menschensohn hast Du die Vollmacht gegeben,
Die übt Er durch Menschen bis zu dem Gericht,
Wo über den Sünder das Urtheil geschicht.
Ist Sünde vergeben, so warten die Seinen
Mit freudigem Herzen auf Christi Erscheinen,
Da preisen Dich Alle, die Großen und Kleinen.

26. Oktober. Abend-Andacht.

Dein Wort ist meinem Munde süßer denn Honig. Ps. 119,103.

David hatte das Evangelium noch nicht, welches zur Zeit des Neuen Testaments gepredigt wurde, und doch sagte er zu Gott: Dein Wort ist meinem Munde süßer denn Honig, und Ps. 19,11.: Deine Rechte sind süßer, denn Honig und Honigseim. Das Wort Gottes ist also nach dem Zeugniß Davids nicht nur wahr und gewiß, köstlich oder kostbar, scharf und schreckend, sondern auch süß, ja süßer als Honig, welcher zu seiner Zeit, da man noch keinen Zucker hatte, die gewöhnliche süße Speise war. Man empfindet aber die Süßigkeit des Wortes Gottes, wenn die erquickende Gnade und Freundlichkeit Gottes durch dasselbe der Seele klar und fühlbar wird; wenn die vorher unruhige Seele durch dasselbe besänftigt wird; wenn der Seele die Augen geöffnet werden, die Wunder oder Geheimnisse in demselben zu sehen, und kurz zu sagen: wenn der gute Gott sich durch dasselbe zu genießen gibt. Es gibt aber auch bei einem Christen Stunden, da er sich vor Gott fürchten muß, daß ihm die Haut schauert, und sich vor Seinen Rechten entsetzen, Ps. 119,120., ob er schon vorher die Süßigkeit des Wortes Gottes zu seiner Freude geschmeckt hat, und dieses wurde Offenb. 10. sinnbildlich dadurch angezeigt, daß Johannes ein offenes Büchlein essen mußte, welches in seinem Munde süß war wie Honig, in seinem Bauch aber ihn grimmte. Es mag aber nun die Seele das Wort Gottes empfinden, wie sie will, so ist gewiß, daß es ein gesundes Wort sei, und die durch Satans Lügen verfinsterte, befleckte und zerrüttete Seele dadurch genesen könne. Nur verkehrten Leuten eckelt es an dem Wort Gottes, wie den Israeliten an dem Manna. Nur erboste Leute können oder mögen es nicht hören, wie Christus Joh. 8,43. von Seinen Zuhörern sagt. Der Honig der Welt, oder dasjenige, was sie ergötzt und fröhlich macht, ist die Stillung einer Augenlust oder einer Fleischeslust, oder eine Pracht, welche sie treiben können: allein dieses Alles läßt das Herz leer, und was die Albernen gelüstet, tödtet sie, und der Ruchlosen Glück bringet sie um, Spr. 1,32. Eines Christen angenehmste Stunden aber sind diejenigen, die er wie Maria gleichsam zu den Füßen Jesu zubringet, und in welchen er die Gnade, die auf Seinen Lippen ist, oder die liebliche Kraft Seiner heilsamen Worte mit einem stillen Herzen empfindet. Unnütze Sorgen und befleckende Lüste entstehen aus dem natürlichen Herzen, arge Gedanken werden vom Satan in die Seele hineingesprochen: das Wort Gottes aber flößet der Seele nichts ein, als was heilig, heilsam und erquicklich ist. Nun HErr! thue wohl Deinem Knecht, daß ich lebe und Dein Wort halte, öffne mir die Augen, daß ich sehe die Wunder in Deinem Gesetz. Ich bin ein Gast auf Erden, verbirg Deine Gebote nicht vor mir. Dieß ist mein Trost in meinem Elend, daß Dein Wort mich erquicket. Du bist gütig und freundlich, lehre mich Deine Rechte. Meine Lippen sollen loben, wenn Du mich Deine Rechte lehrest.

Mel.: Valet will ich dir geben.

1.
Mein Herz ist schon gewöhnet
An Jesu süßes Wort,
Daß es sich darnach sehnet
Zu aller Zeit und Ort;
Das Beste auf der Erden
Schmeckt an sich selbst mir nicht,
Es muß erst lieblich werden
Durch das, was Jesus spricht.

2.
Wenn ich vom Schlaf aufstehe,
Such’ ich Sein Wort herfür,
Und wenn ich schlafen gehe,
So nehm’ ich’s auch mit mir;
Mir eckelt am Besuche,
An dem, was Zeit verkürzt,
Und auch an einem Buche
Die nicht Sein Wort gewürzt.

3.
Im Trinken und im Essen,
Im Umgang und allein
Bleibt mir es unvergessen,
Es muß mein Zucker sein,
Wenn ich was Bitt’res nehme,
Und wenn die Seele krank,
Versüß’ ich es mit deme,
Daß Jesu Galle trank.

4.
HErr! läßt Du mich erkranken,
Sei Dein Wort meine Ruh’,
Aus dem sprich in Gedanken
Durch Deinen Geist mir zu;
Und unter Deinen Worten
Geh’ mir die Seele aus.
Wie herrlich süß wird’s dorten
In Deines Vaters Haus!

27. Oktober. Morgen-Andacht.

So bist Du doch, Gott, allezeit meines Herzens Trost und mein Theil. Ps. 73,26.

Wohl dem, der unter den täglichen Plagen, die er leiden muß, ja auch auf den Fall, wenn ihm in einer schweren Krankheit oder auch unter einem andern harten Druck Leib und Seele verschmachten sollte, so sagen kann. Gott selbst will unsers Herzens Trost und unser Theil sein, im Gegensatz gegen die Ehre und Gewalt, gegen die Gesundheit und den Reichthum, welche Andere haben. Gott ist ewig: die irdischen Güter sind vergänglich. Gott ist allein wesentlich gut, und kann das Herz mit Sich selbst sättigen und erfreuen: die irdischen Güter sind unkräftig, und wer sich durch ihren Genuß sättigen will, ist einem Hungrigen gleich, dem es träumet, daß er ese, wenn er aber aufwacht, so ist seine Seele noch leer, oder einem Durstigen, dem es träumt, daß er trinke, wenn er aber aufwacht, so ist er matt und dürre. Zu Gott hat der Traurige wie der Fröhliche, der Arme wie der Reiche, der Verachtete wie der Gehrte einen Zugang durch Christum. Wer auch einsam ist, oder zwischen vier Mauern gefangen sitzt, kann zu seinem Trost empfinden, daß ihm Gott nahe sei. Der Genuß Seiner Liebe ist keinen ungewissen Zufällen unterworfen, und es steht in keines Tyrannen Macht, denselben zu rauben; wer aber ein zeitliches Glück sucht und erwartet, kann inne werden, daß dasselbe ein Irrwisch sei, der vor demjenigen fliehet, der ihm nachläuft, oder ein Quecksilber, das demjenigen wieder aus der Hand entrinnt, der’s erdacht hatte. Wenn Gott meines Herzens Trost sein soll, so muß ich Ihn als ein gütiges Wesen und als einen Vater kennen, und Sein wahres Wort, worin Er Sich so geoffenbart hat, glauben. Wenn ich Ihn aber für meinen Theil halten soll, so muß ich insonderheit die große Wahrheit, daß Er mein Gott sei, glauben. Gleichwie ich den Theil einer Erbschaft, der mir zugefallen ist, den meinigen heiße, also soll ich von Gott glaubig sagen: Er ist mein Gott, oder von Christo: mein Freund ist mein, und ich bin Sein. Dieses Mein wird mich in der Zeit und in der Ewigkeit reich genug machen. Freilich kann aber ein Sünder ohne die Erkenntniß Jesu als eines Mittlers und Erlöses nicht dazu gelangen, daß Gott seines Herzens Trost und sein Theil sei. War diese Erkenntniß zur Zeit des Alten Testaments, da man nur die Kerze des prophetischen Wortes hatte, dunkel, so soll sie bei uns, die wir das klare und völlige Evangelium haben, heller sein. In dieser Erkenntniß sollen wir uns täglich erneuern und gleichsam aufrichten, weil sonst unsere Seelen durch den Anblick und die Empfindung des vielen Bösen, das in der Welt ist, finster, matt, und zur Schmach unsers Gottes voll von Mißvergnügen werden. Assaph bekennt Ps. 73., er habe sich an dem Glück der Gottlosen geärgert, und klagt V. 14, er sei täglich geplagt, und seine Strafe oder Züchtigung sei alle Morgen da. Ungeachtet nun sich seine äußerlichen Umstände nicht änderten, so beruhigte er sich doch damit, daß Gott alle Zeit, folglich auch unter dem Leiden, seines Herzens Trost und sein Theil sei. Nun HErr, weß soll ich mich außer Dir trösten? Ich hoffe auf Dich. Sei Du meines Herzens Trost und mein Theil ewiglich, und laß mich in Dir ruhen, wenn mir der Genuß alles desjenigen, das in der Welt tröstlich und lieblich zu sein scheint, entzogen ist.

Mel.: Von Gott will ich nicht lassen.

1.
So bleib’ es denn nun feste,
Mich rühre sonst nichts an:
Mein Gott ist mir das Beste,
Das ich verlangen kann.
Was kann mir ohne Dich,
Mein Gott, im Himmel werden?
Bist Du mit mir auf Erden,
Ist sonst kein Theil für mich.

2.
Laßt And’re oben schweben,
Wie ein gebrauster Schaum;
Sobald sie nicht mehr leben,
So ist ihr Bild ein Traum.
Gott ist das wahre Heil,
Nach dem der Glaube trachtet;
Wenn gleich das Herz verschmachtet,
Bleibt Er des Herzens Theil.

3.
Das ist ein Trieb der Gnaden,
Das lehrt uns Gottes Geist,
Daß man das And’re Schaden,
Und Gott sein Erbtheil heißt.
Wir haben das allein
Von unsers Heilands Sterben,
Daß wir nun Gottes Erben,
Gott unser Theil will sein.

4.
Was Gott dem Priesterorden
In jenem Opferzelt,
Das ist Er uns auch worden,
Und ist’s noch nach der Welt;
Wir geh’n getrost hinzu,
Wir dürfen Weihrauch bringen,
Und dort im Himmel singen:
Gott, unser Theil bist Du!

27. Oktober. Abend-Andacht.

Gott hat in unsere Herzen das Pfand, den Geist gegeben. 2 Kor. 1,22.

Die Erklärung dieser Worte kann man aus Eph. 1,14. herleiten, wo Paulus sagt: der Heilige Geist ist das Pfand unseres Erbes zu unserer Erlösung, daß wir des HErrn Jesu Eigenthum würden zum Lobe Seiner Herrlichkeit. Aus diesen Worten erhellt, daß das Wort Pfand in der Rede des Apostels eigentlich ein Angeld bedeute, oder daß es etwas bedeute, welches demjenigen, der es empfängt, eine gewisse Hoffnung des künftigen ewigen Erbes und der Erlösung von allem Uebel machen soll und kann. Die Frage, wie es einem Menschen nach seinem Tode und nach der Auferstehung seines Leibes gehen werde, ist sehr wichtig. Manche fahren schnell darüber hin, und machen von ihrem Wohlverhalten oder von ihren Tugenden den übereilten Schluß, daß es ihnen in der unsichtbaren Welt nicht übel gehen könne. Wie aber, wenn Gott jenes Wohlverhalten und jene Tugenden anders ansieht und schätzt als der eigenliebige Mensch? Und wenn Er die vielen Sünden aufrechnet, die man nach dem Zeugniß des eigenen Gewissens begangen hat? Und wenn Er’s überhaupt als ein heiliges Wesen genauer nimmt und anders richtet, als der leichtsinnige Mensch meint? Und wie, wenn die Winde wehen, und der Regenbach daher schießt, das ist, wenn du in der letzten Krankheit dem Tod nahe sein wirst. Wird wohl das Haus deiner Hoffnung alsdann stehen bleiben? Wirst du nicht alsdann bei der Ahnung oder bei dem Vorschmack eines traurigen Schicksals in jener Welt beben, und zu spät nicht nur einsehen, sondern auch fühlen, daß du dich selber betrogen habest, wie es schon Vielen widerfahren ist? Die Frage also, wie es uns nach dem Tod und nach der Auferstehung gehen werde, muß wahrhaftig und gründlich erörtert werden; es kann aber solches nicht anders geschehen, als wenn man sich prüft, ob man den Heiligen Geist als das Angeld des himmlischen Erbes empfangen habe. Wer diesen Geist hat, darf ohne Selbstbetrug sich selbst für einen Erben Gottes und Miterben Christi halten, folglich das ewige Leben hoffen. Wie kann ich aber wissen, daß ich den Heiligen Geist habe? Aus Seinen Wirkungen, die ich nicht nur ehemals empfunden habe, sondern noch täglich empfinde. Wie kann ich aber die Wirkungen des Heiligen Geistes in meiner Seele wahrnehmen? Wer sie erfährt, fragt nicht mehr so: wer aber fragt, dem kann man antworten, daß sie sich auch durch die Empfindung selbst von Allem, was die Vernunft, die Einbildung, oder gar der Teufel wirkt, unterscheiden; wie es denn ganz begreiflich ist, daß der göttliche Geist, der über alles Erschaffene unendlich erhaben ist, die menschliche Seele anders berühre als Alles, was erschaffen ist. Wenn man aber ferner auf die Früchte dieser Wirkungen Achtung gibt und wahrnimmt, daß die Seele dadurch erleuchtet, geheiligt, beruhigt und von der bösen Lust und Furcht befreit werde, so kann man nicht zweifeln, daß sie Wirkungen des Heiligen Geistes seien, die, weil sie an Einem fortgehen, Seine Inwohnung in der Seele beweisen; da dann von dieser Inwohnung auf die Empfahung des himmlischen Erbes der richtige Schluß gemacht werden kann.

Mel.: O Jerusalem, du schöne.

1.
Glauben ist was recht Gewissen,
Weil man Worte Gottes hat,
Und der Geist ist über dieses
Auch an eines Pfandes Statt;
So bereitet Gott uns zu
Auf den Eingang Seiner Ruh’.

2.
Dieser Geist legt Gottes Worte
Tief und fest im Herzen an;
Denn da sind die rechten Orte,
Wo Er wirken will und kann.
Glaubt man Jesum, ist’s erlaubt,
Daß man sich auch selig glaubt.

3.
Da erfährt das Herz durch Triebe,
Daß des HErrn Geist in ihm sei;
Er schafft Glauben, Er wirkt Liebe,
Er lebt auch die Hoffnung bei;
So versichert uns dieß Pfand
Unser Erb’ im Vaterland.

4.
Vater! laß um Jesu willen
Mich des Pfandes fähig sein;
Laß es mir das Herz erfüllen
Bis in’s Vaterland hinein.
O, wie elend steht’s mit mir,
Wenn ich dieses Pfand verlier’!

5.
Doch ich traue Deiner Treue,
Dein Wort bleibet, wie es spricht;
Du gibst nichts, das Dich gereue,
Und Dein Pfand verliert sich nicht;
Denn es bleibt auch in der Noth
Und zuletzt auch in den Tod.

28. Oktober. Morgen-Andacht.

Ob Christus gleich gekreuzigt ist in der Schwachheit, so lebet Er doch in der Kraft Gottes, und ob wir auch schwach sind in Ihm, so leben wir doch mit Ihm in der Kraft Gottes. 2 Kor. 13,4.

Paulus lehret in diesen Worten, daß wahre Christen durch den Glauben schon im Stand ihres irdischen Lebens in einer Gemeinschaft sowohl mit dem Stand der Erniedrigung als auch mit dem Stand der Erhöhung Christi stehen, gleichwie er auch Röm. 6. und 8. Gal. 2. und Eph. 2. sagt, daß sie mit Christo leiden, gekreuzigt, gestorben und begraben, auch lebendig gemacht, auferweckt und in das himmlische Wesen versetzt seien. Christus ist gekreuzigt worden in der Schwachheit . Sein Leib wurde dabei schwach, und Seine Seele wurde auch bei ihrer größten Reinigkeit und bei ihrer innigsten Vereinigung mit der Gottheit freiwillig schwach, indem sie ihre Wunderkraft nicht brauchte, sich der tiefsten Traurigkeit und dem Gefühl der Schmach überließ, und ihr des göttlichen Trostes so sehr mangelte, daß sie klagte: Mein Gott, Mein Gott, warum hast Du Mich verlassen? In die ganze Tiefe dieser Schwachheit des Erlösers kann kein Christ hinabsinken, doch kann und muß er auch etwas davon empfinden, folglich, wie Paulus redet, in Christo schwach sein. Schmerzen und Mattigkeit des Leibes, Traurigkeit der Seele, Mangel eines kräftigen Trostes, geistliche Dürre und Finsterniß, worin er, ohne sich selber helfen zu können, geduldig harren muß, bis der Trost und die Hülfe einbrechen, kommen mehr als einmal bei ihm vor. Er ist aber dabei doch in Christo, und leidet dieses Alles, weil er in Ihm ist, folglich auch an Seinen Leibes- und Seelenleiden Antheil haben, und Seinem Ebenbild, in so fern es auch ein Marterbild ist, gleich werden muß. Doch währt dieser Zustand, in so fern er schmerzlich ist, nicht an Einem fort, wiewohl nie alle Schwachheit vergeht. Er lebet auch mit Christo in der Kraft Gottes, gleichwie Christus selbst sein Seiner Auferstehung in der Kraft Gottes lebt. Diese Leben mit Christo in der Kraft Gottes zeigt sich bei einem Christen innerlich gegen die Sünde und gegen die Anfälle böser Geister, denen er immer widersteht und die er überwindet: es zeigt sich aber auch von außen oder gegen Andere, denen man ohne Furcht mit kräftigen Worten und heiligen Werken begegnet, und die Herzen rühret. Paulus drohete den Korinthern 2 Kor. 13., er wolle, wenn er zu ihnen kommen werde, nicht schonen. Er wolle sie, ob er schon nach der Natur ein schwacher Mann sei, durch die Kraft Gottes, die mit seinen Worten verbunden sein werde, scharf bestrafen, beschämen, heilsam betrüben und verwunden, oder wohl gar denjenigen, der sich gröblich vergangen hatte, zum Verderben des Fleisches dem Satan übergeben. So weit durfte nun freilich Niemand gehen als ein Apostel, hingegen soll doch ein jeder Christ mit Christo in der Kraft Gottes leben, und es sollen bei ihm die seltsamen und doch wahren Aussprüche erfüllt werden: wenn ich schwach bin, so bin ich stark, 2 Kor. 12,10. Als die Traurigen, aber allezeit fröhlich, als die Armen, aber die doch Viele reich machen, als die Nichts inne haben, und doch Alles haben, 2 Kor. 6,10. wer niedrig ist, rühme sich seiner Höhe, und wer reich ist, rühme sich seiner Niedrigkeit, Jak. 1,9.10. Selig sind, die um Gerechtigkeit willen verfolgt sind, denn das Himmelreich ist ihr, Matth. 5,10. Wer lebet und an Christum glaubet, wird nimmermehr sterben, Joh. 11,26.

Mel.: Jesu, der Du meine Seele.

1.
Das ist eine Wundersache,
Schwach sein, aber doch in Kraft;
Dennoch freuet euch, ihr Schwache,
Das war Christi Eigenschaft;
Aus der Schwachheit, als entkräftet,
Ward Der an Sein Kreuz geheftet,
Der aus Gottes Kraft doch lebt.
Nun nach solchem Bilde strebt!

2.
Hält die Welt uns niederträchtig,
Fühlen wir uns schwach und klein,
So wird Christi Kraft doch mächtig
Auch in denen Schwachen sein.
Selbst die Schwachheit macht geschäftig,
Schwache Beter beten heftig,
Die Geduld ermannt sich mehr,
Und der Glaube kämpfet sehr.

3.
Ist uns Schwachen was gelungen,
So wird Gottes Ruhm erst kund,
Seiner Kraft wird Lob gesungen,
Weil es nicht in uns’rer stund.
Jesu, wo wir Schwachheit merken,
Wollst Du Dir zum Ruhm uns stärken;
Ewig sei für deine Macht
Dank und Ehre Dir gebracht!

28. Oktober. Abend-Andacht.

Wenig und böse ist die Zeit meines Lebens. 1 Mos. 47,9.

Dieses ist ein Theil der Antwort, welche Jakob dem König Pharao gab, als ihn derselbe gefragt hatte: wie alt bist du? Die ganze Antwort Jakob war diese: die Zeit meiner Wallfahrt ist hundert und dreißig Jahre; wenig und böse ist die Zeit meines Lebens, und langet nicht an die Zeit meiner Väter in ihrer Wallfahrt. Aus dem Wort Wallfahrt, welches Jakob hier in der Uebereinstimmung mit seinem Vater und Großvater brauchte, leitet der Apostel Hebr. 11. den Schluß her: diese heiligen Männer haben dadurch bekannt, daß sie Gäste und Fremdlinge auf Erden seien, und zugleich zu verstehen gegeben, daß sie ein Vaterland suchen, und zwar ein himmlisches; darum schäme ich Gott nicht, zu heißen ihr Gott, denn Er habe ihnen eine Stadt zubereitet. Jakob sagte: wenig und böse ist die Zeit meines Lebens. Zur damaligen Zeit waren also 130 Jahre eine kurze Lebenszeit. Auch schloß Jakob aus der Abnahme seiner Leibeskräfte, daß er nicht so alt werden werde, als sein Vater Isaak, der 180 Jahre, und als sein Großvater Abraham, der 175 Jahr alt geworden war. Daß aber Jakob mit der Annäherung seines Todes, welcher siebenzehn Jahre hernach wirklich erfolgte, wohl zufrieden gewesen sei, erhellet unter Anderem daraus, daß er die Zeit seines Lebens eine böse Zeit genannt hat. Zwar hatte er kurz vorher die Freude erlebt, seinen geliebten Sohn Joseph wieder zu sehen, und wußte, daß er von ihm in seinem Alter auf’s Beste werde verpflegt werden: allein die Eindrücke wurden dadurch nicht ausgelöscht, welche die Leiden in seine Seele gemacht hatten, die ihm von seinem Bruder Esau, von seinem Schwäher Laban, und von seinen eigenen Söhnen verursacht worden waren. Er war des bösen Lebens satt. Auch seine Freude über den Joseph war mit Todesgedanken begleitet; denn er sagte 1 Mos. 45,28.: ich habe genug, daß mein Sohn Joseph noch lebet; ich will hingehen, und ihn sehen, ehe ich sterbe, und 1 Mos. 46,30. zu Joseph selbst: ich will nun gern sterben, nachdem ich dein Angesicht gesehen habe, daß du noch lebest. Mit diesen Todesgedanken, und mit der Empfindung der Bitterkeit des irdischen Lebens, aber auch mit der heitern Hoffnung eines bessern Lebens, daß er nach der vollbrachten Wallfahrt in dem himmlischen Vaterland finden werde, brachte er ohne Zweifel seine letzten siebenzehn Jahre in Aegypten zu, und beschloß endlich sein Leben so, wie es einem Propheten und Freund Gottes wohl anstand.

Es stände einem Christen nicht wohl an, wenn er bei einer jeden kleinen Vergnügung, die er vor sich sieht, sollte sie auch nur in gutem Essen und Trinken, in Ehrenbezeugungen der Menschen, oder in einer guten ruhigen Wohnung bestehen, der Bitterkeit des irdischen Lebens und des himmlischen Vaterlandes vergessen, und mit einer sehnlichen Begierde die Verlängerung seines Lebens ohne Aufhören wünschen wollte. Die Patriarchen haben sich nicht gegen das Sterben gesträubt: wie viel weniger soll es ein Christ im Neuen Testament thun. Er soll es durch die Gnade so weit bringen, daß er gern leben, obschon das Leben böse ist, und gern sterbe, ob er schon noch etwas Gutes auf Erden zu genießen hätte. Auch die Sünde, die den Christen immer anklebt, und die Gefahr, an der Seele Schaden zu leiden, macht das Leben böse. Im himmlischen Vaterland wird auch dieses Böse nicht mehr sein.

Mel.: Jesus, meine Zuversicht.

1.
Meine Tage enden sich,
Sie sind wenig, und sind böse;
Und sie reu’ten alle mich,
Wenn ich nicht den Trost genöße:
Gottes Gnade, Christi Blut
Macht auch böse Tage gut.

2.
Denk’ ich rückwärts und daran,
Wie ich in verfloß’nen Tagen
Gut’s versäumt und Bös’s gethan,
Weiß ich nichts als dieß zu sagen:
Gottes Gnade, Christi Blut
Macht die bösen Tage gut.

3.
Denk’ ich rückwärts an die Zeit
Meiner Thränen, Angst und Schmerzen,
An die Arbeit, Müh’ und Streit,
Dank’ ich Gott noch und von Herzen:
Gottes Gnade, Christi Blut
Macht die bösen Tage gut.

4.
Nun ist noch ein Schritt zu thun,
Aus der bösen Zeit zu gehen;
Und um dieß will ich Dich nun,
Ewiger Erbarmer, flehen:
Deine Gnade, Christi Blut,
Mach’ mein letztes Stündlein gut!

5.
Dorten wird es besser sein,
Künftig soll man länger leben;
Mein Gott! bringe mich hinein,
Deiner Gnade Lob zu geben.
Jesu! bring’ mich durch Dein Blut
Dahin, wo es ewig gut.

29. Oktober. Morgen-Andacht.

Christus hat Sich selbst für unsere Sünden gegeben, daß Er uns errettete von dieser gegenwärtigen argen Welt, nach dem Willen Gottes und unsers Vaters. Gal. 1,4.

Gleichwie die Erlösung, welche der Sohn Gottes, Jesus Christus, ausgerichtet hat, in der heiligen Schrift beschrieben wird, wie sie sich auf die Sünde, den Teufel, den Tod und alle Trübsale bezieht, also wird sei Gal. 1,4. und in andern Stellen auch in dem Bezug auf die arge Welt vorgestellt. Derjenige hat einen völligen Glauben, welcher diese Erlösung nach allen diesen Verhältnissen erkennt und sich selbst zueignen kann. Was nun die Welt anbelangt, so nennt sie Paulus eine arge Welt, und sie ist es auch. Sie ist unglaubig und erkennt Gott nicht, auch kennt sie Seine Kinder nicht, sondern hasset sie, 1 Joh. 3,1.13. Die ganze Welt liegt im Argen, das ist im Teufel drinnen, der ihr Gott und Fürst heißt, und sie nach sich selbst gebildet hat, und so beherrschet, daß sie es selbst nicht merkt, 1 Joh. 5,19. 2 Kor. 4,4. Joh. 14,30. Ihre Vergnügungen bestehen darin, daß sie ihre Augenlust und Fleischeslust ausübt, und Hoffart oder Pracht treibt, so gut sie kann, 1 Joh. 2,16. Sie zeigt sich unter verschiedenen Gestalten, denn anders sieht die vornehme Welt aus, anders die geringe; anders die reiche, und anders die arme; anders die gelehrte, und anders die ungelehrte; auch hat die Welt in verschiedenen Jahrhunderten, und so auch in verschiedenen Ländern eine verschiedene Gestalt bekommen, je nachdem sie ihrer Thorheit und Bosheit eine gewisse Form gegeben hat. Uebrigens sehen alle Theile der argen Welt und alle Weltmenschen in der Hauptsache einander gleich, indem sie alle einen fleischlichen Sinn haben, welcher eine Feindschaft wider Gott ist, und bei welchem sie dem Gesetz Gottes nicht unterthan sind, und solches auch nicht vermögen. Diese Welt nun begegnet wahren Christen auf allen Straßen, auch trifft man sie fast in allen Häusern und Gesellschaften an, und man ist durch den Stand oder das Amt, worin man steht, genöthigt, unter ihr zu sein, und mit ihr zu thun zu haben. Wer aber nicht mit ihr verdammt werden will, muß sich nach dem Erlöser Jesu Christo umsehen, der Sich selbst für unsere Sünden gegeben hat, daß Er uns errettete von der gegenwärtigen argen Welt, nach dem Willen Gottes und unsers Vaters. Durch die Hingabe des Sohnes Gottes sind wir Gott erkauft worden, um Sein Eigenthum zu sein, und unsere Sünden, um derer willen Gott einen Eckel an uns hätte habe können, sind dadurch getilgt worden. Die Frucht davon ist diese, daß Er uns von der gegenwärtigen argen Welt errettet. Er wählt uns aus der Welt heraus, und beruft uns durch einen kräftigen Ruf, von der Welt auszugehen. Er gibt uns einen Glauben, womit wir die Welt überwinden können, einen geistlichen Sinn im Gegensatz gegen den fleischlichen Sinn der Welt Er gibt uns Seinen Geist, welcher stärker ist als der Geist, der in der Welt ist, und uns gegen ihn schützen kann. Uns liegt aber ob, unsern Gnadenstand in der Welt immer zu behaupten, der Welt uns nie gleich zu stellen, ihren unnöthigen Umgang zu meiden, mit ihren unfruchtbaren Werken keine Gemeinschaft zu haben, und doch nach der Lehre Christi alle Menschen, insofern sie unsere Nächsten sind, zu lieben; die Welt aber, insofern sie eine arge Welt ist, weder zu fürchten noch zu lieben.

Mel.: Warum sollt’ ich mich etc.

1.
Jesus wollt’ uns Ihm erkaufen.
Welt, mit dir
Haben wir
Länger nicht zu laufen.
Wir erkennen Sein Erlösen;
So ist nun
Nichts zu thun,
Welt, mit dir, der bösen.

2.
Wir sind eines Andern worden.
Dich treibt der,
Der stets mehr
Lügen liebt und Morden;
Wir sind Dessen, der uns liebet,
Uns bekehrt,
Wahrheit lehrt,
Und das Leben giebet.

3.
Du thust deinem Gott in Sünden
Sklavendienst,
Für Gewinnst
Wirst Du Strafe finden.
Wir sind Christi, wir Erlösten,
Unser Theil
An dem Heil
Wird uns ewig trösten.

4.
Dank sei Dem, der Sich gegeben
In die Noth
Und den Tod,
Daß wir Ihm nur leben;
Der des Vaters Gnadenwillen
Uns zu gut
Auch mit Blut
Wollt’ und konnt’ erfüllen.

5.
Wir sind hier noch im Getümmel,
Und doch Dein;
Führ’ uns ein,
Jesu, in den Himmel.
Laß uns von Erlösten allen
Dir hierob
Ruhm und Lob
Ewig dort erschallen.

29. Oktober. Abend-Andacht.

Wir sind getrost allezeit und wissen, daß, solange wir im Leibe wohnen, so wallen wir dem HErrn. 2 Kor. 5,6.

Christus hat Seinen Jüngern, und mit ihnen allen Glaubigen, die Verheißung gegeben: Ich bin bei euch alle Tage bis an der Welt Ende. Auch vergewissert uns die heilige Schrift, daß Er und der Vater und der Heilige Geist in den Glaubigen wohne, und diese in Christo Jesu seien, Ihm anhangen, und Ein Geist mit Ihm seien. Dessen ungeachtet sagt Paulus: wir wissen, daß, so lange wir im Leibe wohnen, so wallen wir dem HErrn. Das Gegentheil von diesem Wallen ist das Daheimsein bei dem HErrn, V. 8. Dem HErrn wallen heißt also noch nicht in des Vaters Haus, oder bei dem HErrn daheim, sondern in der Fremde sein; so lange man so wallet oder in der Fremde ist, muß man im Glauben wandeln: in des Vaters Haus aber wird man im Schauen wandeln, V. 7. Wenn nun ein Christ in der Fremde durch den Glauben viele göttliche Gaben, Wirkungen und Tröstungen empfinden, und das Nahesein, ja die Inwohnung Gottes in seiner Seele deutlich spüren kann: was wird’s sein, wenn er bei dem HErrn daheim sein und im Schauen wandeln wird? Alsdann wird der Pilgrim ruhen, das Kind wird den Vater sehen, und derjenige, der geglaubt hat, wird durch das Schauen inne werden, daß Alles, was er nach dem Wort Gottes von den himmlischen Dingen geglaubt hatte, wahr, und noch viel herrlicher sei, als er sich’s bei dem Glauben vorgestellt hatte. Merkwürdig ist, daß Paulus sagt: wir wallen dem HErrn so lange wir im Leibe wohnen; V. 8. aber: wir sind getrost, und haben viel mehr Lust, aus dem Leib auszuziehen, und heimzukommen zu dem HErrn. Das Heimkommen zu dem HErrn fängt also an, sobald eine gerechtfertigte und geheiligte Seele aus ihrem Leib ausgezogen sein wird, oder sobald das irdische Haus dieser Hütte zerbrochen sein wird, da sie dann einen Bau von Gott erbauet, ein haus, nicht mit Händen gemacht, das ewig ist, im Himmel bekommt. Freilich wird der jüngste Tage noch etwas Neues bringen; denn durch dasjenige, was 1 Thess. 4,17. beschrieben ist, und durch das Wort: kommet her, Matth. 25,34., werden die Gerechten noch näher zu dem HErrn hingerückt werden, und von da an auf eine neue Weise bei dem HErrn sein allezeit. Die Hoffnung dieses seligen und herrlichen Zustandes soll die Glaubigen getrost machen. Allezeit sollen sie getrost sein, weil sie wissen, ihr Leben sei nur eine Pilgrimsreise, und ihre Leiden werden mit dieser Reise ein Ende nehmen. Das ende ist auf derjenigen Seite, auf welcher es den sterblichen Menschen in’ Gesicht fällt, traurig, weßwegen es auch erwünschter wäre, wenn man die himmlische Behausung über den sterblichen Leib als ein Kleid anziehen dürfte, und alsdann das Sterbliche, das im Leib ist, von dem Leben verschlungen würde, V. 2.3.4.; weil es aber die Ordnung Gottes bei Allen, die den jüngsten Tag nicht erleben, mit sich bringt, daß ihre Seelen von den Leibern entblößt werden, oder aus denselben ausziehen, so sind wir dennoch getrost, und haben vielmehr Lust, aus dem Leibe, den wir doch in der Auferstehung wieder bekommen werden, auszuziehen, und auf diesem Weg zu dem HErrn heimzukommen.

Mel.: Die Seele Christi heil’ge mich.

1.
Wir sind noch von der Heimath fern,
Wir wallen aber uns’rem HErrn;
Das nie geseh’ne Vaterland
Ist uns aus Seinem Wort bekannt.

2.
Man seh’ uns an, für was man will,
Wir wallen fort und leiden still;
Wenn gleich der Satan auf uns stoßt,
Sind wir des HErrn, und sind getrost.

3.
So macht uns keine Furcht verzagt,
Wenn uns die Welt verhöhnt und plagt;
Und wen auch auf der Welt nichts freut,
Der hat in Gott doch Freudigkeit.

4.
HErr Jesu halt’ auch mich dafür,
Daß ich Dein sei und walle Dir,
So wall’ ich ganz getrost dahin,
So lang ich in dem Leibe bin.

5.
Du gingst mir selbst zum Vater vor:
Richt’ Aug und Herz zu Dir empor,
Daß ich erkenn’, wohin ich geh’,
Und auf des Wortes Vorschrift seh’.

6.
Wall’ ich nur, wie es Dir gefällt,
Was ist’s, wenn man’s für Thorheit hält?
So komm’ ich heim, bei Dir ist Ruh;
Was Dir gefällt, belohnest Du.

7.
Da ziehest Du uns Kleider an,
Die jetzt kein Pilger tragen kann;
Da wird sich’s zeigen, wer man ist,
Wenn man auch da lebt, wo Du bist.

8.
Mein HErr, den ich einst Blut gekost’t,
Mach mich im Tode selbst getrost,
Und ruf’ in Gnaden mich nach Haus,
So geht mein Wallen selig aus!

30. Oktober. Morgen-Andacht.

Mich wundert, daß ihr euch so bald abwenden lasset von Dem, der euch berufen hat in der Gnade Christi, auf ein ander Evangelium, so doch kein anderes ist. Gal. 1,6.7.

Christen sind in der Gnade Christi berufen, das ist, sie sind so berufen, daß ihnen die Gnade Christi von Gott angeboten wird, und wenn sie den Beruf bei sich kräftig werden lassen und annehmen, so erlangen sie diese Gnade Christi, und können in dieser Gnade bis an ihr Ende, ja ewiglich zu stehen kommen. Gott ist’s, der sie so beruft, und das Mittel, wodurch Er sie beruft, heißt Evangelium, oder ein gütiges Wort, ein gewisses und heiteres Zeugniß von allem dem Guten, das arme Sünder durch Christum erlangen können, und welches, wenn man es kurz beschreiben will, die Gnade Christi heißt. Von Gott und Seinem Evangelium soll sich kein Mensch, der einmal berufen ist, wieder abwenden lassen; es gibt auch kein anderes Heil als die Gnade Christi, und kein anderes wahres Evangelium außer demjenigen, wodurch man gelehrt wird, durch Christi Gnade der Liebe Gottes und der Gemeinschaft des Heiligen Geistes theilhaftig zu werden. Es gibt aber unverständige Leute, welche von Verführern gleichsam bezaubert werden, der erkannten Wahrheit nimmer zu gehorchen, und sich von Gott, der sie berufen hatte, wieder abzuwenden. Heut zu Tag kann der Verfall eines solchen Menschen so groß werden, daß er nimmer glaubt, daß ein Gott sei, oder daß er die ganze christliche Religion verwirft und verspottet, und hernach ohne vernünftige Hoffnung lebt und stirbt. Es gibt aber auch Leute, welche nicht so weit verfallen, sondern sich nur wie die Galater auf ein anderes Evangelium abwenden, so doch kein anderes ist, und dasjenige, was sie hernach für eines halten, ein falsches ist. Bei einem solchen falschen Evangelium wird der Name des großen Gottes beibehalten, auch läßt man Sein Gesetz gelten, und thut zuweilen noch Menschensatzungen oder auch eine tiefsinnige Weltweisheit hinzu, wie in der Gegend der Stadt Kolossä geschah, Kol. 2. Man weiß und lehrt vieles, das entweder wahr ist, oder doch einen Schein der Weisheit hat, Kol. 2,23., und strengt auch seine Kräfte an, sich nach solchen Lehrsätzen zu richten. Was fehlt aber bei diesem Evangelium? Christus fehlt. Wie aber, wenn solche Leute auch den Namen Christi in ihrer Lehrform beibehalten? Alsdann gebe man Achtung, ob sie den rechten Christum haben, der Gott und Mensch, die Versühnung für unsere Sünden, und der einzige Grund der Rechtfertigung, Heiligung und der Erlösung von allem Uebel ist. Man untersuche, ob sie bei der Gnade Christi bleiben, ob sie dieselbe nicht weggeworfen haben, Gal. 2,21., ob sie nicht ihre Gerechtigkeit in ihren Werken, und ihre Heiligung in ihrer eigenen Vernunft und Kraft suchen, ob Christus, insofern man durch Ihn Gnade und Friede, Leben und Herrlichkeit erlangt, der einzige Grund ihrer Zuversicht und Hoffnung sei. Wo es an diesem Allem fehlt, da ist ein falsches Evangelium, obschon die Lehrform viel Wahres enthält: aber auch dieses Wahre ist nicht das seligmachende Evangelium. O ihr Christen, die ihr nach Neuigkeiten lüstern seid, gedenket an eure Lehrer, die euch das Wort Gottes gesagt haben, derselben Ende schauet an, und folget ihrem Glauben nach. Jesus Christus gestern und heute, und Derselbe auch in Ewigkeit. Lasset euch nicht mit mancherlei fremden Lehren umtreiben; denn es ist ein köstlich Ding, daß das Herz fest werde, welches geschiehet durch Gnade.

Mel.: Valet will ich dir geben.

1.
Erwünschter Ruf in Gnaden,
Der uns das Herz erfreut!
Wir werden eingeladen
Zu lauter Seligkeit;
Der Mittler heißt uns kommen
Zu dem Besprengungsblut;
Wir werden angenommen;
Die Gnade macht uns Muth.

2.
Kein Moses ruft wie dorten
Zum Berge, der da brennt.
Denn Jesus ruft mit Worten
Vom Neuen Testament,
Er ist’s, aus dessen Herzen
Die Liebe selber spricht,
Wie sie am Kreuz mit Schmerzen
Sich unser Herz verpflicht’t.

3.
Durchdringe mir die Seele,
O Evangelium,
Daß mir’s am Heil nicht fehle
Noch an der Gnade Ruhm.
HErr, Du hast mir gerufen,
Hie bin ich, nimm mich an,
Daß auf der ersten Stufen
Ich Dir schon danken kann.

4.
Was bin ich arme Made?
Du rufst, ich danke Dir;
Es lobe Deine Gnade
Nun Alles, was in mir.
Kann ich’s hier nicht vollbringen,
Weil ich vom Fleisch nicht frei,
Laß mich im Himmel singen,
Wie groß die Gnade sei.

30. Oktober. Abend-Andacht.

Die da halten ob dem Nichtigen, verlassen ihre Gnade. Joh. 2,9.

Die Gnade und das Nichtige werden hier einander entgegengesetzt. Die Gnade kann den Menschen so widerfahren, daß sie ewiglich ihre Gnade bleibt, das Nichtige oder Eitle aber scheint eine Zeit lang der Menschen Eigenthum zu sein, verschwindet aber bald wie ein Schattenbild, und alsdann haben sie nichts mehr. Ob dem Nichtigen halten, heißt nach eigener Lust oder nach eigenem Gutdünken einer eitlen Ehre, Reichthum oder Gemächlichkeit nachjagen, ohne auf den Willen Gottes zu sehen, oder vor einem eingebildeten Uebel fliehen, ohne sich auf die Güte Gottes, die schützen, segnen und Alles wohl machen kann, zu verlassen. Solche Leute wandeln ihren Gedanken nach auf einem Wege, der nicht gut ist, Jes. 65,2. Gott weiß solcher Leute Gedanken, daß sie eitel sind, Ps. 94,11., zuweilen läßt Er ihnen Etwas gelingen, bald aber oder spät macht Er ihren Rath zu nichte und wendet ihre Gedanken, Ps. 38,10. Auch Jonas hielt ob dem Nichtigen, da er nach den Gedanken seines eigenen Herzens auf’s Meer ging, und weit weg nach Tarsis oder Tartessus schiffen wollte, um dem göttlichen Beruf, der ihn zu Ninive predigen hieß, auszuweichen. Er fühlte aber deutlich genug, daß er seine Gnade verlassen habe, so lange er seine eitlen Gedanken und Anschläge behauptete, und dem göttlichen Beruf ungehorsam war. Sein Herz wurde ohne Zweifel trocken, finster und unruhig. Er kam auch in eine große äußerliche Noth, und der Mann, der von vielen Israeliten als ein Prophet hochgeachtet worden war, mußte heidnischen Schiffsleuten seine Sünde beichten, und sich von ihnen als ein Fegopfer oder Auswürfling den Meereswellen übergeben lassen. Aber in dem Bauch des großen Fisches, der ihn verschlungen hatte, wandte er sich wieder zu seiner Gnade, und fing an, sie auf’s Neue zu genießen. Wie nöthig ist’s, daß ein frommer Christ seinen Weg bewahre, wie denn Salomo Sprüchw. 16,17. sagt: der Frommen Weg meidet das Arge, wer aber seinen Weg bewahret, behält sein Leben, folglich auch seine Gnade. Es begegnet den Frommen oft auf ihrem Weg etwas Unangenehmes, das sie schrecken und ermüden will: allein Christus ruft ihnen Matth. 16,24. zu: will Mir Jemand nachfolgen, der verleugne sich selbst und folge Mir nach, und Paulus Ebr. 10,39.: wir sind nicht von denen, die da weichen, sondern von denen, die glauben und die Seele erretten. Die Gnade ist kostbarer als Alles, und alle Anschläge, wodurch man ein besseres Glück in der Welt zu erhaschen trachtet, und die Gnade Gottes darob verläßt, sind Thorheit. Demas verließ den gefangenen Paulus, bei dem er im Leiden hätte ausharren sollen, und gewann die gegenwärtige Welt lieb, 2 Tim. 4,10. Judas Ischarioth verließ den von der Welt gehaßten, verfolgten und armen Jesum, und streckte seine Begierde nach einem Acker aus, den er zu seinem Unterhalt kaufen wollte. Wohl dem Menschen, dem der HErr, wenn er eitlen Anschlägen nachhängen und seine Gnade verlassen will, bald mit der Ruthe begegnet und Einhalt thut, wie dem Jonas, und ihn wieder auf Seinen Weg zurückführt, auf welchem er unter dem Leiden seine Gnade genießt.

Mel.: O Gottes Sohn, HErr Jesu Christ.

1.
Ein Aug’, das nur auf’s Eitle sieht,
Verlässet seine Gnade;
Die Gnade weicht, das Eitle flieht,
Das ist dann zweimal Schade.
Nichts Eitles kann mir ewig sein,
Und acht’ ich Gnade nicht für mein,
Was hat hernach die Seele?

2.
Gott hat uns Gnade zugedacht,
Der Sohn hat sie erworben,
Der Geist hat sie an’s Herz gebracht;
Wie arg ist’s dann verdorben,
Wer, von dem Dunst der Welt berauscht,
Um Eitelkeiten Ewig’s tauscht
Und will nicht seine Gnade!

3.
Gib, Vater, daß ich weise bin
Und lerne Gnade nehmen;
Wer sie verlangt, der nimmt sie hin,
Du willst ihn nicht beschämen;
Und weil in Dir, HErr Jesu Christ,
Der Gnaden ganze Fülle ist,
So will ich da sie schöpfen.

4.
Du Geist der Gnade, zeuge Du,
Daß sie auch mir gehöre,
Sprich mir im Geist von Gnade zu,
Und daß sie ewig währe!
Ich laß’ sie nicht, so wird auch sie,
Ob Andern alles Eitle flieh’,
Zuletzt mich nicht verlassen.

31. Oktober. Morgen-Andacht.

Darum verlasset euch auf den HErrn ewiglich; denn Gott der HErr ist ein Fels ewiglich. Jes. 26,4.

Jesaias weissagt Kap. 26. von einer großen Gefahr und Noth, worin die Kirche Christi stecken werde, aber auch von einer gnädigen Errettung aus derselben, und von einer Erweisung der Herrlichkeit Gottes, die nach und nach unter den Heiden geschehen, und womit der HErr bis an der Welt Ende fortfahren werde. Es wird unter Anderem V. 5. gesagt, daß der HErr Leute, die in der Höhe wohnen, das ist vornehme und gewaltige Menschen beugen, und eine gewisse hohe Stadt, die sich dem Reich Christi widersetze, erniedrigen, ja zur Erde stoßen werde, daß sie im Staub liegen werde. Ehe aber dieses geschehe, werde dem Volk Gottes sehr bange sein, wie einem schwangern Weib, das gebären soll, und es werde alsdann gestehen müssen, daß es der Erde nicht helfen könne, und die Einwohner auf dem Erdboden, welche Feinde Gottes seien, nicht fallen wollen. Unter diesen Umständen muß das prophetische Wort zum Glauben ohne Schauen und zur Geduld in der Noth erwecken und stärken, und wenn die göttliche Hülfe angefangen hat, der Zuruf des Heiligen Gottes: verlasset euch auf den HErrn ewiglich, denn Gott der HErr ist ein Fels ewiglich, den Glauben zur Ehre Gottes noch weiter stärken. Freilich darf man sich auf den HErrn ewiglich verlassen, denn Er ist in Seiner Wahrheit, Gerechtigkeit und Güte ein Fels ewiglich. Sein Wesen und Wille, Seine Macht und Seine Treue wanket nicht. Er gedenket alter Verheißungen wie der neuen, und erfüllet jene wie diese. Ps. 93. wird von Ihm gesagt: der HErr ist König, und herrlich geschmücket; der HErr ist geschmücket, und hat ein Reich angefangen, so weit die Welt ist, und zugerichtet, daß es bleiben soll. Von dem an stehet Dein Stuhl fest, Du bist ewig. HErr, die Wasserströme erheben sich, die Wasserströme erheben ihr Brausen, die Wasserströme heben empor die Wellen. Die Wasserströme im Meer (der Welt) sind groß und brausen greulich: der HErr aber ist noch größer in der Höhe. Ihn, den ewigen und erhabenen Felsen können die Wellen des menschlichen Trotzes und der irdischen Macht nicht einmal berühren, zu geschweigen überstürmen und wegdrücken. Dieses Alles ist klar, und wird von einem Menschen leicht bejahet: wenn man aber in der Noth und Angst nichts als Verderben vor sich sieht, und kein Ende der Noth erblicken kann, wenn man mächtige Feinde wider sich hat, die nicht fallen wollen, wenn weder Rath noch Kraft bei dem Menschen ist, so ist das Glauben eine sehr ernsthafte Sache, und erfordert einen kräftigen Beistand des Heiligen Geistes, und ziehet sich oft in ein unaussprechliches, doch aber zuversichtliches Seufzen zusammen. Der sterbliche Mensch kann aber Gott durch nichts so hoch ehren, als durch’s Glauben, und er darf gewiß sein, daß Gott alsdann auch an ihm das Wort erfüllen werde: wer Mich ehret, den will Ich wieder ehren. Verlasset euch also auf den HErrn ewiglich, das ist ohne Aufhören, und seid nicht von denen, die da weichen, sondern von denen, die bis an ihr Ende glauben, und ihre Seelen retten. HErr, ich verlasse mich auf Dich, erhalte und mehre meinen Glauben. Menschen sind schwach und sterblich, auch vergehen Himmel und Erde, Du aber bist ewiglich ein Fels, und wirst mich bei dem Vertrauen auf Dich nicht zu Schanden werden lassen.

Mel: Ermunt’re dich, mein etc.

1.
Verlasset euch nur auf den HErrn,
Laßt alle Feinde schnauben;
Er ist so treu, Er hilft so gern,
Bewahret nur den Glauben;
Er ist ein Fels, der ewig steht,
Auf Ihn kann, wer um Hülfe fleht,
Sich ewiglich verlassen
Und Ihn am Worte fassen.

2.
Der HErr hat uns ein Wort gesagt
Von Tilgung uns’rer Sünden;
Wer nun nach Heil und Gnade fragt,
Der kann’s in Jesu finden,
Der ist der Fels, den Gott gelegt,
Der allen Bau der Kirche trägt,
Den soll der Glaube fassen
Und sich auf Ihn verlassen.

3.
Rühmt denn den Felsen unsers Heils
In herzlichem Vertrauen,
Ein Jeder danke seines Theils,
Daß er auf Ihn darf bauen.
O fester Fels, wie ist’s so gut,
Wenn unser Herz auf Dir nur ruht!
Dir soll man Ehre geben,
Auch wenn wir ewig leben!

31. Oktober. Abend-Andacht.

Gott sprach: du Narr, heute wird man deine Seele von dir fordern, und weß wird sein, das du bereitet hast? Also geht’s, wer ihm Schätze sammelt, und ist nicht reich in Gott. Luk. 12,20.21.

Sich Schätze sammeln dünkt Vielen ein kluges Beginnen zu sein, und sich gute Tage machen, wenn man sie gesammelt hat, dünkt Vielen wohlgethan zu sein. Auch wissen die wenigsten Menschen, was es heißt, reich in Gott sein, und begehren es auch nicht zu werden. Gott nennt aber solche Leute Narren, und ihre Narrheit wird allen Verständigen offenbar, wenn ihre Seelen unvermuthet von ihnen genommen werden; da man dann einen jeden solchen Menschen fragen kann: weß wird von nun an sein, das du bereitet hast? Es wird nicht mehr dein sein, denn du nimmst nichts in deine Sterben mit, und deine Herrlichkeit fährt dir nicht nach; du fährst also arm und trostlos deinen Vätern nach, und siehest das Licht nimmermehr, Ps. 49,18.20. Das Schätzesammeln hat der HErr Jesus nie gebilligt. Er hat zwar dem frommen Joseph von Arimathia nicht gewehrt, reich zu sein, dieser durfte aber nach der Lehre Christi seinen Reichthum nicht seinen Schatz nennen, denn nach der Bedeutung, die Christus diesem Wort beilegt, ist des Menschen Herz da, wo sein Schatz ist. Nach der Lehre Christi soll das zeitliche Vermögen, welches Er nie preiset, sondern ein geringes Ding, einen ungerechten Mammon und ein fremdes Gut nennt, Luk. 16,10.11.12., dem Menschen zufälliger Weise zu Theil werden, sein Herz aber auf das Reich Gottes und auf Seine Gerechtigkeit gerichtet sein, Matth. 6,33. Derjenige ist glücklich, der in Gott reich ist, wie der Bischof zu Smyrna, dem der Heiland Offenb. 2,9.10. schreiben ließ: Ich weiß deine Werke, und deine Trübsal, und deine Armuth (du bist aber reich), sei getreu bis an den Tod, so will Ich dir die Krone des Lebens geben. Derjenige ist aber reich in Gott, der an aller Lehre und an aller Erkenntniß, wie auch an guten Werken reich ist, 1 Kor. 1,5. 1 Tim. 6,18., oder dem die Gnade reichlich gegeben ist, Jak. 4,6. 2 Kor. 9,8., oder der reichlich getröstet wird durch Christum, 2 Kor. 1,5., oder der mit allerlei Gottesfülle erfüllet, Eph. 3,19., das ist, der mit allerlei geistlichen Gaben reichlich ausgerüstet ist, Matth. 13,12. Ein unmündiges Kind wird für reich geachtet, wenn es zwar täglich nur hat, was es bedarf, aber noch ein großes Erbe, das ihm bis zu seiner Volljährigkeit aufgehoben wird, empfangen und besitzen soll. In diesem Betracht sind alle Auserwählten und Begnadigten wegen der freiwilligen Armuth Christi, 2 Kor. 8,9., reich, weil sie zwar bei Leibesleben unmündigen Kindern gleich sind, 1 Kor. 13,11., doch aber wissen, daß ihnen ein unvergängliches, unbeflecktes und unverwelkliches Erbe, welches sehr groß ist, im Himmel behalten sei. Ein Mensch, der reich in Gott ist, leidet keinen Verlust, wenn seine Seele von ihm gefordert wird; denn ob ihm gleich sein zeitliches Vermögen nicht nachfährt, und er nicht weiß, wer es nach vielen Jahren besitzen werde, so nimmt er dagegen den Schatz des geistlichen Lebens, 2 Kor. 4,7., den er in dem irdenen Gefäß des Leibes gehabt hatte, mit sich in die Ewigkeit, und wird im Himmel wahrhaftige und unschätzbare Schätze, die ewiglich sein eigen sein werden, finden.

Mel.: Alles ist an Gottes Segen.

1.
Wenn ich mir auf viele Jahre
Einen großen Vorrath spare,
Weß wird sein mein Ueberfluß?
Da ich soll gesammelt werden
In ein Räumlein kühler Erden,
Und noch heute sterben muß.

2.
HErr! bewahr’ mich vor den Stricken,
Wenn der Geiz mich will berücken;
Das, was da ist, sei genug.
Gib mir Vorsicht auf mein Scheiden,
Und mach’ auf die Ewigkeiten
Mich durch Deine Gnade klug.

3.
Lehr’ mich bei den Nebengaben
Mangel oder übrig haben,
Hungern oder satt zu sein;
Jesus hat uns mehr erworben;
Was am Kreuz uns anerstorben,
Bleibt im Sterben uns allein.

4.
Könnte man die Welt gewinnen,
Führ’ man dennoch arm von hinnen,
Wer nicht Theil am Himmel hat;
Wer sich reich in Christo glaubet,
Dem wird nichts im Tod geraubet;
Nichts als Gott macht ewig satt.

5.
HErr! ich glaube; laß im Sterben
Mich mit Deinen Kindern erben,
Dort ist unser wahrer Schatz;
Wird die Seele abgefordert,
So kommt, wenn der Leib vermodert,
Mir kein Fremder in den Platz!