2. Kor. 1
Gelobet sei Gott und der Vater unsers HErrn Jesu Christi, der Vater der Barmherzigkeit und Gott alles Trostes, der uns tröstet in aller unserer Trübsal.
2 Kor. 1,3.
Von dem Edomiter Doeg weissagte David Ps. 52,9., die Gerechten werden nach dem Unglück, welches Gott über ihn kommen lassen werde, sagen: siehe, das ist der Mann, der Gott nicht für seinen Trost hielt, sondern verließ sich auf seinen großen Reichthum, und war mächtig, Schaden zu thun; Ps. 49,19., aber wird von einem Weltmenschen gesagt: er tröstet sich dieses guten Lebens, und preiset’s, wenn Einer nach guten Tagen trachtet. Wie aber, wenn derjenige, der sich auf seinen Reichthum verlassen hatte, zerstört, zerschlagen, und aus dem Land der Lebendigen ausgerottet wird (Ps. 52,7.), und wenn das gute Leben, dessen sich leichtsinnige Menschen trösten, in ein kümmerliches Leben verwandelt wird, oder die guten Tage, nach denen sie trachten, vor ihnen fliehen; oder wenn sie auch nach dem Genuß einiger guter Tage sterben, und ihren Vätern nachfahren müssen? Alsdann ist nichts übrig, als ein trostloser Gram, eine zornige Ungeduld, und endlich eine völlige Verzweiflung. Zu Schanden müssen also werden die losen Verächter: freuen aber müssen sich zuletzt und zu ehren kommen Alle, die sich zu Gott und dem Vater unsers HErrn Jesu Christi, zu dem Vater der Barmherzigkeit und dem Gott alles Trostes wenden. Er läßt zwar Trübsal über Seine Kinder kommen, bleibt aber doch der Vater der Barmherzigkeit, und tröstet sie als der Gott alles Trostes in aller ihrer Trübsal. Nach dem Willen des Fleisches und der Vernunft sollte die Trübsal nicht kommen, denn sie dünket Niemanden, wenn sie das ist, Freude zu sein: sie muß aber kommen, denn Gott hat von Ewigkeit beschlossen, daß Seine Kinder durch viel Trübsal in Sein Reich eingehen sollen, und daß sie mit Christo leiden sollen, ehe sie mit Ihm zur Herrlichkeit erhoben werden. Dabei können sie aber Gott und den Vater unsers HErrn Jesu Christi, der auch ihr Vater ist, loben, weil Er sie Seiner Liebe, Seiner treuen Vorsorge, Seiner Alles wohlmachenden Weisheit, des Beistandes des Heiligen Geistes, und der himmlischen Ruhe und Freude, in welche sie bald versetzt werden sollen, versichert. Hier soll aber der Mensch nicht sagen: wohlan, ich weiß solche Trostsprüche, und finde sie in meiner Bibel und in andern Büchern. Es fehlt mir also nicht. Wenn nach den guten Tagen eine Trübsal kommt, so kann ich mich selber trösten. Nicht also, mein lieber Mensch, sondern gib Gott die Ehre, und bekenne, daß Er es sei, der in der Trübsal tröste. Er hat nämlich nicht nur die Trostsprüche den Propheten und Aposteln eingegeben, daß sie dieselben haben schreiben können, sondern eignet sie auch jetzt durch Seinen Geist den Leidenden zu, daß sie ihnen einen kräftigen Eindruck zu ihrer Stärkung und Beruhigung geben. Wenn wir mit Seinem Wort eigenwillig umgehen, und uns selbst damit trösten wollen, so läßt Er uns bei dem Vorrath der Wissenschaft dürr und leer bleiben, bis wir zu Ihm schreien, wie ein Hirsch nach frischem Wasser schreiet, und ihn um ein kräftiges Wörtlein bitten. In diesem Sinne betete Jeremias zu dem HErrn: nahe Dich zu mir, wenn ich Dich anrufe, und sprich: fürchte dich nicht, Klagl. Jer. 3,57., und David Ps. 119,82.: nun HErr, meine Augen sehnen sich nach Deinem Wort, und sagen: wann tröstest Du mich?(Magnus Friedrich Roos)
Wir werden reichlich getröstet durch Christum.
2 Kor. 1,5.
Ist Gott nicht noch immer der Vater der Barmherzigkeit und der Gott alles Trostes? Tröstet Er nicht noch immer reichlich durch Christum? Warum ist denn die Welt so voll von Klagen, Sorgen, Mißvergnügen, Schwermuth? Ja, sagen Einige: wir sind Wittwen und Waisen; wir sind arm, kränklich oder krank; wir werden durch das Sterben der Unsrigen betrübt; uns begegnet viel Unglück. Seid ihr aber Christi, so dürfet ihr, wie Paulus, sagen: wir haben des Leidens Christi viel; denn Christus wurde auch ein Waise, weil Joseph, Sein Pflegvater, vor Seinem dreißigsten Jahr starb, Er war auch arm, geschmäht, gehaßt, und in Seinem letzten Leiden ein Mann voller Schmerzen und Krankheit. Alle Leidenden, die Christo angehören, dürfen also sagen, sie haben Leiden Christi, und, wenn sie viel leiden, sie haben des Leidens Christi viel. Ist aber dieses wahr, so sollen sie auch sagen können: wir werden reichlich getröstet durch Christum. Paulus klagte nicht so kleinmüthig, wie wir, sondern wickelte die Erwähnung von seinen vielen Leiden in’s Lob Gottes ein, da er sagte: gelobet sei Gott und der Vater unsers HErrn Jesu Christi, der Vater der Barmherzigkeit und der Gott alles Trostes, der uns tröstet in aller unserer Trübsal, daß wir auch trösten können, die da sind in allerlei Trübsal, mit dem Trost, damit wir getröstet werden von Gott. Denn gleichwie wir des Leidens Christi viel haben, also werden wir auch reichlich getröstet durch Christum, V. 3.4.5. Gott ist’s also, der die Leidenden tröstet. Er tröstet nicht kärglich, sondern reichlich. Er tröstet durch Christum, indem Er die tröstliche Lehre Christi der Seele kräftig macht, das Beispiel Seiner Leiden dem leidenden Menschen zu seiner Beruhigung vorhält, die Versühnung, die Er ausgerichtet hat, ihn genießen läßt, und dadurch Friede in seiner Seele anrichtet, und ihr eine Aussicht auf die ewige Herrlichkeit gibt, welche auf das Leiden der Glaubigen folgt. Kurz zu sagen, durch Christum neigt sich die Liebe des Vaters zu dem Menschen; durch Christum empfängt er den Heiligen Geist, als einen treuen Tröster und Beistand, welcher das Evangelium ihm klar und kräftig macht; und so wird der Mensch, der des Leidens Christi viel hat, reichlich getröstet durch Christum.
Woher entstehen aber die kümmerlichen Klagen, und die unmuthigen Bekümmernisse? Sie entstehen aus dem Unglauben, welcher die Seele vor Gott verschließt, und wodurch der Mensch sich von Ihm abwendet. Herrscht dieser Unglaube in dem Menschen, so ist er keines evangelischen Trostes fähig, und wenn die Seele in der Buße vom Unglauben zum Glauben übergeht, so kann etwa eine Zeit lang in gewissem Maße zu ihr gesagt werden: du Elende, über die alle Wetter gehen, und du Trostlose! Jes. 54,11. Auch kann ihr auf dem Glaubensweg zuweilen um Trost sehr bange, und sie gedrungen werden, zu Gott zu sagen: meine Augen sehnen sich nach Deinem Wort, und sagen: wann tröstest Du mich? Ps. 119,82. Gott aber tröstet denjenigen, der Ihn sucht und anruft, und dabei still ist und harret, bald wieder reichlich durch Christum. Er tröstet so, daß er das Bewußtsein und die Empfindung der Leiden nicht immer aufhebt, das Trauern nicht verbietet, weil Christus selber getrauert hat, und die Seele nicht immer in eine hüpfende Freude versetzt, Er tröstet aber doch so, daß die Seele ruhig wird, die gute Ursache und den guten Zweck der Leiden einsieht, Gott mit Loben und Danken ehren, und auf ihrem Glaubensweg bei der Hoffnung der Herrlichkeit richtig fortschreiten kann. Und dieses heißt schon reichlich getröstet durch Christum. Gott tröste uns, und laß leuchten Dein Antlitz, so genesen wir.
2. Kor. 4
Dieweil wir denselben Geist des Glaubens haben, wie geschrieben steht: ich glaube, darum rede ich; so glauben wir auch, darum reden wir auch.
2 Kor. 4,13.
Paulus schrieb Tit. 1,10.11., es gebe viel freche und unnütze Schwätzer, und Verführer, welchen man das Maul stopfen müsse, die da ganze Häuser verkehren, und lehren, das nicht tauge, um schändlichen Gewinns willen, und Judas redet V. 11. von Leuten, die in den Irrthum Bileams fallen, folglich böse Räthe zum Sündigen geben, um Genießens willen. Röm. 2,18-1. aber ist von Leuten die Rede, welche den Willen Gottes wissen, und Andere (die Wahrheit) lehren, sich selber aber nicht lehren. Alle diese Leute reden, und haben den Geist des Glaubens nicht. Der Geist des Glaubens lehret die Wahrheit reden, von welcher man selber überzeugt ist, und die man sich selber zu Nutze machet. Er stärkt auch den Redenden, daß er nicht schweigt, ob er schon wegen seiner Reden sehr geplagt wird, wie Ps. 116,10. hinzugesetzt wird. Der Trost, den sich Paulus durch den Geist des Glaubens vorhielt, und den sich ein jeder Zeuge der Wahrheit vorhalten darf, ist dieser: wir wissen, daß der, so den HErrn Jesum hat auferweckt, wird uns auch auferwecken durch Jesum, 2 Kor. 4,14., und dieser: unsere Trübsal, die zeitlich und leicht ist, schaffet eine ewige und über alle Maßen wichtige Herrlichkeit, uns, die wir nicht sehen auf das Sichtbare, sondern auf das Unsichtbare; denn was sichtbar ist, das ist zeitlich, was aber unsichtbar ist, das ist ewig, V. 17.18.
Niemand denke, daß der Geist des Glaubens, der zum Reden tüchtig macht, nur denen, die im Predigtamt stehen, unentbehrlich sei, denn ein jeder Christ ist schuldig, den Namen Jesu vor den Menschen zu bekennen. Es gibt auch Fälle, da man Ihn entweder bekennen, oder verleugnen muß. Wie blöd sind aber Viele! Wie sehr fürchten sie die Schmach und Ungunst der Menschen! David sagt Ps. 119,15.46.: ich rede, was Du befohlen hast, und schaue auf Deine Weg. Ich rede von Deinen Zeugnissen vor Königen, und schäme mich nicht. Der 116. Psalm, aus welchem Paulus die obenstehenden Worte angeführt hat, ist ein Theil des Lobgesangs, welchen Christus vor Seinem Gang in den Garten Gethsemane, wo Sein letztes Leiden anfing, mit Seinen Jüngern gesprochen hat. Wie vollkommen taugen die Worte für Ihn: ich glaube, darum rede ich, ich werde aber sehr geplagt. Er hatte immer frei öffentlich gelehrt und geredet, was Er glaubte, ob Er schon deshalb geschmähet wurde. Auch in Seinem letzten Leiden redete Er noch, und legte vor dem jüdischen Rath und vor dem Pilatus ein gutes Bekenntniß von Sich selbst, als dem Sohn Gottes, und dem König Israels ab, ob Er schon wußte, daß wegen desselben das Todesurtheil über Ihn werde ausgesprochen werde. Er gebe uns von Seinem Geist, daß Er uns als ein Geist des Glaubens reden lehre, wo es nöthig ist, und die Furcht vor denen, die den Leib tödten, die Seele aber nicht tödten mögen, aus unsern Seelen wegnehme. Ohne den Geist des Glaubens stellt man sich der Welt gleich, redet, was ihr gefällt, billigt, was sie thut, lobt, was sie lobt, tadelt, was sie tadelt, und die Gunst, die man dadurch bei ihr erlangt, ist der Lohn, den man dahin nimmt. Wie wird man aber erschrecken, wenn der HErr Jesus, dessen man sich unter dem ehebrecherischen und sündigen Geschlecht geschämt hatte, in der Herrlichkeit Seines Vaters mit den heiligen Engeln kommen wird!(Magnus Friedrich Roos)
Wir sehen nicht auf das Sichtbare, sondern auf das Unsichtbare, denn was sichtbar ist, das ist zeitlich, was aber unsichtbar ist, das ist ewig.
2. Kor. 4,18.
Ein Mensch, der nur auf das Sichtbare siehet, ist verkehrt; da ihm dann Gott auch in Seiner Regierung verkehrt zu sein scheint (Ps. 18,27.). Eines solchen Menschen Herz wird voll, Böses zu thun (Pred. Sal. 8,11.) Er preiset’s, wenn Jemand nach guten Tagen trachtet (Ps. 49,19.), ärgert sich an den Trübsalen, die Gott zuschickt, kann die Gerechtigkeit und Güte Gottes nirgends erblicken, und es kann mit ihm so weit kommen, daß seine ganze Weisheit darin besteht: lasset uns essen und trinken, denn morgen sind wir todt (1 Kor. 15,32.). Paulus aber sagt 2 Kor. 4,14.16.: Derjenige, so den HErrn Jesum hat auferwecket, wird auch uns auferwecken – darum werden wir (im Dienst Gottes) nicht müde, und V. 17.18.: unsere Trübsal, die zeitlich und leicht ist, schaffet eine ewige und über alle Maßen wichtige Herrlichkeit uns, die wir nicht sehen auf das Sichtbare, sondern auf das Unsichtbare; denn was sichtbar ist, das ist zeitlich, was aber unsichtbar ist, das ist ewig. Soll man also im Dienst Gottes nicht ermüden, so muß man die Auferweckung zur Empfahung des ewigen Gnadenlohnes hoffen; denn auf der Erde bekommt man keinen sichtbaren Lohn dafür. Und wer seine Trübsal für zeitlich und leicht achten, und deßwegen geduldig ertragen soll, muß auf die ewige und über alle Maßen wichtige Herrlichkeit hinaussehen. Wie kann man aber auf dieselbe sehen, und sie zum Ziel seines Laufs machen, da sie unsichtbar ist? Weil uns anvertraut ist, was Gott geredet hat. In dem Wort Gottes ist eine genugsame und gewisse Nachricht davon vorhanden, und Gott will uns überdieß erleuchtete Augen unsers Verständnisses geben, damit wir erkennen mögen, welche da sei die Hoffnung unsers Beruf, und welcher da sei der Reichthum Seines herrlichen Erbes bei Seinen Heiligen. Eph. 1,18. Dieses Hinaussehen und Zielen auf das Unsichtbare ist nicht nur deßwegen sehr wichtig, weil das Unsichtbare ewig ist, sondern auch deßwegen, weil es den Menschen zum Dienst Gottes unermüdet und zum Leiden willig macht, da er dann in einer solchen Fassung steht, daß die zeitliche und leichte Trübsal bei ihm eine ewige und über alle Maßen wichtige Herrlichkeit schaffen kann. Wie dieses Schaffen oder Wirken geschehe, hat Paulus Röm. 5,3.4.5. angezeigt, da er sagte: wir rühmen uns auch der Trübsale, dieweil wir wissen, daß Trübsal (bei der Hoffnung der künftigen Herrlichkeit V. 2., folglich bei dem Sehen auf das Unsichtbare) Geduld bringt, Geduld aber bringt Bewährung, Bewährung aber bringt Hoffnung, Hoffnung aber lässet nicht zu Schanden werden. Ingleichen Petrus, der 1 Petr. 1, 6.7. zu den Wiedergebornen sagt: ihr seid eine kleine Zeit traurig in mancherlei Anfechtungen, auf daß euer Glaube rechtschaffen und viel köstlicher erfunden werde, als dass vergängliche Gold, das durch’s Feuer bewähret wird, zu Lob, Preis und Ehre, wenn nun offenbaret wird Jesus Christus. Wer sollte also nicht gerne leiden, wenn das Leiden eine so gute Wirkung hat? Es ist aber das Sehen auf’s Unsichtbare nöthig, wenn diese Wirkung entstehen soll. Diejenigen, die auf das Sichtbare sehen, und dasselbe zu ihrem Zweck machen, sind im Glück trotzig und im Unglück verzagt, und wenn sie auch ihren Zweck in einigen Stücken erreichen, so ist doch dasjenige, was sie erreichen, zeitlich, und verläßt sie bald, zu ihrer ewigen Pein und Schande.(Magnus Friedrich Roos)
2. Kor. 5
Wir sehen uns nach unserer Behausung, die vom Himmel ist.
2. Kor. 5,2.
Paulus sagt 2 Kor. 5,1.: wir wissen, so unser irdisches Haus dieser Hütten (des sterblichen Leibes, durch den Tod) zerbrochen wird, daß wir einen Bau haben von Gott erbauet, ein Haus nicht mit Händen gemacht, das ewig ist im Himmel. Hernach sagt er V. 2.: wir sehnen uns nach unserer Behausung, die vom Himmel ist, daß wir damit überkleidet werden. Was er also einen Bau und ein Haus genannt hatte, nennet er auch ein Kleid, gleichwie auch der sterbliche Leib in dieser Rede des Apostels sowohl ein Haus als auch ein Kleid der Seele genennet wird. Es gibt also etwas im Himmel, in das man als in ein Haus einziehen, und das man zugleich als ein Kleid anziehen kann. Paulus nennt dieses Himmlische 1 Kor. 15,54. die Unverweslichkeit und die Unsterblichkeit, das ist etwas, das nicht zerstört werden und nicht sterben kann, und sagt daselbst, der auferstandene Leib werde es anziehen, gleichwie er auch 2 Kor. 5,2. spricht, er wünsche damit überkleidet zu werden, das ist, dasselbe über den sterblichen Leib anzuziehen, da dann das Sterbliche von dem Leben verschlungen würde, V. 4. Gleichwie also der Leib, den wir jetzt als ein Kleid tragen, und von dem unsere Seelen im Tod so entkleidet werden, daß sie hernach bloß oder nackend sind, sterblich ist: also ist das himmlische Kleid lauter Leben, und wenn man dieses Kleid über den sterblichen Leib anziehen kann, wie bei den Gerechten, die den jüngsten Tag erleben werden, wirklich geschehen wird, so wird das Sterbliche oder die sterbliche Beschaffenheit desselben von dem Leben verschlungen oder aufgehoben. So wünschte es Paulus zu erfahren; allein dieser Wunsch Pauli wurde nicht erfüllt; denn er mußte seinen sterblichen Leib ausziehen; und so geht es Allen, die vor dem jüngsten Tage sterben. Er wußte auch solches wohl, und sagte deßwegen V. 8.: wir sind aber getrost, und haben viel mehr Lust, außer dem Leibe zu wallen, und daheim zu sein bei dem HErrn. Also war’s dem Paulo nicht bange, wenn er dachte, daß er sterben und hernach außer dem Leibe sein werde. Er hatte ein Verlangen nach diesem Zustand, und wußte, daß er alsdann bei dem HErrn daheim sein und das ewige Haus im Himmel bewohnen werde, V. 1. Warum seufzte er aber? Warum sehnte er sich, mit dem himmlischen Haus überkleidet zu werden? Darum, weil er wußte, daß diejenigen, die in der Hütte des Leibes sind, beschwert seien, V. 4. Der sterbliche Leichnam beschwert die Seele, wie der Verfasser des Buchs der Weisheit Kap. 9,15. sagt, und niemals beschweret er sie mehr, als wenn es nahe dabei ist, daß er zerbrochen werden solle, und wenn er wirklich zerbrochen wird. Dieser Beschwerde wünschte Paulus durch die Ueberkleidung mit dem himmlischen Haus überhoben zu werden, wobei er sich’s doch auch gefallen ließ, daß Gott sein irdisches Haus oder seine schwache Hütte zerbreche, und er alsdann außer dem Leibe bei Ihm sei. Auch ich fühle die Beschwerde, welche mit dem irdischen Leben verbunden ist, täglich: da mir nun Gnade widerfahren ist durch Christum Jesum meinen HErrn, warum sollte ich mich nicht nach meiner Behausung, die im Himmel ist, und bei der Auferweckung meines Leibes sich vom Himmel herab lassen wird, sehnen? Dieselbe wird eine gute Wohnung und ein herrliches Kleid sein. Indessen soll ich mich befleißigen, dem HErrn wohl zu gefallen, es sei nun, daß ich bald heimgehe, oder länger ein Pilgrim sein muß, und an den Richtstuhl Christi fleißig gedenken.(Magnus Friedrich Roos)
Denn die Liebe Christi dringet uns also; sintemal wir halten, daß, so Einer für Alle gestorben, so sind sie Alle gestorben.
2 Kor. 5,14.
Wenn die Liebe dringt, so ist es ein angenehmer, sanfter, aber mächtiger Drang. Die Seele wird durch sie gleichsam gefangen gehalten, und kräftiglich geneigt und getrieben, nur für den geliebten Liebhaber zu leben, und ihm ungeachtet der Schmach und Schmerzen, die dabei vorkommen mögen, gefällig zu sein. Das Gesetz befiehlt, drohet, flucht, und bringt nichts zuwege, als die kraftlosen Wünsche und Bestrebungen, die Röm. 7. beschrieben sind: aber der Drang der Liebe Christi wirkt dasjenige, was das Gesetz heischt, und verschafft, daß die Gerechtigkeit, vom Gesetz erfordert, in dem Menschen erfüllt wird. Alle Seligen im Himmel leben und bewegen sich bei diesem süßen Drang der Liebe Christi, und die Gerechten auf Erden sollen ihn auch fühlen. Die Liebe Christi gegen uns kann empfunden und erkannt werden. Daß sie empfunden oder gefühlt werden könne, bezeugt das Hohelied Salomo’s nebst vielen Sprüchen der heiligen Schrift, und alle Heiligen bezeugen es aus der Erfahrung; daß man sie aber auch mit dem Verstand erkenne, bezeugt Paulus, indem er sagt: sintemal wir halten, daß, so Einer für Alle gestorben ist, so sind sie Alle gestorben. Dieses ist die größte Probe der Liebe Christi, daß Er für Alle gestorben ist. Sterben ist doch das Aeußerste, das ein Mensch aus Liebe übernehmen kann. Christus ist aber aus Liebe gestorben, Er ist für Alle gestorben, und dieses gilt so viel, als ob Alle gestorben wären, weil Er im Sterben ihre Stelle vertreten hat. Wer nun diese Liebesprobe Christi mit seinem Verstand erkennt und betrachtet, und Seine Liebe zugleich fühlt, wie sie noch jetzt sich u den Sündern neigt, und sie tröstet, erquickt, erleuchtet, reiniget, zurechtweiset, stärket, und zur Empfahung des himmlischen Erbes zubereitet, wird sich auch gedrungen fühlen, nicht mehr sich selber zu leben, sondern Demjenigen, der für ihn gestorben und wieder auferstanden ist. Ein solches Leben verdient allein den Namen eines christlichen Lebens, und kann bis an’s Ende der Wallfahrt durch viele Jahre, wenn Gott es haben will, fortgeführt werden, weil die Liebe Christi eine Quelle ist, die nie vertrocknet, und ein Licht, das nie verlöscht, und dem Müden immer neue Kraft gibt. Unter diesem Drang der Liebe Christi haben alle wahren Christen sich selber verleugnet, ihr Kreuz auf sich genommen, und sind Christo nachgefolgt, ohne sich über die Härtigkeit ihres HErrn oder über die Schwere Seiner Gebote zu beklagen. Niemals aber haben sie dafür gehalten, daß sie die Liebe Christi völlig erkannt haben; denn sie übertrifft alle Erkenntniß, Eph. 3,19., oder daß sie dieselbe ganz empfunden haben, denn der irdische Zustand und die noch übrige Sünde hindert solches. Hier hat also ein geistliches Wachsthum statt, bis das Vollkommene kommt, und das Stückwerk aufhört. In Ewigkeit aber wird man nicht aufhören, von Christo geliebt zu werden, und Ihn zu lieben, und dabei über alle Maßen vergnügt und glückselig sein.
Einer ist für Alle gestorben.
2 Kor. 5,14.
Ein Tod war zur Versühnung der Welt nöthig: diesen Tod aber hat Christus gelitten. Einer ist für Alle gestorben. Sein Tod geschahe zur Erlösung von den Uebertretungen, die unter dem Alten Testament waren, das ist, er galt für die Sünden, die zur Zeit des Alten Testaments begangen worden, und zwar den Bußfertigen und Glaubigen vergeben, aber noch durch keine Versühnung getilgt worden waren: damit diejenigen, welche unter dem Alten Testament berufen worden, und den Beruf angenommen haben, das verheißene ewige Erbe am jüngsten Tag rechtmäßig empfangen könnten, Hebr. 9,15. Der Tod Jesu geschah aber auch zur Erlösung von den Sünden, die unter dem Neuen Testament geschehen. Er trug überhaupt als das Lamm Gottes die Sünde der Welt; und wurde durch Seinen Tod die Versühnung für unsere und der ganzen Welt Sünde. Christus starb nicht so für Alle, wie Jemand für sein Vaterland, das ist zum Besten seines Vaterlandes, sterben kann, oder wie ein Christ das Leben für die Brüder, das ist zur Rettung der Brüder, lassen soll. Alle solche Vorstellungen sind noch zu niedrig, als daß sie der Wichtigkeit des Todes Jesu völlig entsprächen, denn Paulus sagt 2 Kor. 5,14.: wir halten dafür, so Einer für Alle gestorben ist, so sind sie Alle gestorben. Hier werden wir also auf den Gedanken von einer gerichtlichen Aestimation oder Schätzung geleitet. Da Christus am Kreuz starb, galt es bei Gott so viel, als ob alle Sünder am Kreuz gestorben wären, und die Genugthuung für ihre Sünden geleistet hätten. Wir halten dafür, daß dem so sei, wie Paulus sagt: und warum dürfen wir so denken? Darum, weil Gott selber den Tod Seines Sohnes so angesehen hat; denn in Glaubenssachen müssen unsere Gedanken den Gedanken Gottes gleichförmig sein. Einer ist für Alle gestorben. Die Folge davon ist unaussprechlich wichtig bei denjenigen, welche an Jesum glaubig werden. Gleichwie nämlich durch Einen Menschen die Sünde in die Welt gekommen ist, und der Tod durch die Sünde, und ist also der Tod zu allen Menschen hindurchgedrungen, dieweil sie alle gesündigt haben: also ist vielmehr Gottes Gnade und Gabe Vielen reichlich widerfahren, durch die Gnade des einigen Menschen Jesu Christi, der für Alle gestorben ist; und um deßwillen die Sünde durch die Gnade und der Tod durch die Gabe des ewigen Lebens verschlungen und aufgehoben werden soll, Röm. 5,12.15. Lasset uns also oft an den Augenblick gedenken, da Adam sündigte, und denselben Augenblick als den Anfang alles Unheils in der Welt ansehen. Lasset uns aber ebenso oft, ja noch fleißiger an den Augenblick gedenken, da Christus am Kreuz im lautersten Gehorsam Seinen Geist in die Hände Seines Vaters übergab: denn an diesem Augenblick hängt das Heil Aller, die selig werden. Lasset uns von Herzen zu Jesu sagen: lieber HErre mein, Dein Tod soll mir das Leben sein; Du hast für mich bezahlet. Unsere Leiber werden zwar auch durch den Tod zerbrochen: wenn aber dieser Tod die Sünde als einen verderblichen Stachel nicht mehr in sich hat (und diesen soll er bei keinem Glaubigen mehr haben), so ist das Sterben ein Gewinn, und ein sehr glücklicher Schritt in ein besseres Leben.(Magnus Friedrich Roos)
Gott hat uns mit Ihm selber versöhnet durch Jesum Christum, und das Amt gegeben, das die Versöhnung prediget.
2 Kor. 5,18.
Man darf bei der Erlösung des menschlichen Geschlechts den Sohn Gottes nicht als abgesondert von dem Vater und Heiligen Geist vorstellen, wie es vielleicht bei der Schwachheit des menschlichen Verstandes öfters zu geschehen pflegt, sondern gewiß glauben, daß auch der Vater durch den Geist dabei wirksam gewesen sei, wiewohl nur der Sohn Gottes als Mensch gekreuziget worden und gestorben ist. Wenn man dieses wunderbare und große Werk des dreieinigen Gottes in dem Verhältniß gegen das Uebel, woraus die Menschen herausgerissen werden sollen, betrachtet, so heißt es eine Erlösung; betrachtet man es aber in dem Verhältniß gegen Gott, so heißt es eine Versöhnung. Gott hat uns, wie Paulus sagt, mit Ihm selber versöhnet durch Jesum Christum. Man darf sich hier freilich keine Versöhnung vorstellen, dergleichen zwischen Menschen, die gleiche Rechte gegen einander haben, vorzugehen pflegt, da nämlich jeder Theil nach einer Abbitte oder Genugthuung oder auch ohne dieselbe seine Feindschaft fahren, und anstatt des Hasses eine neue Liebe bei sich aufkommen läßt. Bei Gott geht keine solche Veränderung vor, und auch damals, da wir Gott durch den Tod Seines Sohnes versöhnt wurden, ging noch keine Veränderung in uns vor. Man nehme also lieber das Bild von einem König, der seinen rebellischen Unterthanen nicht eigentlich feind ist, aber doch eine gerechte Strenge gegen sie ausüben, und sie alle zum Tod verdammen sollte, wiewohl er doch nach der Liebe wünscht, ihrer verschonen zu können. Man stelle sich weiter vor, es stelle sich ein Mittler zwischen den König und die Rebellen, und bringe als dieser ihr Sachwalter durch eine geziemende Abbitte und Genugthuung so viel zuwege, daß der König ihnen Gnade anbieten und erzeigen könne: so hat dieser Mittler die Rebellen mit dem König versöhnt, das ist, einen Weg geöffnet, auf welchem der König seine vorhin gehegte Liebe ihnen erzeigen, und sie anstatt der Todesstrafe begnadigen und mit neuen Wohlthaten überschütten kann. Nun muß aber den Rebellen diese ihre Versöhnung auch verkündiget werden, und diese Verkündigung bei ihnen diese Wirkung haben, daß sie sowohl die Feindschaft gegen ihren König, als auch die zur Verzweiflung führende Furcht vor seinem mächtigen Zorn fahren lassen. Hat nun Gott das Erste, nämlich die Versöhnung der rebellischen Welt durch Seinen Sohn Jesum Christum zu Stande gebracht, so hat Er auch für das Letztere, nämlich für die Verkündigung dieser Versöhnung gesorgt. Er hat, wie Paulus sagt, das Amt gegeben, das die Versöhnung prediget. Dieses Amt ist eine Gabe Gottes, Christus selbst, und hernach die Apostel, verwalteten es zuerst, es muß aber, so lange noch Rebellen auf Gottes Erdboden übrig sind, folglich bis an’s Ende der Welt verwaltet werden. Die durch Christum ausgerichtete Versöhnung muß geprediget werden, weil sie in dem Gesetz, das allen Menschen in’s Herz geschrieben worden, nicht enthalten ist. Hier müssen nun Ermahnungen, hier müssen sogar Bitten vorkommen, mit welchen man die unglaubigen Menschen zu erweichen und zu überreden sucht, daß sie ich für versöhnt halten, aber auch die Gnade nicht vergeblich empfahen sollen.
Gott war in Christo und versöhnte die Welt mit Ihm selber, und rechnete ihnen ihre Sünden nicht zu.
2 Kor. 5,19.
Wenn in den Schriften des Neuen Testaments von der großen Versöhnung gehandelt wird, welche durch Christum geschehen ist, so wird immer gesagt, daß die Menschen Gott versöhnt worden seien, und diese werden alsdann als gewesene Feinde Gottes vorgestellt; wie denn Paulus Röm. 5,10. sagt: wir sind Gott versöhnet durch den Tod Seines Sohnes, da wir noch Feinde waren, und Kol. 1,21.22.: euch, die ihr weiland Fremde und Feinde waret durch die Vernunft in bösen Werken, hat Er nun versöhnet mit dem Leibe Seines Fleisches durch den Tod, auf daß Er euch darstellete heilig und unsträflich und ohne Tadel vor Ihm selbst. Wer will also die menschliche Natur, wie sie nach dem Sündenfall ist, rühmen? Es steckt eine Feindschaft wider Gott in ihr, welche sich durch die Vernunft äußert, die der Wahrheit Gottes widerspricht, arge Gedanken und Anschläge, und wohl gar Spöttereien und Gotteslästerungen aussinnet, und dabei euch in bösen Werken ausbricht. Diese Feindschaft wider Gott muß ein jeder Mensch in der Buße mit Schmerzen fühlen, erkennen und bekennen, aber auch eingestehen, daß er wegen derselben verwerflich und verdammungswürdig sei. Wie tröstlich ist’s aber, wenn der Mensch alsdann höret, daß Gott uns mit Ihm selber versöhnet habe durch Jesum Christ, 2 Kor. 5,18., oder daß Gott in Christo gewesen, da Er am Kreuz hing, und die Welt mit Ihm selber versöhnet habe. Es mangelte Gott nicht an einer vorläufigen Liebe gegen die Welt; denn der Sohn Gottes hat selber gesagt: also hat Gott die Welt geliebt, daß Er Seinen eingebornen Sohn gab. Ja eben dadurch hat Gott Seine Liebe gegen die Welt geoffenbart, oder, wie Röm. 5,8. gesagt wird, gepriesen, daß Er sie durch Jesum Christum mit Ihm selber versöhnt hat. Niemals bekehren sich so viele Menschen, daß die heilige Schrift hätte sagen können, die Welt bekehre sich, oder habe sich bekehrt; sie sagt aber, Gott habe die Welt mit Ihm selber versöhnt. Auch sagt sie nie, daß Gott die Welt durch das Evangelium oder durch Seinen Geist mit Ihm selbst versöhnt habe oder noch immer versöhne, sondern schreibt diese Versöhnung als eine geschehen Sache dem Tod Jesu zu, wodurch Jesus für uns zur Sünde oder zu einem Sündopfer gemacht worden ist, Röm. 5,10. 2 Kor. 5,21. Wir müssen also diese Versöhnung als eine sehr große und wichtige Sache ansehen, die geschehen ist, da Christus am Kreuze starb. Gott liebte die Welt; damit sich aber Seine Liebe an ihr auf eine geziemende Weise zu ihrer Seligmachung offenbaren könnte, mußte Christus am Kreuz sterben, zur Erweisung der göttlichen Gerechtigkeit, Röm. 3,25., welcher sonst durch die Begnadigung der Feinde Gottes einen Eintrag geschehen wäre. Gott rechnete um des Todes Jesu willen Seinen Feinden ihre Sünden nicht zu, daß Er um derselben willen über sie einen neuen Fluch ausgesprochen, und sie durch einen richterlichen Ausspruch von Seinem Angesicht verstoßen hätte, sondern richtete dagegen das Wort von der Versöhnung unter ihnen auf; Er ließ ihnen die durch Christum geschehene Versöhnung verkündigen, und sie dadurch locken und einladen, zu Ihm zu kommen, und zu Seinem Gnadenthron hinzunahen, damit sie Barmherzigkeit empfangen und Gnade finden, auf die Zeit, da ihnen Hülfe noth ist. Nun die durch Christi Tod geschehene Versöhnung sei auch heute mein Trost, und gebe mir Zuversicht, zu Gott zu nahen, und im Frieden vor Ihm zu wandeln.
Gott war in Christo und versöhnte die Welt mit Ihm selber, und rechnete ihnen ihre Sünden nicht zu, und hat unter uns aufgerichtet das Wort von der Versöhnung.
2 Kor. 5,19.
Paulus schrieb dieses in der Rücksicht auf die Zeit des Leidens und Todes Christi, wodurch Er für uns zur Sünde oder zu einem Sündopfer gemacht war, wie er am Ende dieses Kapitels sagt. Christus war nicht der Vater, aber doch war der Vater in Ihm, und Er in dem Vater, Er selbst war das wesentliche Wort, das Gott ist, Er war der wahrhaftige Gott und das ewige Leben. Er war zwar nicht der Heilige Geist, aber doch war dieser Geist über Ihm und in Ihm. Er war Sein Geist, da Er hingegen keines andern Menschen Geist genannt wird. In Christo wohnte also damals und wohnet noch jetzt die ganze Fülle der Gottheit leibhaftig, das ist, die ganze Gottheit wohnet wesentlich in Ihm. Gott war in Christo, nicht nur Seine eigene göttliche Natur, wiewohl diese allein mit dem Fleisch zu Einer Person vereinigt war. Gott aber, oder das ganze göttliche Wesen, das in Christo war, versöhnte die Welt mit Ihm selber. Eine jede göttliche Person war nach ihrem persönlichen Charakter bei dieser Versöhnung wirksam, und diese Versöhnung widerfuhr der Welt, die Gottes Feindin gewesen war. Man kann nicht sagen, daß in der Zeit der Erniedrigung und des Todes Jesu, auf die Paulus zurücksieht, die Welt wirklich bekehrt und zur Liebe Gotte herumgelenkt worden sei; denn die Wenigen, welche das Wort Christi annahmen, und der Schächer am Kreuz, der allein zur Zeit des Leidens Jesu gewonnen wurde, waren nicht die Welt, sondern ein sehr kleiner Theil der Welt. Gott versöhnte aber die Welt mit Ihm selber durch den Tod Jesu (Röm. 5,10.), durch welchen Er ein Sündopfer für uns wurde. Feinde hatten diese Versöhnung nöthig, und die unmittelbare Frucht derselben war diese, daß Gott ihnen ihre Sünden nicht zurechnete. Wie aber? Hat denn Gott zur Zeit des Todes Jesu allen Seinen Feinden, welche mit einander die Welt waren, ihre Sünden wirklich vergeben? Hat Er sie wirklich begnadigt? Nein, denn Er hat hernach erst das Wort von der Versöhnung aufgerichtet, oder das Evangelium predigen lassen, damit die Menschen durch den Glauben die Gnade oder Vergebung der Sünden erlangen könnten. Wiefern hat also Gott Seinen damals mit Ihm versöhnten Feinden ihre Sünden nicht mehr zugerechnet? So, daß diese Sünden den Antrag der Gnade durch da Evangelium nicht hindern sollten, und nun Gott durch Seine Knechte alle Menschen ermahnt, daß sie mit Ihm wirklich versöhnt oder Seine lieben Kinder sein sollen. Man stelle sich Rebellen vor, die als Feinde ihres Königs seinen Zorn wider sich erregt, und den Tod verdient haben. Wenn nun ein Mittler sie versöhnt, so ist die nächste Wirkung davon diese, daß der König den Rebellen, ungeachtet ihrer Uebelthaten, durch eine Gesandtschaft Gnade anbieten und den neuen Zutritt zu seinem Thron eröffnen läßt. Durch dieses Alles aber soll hernach auch der harte Sinn bei den Rebellen erweicht, ihre innerliche Feindschaft beschämt und überwunden, und eine neue Liebe und Ehrerbietung gegen den König in ihnen gepflanzt werden.(Magnus Friedrich Roos)
Gott hat unter uns aufgerichtet das Wort von der Versöhnung.
2 Kor. 5,19.
Das Gesetz ist durch Moses gegeben worden; überdieß haben vor und nach seiner Zeit Verheißungen und Vorbilder den Menschen Hoffnung gemacht, daß der Messias in der Welt erscheinen, und die Menschen durch ein Opfer mit Gott versöhnen werde. Die Altväter sind damals im Glauben gestorben, haben aber die Erfüllung dieser Verheißung nicht empfangen, sondern sie von ferne gesehen, und sich derselben vertröstet, Hebr. 11,13. Als aber die Zeit des Alten Testaments zu Ende ging, so richtete Gott etwas Neues unter den Menschen auf, und was denn? Nicht ein neues Gesetz, nicht eine reinere Sittenlehre; denn das alte Gesetz war schon vollkommen, und die Sittenlehre, welche in den Schriften Mosis und der Propheten enthalten war, bedurfte keiner Zusätze. Er richtete aber das Wort von der durch Christum geschehenen Versöhnung auf. Dieses war das gute Wort, auf welches Er die Altväter vertröstet hatte, und das Evangelium, welches Er zuvor verheißen hatte, Röm. 1,1.2.; dieses Wort ist etwas sehr Großes und Wichtiges. Nun kann man predigen: Gott war in Christo und versöhnte die Welt mit Ihm selber, und rechnete ihnen ihre Sünden nicht zu. Nun sind Botschafter an Christus Statt vorhanden, durch die Gott vermahnet. Ja diese Botschafter bitten die Menschen an Christus Statt: seid doch versöhnt mit Gott, haltet dafür, daß ihr durch Christum mit Gott versöhnt seid, fasset eine Zuversicht zu Gott, liebet Ihn, und dienet Ihm williglich. Will Jemand wissen, wie uns Gott durch Jesum Christum mit Ihm selber versöhnt habe, so sagt man ihm: Gott hat Den, der von keiner Sünde wußte, für uns zur Sünde oder zu einem Sündopfer gemacht, auf daß wir würden in Ihm die Gerechtigkeit, die vor Gott gilt. Wir sind also durch Christum mit Gott versöhnt worden, in so fern Er unsere Sünden getragen hat, und ein Sündopfer für uns worden ist, und die unmittelbare Frucht dieser Versöhnung soll diese sein, daß wir in Christo Jesu lauter Gerechtigkeit, und zwar eine Gerechtigkeit, die vor Gott gilt, werden, folglich bei der Vergebung unserer Sünden ein volles Recht zu allen himmlischen Gütern, ja zu der ewigen Gemeinschaft mit Ihm selbst haben.
Hat nun Gott unter uns das Wort von der geschehenen Versöhnung aufgerichtet, so ist es unrecht, wenn man immer bei dem Gesetz oder bei dem Berg Sinai stehen bleiben, und gleichsam von diesem Berg aus in den Himmel steigen will. Hier ist kein Weg zum Himmel gebahnt. Das Gesetz hat seinen Nutzen, indem es dem Menschen die hohen Forderungen Gottes entdeckt, ihn, weil er sie nicht leisten kann, zum Sünder macht, und ihm die Nothwendigkeit zeigt, durch den Glauben an Christum gerecht und selig zu werden. Dieser Glaube selbst aber wird durch das Wort von der Versöhnung erweckt, und hält sich an dieses Wort, j an Christum den Erlöser selbst, welcher uns durch dieses Wort vor die Augen gemalt wird. Wie soll ein Mensch, der sich bewußt ist, daß er den gerechten Gott nicht nur durch grobe und muthwillige Sünden beleidigt, sondern auch durch seine besten Werke Seinen hohen und gerechten Forderungen niemals eine vollkommene Genüge geleistet habe – wie soll ein solcher Mensch getröstet und ruhig werden, wenn er nicht weiß und glaubt, daß Christus seine Sünden getragen habe, für dieselben ein Opfer worden sei, und ihn dadurch mit Gott versöhnt habe? Bei diesem Glauben vergeht die alte Knechtschaft unter der Sünde, und es wird Alles neu. V. 17. So lasse denn der große Gott das Wort von der Versöhnung in meiner Seele recht klar und kräftig werden.
2. Kor. 6
Sehet, jetzt ist die angenehme Zeit, jetzt ist der Tag des Heils.
2 Kor. 6,2.
Christus sagte nach Ps. 69,14. zu seinem Vater: Ich bete, HErr, zu Dir zur angenehmen Zeit: Gott durch Deine große Güte erhöre Mich mit Deiner treuen Hülfe; der Vater aber antwortete nach Jes. 49,8.: Ich habe Dich erhöret zur gnädigen (angenehmen) Zeit, und habe Dir am Tage des Heils geholfen, und habe Dich behütet und zum Bund (oder zum Stifter und Grund des neuen Bundes) unter das Volk gestellet usw. Paulus aber schrieb, nachdem er diese letzten Worte zum Theil angeführt hatte: sehet, jetzt ist die angenehme Zeit, jetzt ist der Tag des Heils. Die angenehme Zeit, oder die Zeit des Wohlgefallens war diejenige Zeit, da der Sohn Gottes in Seiner Niedrigkeit zu Seinem Vater betete, und von Ihm erhört wurde, damals ruhte nämlich das Wohlgefallen des Vaters auf Seinem Sohn, wie Er zweimal durch eine Stimme bezeugte, da Er sagte: dieß ist Mein lieber Sohn, an dem Ich Wohlgefallen habe. Allein um Christi willen floß das Wohlgefallen Gottes auch auf die Menschen aus, wie denn die Engel schon bei der Geburt Christi sagten: Ehre sei Gott in der Höhe, Friede auf Erden, und an den Menschen ein Wohlgefallen. Diese Zeit des Wohlgefallens währte aber hernach fort, ja sie währt noch jetzt fort. Und die ganze Zeit des Neuen Testaments ist eine erwünschte, eine angenehme und zur Erweisung und Empfahung der Gnade schickliche Zeit. Sie ist aber auch ein Tag des Heils. Ein Tag im Gegensatz gegen die Nacht des Alten Testaments. Heil widerfuhr Christo, da Ihn der Vater mitten unter den sichtbaren und unsichtbaren Feinden behütete, und zuletzt zu Seiner Rechten, wo Freude die Fülle und liebliches Wesen ewiglich ist, erhöhete. Er ist aber auch unser Heil worden, wie Sein Name Jesus anzeigte. Um Seinetwillen und durch Ihn ist die heilsame Gnade allen Menschen im Neuen Testament erschienen. Der Tag des Heils währet also noch immerfort, und wird bis an’s Ende der Welt währen.
Hier möchte man aber fragen: wie hat Paulus die Zeit des Neuen Testaments eine angenehme Zeit und einen Tag des Heils nennen können, da er doch Eph. 5,16. schrieb: es ist eine böse Zeit, und 2 Tim. 3,1. Offenb. Joh. 8,13. und Offenb. Joh. 12,12. von bösen Zeiten geweissagt wird? Allein diese Aussprüche stehen einander nicht entgegen. Die Zeit des Neuen Testaments ist eine böse Zeit für den äußerlichen Menschen, sie ist aber eine angenehme Zeit und ein Tag des Heils für den innern Menschen. Sie ist eine böse und zum Theil greuliche Zeit, eine Zeit, in welcher die Menschen ein Weh nach dem andern erfahren müssen, weil über die unglaubigen Menschen schwere Strafgerichte ergehen, und auch die Gerechten scharfen Versuchungen ausgesetzt sind: eben diese Zeit aber ist doch auch eine Zeit, da Gott die Glaubigen Sein Wohlgefallen spüren laßt, da Er sie behütet, da Er ihnen Kraft zum Sieg über die Versuchungen darreicht, und da Er sie aus einer Noth nach der andern errettet. Wenn keine Noth wäre, so wäre auch kein Heil. Die Noth und der Tag des Heils schicken sich also wohl zusammen. Wie soll man aber diese angenehme Zeit und diesen Tag des Heils anwenden? Vornämlich zum Beten, wie Christus selbst gethan hat. Denn Gottlob! der Weg zum Zugang zu Gott ist gemacht, uns steht der Himmel offen, wie Luther in einem bekannten Lied gesagt hat. Man bete also, weil der Himmel gleichsam offen ist, weil der Vater mit Wohlgefallen auf die Betenden herab sieht, weil Er gern hört und hilft.(Magnus Friedrich Roos)
Gott spricht: Ich habe Dich zur angenehmen Zeit erhöret, und habe Dir am Tage des Heils geholfen. Sehet, jetzt ist die angenehme Zeit, jetzt ist der Tag des Heils.
2 Kor. 6,2.
Paulus hat die Korinther ermahnt, die Gnade Gottes nicht vergeblich zu empfahen, folglich wohl anzuwenden, und führte alsdann aus Jes. 49,8. die Anrede des himmlischen Vaters an Seinen Sohn an: Ich habe Dich in der angenehmen Zeit erhöret, Ich habe Dir am Tage des Heils geholfen. Gott der Vater erhörte immer das Gebet Seines Sohnes, wie dieser Ps. 22,25. und Joh. 12,41.42. selber rühmet. Er hat Ihm auch, da Er Ihn behütete, stärkte, auferweckte, und über alle Himmel zu Seiner Rechten erhöhete. Die Zeit nun, da dieses geschahe, war eine angenehme Zeit und ein Tag des Heils für den HErrn Jesum; sie war aber auch der Anbruch der Zeit des Neuen Testaments, da die heilsame Gnade allen Menschen erschien, und das Evangelium aller Kreatur sagen konnte: sehet, jetzt ist die angenehme Zeit, der Tag des Heils. Die Menschen schelten oft ihre Zeit über die Gebühr, und schelten dadurch Gott selbst, als den HErrn der Zeiten; deßwegen schrieb Paulus: sehet, jetzt ist die angenehme Zeit, jetzt ist der Tag des Heils. Sehet, sagte er, als ob er ihnen die Zeit als eine angenehme Zeit zeigen wollte. Die Menschen loben oft die vergangene Zeit im Unverstand, weil sie die Plagen derselben nicht gefühlt haben, und nur die Plagen der gegenwärtigen Zeit empfinden; auch kann es geschehen, daß Jemand nur immer nach den bessern Zeiten gafft, die noch kommen sollen, und die gegenwärtige Zeit wohl anzuwenden versäumt; Paulus aber sagt: jetzt ist die angenehme Zeit, jetzt ist der Tag des Heils. Die vergangene Zeit ist nimmer unser, und kaum mehr recht zu schätzen, die künftige aber ist noch nicht da. Lasset uns mit dem Glauben, mit unserem Gebet und Lob Gottes, und mit dem Ernst in der Gottseligkeit nicht auf bessere Zeiten warten, denn jetzt ist die rechte Zeit zu diesem Allem. Was soll man aber von denjenigen sagen, welche das Wohlgefallen und Heil Gottes nicht achten, und ihre Zeit nur deßwegen für eine gute Zeit halten, weil sie darin gute Tage für das Fleisch haben, oder weil sie den einreißenden Unglauben für eine Erleuchtung der Welt, die Spötterei für Weisheit, und die feine Weichlichkeit für Tugend halten? Diese fahren bald ihren Vätern nach, und weil sie das Licht des Evangeliums verschmäht haben, so sehen sie auch nach dem Tod das Licht nimmermehr, Ps. 49,20. Wem das Evangelium gepredigt und das Heil Gottes verkündigt und angeboten wird, der soll die Zeit, worin er lebt, für eine angenehme Zeit und für einen Tag des Heils halten, ob er gleich darin nach dem äußern Menschen von demjenigen, was Paulus 2 Kor. 6,4.5.8.9.10. nennt, auch etwas erfahren muß. Wie soll man aber diese Zeit anwenden? Will der Mensch in derselben erhört werden, so muß man bitten; soll ihm Hülfe und Heil widerfahren, so muß er Glauben und Geduld beweisen, und sich mit seinem Herzen immer an den HErrn Jesum anschließen, der von Seinem himmlischen Vater so erhört worden, daß auch wir als Seine Erlösten dadurch herrlich berathen worden, und dem von Seinem Vater so geholfen worden, daß dadurch unsere Erlösung ausgeführt, und unser Heil fest gegründet worden ist. Hallelujah!(Magnus Friedrich Roos)
In allen Dingen lasset uns beweisen als die Diener Gottes.
2. Kor. 6,4
Ein Mensch ist leicht zu bewegen, daß er sich zuweilen und in einigen Stücken als ein Diener Gottes beweisen will; denn wer sollte nicht auch zuweilen eine löbliche That thun wollen? Wer sollte nicht auch zuweilen Barmherzigkeit oder Gerechtigkeit ausüben wollen, da doch das Gewissen dazu treibt, und der Mensch seine Zufriedenheit, seine Ehre und seine Belohnung dabei findet? Aber in allen Dingen sich als einen Diener Gottes beweisen, ist etwas Großes, und erfordert mehr als nur den Trieb des Gewissens, den alle Menschen haben, und die Vernunft und Kraft, die der Mensch nach seinem natürlichen Zustand hat. Es begegnen einem Diener Gottes allerhand Leiden, vor denen die Natur ein Grauen hat, und sich deßwegen zurückzieht. Man muß Arbeiten thun, für die man weder Dank noch Lohn von den Menschen empfängt. Man muß sich in Erkenntniß (oder praktischer Klugheit), in Langmuth, in Freundlichkeit, in dem Heiligen Geist, insofern er heilige Affekten erregt, in unbefärbter Liebe, in dem Wort der Wahrheit, (das man glaubt und bekennt, in der Kraft Gottes, durch Waffen der Gerechtigkeit zur Rechten (womit man angreift) und zur Linken (womit man sich selbst schützt) als ein Diener Gottes beweisen, wie Paulus 2 Kor. 6. ausführlich sagt. Hier darf man wohl sagen: wer ist hiezu tüchtig? Niemand, als wen der Geist Gottes treibt, und die Liebe Christi drängt. Aber lasset uns doch unter dem Trieb dieses Geistes und unter dem Drang dieser Liebe uns als Diener Gottes in allen Dingen beweisen; denn gute Arbeit gibt herrlichen Lohn. Muß man dabei viele Arbeiten übernehmen, so ist die Ewigkeit lang genug zum Ruhen. Muß man sich dabei vielen Leiden unterwerfen, so wird der herrliche Gnadenlohn Alles ersetzen. Muß man, wenn die Welt ihre Diener belohnt, zurückstehen, so wird das himmlische Erbe allen erlittenen Schaden erstatten. Man muß freilich vor allen dingen Gnade entpfahen, hernach aber diese zum Dienst Gottes anwenden; damit man sie nicht vergeblich empfangen habe, und viel beten, damit man in der angenehmen Zeit des Neuen Testaments erhört werde, und dadurch Licht und Kraft, Segen und Trost vom HErrn bekomme. Ob man aber gleich bei dem Dienst Gottes vornämlich auf Gott sehen und Ihm gefällig sein soll, so soll man sich doch auch hüten, den Menschen ein Aergerniß zu geben, V. 1.2.3., dabei aber nicht so gefällig gegen sie sein, daß man sich in die Gemeinschaft ihrer bösen Werke, oder in eine sündliche Verbindung mit ihnen einflechten lasse, V. 14-17. Ein Diener Gottes ist auch ein Kind Gottes, V. 18., folglich ist sein Dienst kein unlustiger und gesetzlicher Dienst, gleichwie auch der HErr Seiner Diener schonet, wie ein Vater seines Sohnes schonet, der ihm dienet. Wir wollen dafür halten, Paulus rufe auch uns zu: in allen Dingen, folglich nicht nur in denjenigen, die man zum eigentlichen Gottesdienst rechnet, sondern in allen Dingen, die täglich vorkommen, lasset uns beweisen als die Diener Gottes. Es geschehe also durch des HErrn Gnade!
Als die Sterbenden, und siehe, wir leben.
2 Kor. 6,9.
Glaubige Christen können diese Worte in verschiedenem Verstand dem Apostel Paulus nachsprechen. Als Sünder sind wir von Natur als die Sterbenden. Wir sind des Todes schuldig, weil der Tod der Sünden Sold ist; aber in Christo leben wir durch die Gnade. Siehe, wir todeswürdige Sünder leben; das Leben ist uns in der Rechtfertigung zugesprochen, und wir sollen durch Christum ewiglich leben. Welch’ ein Wunder ist dieses!
Wenn wir wiedergeboren werden, so sterben wir durch den glauben an den gekreuzigten Christum der Sünde und dem Gesetz, und dieses Sterben wird immer völliger, je völliger der Glaube wird; aber siehe, wir leben auch mit Christo. Wir sind gestorben, und unser Leben ist verborgen mit Christo in Gott, Kol. 3,3. Gerechtfertigte dürfen dafür halten, daß sie der Sünde gestorben seien, und leben Gott in Christo Jesu, Röm. 6,11. Sie sind getödtet dem Gesetz durch den Leib Christi, daß sie eines Andern seien, nämlich deß, der von den Todten auferweckt ist, auf daß sie Gott Frucht bringen, Röm. 7,4.
Wahre Christen können noch in einem andern Sinn sagen: als die Sterbenden, und siehe, wir leben. Sie sind nämlich als Diener Gottes nach der Schwachheit ihres Leibes oft als die Sterbenden, und siehe, sie leben doch von einem Jahr zum andern, sie leben bis zum Ziel, das ihr HErr, dessen sie sind, und dem sie leben und dienen, ihnen vorgesteckt hat. In diesem Sinn hat Paulus diese Worte von sich und seinen Mitarbeitern gebraucht, ja er hat auch die Korinther aufgemuntert, sich in diesem Stück an sie anzuschließen. Lasset uns, sagt er, in allen Dingen uns beweisen als die Diener Gottes: in großer Geduld, in Trübsal, in Nöthen, in Aengsten, in Schlägen, in Gefängnissen, in Aufruhren, in Arbeit, in Wachen, in Fasten – durch Ehre und Schande, durch böse Gerüchte und gute Gerüchte, als die Verführer und doch wahrhaftig, als die Unbekannten und doch bekannt, als die Sterbenden, und siehe, wir leben, als die Gezüchtigten und doch nicht ertödtet, als die Traurigen, aber allezeit fröhlich, als die Armen, aber die doch Viele reich machen, als die Nichts inne haben, und doch Alles haben. Es ist klar, daß Paulus hier viele äußerliche Schwierigkeiten namhaft macht, durch welche ein Diener Gottes unverdrossen durchgehen, und unter welchen er den Dienst Gottes unermüdet fortsetzen solle. Unter diesen Schwierigkeiten sind einige der Ehre bei Menschen, andere der Gemächlichkeit und Gesundheit des Leibes, und wieder andere dem Reichwerden entgegengesetzt. Was den Leib anbelangt, so setzt ihm wenigstens die Arbeit zu, wenn er auch keine Schläge oder Bande leiden muß. Wehe aber demjenigen, der seines Leibes schont, wenn er seinem HErrn arbeiten soll. Oft ist man bei dem Dienst Gottes, der den Leib und die Seele angreift, als ein Sterbender. Es ist nahe dabei, daß das natürliche Leben aufgerieben werde; aber siehe, welch’ ein Wunder! wir leben, nachdem wir viel gearbeitet haben; da Andere, die ihrer selbst geschont haben, vielleicht gestorben sind. Wir sind leibeigene Knechte des HErrn. Ihm leben wir, Ihm sterben wir. Sein sind wir todt und lebendig. Wir sollen unser Leben nicht für so theuer oder kostbar halten, daß wir es nicht gern in den Tod geben um Jesu willen. Er wird’s aber, weil wir Ihm leben, so lange durch Seine allmächtige Kraft erhalten, als Er uns auf Erden zu Seinem Dienst wird brauchen wollen.
Darum gehet aus von ihnen, und sondert euch ab, und rühret kein Unreines an, so will Ich euch annehmen.
2 Kor. 6,17.
Es gibt Leute, welche Gewissens halber sich von der Kirche und dem heiligen Abendmahl absondern, weil sie sehen, daß Lehrer und Zuhörer sie mißbrauchen. Allein ob man sich schon von dem Mißbrauch absondern soll, so soll man sich doch von guten und heiligen Dingen selbst, die eines guten Gebrauchs fähig sind, nicht absondern, weil man sich sonst auch der Speise und des Tranks und aller bürgerlichen Handthierungen, welche von Vielen sündlich mißbraucht werden, enthalten müßte. Und was schadet’s einem Kind Gottes, wenn er in der Kirche, wo es noch am ehrbarsten hergeht, unter Maulchristen sitzen oder zum heiligen Abendmahl gehen muß, da doch Gott die Seinigen allenthalben kennt, und das Unkraut und der Waizen allenthalben nahe bei einander stehen? Der HErr Jesus hat es auch den redlichen Christen zu Sarden nicht verargt, daß sie sich von ihrem todten Lehrer nicht abgesondert haben, sondern war zufrieden, daß sie nur ihre Kleider nicht besudelt haben, Offenb. 3,4. Die Ausschließung aller muthwilligen Sünder aus den christlichen Gemeinden ist jetzt leider nicht mehr möglich; wenn sie aber auch möglich wäre, so würde sie nicht von einzelnen Christen, sondern von ganzen Gemeinden gefordert, gleichwie sie Paulus von der korinthischen Gemeinde gefordert hat. Wo ist aber jetzt eine Gemeinde, die nur der korinthischen gleich wäre? Man soll ausgehen; von wem aber? von den Unglaubigen. Wie aber? So daß man sich absondere. Wie soll man sich aber absondern? So daß man nicht am fremden Sündenjoch mit den Unglaubigen ziehe, mit der Finsterniß keine Gemeinschaft zu haben begehre, mit Belial nicht übereinstimme, und den Götzen nicht anhange. Man soll kein Unreines anrühren. Was ist aber unrein? Der Genuß, den man von der Ungerechtigkeit hat, oder der Theil oder Gewinn, den der Unglaubige als ein Unglaubiger hat, da er nämlich von der Welt geliebt wird, und sich einen Vortheil mit Hintansetzung des Glaubens und guten Gewissens macht. Zu diesen Dingen darf man nun die Kirche und die heiligen Sakramente nicht rechnen, aber auch die Sachen nicht, die zur bürgerlichen und häuslichen Gesellschaft gehören; wie denn Paulus 1 Kor. 5,10. ausdrücklich sagt, wahre Christen müssen mit Hurern, Geizigen und andern groben Sündern nach dem äußerlichen Leben zu thun haben, weil sie sonst die Welt räumen müßten. Sie sind aber verpflichtet, so, wie es Paulus selber 2 Kor. 6,14.15.16. erklärt, von der Welt auszugehen, weil sie Knechte der Gerechtigkeit, und ein Licht in dem HErrn, und ein Eigenthum Jesu Christi, und ein Tempel Gottes sein sollen, und weil sie der HErr zur ewigen liebreichen Verpflegung annehmen, und ihr Vater sein will, gleichwie sie hingegen Seine Söhne und Töchter sein sollen; da es dann höchst nothwendig ist, daß sie von den Unglaubigen, die der Ungerechtigkeit ergeben sind, in der Finsterniß wandeln, den Belial zum HErrn haben, den Götzen anhangen, und mit dem heiligen Gott nichts zu thun haben wollen, abgesondert seien. Diese Absonderung werde dann auch bei uns immer völliger, und unsere Vorsichtigkeit, nach welcher wir kein Unreines anrühren sollen, immer größer.(Magnus Friedrich Roos)
2. Kor. 7
Gott, der die Geringen tröstet, tröstete uns durch die Zukunft Christi.
2 Kor. 7,6.
Als die Korinther das Apostelamt Pauli verkennen, und deßwegen auch das von ihm gepredigte Evangelium gering schätzen wollten, so vertheidigte sich Paulus mit einem großen Eifer, und rühmte sich selbst so, daß er etlichemal sagte: er rede thöricht, das ist so, wie sonst die Thoren zu thun pflegen, er sei aber von den Korinthern dazu gezwungen worden. Auch war er sonst sehr scharf gegen falsche Apostel und andere Verführer, und gegen Leute, die unordentlich wandelten, und ließ auch die Korinther in seinem ersten an sie geschriebenen Brief seine Schärfe spüren. Für sich selbst aber war er ein sehr demüthiger Mann. Er rechte sich unter die Geringen, und nannte sich eine unzeitige Geburt. Auch war er nicht immer entzückt, nicht immer überschwänglich in Freuden, sondern hatte auch Trost nöthig, und nahm diesen Trost an, Gott mochte ihm denselben zuschicken, durch wen Er wollte. Er wurde einmal von Gott durch den Timotheus getröstet, als derselbe ihm von dem guten Zustand der glaubigen Thessalonicher Nachricht brachte, 1 Thess. 3,6.7. Ein andermal tröstete ihn Gott durch die Zukunft Titi, den er zu den Korinthern geschickt hatte, um nachzusehen, was sein erster Brief bei ihnen für eine Wirkung gehabt habe. Als nun Titus wieder zu ihm zurück kam, so wurde er, weil ihm die korinthische Gemeinde sehr am Herzen lag, mit Trost erfüllt und überschwänglich erfreuet, weil ihm Titus von ihrer Reue und von ihrem Gehorsam eine sehr gute Nachricht brachte.
Wer ist, der nicht auch wünschte, über allerhand Anliegen so von Gott getröstet zu werden? Wenn man in der Gnade steht, und wegen seiner eigenen Sünden von Gott Trost bekommen hat, so wird man oft über den Zustand seines Ehegatten, seiner Kinder und Hausgenossen, seiner Freunde und Verwandten, seiner Gemeinde, ja der ganzen Christenheit bekümmert und betrübt. Gott aber, der die Geringen tröstet, kann einen Jeden auch zur rechten Zeit über solchen Anliegen trösten, und dazu, wenn man nicht selber ein Augenzeuge der geschehenen guten Veränderung sein kann, durch die schriftliche oder mündliche Nachricht eines Freundes trösten. Man wünscht freilich, diesen Trost bald zu bekommen: allein man muß auch harren können, und zuweilen bis an sein Ende auch mit einer tröstenden Hoffnung vorlieb nehmen. Indessen thut man Bitte, Gebet, und Fürbitte für alle Menschen, sonderlich für diejenigen, die Einem am Herzen liegen, und sagt zuweilen: ach Du HErr, wie so lange, und: meine Augen sehnen sich nach Deinem Wort, und sagen: wann tröstest Du mich? Ps. 119,82. Ueber diesem Bitten und Harren wird man gering vor seinen eigenen Augen, und mag alsdann beten: meine Seele liegt im Staube, erquicke mich (HErr) nach Deinem Wort, Ps. 119,25.107. Und der hohe und erhabene Gott, der ewiglich wohnet, deß Name heilig ist, der in der Höhe und im Heiligthum wohnet, ist auch bei denen, so zerschlagenen und demüthigen Geistes sind, daß Er erquicke den Geist der Gedemüthigten und das Herz der Zerschlagenen (Jes. 57,15.), und tröstet also, wie Paulus sagt, die Geringen.(Magnus Friedrich Roos)
2. Kor. 11
Ich fürchte, daß nicht eure Sinnen verrücket werden von der Einfältigkeit auf Christum.
2 Kor. 11,3.
Es war in der korinthischen Gemeinde über dem partheiischen Anhangen an begabte Lehrer ein Zwiespalt entstanden, 1 Kor. 1,11. Weil aber sowohl Paulus, als auch Apollo und Petrus Christum lauter predigten, so konnte der Zwiespalt nur über der Verschiedenheit ihrer Gaben und ihres Vortrags, und über den Lehrpunkten, die einer von dem andern vorzüglich trieb, entstanden sein. Ob nun gleich Paulus sie wegen dieser und andern Ausschweifungen in seinem ersten Brief bestraft, und von der zanksüchtigen Beobachtung der Lehrer auf Christum gewiesen hatte, so hielt er doch für nöthig, in seinem zweiten Brief noch Einiges nachzuholen, und insonderheit sein Apostelamt ausführlich zu vertheidigen, weil er befürchtete, die Verachtung desselben möchte die Verachtung des von ihm gepredigten Evangeliums nach sich ziehen. Gleichwie er im ersten Brief vornämlich auf diejenigen, die apollisch heißen wollten, seine Absicht gerichtet hatte, also weiset er im zweiten Brief vornämlich diejenigen zurecht, die den Kephas und alle sogenannten hohen Apostel ihm vorziehen wollten, handelt aber dabei weitläufig von seinen Schwachheiten oder Leiden, um ihnen zu bedeuten, daß sie ihn zwar als einen Apostel erkennen, aber auf einen so geplagten elenden Menschen, wie er sei, nicht zum Nachtheil des Glaubens an Christum sehen, folglich nicht auf eine partheiische Weise paulisch heißen sollen. Bei dem Anfang dieser Abhandlung sagt er mit einem großen Ernst: ich fürchte, daß nicht eure Sinnen verrücket werden von der Einfältigkeit auf Christum. Es ist eine sehr zarte Sache um diese Einsichtigkeit, und es sind nicht eben grobe Laster nöthig, um davon abgebracht zu werden, sondern es kann’s ein aufblähendes und kraftloses Wissen, und das partheiische Anhangen an einen jeden Menschen thun. Die Sinnen, von denen Paulus redet, sind geistliche Sinnen oder Fähigkeiten der wiedergebornen Seele, wodurch sie Christum als den einigen Seligmacher erkennen und genießen kann. Eines Lehrers Schuldigkeit ist, nicht sich selber, sondern Christum zu predigen, der übertriebenen Hochachtung seiner zu wehren, und die Zuhörer auf Christum zu weisen, ja Ihm zuzuführen, 2 Kor. 11,2.; der Zuhörer Schuldigkeit aber ist, sich Christo zuführen zu lassen, und Ihm allein anzuhangen. Wer in der Einfältigkeit auf Christum steht, sagt von Herzen: ich rühme mich keines Menschen, sondern des HErrn, 1 Kor. 1,31., ich weiß nichts als Christum den Gekreuzigten, 1 Kor. 2,2. Es ist Alles mein, ich brauche alles zu meiner Förderung: ich aber bin Christi, Christus aber ist Gottes, 1 Kor. 3,22.23. Die Einfältigkeit auf Christum führt bei einer ausgebreiteten Liebe eine genaue Bewahrung des Evangeliums von Christo mit sich, und da sie viele Dinge als Mittel gebraucht, so hält sie doch Christum allein für den Gegenstand ihres Vertrauens, und für die einzige Quelle des Heils. Wenn eine Lehre auch wahr ist, so ist sie doch, wenn sie ein Religionsunterricht sein soll, eine lose Verführung, wenn sie nicht nach Christo ist, Kol. ,8., oder auf Christum weiset, und Alles aus Ihm herleitet. Wer das Gewissen beruhigen will ohne die Gerechtigkeit Christi, und wer die Menschen fromm machen will, und die Frömmigkeit nicht aus dem Tod, Leben und Geist Jesu herleitet, ist entweder ein vorsätzlicher oder ein unwissender Betrüger.(Magnus Friedrich Roos)
Ich fürchte, daß nicht, wie die Schlange Evam verführte mit ihrer Schalkheit, also auch eure Sinnen verrückt werden von der Einfältigkeit in Christo.
2 Kor. 11,3.
Wenn Eva in der Prüfung, welche Gott über sie kommen ließ, wohl hätte bestehen wollen, so hätte sie ihre ganze Aufmerksamkeit auf das Wort Gottes: von dem Baum des Erkenntnisses Gutes und Böses sollst du nicht essen; denn welches Tages du davon issest, wirst du des Todes sterben, wenden sollen. Sie hätte sich nach diesem Wort demüthig und treulich richten sollen, wenn sie auch nicht gewußt hätte, warum Gott das Essen von diesem Baum ihr und ihrem Mann verboten habe, ja, wenn sie auch nicht deutlich verstanden hätte, was der angedrohte Tod mit allen seinen Folgen sei; denn es konnte ihr genug sein, wenn sie nur wußte, daß er das Gegentheil von dem Leben, und ein großes Uebel sei. Die Schlange aber hat sie mit ihrer Schalkheit verführt, wie sie denn selber hernach sagte: die Schlange betrog mich. Die Schalkheit der Schlange bestand darin, daß sie die Aufmerksamkeit der Eva auf die reizenden und scheinbaren Lügen, welche sie ihr vorsagte, und auf den schönen Baum und dessen Früchte hinlenkte, da dann der Fall in die Sünde schnell erfolgte. Nun sagt Paulus, der diese Geschichte nach ihrem buchstäblichen Sinn anführte, und dadurch die Wahrheit derselben nach diesem Sinn bestätigte: er fürchte, die Sinne der Korinther möchten auf eine gleiche Weise von der auf Christum zu richtenden Einfältigkeit verrückt werden. Die heilige Schrift weiset uns nämlich überall auf den Glauben an Christum, und bezeugt auf’s ernstlichste, daß man dadurch allein die Seligkeit erlange. Sie nennt diesen Glauben auch Zuversicht, Vertrauen, Hungern, Dürsten, Kommen, Aufschauen, Ansehen, Annehmen, Empfangen, Bauen und erbaut werden, und leitet daraus das Gebet, den Frieden mit Gott, das Halten Seiner Gebote, und die Geduld und Hoffnung in dem Leiden her. In diesem Allem soll sich nun ein Christ immer finden lassen. In diesem Element soll er leben und schweben, in dieser Bahn soll er laufen; und dieses ist die auf Christum gerichtete Einfältigkeit. Die Einfältigkeit überhaupt besteht darin, daß ein Mensch, der einen gewissen Zweck vor sich hat, nur auf das Einige aufmerksam ist, das ihm zu diesem Zweck verhelfen kann. Die Bedürfnisse unsers armen Lebens und die gesellschaftlichen Verbindungen, worin wir stehen, nöthigen uns, an Vieles zu denken, oder auf Vieles aufmerksam zu sein, allein wenn wir Frieden und Kraft, Licht und Leben, Gnade und Wahrheit, Freiheit und Seligkeit suchen, so ist nur Einer, der mir dazu verhelfen kann, nämlich Christus. Ich habe also nur auf Einen zu sehen, nämlich auf Christum, nur an Einen zu glauben, nur Einem anzuhangen, nur in Einem erfunden zu werden, nämlich in Christo. Der Vater und der Heilige Geist sind freilich nicht ausgeschlossen, denn die drei himmlischen Zeugen, der Vater, das Wort und der Heilige Geist, sind Eins, und der Vater ist in Christo und Christus in dem Vater, auch ist der Heilige Geist der Geist des Vaters und des Sohnes. Uebrigens ist Christus insbesondere der einige Mittler zwischen Gott und den Menschen, der einige Weg zum Vater, der einige Fürsprecher bei dem Vater, und nach diesem Verhältniß hält sich der Glaube an Ihn allein. Johannes ruft uns zu: Kindlein, bleibet bei Ihm, auf daß, wenn Er offenbaret wird, wir Freudigkeit haben, und nicht zu Schanden werden vor Ihm in Seiner Zukunft. 1 Joh. 2,28.(Magnus Friedrich Roos)
2. Kor. 12
Der HErr hat zu mir gesagt: laß dir an Meiner Gnade genügen.
2 Kor. 12,9.
Wenn wir uns schon keinen deutlichen Begriff davon machen können, wie es zugegangen ist, daß ein satanischer Engel den Apostel Paulus zu seiner heilsamen Demüthigung mit Fäusten geschlagen hat, und nicht wissen, ob er sichtbarer oder unsichtbarer Weise von demselben geplagt worden sei, so ist doch aus seiner ganzen Erzählung so viel klar, daß er in der angeführten Stelle von einem außerordentlich schweren und fast unerträglichen Leiden rede, das der HErr über ihn verhängt hatte. Er meldet ausdrücklich, daß er dreimal den HErrn um Abwendung dieser tief einschneidenden Plage sehnlichst angefleht, und doch nichts erlangt habe, als den tröstlichen Zuspruch: laß dir an Meiner Gnade genügen, denn Meine Kraft wird in der Schwachheit vollendet. Es kann also geschehen, und geschieht wirklich nicht selten, daß auch redliche Kinder Gottes und echte Nachfolger Jesu in Umstände gerathen, da sie alles menschlichen Trostes entbehren müssen, und unter innerlichen Anfechtungen und äußerlichen Trübsalen an Leib und Seele auf’s Empfindlichste angegriffen werden, ja daß auch ihr dringendes Beten und Flehen um Abwendung oder Milderung ihrer Leiden gleichsam wieder auf sie zurückzufallen, und ganz vergeblich zu sein scheint. Wie oft kann ein Glaubiger um Linderung leiblicher Schmerzen, um Unterstützung in Armuth und Mangel, um Befreiung von unverdienter Schmach und Schande, um Offenbarung seiner gerechten Sache, um weitere Lebensfrist für diese oder jene Person, die ihm fast unentbehrlich scheinet, um sichtbares Gedeihen in seiner Berufsarbeit u. dergl. herzlich und anhaltend beten; und es hat doch das Ansehen, als ob die Noth nicht nur nicht vermindert, sondern gar von Tag zu Tag vermehrt würde; ja es erfolgt wohl gar in manchen Betracht das gerade Gegentheil von dem, was er gewünscht und um was er gebetet hatte.
Unter solchen Umständen ist’s nun freilich der Vernunft eine unbegreifliche Sache, daß man dennoch an der Gnade Gottes nicht irre werden, sondern bei dem Allem dennoch die Ueberzeugung durchbehaupten solle, daß Er uns lieb habe. Leute dieser Welt sind auch oft schnell genug besonnen, das Urtheil zu fällen: wenn dieser oder jener bei Gott so wohl daran wäre, als er sich einbildet, warum geht’s ihm dann so fatal? warum schlägt ihm dann eine Verheißung nach der andern fehl, womit er sich getröstet, und worauf er sich verlassen hatte? David mußte wenigstens es oft in seine Ohren hinein, daß man täglich zu ihm sagte: wo ist nun dein Gott? und daß man ihn mit seinem Beten höhnisch durchzog. Und wenn auch die Menschen nicht so bösartig sind, daß sie es einem Glaubigen gönnen, wenn ihn der HErr bei seinen Nöthen so lange im Warten übt; wenn sie aus natürlicher Gutherzigkeit noch Mitleiden mit ihm haben, so ärgern sie sich doch zuweilen heimlich daran, daß das Gebet des Frommen, wie sich’s äußerlich ansehen läßt, so wenig helfen soll, und daß ihn Gott so vergeblich rufen und schreien lasse. Die arme, blinde Welt! Sie sieht und hört und spürt eben nichts von dem verborgenen Zuspruch, den der HErr den Seinigen mitten unter ihrem Gedränge angedeihen läßt: laß dir an Meiner Gnade genügen!
Wohl uns, wenn wir mit Paulo aus Röm. 8,38. ff. rühmen können: ich bin’s gewiß, daß weder Tod noch Leben, weder Engel noch Fürstenthum noch Gewalt, weder Gegenwärtiges noch Zukünftiges, weder Hohes noch Tiefes, noch keine andere Kreatur mag uns scheiden von der Liebe Gottes, die in Christo Jesu ist, unserm HErrn!(Magnus Friedrich Roos)
2. Kor. 13
Die Gnade unsers HErrn Jesu Christ, und die Liebe Gottes, und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit euch Allen. Amen.
2 Kor. 13,13.
Das wesentliche Wort, der Sohn Gottes Jesus Christus ist von dem Vater ausgegangen und gesandt, der Heilige Geist geht auch von dem Vater und Sohn aus, und wird in die Herzen der Glaubigen gesandt, von dem Vater unsers HErrn Jesu Christi aber wird nie gesagt, daß Er ausgehe und gesandt werde. Der Sohn Gottes wird, insofern Er von dem Vater ausgegangen und gesandt worden ist, der Mittler zwischen Gott und Menschen, der Heiland, das Haupt der Gemeinde u.s.w. genannt; der Heilige Geist aber wird, insofern er ausgehet und gesandt wird, eine Gabe, ein Pfand, Angeld, Siegel, und Tröster oder Beistand der Glaubigen genannt. Wenn nun der Sohn Gottes und der Heilige Geist so, wie jetzt gesagt worden, beschrieben und genannt werden, so wird der Vater unsers HErrn Jesu Christi Gott genannt, weil Er durch keine Sendung und durch keinen Ausgang in ein neues Verhältniß gegen die Menschen eingetreten ist, s. Röm. 3,25. Joh. 17,3. Eph. 4,4.5.6. 1 Tim. 2,5. Offenb. 1,4.5.6. Auch der Sohn Gottes ist Gott über Alles, gelobet in Ewigkeit, wenn Er aber in Seinem Mittleramt vorgestellt wird (welches in den meisten Sprüchen des Neuen Testamentes geschieht), so wird Er Jesus Christus genannt. Auch der Heilige Geist ist wahrhaftiger Gott, denn wie könnte der Geist Gottes ein anderes Wesen haben, als ein göttliches? Wenn Er aber vorgestellt wird, so bekommt Er viele Namen, die Seine Wirkungen und Sein Verhältniß zu den Menschen anzeigen. Diese Weise brauchte Paulus in dem vortrefflichen Wunsch: die Gnade unsers HErrn Jesu Christi, und die Liebe Gottes, und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit euch Allen. Amen. Der Sohn Gottes ist als derjenige, der vom Vater ausgegangen und gesandt worden ist, der HErr der Menschen, die Er erlöst und erkauft hat. Er heißt Jesus oder Heiland, und Christus oder der Gesalbte. Zu Ihm muß sich der Sünder wenden, dem geholfen werden soll. Seiner Erlösungsgnade oder Seiner Mittlersgnade muß er zuvörderst theilhaftig werden. Wer außer Christo zu dem göttlichen Wesen nahen will, dem ist dasselbe ein verzehrendes Feuer. Die Gnade, die der HErr Jesus Christus erworben hat, und die man durch den Glauben an Ihn erlangt, ist der Anfang und Grund des Heils der Sünder. Aber durch diese Gnade ist der Vater, wenn man Ihn als Gott betrachtet, den Menschen hold. Ein Mensch, der in Jesu Christo Gnade erlangt, denkt mit Wonne daran, daß der Vater unsers HErrn Jesu Christi Gott sei. Der Name Gottes ist ihm nun lieblich. Er denkt diesen Namen gerne, und glaubt zugleich, was Johannes schrieb: Gott ist ein Licht, Gott ist Liebe. Er empfindet auch und genießt, um Christi willen, die Liebe Gottes, welche der Vater unsers HErrn Jesu Christi und unser Vater ist. Zugleich tritt er in eine unschätzbare Gemeinschaft mit Gott dem Vater und Seinem Sohn Jesu Christo ein, und diese Gemeinschaft wird die Gemeinschaft des Heiligen Geistes genannt, weil der Mensch eben denjenigen Geist empfängt, welcher der Geist des Vaters und des Sohnes ist. So lange also diese Gemeinschaft mit uns ist, so lange sind wir mit Gott dem Sohn und mit Gott dem Vater verbunden; und also selige Leute. Was können wir also mehr wünschen, als daß dieser Wunsch auch bei uns Ja und Amen werde?