Mat. 4
Da ward Jesus vom Geist in die Wüste geführt, daß Er vom Teufel versucht würde.
Matth. 4,1.
Niemand unter uns wird vom Geist getrieben, den Versuchungen des Teufels wissentlich entgegen zu gehen, oder sich an einen Ort zu begeben, wo er weiß, daß der Teufel seiner warte: dem HErrn Jesu aber, dessen menschliche Natur bei der Taufe ausnehmend gestärkt worden war, gebührte es, einen solchen Gang im Glauben und Gehorsam zu machen. Vom Heiligen Geist, der Seine menschliche Seele in Seiner Gewalt hatte, wurde Er in die Wüste oder in eine einsame Gegend, wo Niemand wohnte, geführt. Der Geist trieb Ihn, dahin zu gehen, und stellte Seinem menschlichen Verstand die Geziemlichkeit und Nothwendigkeit dieses Ganges vor. Er entzog Sich hiemit den Ehrenbezeugungen, die Er von dem Johannes, der Ihn kurz vorher getauft hatte, und von allen redlichen Israeliten, welche bei dieser wichtigen Taufhandlung gewesen waren, oder davon gehört hatten, hätte empfangen können. Der Geist führte Ihn in die Wüste, damit Er von dem Teufel versucht würde; dieses war der Zweck dieser Führung, denn der himmlische Vater wollte ein Wohlgefallen an der Treue haben, mit welcher Jesus die Versuchungen des Teufels überwinden würde. Dieses Ueberwinden gehörte auch in die Reihe der allervortrefflichsten Werke, mit welcher der Sohn Gottes die Schulden der Menschen bezahlen sollte. Gott sah nach der Schöpfung alles, was Er gemacht hatte, an, und siehe, es war sehr gut; als Er aber sah, daß der Teufel die Eva und den Adam überwand, mußte Er ein Mißfallen daran haben. Damit Er nun wieder einen vollkommenen Sieg über den Teufel mit Wohlgefallen ansehen könnte, mußte Jesus von ihm versucht werden. Zugleich mußte Jesus in Seiner menschlichen Natur eine Erfahrung von heftigen und gefährlichen Versuchungen bekommen, damit Er hernach in seinem Lehramt, und hernach, so lange die Welt steht, mit denen, die versucht werden, Mitleiden haben könnte. Er wurde freilich nicht von Seiner eigenen Lust gereizt und gelockt, hingegen drangen die teuflischen Versuchung in den vierzig Tagen, die Er fastend bei den Thieren zubrachte, desto schärfer auf Ihn, wiewohl der Heilige Geist für gut befunden hat, nur die drei letzten und schärfsten Anfälle aufschreiben zu lassen.
Der HErr Jesus hat den Teufel in der Wüste, und so allenthalben und allezeit überwunden, und ist bei Seinen Versuchungen heilig, unschuldig und unbefleckt geblieben. In Ihm sollen wir auch überwinden, das ist, wir sollen den Willen des Teufels nicht thun, ob er uns gleich dazu reizt und treibt. Das klare und kräftige Wort Gottes wird bei uns immer den Ausschlag zum Sieg geben, wenn wir uns fest daran halten, gleichwie sich auch Jesus in Seinem Kampf daran gehalten hat. Weil aber unsere Seelen in den Versuchungen nicht so rein bleiben, wie die Seele des HErrn Jesu, und sich bei uns oft wenigstens eine heimliche Belustigung an der Sünde, ein Hang zur Sünde, ja zuweilen gar ein Fall in die Sünde ereignet, so sollen wir mit einer herzlichen Reue und Scham Jesum ansehen, und dabei glauben, daß Er durch Seine vollkommene Treue, womit Er des Teufels Versuchungen abgetrieben hat, und mit Seiner untadelhaften Reinigkeit, die Er dabei behauptet hat, unsere Gerechtigkeit worden sei.(Magnus Friedrich Roos)
Mat. 5
Selig sind, die reines Herzens sind, denn sie werden Gott schauen.
Matth. 5,8.
Israel hat dennoch Gott zum Trost, wer nur reines Herzens ist; schrieb Assaph Ps. 73,1. Er deutete diese Worte ohne Zweifel auf sich selbst, da er sich erinnerte, daß er wegen des Anstoßes, den er an dem Glück der Gottlosen genommen, schier gestrauchelt hätte; daß ihn aber Gott erhalten, zurecht gewiesen und wieder gestärkt habe. Diejenigen also, die reines Herzens sind, können noch Schwachheit an sich haben; hingegen sind sie im Grund ihrer Seele aufrichtig, und haben einen Geist ohne Falsch. In der Buße ist der Wille zu sündigen in ihnen zerbrochen worden und sie haben ich ohne Vorbehalt an ihren Gott und Heiland ergeben. Sie sind wahrhaftig aus Gott geboren; sie sind die Vollkommenen, deren Christus Matth. 5,48. gedenket, ihr Auge ist einfältig (Matth. 6,22.), sie sind die guten Bäume, welche gute Früchte tragen (Matth. 7,17.), sie sind durch den Glauben an Christum der Sünde und dem Gesetz gestorben und der Welt gekreuziget, und leben Gott in Christo Jesu. Von Solchen sagt nun Christus Matth. 5,8.: selig sind, die reines Herzens sind, denn sie werden Gott schauen. Bei der Reinigkeit oder Aufrichtigkeit ihres Herzens sehen sie auf Erden viel Böses, das sie kränket und betrübet, sie sind aber doch selig, und werden Gott schauen. Abraham und Andere sahen Gott in einer räthselhaften Gestalt, wenn sie den Engel, der Jehovah hieß, in einer menschlichen Gestalt sahen; Moses aber sah Ihn im Gesicht in einer herrlichen Gestalt, durch welche Gottes geistliches und unsichtbares Wesen seine Majestät offenbaren wollte, und wurde deßwegen 4 Mos. 12,8. andern Propheten vorgezogen. Eine gleichfalls herrliche Gestalt Gottes sahen hernach auch Jesaias, Ezechiel, Daniel und Johannes. Ohne Zweifel wird aber dasjenige, was die verklärten Seelen und auferstandenen Heiligen sehen werden, noch herrlicher sein, als was Moses und einige Propheten nach ihm bei Leibesleben gesehen haben. Das Herrlichste wird das Angesicht Gottes sein, welches die Inwohner des neuen Jerusalems sehen werden, Offenb. 22,4.; denn gleichwie der ganze Charakter eines Menschen, wodurch er von Andern unterschieden ist, aus seinem Angesicht herausleuchtet, und nur derjenige einen Menschen recht erkennen kann, der sein Angesicht sieht, also werden diejenigen, die gewürdigt werden, das Angesicht Gottes zu sehen, zwar nicht die Tiefen der Gottheit, aber doch Seine den Geschöpfen geoffenbarte Herrlichkeit unmittelbar auf das Hellste, ganz und mit Einem Blick so erkennen, daß sie davon gesättigt werden. Alsdann werden aber nicht nur ihre Herzen, sondern auch ihr ganzes Wesen rein und verklärt sein. Sie werden das Angesicht Gottes in (vollkommener) Gerechtigkeit sehen, wie David Ps. 17,15. sagt. Der erste Anblick der Herrlichkeit Gottes in jener Welt wird alles Leiden ersetzen: welche Wonne wird’s aber sein, wenn man Sein Angesicht sehen wird! Um dieses Ziel zu erreichen, soll ich bei Leibesleben mit einem reinen Herzen oder mit einem Geist ohne Falsch wandeln, aber auch der Heiligung noch weiter nachjagen, ohne welche den heiligen Gott Niemand sehen wird. Wer seine Unreinigkeit beibehalten will, dem wird Gott ein verzehrendes Feuer sein.(Magnus Friedrich Roos)
Euer Vater im Himmel läßt Seine Sonne aufgehen über Böse und Gute.
Matth. 5,45.
Wenn dieses unser Vater im Himmel thut, wenn Er die Sonne, die Seine Sonne ist, über böse und gute Menschen aufgehen, wenn Er den Regen, den Er allein in Seiner Gewalt hat, auf die Felder der Gerechten und Ungerechten fallen läßt, wenn Er also, wie Lukas Kap. 6,35. schreibt, über die Undankbaren und Boshaftigen gütig ist: was sollen dann wir thun, die wir Kinder dieses himmlischen Vaters heißen wollen? Wir sollen auch gegen böse und gute, gegen gerechte und ungerechte, ja auch gegen undankbare und boshafte Menschen liebreich, freundlich und gütig sein und gegen keinen Menschen eine feindselige Bitterkeit in uns haben. Die Sünde sollen wir hassen, und damit bei uns selber den Anfang machen, übrigens aber die bösen Menschen als Gottes Geschöpfe, als Leute, die, wie wir selbst, durch Christum erlöset und zur Seligkeit berufen sind, ja als unsere Brüder (weil wir Alle von Einem Stammvater herkommen) lieben. Wenn sie sich auch gegen uns feindselig beweisen, so sollen wir nicht aufhören, sie zu lieben; denn Christus verwarf die Lehre der Pharisäer, nach welcher man nur seinen Freund für seinen Nächsten halten und lieben sollte, seinen Feind aber hassen durfte, und sprach dagegen mit großem Ernst: Ich sage euch: liebet eure Feinde, segnet, die euch fluchen, thut wohl denen, die euch hassen, bittet für die, so euch beleidigen und verfolgen, auf daß ihr Kinder seid eures Vaters im Himmel. Wer kann aber dieses Gebot des HErrn Jesu halten? Niemand, als wer den Heiligen Geist, als den Geist der Kraft und der Liebe und der Zucht empfangen hat, und in dessen Herzen die Liebe Gottes durch eben diesen Geist ausgegossen, und unter Anderem auch der Spruch klar geworden ist: wir sind Gott versöhnet durch den Tod Seines Sohnes, da wir noch Feinde waren, Röm. 5,10. Daß nämlich Gott Seine Sonne über Böse und Gute aufgehen läßt, ist etwas Großes; noch größer aber ist jene andere Erweisung Seiner allgemeinen Güte, von welcher der Heiland in der Bergpredigt wegen der Beschaffenheit Seiner Zuhörer noch nicht reden konnte, und welche darin besteht, daß Gott die Welt also geliebt hat, daß Er Seinen eingebornen Sohn gab; daß Christus sich für Alle zur Erlösung gegeben, und sie Gott durch Seinen Tod versöhnet hat. Wer waren wir, da uns Gott als Solche ansah, welche dieser Erlösung und Versöhnung theilhaftig werden sollen? Wir waren Sünder, nichts als Sünder, ja gar Feinde Gottes. Hat nun Gott Seine Feinde also geliebt, so sollen wir auch unsere Feinde liebe, die sich ohnehin bei Weitem nicht so sehr wider uns vergangen haben, wie wir gegen Gott. Wenn die Lehre Christi allenthalben auf dem Erdboden angenommen und befolgt würde, so würde allenthalben Friede, Wonne und Glückseligkeit ausgebreitet, weil sie eine allgemeine Liebe gebietet und pflanzet. Der Satan aber übt noch bei den Kindern des Unglaubens eine große Gewalt aus und erfüllet sie, weil er selbst in einem finstern Grimm lebt und Gottes und der Menschen Feind ist, mit Haß, Neid und Zorn, wovon sowohl derjenige, der den Andern haßt, als auch derjenige, der gehaßt wird, Schaden und Unlust empfindet. Doch hat Kain, der seinen Bruder Abel haßte, sich selber mehr geschadet, als seinem Bruder, ob schon er diesen um sein zeitliches Leben brachte. Gott erzeige mir Seine Gnade, daß ich auch heute in der Liebe und im Licht wandeln könne.(Magnus Friedrich Roos)
Mat. 6
Wahrlich Ich sage euch: sie haben ihren Lohn dahin.
Matth. 6,5.
Dieses sagte der heilige und gerechte Richter von denjenigen, die bei ihrem Almosengeben und Beten Ruhm bei den Menschen suchen, und von diesen gilt der Schluß auf alle diejenigen, welche das eitle Lob, die Gunst der Menschen, und den großen Namen bei den Nachkommen zum Zweck ihrer Werke machen. Solche Menschen erlangen oft, was sie suchen. Sie werden von den Menschen als andächtige, gutthätige, kluge, gelehrte Leute, als Patrioten und Helden gerühmt; ihre Namen werden zum Theil in die Geschichtsbücher eingetragen: wenn sie aber nicht dem HErrn in aller Demuth gelebt haben, wenn ihre Tugenden nicht Früchte des Geistes gewesen sind, wenn der Ruhm das Ziel war, nach dem sie gelaufen sind, so haben sie, wenn sie diesen erlangt haben, ihren Lohn dahin, und empfangen am jüngsten Tage keinen mehr; weil alsdann der allwissende und gerechte Richter der Lebendigen und der Todten an’s Licht bringen wird, was im Finstern verborgen war, und den Rath der Herzen offenbaren. Wenn aber der Herzensrath dieser ist, daß der Mensch sich selber zum Gott machen will, der geehrt und bewundert sein soll, so ist er böse, und alle Werke, die aus demselben fließen, sind ungeachtet des guten Scheins, den sie haben, und des Nutzens, den sie vielleicht in der Kirche oder Polizei schaffen, auch böse: folglich kann kein Gnadenlohn darauf folgen. Ist’s wahr, daß der Richter der Welt es so genau nehme? Ist’s möglich, daß ein Beter, ein Wohlthäter der Armen, ein Patriot, ein Prediger u.s.w. seinen Lohn auf Erden dahin nehmen kann? Ja, denn Christus sagt’s, und bestätigt Seine Rede noch dazu mit einem Wahrlich, damit die Menschen sich desto weniger erkühnen möchten, ihre Vernünfteleien ihr entgegen zu setzen. Wer kann dann selig werden? Derjenige kann selig werden, der sich die Tücke seines bösen Herzens aufdecken, der sich über seiner Heuchelei vom Geist Gottes durch Sein Wort bestrafen läßt, der seinen eigenen Stolz kennen lernt und verabscheut, und der Gnade und die Gabe des Heiligen Geistes erlangt, Demjenigen zu leben, der für ihn gestorben und wieder auferstanden ist. Bei einem Solchen geht es durch Ehre und Schande, durch böse und gute Gerüchte. Er lebt nicht sich selbst, sondern Gott in Christo Jesu. Er thut nicht weniger Gutes, wenn er Undank, als wenn er Dank dafür bekommt. Er begehrt nicht, daß ihm Alles in dieser Welt vergolten werde. Er betet im Verborgenen, und wenn er gibt, so läßt er die linke Hand nicht wissen, was die rechte thut. Er prangt nicht mit seiner geistlichen Erkenntniß und Erfahrung, bleibt dabei auch gern unbekannt, und läßt es auf Gottes willen ankommen, wie viel dabei zu seiner Ehre vor den Menschen offenbar werden soll. Es geht auf dem geraden Weg nach dem vorgesteckten Ziel, dem Kleinod zu, welches ihm die himmlische Berufung Gottes in Christo vorhält. Der HErr Jesus schaffe und erhalte einen solchen lautern Sinn in uns, damit wir am Tage Seiner Zukunft Freudigkeit haben mögen.(Magnus Friedrich Roos)
Gehe in dein Kämmerlein, und schleuß die Thüre zu, und bete zu deinem Vater im Verborgenen, und dein Vater, der in das Verborgene siehet, wird dir’s vergelten öffentlich.
Matth. 6,6.
Zur Zeit Christi gab es viele Heuchler, welche gern standen und beteten in den Schulen, und an den Ecken auf den Gassen, auf daß sie von den Leuten gesehen würden; Christus aber sagte von ihnen: wahrlich Ich sage euch, sie haben ihren Lohn dahin, V. 5., und gab hernach einem Jeden den Rath, in sein Kämmerlein zu gehen, und da im Verborgenen zu beten. Nicht nur der eitle Ehrgeiz, den man bei dem öffentlichen Beten nähren konnte, sondern auch die Gefahr vor der Zerstreuung des Gemüths, und die Furcht, daß Andere durch das vertrauliche Ausschütten des Herzens vor Gott geärgert werden könnten, macht diesen Rath nothwendig. Christus selbst war kurz vorher, ehe Er diesen Rath gab, auf einen Berg gegangen, zu beten, und über Nacht im Gebet zu Gott geblieben, Luk. 6,12. Ein andermal ließ Er Seine Jünger und das Volk von Sich, und stieg auf einen Berg allein, daß Er betete, Matth. 14,23. Auch am Oelberg riß Er Sich bei einem Steinwurf weit von Seinen Jüngern weg, da Er beten wollte. Doch muß man aus diesem Allem kein fleischliches Gebot machen, sondern auf den Zweck sehen, welcher oft auch durch ein öffentliches Gebet erreicht werden kann, wenn nur der Ehrgeiz und die Zerstreuung des Gemüths davon abgesondert wird. Christus hat selber das unvergleichliche Gebet, das Joh. 17. steht, vor Seinen Jüngern gesprochen, und Matth. 18,19. gesagt: wo zween unter euch Eins werden auf Erden, warum es ist, das sie (gemeinschaftlich) bitten wollen, das soll ihnen widerfahren von Meinem Vater in dem Himmel. Auch ist schon zu der Apostel Zeit der öffentliche Gottesdienst nicht ohne ein öffentliches Gebet gehalten worden, wie aus 1 Kor. 11,4.14,13.14.15. 1 Tim. 2,8. zuschließen ist. Die Hauptsache bei dem Gebet ist, daß man durch den Geist der Kindschaft, welcher auch ein Geist der Gnade und des Gebets ist, angetrieben werde, zu Gott als einem Vater zu beten. Wenn man nun vertrauliche Bitten vorzutragen hat, bei welchen Andere nicht mit anstehen können, oder man schwach und blöde ist, und bei einem öffentlich verrichteten Herzens-Gebet in der Gefahr stünde, durch Ehrgeiz oder Zerstreuung die Gebetskraft zu verlieren, so soll man in sein Kämmerlein gehen, die Thüre hinter sich zuschließen, und zu seinem Vater im Verborgenen beten, oder auch einen andern einsamen Ort zum Beten erwählen. Der Vater aber, der in’s Verborgene siehet, wird einem solchen Beter sein Gebet öffentlich vergelten. Er wird sein Gebet erhören und gewähren. Er wird ihm geben, was er bittet, ihn finden lassen, was er sucht, und ihm aufthun, wenn er anklopft. Er wird ihm als ein Vater gute Gaben, welche alle in der Gabe des Heiligen Geistes zusammen gefaßt sind, geben, und diese Gabe wird alsdann durch gute Werke ihren Schein vor den Leuten von sich geben, damit der Vater im Himmel darüber gepriesen werden könne. Am jüngsten Tage aber wird Er einen solchen Beter, der sich durch die Welt durchgebetet und in den Himmel hinein gebetet hat, öffentlich rühmen, und durch die Stellung zur Rechten Jesu, und durch die Mittheilung einer überschwenglichen Herrlichkeit ehren. Auch heute will ich zu dem Vater im Himmel beten. Er wird meine Bitten um Seines Sohnes willen nicht verschmähen.(Magnus Friedrich Roos)
Erlöse uns von dem Argen.
Matth. 6,13.
Die Erlösung von dem Argen, um welche in der siebenten Bitte des Vater Unser gebeten wird, ist das Gegentheil von der Führung in die Versuchung, welche in der sechsten Bitte abgebeten wird, wie das Wörtlein sondern anzeigt, durch welches diese zwei Bitten an einander gehängt werden. Wenn Gott den Menschen in die Versuchung hinein führt, so geschieht es aus Zorn wegen der vorher begangenen Untreue. Er setzt den Menschen auf’s Schlüpfrige, gibt ihn in einen verkehrten Sinn dahin, läßt ihn von einer Sünde in die andere fallen, weichet von ihm, und läßt des Teufels und des Menschen eigenen bösen Willen bei ihm vollbracht werden. Dieses dünkt man solche blinde Leute eine Zeit lang eine Glückseligkeit zu sein. Nun gelingt es ihnen in der Bosheit, nun geht es ihnen nach Wunsch und Willen, nun können sie ohne innerliche Angst und Unruhe sündigen; zuletzt fühlen sie aber, daß sie betrogen seien. Sie gehen unter, und nehmen ein Ende mit Schrecken. So lange nun ein Mensch gern sündiget, und sich freuet, wenn es ihm bei dem Sündigen gelingt, kann er die sechste Bitte des Vater Unser nicht von Herzen beten. Wem’s aber um die Heiligung des Namens Gottes, um die Zukunft Seines Reichs, um die Vollbringung Seines Willens, bei der Begnügsamkeit nur um das tägliche Brod, und um die Vergebung seiner Sündenschuld zu thun ist, der bittet Gott mit Andern von Herzen: führe uns nicht in Versuchung, sondern erlöse uns von dem Uebel, oder von dem Argen. Der Arge ist der Satan, der Urheber alles Unheils, das auf Erden ist. Dieser ist auch der Versucher, welcher die Menschen von einer Sünde in die andere stürzet, daß sie oft wider ihre eigene Vernunft und natur toben müssen. Von diesem wünscht nun ein heilsbegieriger Mensch erlöset zu werden, und bittet Gott nach der Anweisung Christi darum. Gott erlöset von dem Argen, wenn Er die Seele von seiner Gewalt oder von seinen Stricken befreiet, wenn Er Licht und Kraft gibt, ihm zu widerstehen, wenn Er seine Nachstellung vereitelt, wenn Er jeden Funken, den er angezündet hat, durch die Zucht Seines Geistes wieder auslöscht, jeden verderblichen und grimmigen Anschlag, den er auch durch Menschen ausführen will, zu Schanden macht, ja wenn Er auch diejenigen, die gefallen sind, wie Petrus, wieder aufrichtet, und die Niedergeschlagenen wieder stärkt. Eines jeden Christen Lauf ist voll von mannigfaltigen Erlösungen von dem Argen. Wenn der Satan tausend Jahre in den Abgrund verschlossen sein wird, Offenb. 20., so wird man in derselben zeit auch von ihm erlöset sein; wenn er aber nach seiner Loslassung aus diesem Gefängniß den letzten Sturm auf das Volk Gottes, durch den Gog und Magog wird ausgeführt haben, so wird er in den feurigen Schwefelpfuhl geworfen werden, und die Kirche seinetwegen Ruhe haben. Indessen sehnt sich eine glaubige Seele nach der Aufnahme in den himmlischen Tempel, denn wer in demselben sein wird, wird auch von dem Argen völlig erlöset sein. Himmlischer Vater, erlöse auch mich auf diese Weise von dem Argen.(Magnus Friedrich Roos)
Sammelt euch Schätze im Himmel, wo sie weder Motten noch Rost fressen, und da die Diebe nicht nachgraben noch stehlen.
Matth. 6,20.
Lukas hat diese Worte Kap. 12,32.33.34. ausführlicher geschrieben, denn nach seinem Zeugniß hat Christus zu Seinen Jüngern gesagt: fürchte dich nicht, du kleine Heerde; denn es ist eures Vaters Wohlgefallen, euch das Reich zu geben. Verkaufet, was ihr habt, und gebet Almosen. Machet euch Sekel, die nicht veralten, einen Schatz, der nimmer abnimmt, im Himmel, da kein Dieb zukommt, und den keine Motten fressen; denn wo euer Schatz ist, da ist euer Herz. Man sammelt auf Erden Schätze, wenn man Gold, Silber, Kleinodien, Hausrath, Kleider, liegende Güter, und überhaupt allerhand kostbare und angenehme Dinge sammelt, und das Gesammelte für sein höchstes Gut und für seinen besten Trost hält, folglich, wie David Ps. 62,11. redet, sein Herz daran hängt, welches man aus der unmäßigen Begierde und Freude, aus dem Leichtsinn, womit man wegen dieser Dinge wider Gott und den Nächsten sündiget, und aus dem trostlosen Zustand der Seele bei dem Verlust derselben erkennet, gesetzt, daß man auch das Anhangen des Herzens in der Heuchelei vor sich selbst und vor Andern verberge. Wer aber dergleichen etwas erbt, oder kauft, oder geschenkt bekommt, und dabei ein so freies Herz behält, als besäße er’s nicht, und wer diese Dinge braucht, daß er sie nicht mißbraucht, wie Paulus 1 Kor. 7,30.31. sagt, hält diese Dinge nicht für seinen Schatz: sein Herz ist nicht dabei. Die Schätze im Himmel, die Sekel, die nicht veralten, und der Schatz, der nicht abnimmt, sind das Reich, das der himmlische Vater den Glaubigen geben will, und alle Herrlichkeit, welche dasselbe in sich faßt, und die ewiges Leben, ewige Freude, ewige Hütten, Lohn, Krone, Macht u. dergl. genannt wird. Diese Schätze frißt keine Motte und kein Rost, das ist, sie sind keiner innerlichen Abnahme und keinem Verderben unterworfen, auch gräbt kein Dieb darnach, um sie zu stehlen, das ist, sie können dem, der sie hat, durch keine List noch Gewalt entrissen werden. Die irdischen Schätze hingegen vergehen von innen heraus, wenn sie alt werden, auch werden sie dem Menschen durch eine äußerliche Gewalt und List, wovon der Diebstahl nur als ein Beispiel angeführt wird, wozu man aber auch Brand, Ueberschwemmung, Plünderung, Zerstreuung durch verthunerische Erben, und Anderes rechnen kann, zernichtet. Wer sie hat, kann sie verlieren, und verliert sie gewißlich im Tode, und wer hofft, er werde seinen Nachkommen dadurch ein dauerhaftes Glück verschaffen, betrügt sich, wie die Erfahrung lehrt, sehr. Der HErr Jesus gab damals Seinen Jüngern auch den Befehl: verkaufet, was ihr habt, und gebet Almosen, und sahe dabei auf ihren besonderen Beruf, nach welchem sie von der Zeit der Bergpredigt an mit Ihm reisen, und hernach ausgehen sollten, das Evangelium zu predigen, folglich kein ordentliches Hauswesen mehr führten durften. Es war also rathsam für sie, daß sie ihre liegenden Güter, welche sie nicht mehr verwalten und benutzen konnten, verkauften, und davon Almosen gaben; wogegen sie sich in der folgenden Zeit von dem Evangelio nähren durften, 1 Kor. 9,7-14. Luk. 10,7. Zu allen Zeiten ist das Almosengeben, woraus es auch bei jenem Verkaufen vornehmlich ankam, das Mittel, im Himmel Schätze zu sammeln, 2 Kor. 9,6.7.(Magnus Friedrich Roos)
Niemand kann zwei Herren dienen: entweder er wird einen hassen, und den andern lieben; oder er wird dem einen anhangen, und den andern verachten.
Matth. 6,24.
Der HErr Jesus sagte diese Worte, da Er Seine Zuhörer belehren wollte, daß sie nicht Gott und dem Mammon zugleich dienen können. Wenn zwei Herren einander feind sing, oder einander entgegen arbeiten, wie Christus und Belial, so ist’s klar genug, daß man nicht beiden zugleich dienen könne: allein der Mammon, das ist zeitliche Habe, ist eigentlich nichts Böses. Er ist sogar ein Geschöpf und eine Gabe Gottes, und doch kann man ihm nicht neben Gott dienen. Gott fordert nämlich, daß man Ihm allein dienen, und seinen Leib und seine Seele Ihm allein aufopfere. Man soll keine anderen Götter neben Ihm haben, folglich auch keinen Herrn, dem man sich ganz widme. Wer den Mammon so liebt, wie man Gott lieben soll, haßt den großen Gott, dessen Zorn man ohnehin alsdann heimlich fühlt, und wer dem Mammon so anhangt, wie man Gott anhangen soll, verachtet den großen Gott, weil er Ihn nicht für würdig hält, daß er Ihm anhange. Hinwiederum wer Gott über Alles liebt, haßt den Mammon mit demjenigen Haß, den Christus Luk. 14,26. befiehlt, weil er etwas Lästiges und Versuchendes ist, und wer Gott anhangt, verachtet den Mammon als etwas Eitles.
Wir sind dem großen Gott einen beständigen Dienst als Seien Kinder und leibeigenen Knechte schuldig: weil Ihm aber kein erzwungener und heuchlerischer Dienst angenehm ist, so will er von uns geliebt sein, und diese Liebe macht den Dienst auch auf des Menschen Seite angenehm und leicht. Das ist die Liebe zu Gott, daß wir Seine Gebote halten, und Seine Gebote sind nicht schwer, 1 Joh. 5,3. Ihm sollen wir anhangen, wie David Ps. 63,9. gesagt hat: meine Seele hanget Dir an, Deine rechte Hand erhält mich, und Paulus 1 Kor. 6,17.: wer dem HErrn anhanget, der ist Ein Geist mit Ihm. Anhangen ist etwas, das aus der Liebe folgt, denn Paulus braucht dieses Wort 1 Kor. 6. von zwei Personen, die Ein Leib werden. Also, sagt er, wird derjenige, der dem HErrn anhangt, Ein Geist mit Ihm. Er wird mit Ihm vereinigt, und will ohne Ihn nicht mehr sein. Den Zuhörern Christi waren diese Pflichten wohl bekannt, denn Moses hatte schon 5 Mos. 10,12. gesagt: nun Israel, was fordert der HErr dein Gott von dir, denn daß du den HErrn deinen Gott fürchtest, daß du in allen Seinen Wegen wandelst, und liebest Ihn, und dienest dem HErrn deinem Gott von ganzem Herzen, und von ganzer Seele, und 5 Mos. 13,4.: ihr sollt dem HErrn eurem Gott folgen, und Ihn fürchten, und Seine Gebote halten, und Seiner Stimme gehorchen, und Ihm dienen, und Ihm anhangen. Wer dem Mammon dient, setzt immer alle seine Leibes- und Seelenkräfte in Bewegung, um ihn zu erhalten und zu vermehren: wer ihn so liebt, wie man Gott lieben soll, preiset ihn über Alles, und ergötzt sich an ihm mehr als an allem Andern, und wer ihm anhangt, ist von ihm gleichsam gefangen, und über seinen Verlust untröstlich. Gott mache mich von Allem, was irdisch und eitel ist, los, und erwecke mich immer mehr zu Seinem Dienst, zur Liebe gegen Ihn, und zum Anhangen an Ihn.(Magnus Friedrich Roos)
Ihr sollt nicht sorgen.
Matth. 6,31.
Salomo hat in seinen Sprüchwörtern oft die Faulen bestraft, und diejenigen, die in ihrem Geschäfte redlich oder fleißig sind, gelobt, Sprüchw. 31. aber eine fleißige und kluge Hausmutter, welche den HErrn fürchtet, mit vielen Worten gepriesen. Christus selbst hat zu Nazareth als ein Zimmermann gearbeitet, und als Er hernach 5000 Mann auf eine wunderthätige Weise gespeist hatte, Seinen Jüngern Joh. 6,12. befohlen: sammlet die übrigen Brocken, daß nichts umkomme; Paulus aber hat mit Arbeit und Mühe Tag und Nacht neben dem Predigtamt als ein Zeltentuchmacher gearbeitet, damit er Niemand mit seinem Unterhalt beschwerlich würde, und deßwegen diejenigen, die unordentlich wandeln, nicht arbeiten und unnöthige Dinge treiben, desto freimüthiger bestrafen könnte, und dabei den Ausspruch gethan: so Jemand nicht will arbeiten, der soll auch nicht essen, 2 Thess. 3,10. Da also Christus sagte: ihr sollt nicht sorgen, so hat Er den Fleiß und die Sparsamkeit und Klugheit, welche zur guten Einrichtung einer Haushaltung und zur Erwerbung des täglichen Brodes angewendet werden, nicht verboten. Indem Er sprach: ihr sollt nicht sorgen, so gebot Er Christen die einen Vater im Himmel haben, sie sollen nicht mit einer unglaubigen Angst und Bekümmerniß sagen: was werden wir essen, was werden wir trinken, womit werden wir uns kleiden? Er setzt hier voraus, daß Leute, die so ängstlich fragen, heute Etwas zu essen und zu trinken haben und bekleidet seien, auf’s Künftige aber in Ansehung der Nahrung und Kleider keine gewisse und deutliche Aussicht haben. Freilich sorgt derjenige, der heute etwas hat, immer für den andern Morgen. Er hat heute Brod, indem er’s aber ißt, so ißt er’s mit Sorgen Ps. 127,2., weil er sich darüber ängstet, er werde morgen, oder im nächsten Jahr oder Vierteljahr keines mehr zu essen haben. Wenn aber der morgende Tag, oder das nächste Jahr oder Vierteljahr kommt, so beschert Gott wieder das Nöthige, und hilft durch. Wenn aber der Mensch die Vorsorge Gottes nicht erkennen lernt, und nicht glaubiger wird, so sorgt er alsdann wieder für den andern Morgen, oder für die künftige Zeit, und so bringt er sein Leben unter kümmerlichen Gedanken zu, und wird der Güte Gottes, die alle Morgen neu ist, nie froh.
Da Christus das Sorgen in der Bergpredigt verbot, so hatte Er viele arme Zuhörer vor sich, wie dann zur Zeit Seines Wandels auf Erden die Armuth in dem Land Israels, welches allzustark bevölkert war, und von einer ungerechten Obrigkeit regiert wurde, sehr groß war. Weil Er aber selber arm war, und zu Seinem eigenen Unterhalt nie ein Wunder that, so konnte Er den armen Leuten desto geziemender zurufen: sorget nicht, vertrauet dem himmlischen Vater über eurer Nahrung. Unterscheidet euch durch dieses euer Vertrauen von den Heiden. Sehet die Vögel unter dem Himmel an, sie säen nicht, sie ernten nicht, sie sammlen auch nicht in die Scheuren, wie ihr Arme dieses auch nicht thun könnet: und euer himmlischer Vater nähret sie doch. Seid ihr denn nicht viel mehr denn sie? Schauet die Lilien auf dem Feld, wie sie wachsen, wie sie so schön bekleidet sind: sollte Gott das nicht vielmehr euch thun? O ihr Kleingläubigen! Nun Gott erfüllt die Worte Seines eingebornen Sohnes. Er thut und hat bisher gethan, was dieser gesagt hat. Nun sollen wir glauben, daß er’s auch in’s Künftige thun werde.(Magnus Friedrich Roos)
Mat. 7
Es werden nicht Alle, die zu Mir sagen: HErr HErr, in das Himmelreich kommen, sondern die den Willen thun Meines Vaters im Himmel.
Matth. 7,21.
Schon damals, da unser Heiland die Bergpredigt hielt, gab es Leute, die Ihn HErr nannten, obschon der Name HErr bei den Juden nicht so gewöhnlich war, als er heut zu Tag ist. Es scheint auch, es habe Leute gegeben, die, um sich Ihm gefällig zu machen, den Titel HErr gegen Ihn gar oft wiederholten. Nun sagte Er zwar nicht, daß Ihm dieser Titel nicht gebühre, bezeugte aber doch, daß nicht Alle, die zu Ihm sagen: HErr, HErr, in das Himmelreich kommen, gleichwie man heut zu Tag sagen kann, daß nicht Alle, die von dem HErrn Jesu schreiben, predigen, hören, lesen, reden, oder Seinen Namen im Beten nennen, in das Himmelreich kommen. Welche sind es aber, die darein kommen? Diejenigen, die den Willen Seines Vaters im Himmel thun. Der Wille des Vaters ist auch Sein Wille, und eben deßwegen, weil man Ihn HErr nennen darf, soll man auch Seinen Willen thun, und Seine Gebote halten, Off. 22,14. Es war aber im Stand der Erniedrigung, da Er noch nicht verklärt war, Seine Weise, die Menschen, wenn Er ihnen etwas Göttliches vorhalten wollte, auf den unsichtbaren Vater in dem Himmel zu weisen: dieser war Sein Vater in einem besondern Verstand, denn Er war der eigene und eingeborne Sohn Gottes. Es ist aber der Wille und das Gebot des himmlischen Vaters, daß wir glauben an den Namen Seines Sohnes. Sein Wille ist unsere Heiligung. Sein Wille ist überhaupt Alles, was uns in der heiligen Schrift geboten ist. Diesen Willen sollen wir aber nicht nur wissen, sondern auch thun, folglich gute Bäume sein, die gute Früchte tragen, wie der Heiland vorher gesagt hatte. Dazu wird aber ein solches Herz und ein solcher Sinn erfordert, als Er Matth. 5,2-12. beschreibt. Zu diesem Zweck ist aber auch nöthig, daß man den wahren Sinn des göttlichen Gesetzes verstehe, ein einfältiges Auge habe, und ernstlich bete. So wenig man Gott nach eigenem Gutdünken oder nach Menschensatzungen dienen darf: so wenig darf man in Ansehung Seines geoffenbarten Willens gleichgültig sein. Ein Mensch kann ohnehin nicht unthätig sein. Thut er den Willen seines Gottes nicht, so ist er ein Uebelthäter, und wird, wenn er ein solcher bleibt, mit Andern seines Gleichen am jüngsten Tag das schreckliche Urtheil hören: Ich habe euch noch die für die Meinigen erkannt, weichet von Mir, ihr Uebelthäter. So sei denn unser Wille dem Willen des himmlischen Vaters unterworfen, und der HErr Jesus, der zu Ihm gesagt hat: Deinen Willen, Mein Gott, thue Ich gerne, gebe uns auch von Seinem Sinn und Geist, und mache uns tüchtig, in den Fußstapfen Seines lautern Gehorsams zu wandeln. Es ist nicht nöthig, daß wir hiebei große Thaten thun, wie Einige am jüngsten Tag von sich rühmen werden. Wenn wir nur die Pflichten, die unser geringer Stand mit sich bringt, treulich erfüllen, und die damit verbundenen Beschwerden williglich ertragen, und überhaupt als Kinder vor unserm himmlischen Vater wandeln, so wird Er unser Thun höher achten, als wir selber, und uns am jüngsten Tag einen größern Gnadenlohn geben, als wir gehofft hatten. (Magnus Friedrich Roos)
Wer diese Rede höret, und thut sie, den vergleiche ich einem klugen Manne, der sein Haus auf einen Felsen bauet.
Matth. 7,24.
Die Rede Christi, die man hören und thun muß, wenn man als ein kluger Mann sein Haus auf einen Felsen bauen will, ist die Bergpredigt, welche Matth. 5.6. und 7. enthalten ist. Nach derselben soll ein Mensch bei dem Genuß des Himmelreichs arm im Geist sein, bei der Erwartung des göttlichen Trostes Leid tragen, bei der Hoffnung, das Erdreich zu besitzen, Sanftmuth ausüben, bei der Hoffnung der Sättigung nach der Gerechtigkeit hungern und dürsten. Er soll barmherzig sein, damit er auch Gott schauen möge; er soll friedfertig sein, um ein Kind Gottes zu heißen; und sich in der Hoffnung der himmlischen Belohnung um der Gerechtigkeit willen verfolgen und schmähen lassen. Endlich soll er mit allen Heiligen ein Salz der Erden und ein Licht der Welt sein. Ein solcher Mensch ist nach dem Ausspruch Christi ein seliger Mensch, und hat sein Haus auf den Felsen gebauet. Christus ging aber in Seiner Rede noch weiter zurück, und sagte, man solle nicht meinen, daß das göttliche Gesetz im Himmelreich nimmer gelte, sondern es vielmehr nach seinem geistlichen Sinn recht verstehen, wie es eine herzliche Liebe des Nächsten, innerliche Keuschheit, Heiligung des Namens Gottes, einen friedfertigen und demüthigen Sinn, die Liebe der Feinde und eine ganze Gerechtigkeit gebiete. Hier prüfe sich ein Jeder, und ringe darnach, daß er diese Gebote halten könne. Christus lehrte ferner, daß man nicht in der Heuchelei und aus Ehrgeiz, oder Geldgeiz, Almosen geben, beten und andere gottesdienstliche Uebungen vornehmen solle. Das Herz müsse hiebei zu dem himmlischen Vater gerichtet, der Sinn dem Vater Unser gemäß, und die Absicht lauter sein. Wer Gottes Diener sein wolle, könne insonderheit kein Mammonsdiener sein, und sich mit Sorgen quälen. Er sagte ferner, Andere richten, und seiner eigenen Sünden vergessen, sei schändlich, Andere unvorsichtig bestrafen, gefährlich. Er verheißt den Betenden die Erhörung, und faßt endlich das ganze Thun eines seligen Menschen, Matth. 7,12., in eine kurze Regel, und V. 13-20. in die verblümten Vorstellungen von einer Pforte und einem Weg, und von Bäumen, die Früchte tragen, zusammen; wiewohl Er V. 21.22.23. auch unverblümt davon redet. Diese Rede Christi ist’s nun, die man hören und thun soll. Sie hören ist gut: thun aber, das ist, in Seinem Sinn und Wandel sich darnach richten, noch besser, und jenes würde ohne dieses nichts nützen. Wer sie aber hört und thut, ist ein kluger Mann, der sein Haus der Hoffnung auf einen Felsen bauet, wo es gegen alle Anfälle, die unausbleiblich sind, und zur Prüfung dienen, fest steht. Seine Hoffnung wird ihn nie lassen zu Schanden werden. HErr Jesu, heilige uns in Deiner Wahrheit: Dein Wort ist die Wahrheit, Deine Lehre durchdringe unsere Herzen, und bilde unsern Sinn und Wandel, damit wir auf Dich, den unbeweglichen Felsen, zur Erlangung eines ewigen Heils erbauet werden! (Magnus Friedrich Roos)
Mat. 10
Eures Vaters Geist ist’s, der durch euch redet.
Matth. 10,20.
Als der HErr Jesus Seine zwölf Apostel aussandte, das Evangelium etliche Wochen lang in den israelitischen Städten und Flecken zu predigen, so befahl, verkündigte, und verhieß Er ihnen Vieles nicht nur in der Absicht auf diese kurze Reise, sondern auch in der Absicht auf ihren Ausgang in alle Welt, den sie nach Seiner Himmelfahrt machen mußten. Er sagte unter Anderem Matth. 10,17.18.19.20.: hütet euch vor den Menschen, denn sie werden euch überantworten vor ihre Rathhäuser, und werden euch geißeln in ihren Schulen, und man wird euch vor Fürsten und Könige führen um Meinetwillen, zum Zeugniß über sie (die Juden) und über die Heiden. Wenn sie euch nun überantworten werden, so sorget nicht, wie und was ihr reden sollet; denn es soll euch zu der Stunde gegeben werden, was ihr reden sollet; denn ihr seid es nicht, die da reden, sondern eures Vaters Geist ist es, der durch euch redet. Wenn die Apostel und andere Jünger Jesu vor Fürsten, Könige und andere Richter geführt wurden, so hätten sie als ungelehrte Leute, die keines Umgangs mit den Großen in der Welt gewohnt waren, von der Furcht übernommen werden können, daß sie gar nichts hätten reden können, oder ungeschickt geredet hätte; da dann das nöthige Zeugniß für Juden und Heiden nicht abgelegt, und der Name Christi geschmäht worden wäre. Auf solche Fälle nun verhieß der Heiland Seinen Jüngern, es werde ihnen zur Stunde gegeben werden, was sie reden sollen, denn ihres Vaters Geist sei es, der durch sie rede. Stephanus und Paulus, deren Reden in der Apostel Geschichten beschrieben worden, haben neben vielen Andern die Erfüllung dieser Verheißung genossen. Aber nicht nur vor Königen und Fürsten und auf Rathhäusern, sondern auch bei andern Gelegenheiten hat der Geist des Vaters durch die Apostel geredet; denn da dieser Geist die Welt von der Sünde, von der Gerechtigkeit und von dem Gericht überzeugte, wie der Heiland Joh. 16,8. verheißen hat, so that Er’s durch den Mund der Apostel und anderer Prediger des Evangeliums, und thut’s noch auf diese Weise: auch hat Paulus 1 Kor. 2,13. bezeugt, daß er und Andere das Evangelium mit Worten, die der Heilige Geist lehre, predigen, und Röm. 15,18., er dürfte nicht etwas reden, wo dasselbe Christus nicht (durch Seinen Geist) in ihm wirkte. Wir lernen hieraus, daß Gott nicht nur den Menschen eine Gabe schenke, mit Weisheit von den Glaubenslehren, oder mit Erkenntniß von dem nöthigen klugen Verhalten zu reden, 1 Kor. 12,8., sondern daß Er auch zu jeder Stunde gebe, was man reden (oder auch schreiben) soll, und daß Sein Geist alsdann durch die Menschen rede, folglich die Gott gefälligen Gedanken und Worte in ihren Seelen bilde, und sie zugleich von der Furcht befreie, damit sie dieselben aussprechen können. Ist eine Seele so rein und so in der Gewalt Gottes, wie die Seelen der Apostel waren, so ist alsdann das Wort, das sie durch den Mund hervorgibt, ein lauteres Wort Gottes; fließen aber unter die Worte, die der Heilige Geist sie lehret, auch solche hinein, welche von dem menschlichen Willen entstehen, so müssen die Worte gerichtet und geprüft werden, wie Paulus 1 Kor. 14,29. bei denen, die in der Korinthischen Gemeinde weissagten, für nöthig achtet. Bei gerichtlichen Verhören hatte keine Vorbereitung zum Reden statt; sonst kann der Geist des himmlischen Vaters auch bei einer solchen Vorbereitung wirksam sein, und die Worte, die man hernach reden solle, mittheilen. Wehe dem, der ohne die Wirkung dieses Heiligen Geistes redet und schreibt! (Magnus Friedrich Roos)
Fürchtet euch nicht vor denen, die den Leib tödten, und die Seele nicht mögen tödten. Fürchtet euch aber vor Dem, der Leib und Seele verderben mag in die Hölle.
Matth. 10,28.
Es ist schon oft der Fall entstanden, daß ein Christ bei der Treue, die er seinem Heiland erweisen, und bei dem Zeugniß, das er von Ihm hat ablegen sollen, sein Leben hat wagen müssen; da dann die Furcht vor denen, die den Leib unter schrecklichen und schmählichen Umständen tödten können, zu einer schweren Versuchung werden kann. Der Heiland sagt aber: fürchtet euch nicht vor denen, die den Leib tödten, und die Seele, die nach ihrer Natur unzerstörbar ist, in welcher aber auch durch die Widergeburt schon ein ewiges Leben angerichtet ist, nicht tödten können. Werdet ihr versucht zu weichen, Mich zu verleugnen, und in die Forderungen der Welt einzuwilligen, so bedenket, daß ein HErr sei, der Leib und Seele in die Feuerhölle werfen, und darin verderben kann. Diesen fürchtet. Ach wie schrecklich ist’s, wenn das Ende eines Menschen das Verderben ist, wie Paulus Phil. 3,19. redet! Der Leib und die Seele werden dabei nicht zu nichts gemacht: sie blieben, sie empfinden, sie müssen ihre gerechte Strafe leiden, nämlich ewiges Verderben von dem Angesicht des HErrn, und von Seiner herrlichen Macht. Sie werden in den feurigen Pfuhl geworfen, und dieß wird der andere Tod sein, Offenb. 20,14.15. Da wird das Theil derjenigen sein, welche die Knechte Gottes gehaßt, geplagt, verfolgt, und durch Drohungen zum Abfall von Christo gedrungen haben, aber auch das Theil der Verzagten (Offenb. 21,8.), welche Christum verleugnet, und ein Leben, das eine Hand breit ist, und etliche durch Gewissensbisse und anderes Ungemach verbitterte zeitliche Vortheile Seiner überschwenglichen Gnade und Seinem himmlischen Reich vorgezogen haben. Soll nun ein Christ zur Zeit einer öffentlichen Verfolgung diejenigen nicht fürchten, die seinen Leib tödten wollen, so soll er diejenigen noch weniger fürchten, die ihm nur durch verdrießliche Mienen, durch bittere Vorwürfe und Scheltworte, durch Schläge, oder durch Entziehung zeitlicher Vortheile das wahre Christenthum entleiden und verwehren wollen. Alle, die da gottselig leben wollen in Christo Jesu, müssen in gewissem Maße Verfolgung leiden: Gott hat uns aber nicht gegeben den Geist der Furcht, sondern der Kraft und der Liebe und der Zucht, 2 Tim. 1,7. Wir sind nicht von denen, die da weichen und verdammt werden, sondern von denen, die glauben und ihre Seele retten, Hebr. 10,39. Niemand aber unter uns leide als ein Mörder, oder Dieb, oder Uebelthäter, oder der in ein fremd Amt greifet. Leidet er aber als ein Christ, so schäme er sich nicht, er ehre aber Gott in diesem Fall 1 Petr. 4,15.16. Wie kann man aber Gott in diesem Fall ehren? So, wenn man glaubt, was 1 Petr. 4,12.13.14. steht, und thut, was eben daselbst V. 19. und Offenb. Joh. 2,10.11. geschrieben ist. Ob es schon zuweilen scheint, daß die Menschen die völlige Gewalt haben, ihren Muthwillen auszuüben: so ist doch wahr, was Christus Matth. 10,30. zu Seinen Jüngern sagte: es sind eure Haare auf dem Haupt alle gezählet.(Magnus Friedrich Roos)
Mat. 11
Selig ist, der sich nicht an Mir ärgert.
Matth. 11,6.
Von dem HErrn Jesu wird niemals in der Bibel gesagt, daß Er sich an etwas geärgert habe, ob Er gleich viel Böses unter den Menschen gesehen und gehört hat: denn nur derjenige ärgert sich, dessen Glaube, oder Liebe, oder Hoffnung durch dasjenige, was er sieht oder hört, geschwächt, oder der durch das Gehörte und Gesehene in die Gottlosigkeit, worin er schon steckt, noch weiter hineingetrieben wird. Wer aber das Böse, das er sieht und hört, in dem göttlichen Licht weislich beurtheilen, und Gottes Zulassung dabei preisen kann, ärgert sich nicht; wer aber in der Finsterniß wandelt, stößt oder ärgert sich leicht, ja er ärgert sich an Vielem, das heilig und gut ist. Es ist wunderbar, daß sich Viele auch an dem HErrn Jesu, der das sichtbare Bild des unsichtbaren Gottes war, geärgert haben, so lange Er auf Erden war, und Er deßwegen denjenigen selig gepriesen, der sich damals nicht an Ihm ärgerte. Es hat aber schon Jesaias Kap. 8,14.15. und Kap. 52,14. 53,23.3.4 von diesem Aergerniß geweissagt. Man ärgerte sich an Jesu wegen Seiner armen Mutter und Anverwandten, wegen Seines unansehnlichen Aufzuges, wegen Seiner Lehre, in welcher Er von Gott als Seinem Vater redete, und unter Anderem auch sagte: was zum Munde eingehe, verunreinige den Menschen nicht. Auch ärgerte man sich an Seiner Leutseligkeit, nach welcher Er mit den Leuten aß und trank, und insonderheit Sich zu Zöllnern und Sündern freundlich neigte, und nannte Ihn deßwegen einen Fresser und Weinsäufer, einen Zöllner- und Sündergesellen. Man ärgerte sich auch, weil Er den Sabbath nicht auf eine so abgeschmackte und übertriebene Weise hielt, wie die Juden nach der Anleitung ihrer blinden Lehrer zu thun gewohnt waren, und z.B. an demselben Kranke gesund machte. Vielleicht ärgerten sich auch Einige daran, daß Er dem Täufer Johannes nicht durch ein Wunder aus dem Gefängniß half. Man ärgerte sich auch an dem geringen Stand Seiner Anhänger; am allermeisten aber an Seinem letzten Leiden, und an Seinem Kreuzestod. Die Ursache dieses Aergernisses war diese, daß die Juden sich von dem Messias und von der Heiligkeit falsche Begriffe gemacht hatten, und lieber Jesum und Seine Lehre und Werke verwarfen, als daß sie von ihren eigenen Vorstellungen etwas abgegeben hätten. Heut zu Tage ist unter den Christen das Aergerniß an der Vorsehung Gotte, und an Seinen Kindern sehr gemein. Der Weg, demselben zu entgehen, ist dieser: haltet euch nicht selbst für klug; bleibet immer Schüler der Weisheit, und redet nie, als ob ihr Meister wäret; Gott ist allein weise, Alles, was Er thut, das ist recht; lasset euren Augen Seine Wege wohlgefallen; wandelt im Licht und in der Liebe; sehet auf euch selbst, und ziehet die Balken aus euren Augen; richtet nicht, so werdet ihr auch nicht gerichtet. Kein Licht auf der Erde ist ohne Schatten, keine Heiligkeit ohne Mängel. Auch sind mancherlei geistliche Stufen und Gaben, und der HErr führt Seine Heiligen wunderlich. Endlich wird ein Jeder für sich selbst Rechenschaft geben müssen. Auch du, der du immer richtest, und dich ärgerst, und nirgends keine frommen Leute nach deiner Vorstellung finden kannst, wirst endlich Rechenschaft geben müssen, warum du nicht fromm, ja nicht frömmer als Andere, die du richtest, worden seiest.(Magnus Friedrich Roos)
Kommet her zu Mir, Alle, die ihr mühselig und beladen seid, Ich will euch erquicken – Ich bin sanftmüthig und von Herzen demüthig – ihr werdet Ruhe finden für eure Seelen.
Matth. 11,28.29.
David sagt Ps. 23,1.2.3.: der HErr ist mein Hirt, mir wird nichts mangeln – Er führet mich zu den Wassern der Ruhe – Er erquicket meine Seele. Ps. 19,8. aber und in vielen Stellen des Ps. 119. preiset er die erquickende Kraft des göttlichen Wortes. Das Hohe Lied aber ist eine sehr rührende Beschreibung geistlicher Erquickungen, so treue Seelen von dem Sohn Gottes empfangen. Jesaias gibt dieses als den Inhalt der Verheißungen und des Evangelii an, daß man zu den Menschen sage: so hat man Ruhe, so erquicke man die Müden, so wird man stille, wiewohl er hinzusetzt: aber sie wollen doch solcher Predigt nicht. Der HErr Jesus entdeckt aber Matth. 11,28. am deutlichsten, wer eine geistliche Erquickung gebe, und worauf es hiebei ankomme. Die Mühseligen und Beladenen, sagt Er, sollen zu Ihm kommen, Er wolle sie erquicken. Die Seele ist nämlich nicht nur ein denkendes, sondern auch ein empfindendes Wesen, und hat, wenn sie wiedergeboren ist, neue Sinnen, wodurch sich der HErr Jesus ihr zu genießen geben, und sie erquicken kann. Nach denselben kann sie schmecken und sehen, wie freundlich Er ist, Ps. 34,9. Wenn Er unsichtbar zu ihr nahet, so kann sie die angenehme Inbrunst fühlen, welche die Jünger auf dem Weg nach Emmaus empfunden haben. Ja wenn diese ihre geistlichen Sinnen recht erstarkt sind, so ist ihr nichts von allem demjenigen versagt, wovon Salomo im Hohen Lied zeugt. Dieses sind geheime Erfahrungen, wovon schon viele Heilige und Geliebte Gottes gezeugt haben, die man aber denen, welche sie nicht haben, mit Worten nicht begreiflich machen kann. Der HErr Jesus erquickt also die Mühseligen und Beladenen, wenn sie das erste Mal zu Ihm kommen, zum ersten Mal, hernach aber noch öfter, und richtet dadurch die Frucht des Geistes in ihnen an, welche das Gesetz nicht hervorbringen konnte; diese Frucht aber ist Liebe, Freude, Friede, Geduld, Freundlichkeit, Gütigkeit, Glaube, Sanftmuth, Keuschheit, Gal. 5,22. Welch’ eine süße Frucht ist dieses, die gewiß aus einer süßen Wurzel hervorwachsen muß! Wenn also gleich diese Erquickungen nicht an Einem fort währen, so bleibt doch ihre Frucht beständig. Nach einer andern Vorstellung kann man sagen, daß solche Christen das Joch Christi, welches sanft ist, anstatt der vorigen Bürde auf sich lieben haben, das ist, von Ihm als ihrem HErrn freundlich regiert werden, und von Ihm täglich lernen, was sie glauben und thun sollen, folglich Seine leichte Last tragen, wie denn die Propheten ihre Lehre oder Weissagung eine Last des HErrn zu nennen pflegten. Hiebei dürfen sie sich nicht mehr mit den Kräften ihrer Natur zerarbeiten, wie vorher, weil die Last oder Lehre Jesu ihnen selbst geistliche Kräfte gibt. Weil sie schwach sind, kommt ihnen die Sanftmuth Jesu, und weil sie gering und verächtlich sind, Seine herzliche Demuth zu statten. Und so finden sie eine Ruhe für ihre Seelen, welche ein Angeld und Vorschmack der ewigen Ruhe ist. Sind wir nun zu Jesu gekommen? Und kommen wir, so oft wir uns mit irdischen Dingen bemüth, oder gar befleckt haben, täglich zu Ihm? Ach es geschehe also; denn wir dürfen nicht meinen, daß Er bei Seiner unermeßlichen Liebe unserer müde werde; wie Er denn selber Joh. 6,37. sagt: wer zu Mir kommt, den werde Ich nicht hinausstoßen.(Magnus Friedrich Roos)
Mat. 12
Das zerstoßene Rohr wird Er nicht zerbrechen, und das glimmende Docht wird Er nicht auslöschen.
Matth. 12,20.
Diese Worte werden von dem Evangelisten Matthäus nebst andern aus Jes. 42,1.2.3.4. angezogen und auf den HErrn Jesum gedeutet, von dem sei auch bei dem Propheten handeln. Nachdem nämlich der Evangelist erzählt hatte, wie der HErr Jesus den Pharisäern, welche einen Mordanschlag über Ihn ausdachten, aus dem Weg gegangen, und wie Er zwar die Kranken unter dem Volk, das Ihm nachgefolgt, geheilt, dem Volk selber aber zugleich befohlen habe, Ihn nicht zu melden, und Seine stille Amtsführung durch unvorsichtiges Reden von Seinen Wundern nicht zu stören, so führte Er alsdann die Worte des Jesaias an, um zu zeigen, daß der Messias schon von diesem Propheten nach Seinem sanften und stillen Sinn beschrieben worden sei. Jesaias sagte unter Anderem: Er wird nicht schreien noch rufen; Matthäus aber, um diese Worte einigermaßen zu erklären, schrieb: Er wird nicht zanken noch schreien. Der HErr Jesus hat zwar oft mit einer lauten Stimme reden müssen, wenn Er viele Leute unter dem freien Himmel vor Sich hatte, auch hat Er einigemal Seine Worte im Eifer besonders laut ausgerufen, s. Joh. 7,37. 12,44., und am Oelberg Gebet und Flehen mit starkem Geschrei und Thränen geopfert, Hebr. 5,7. Hingegen hat Er nie zankend geschrieen, und Seine Stimme nie zu diesem Ende erhoben. Man hörte auch Seine Stimme nie auf den Gassen. Die Gassen, von welchen hier die Rede ist, sind die breiten Hauptstraßen der Städte, wo gemeiniglich ein Getöse ist, welche in den jüdischen Städten, die ungemein bevölkert waren, besonders groß war. Hier hat Er nun Seine Stimme nie hören lassen, um ein Aufsehen zu machen, und noch weniger hat Er in diesen Gassen das Volk zusammenberufen, um Ihm wider die Pharisäer zu Hülfe zu kommen. Was hat Er hingegen gethan? Er hat das zerstoßene Roh nicht zerbrochen und das glimmende Docht nicht ausgelöscht; das ist, Er hat schwache, aber redliche Seelen nicht durch ein scharfes Verfahren um das wenige Gute, das sie hatten, gebracht, Er hat sie, wenn sie furchtsam waren, nicht weiter erschreckt, und wenn Er sah, daß sie nicht fern vom Reiche Gottes seien, sie nicht fortgejagt. Er war hold, sanft, freundlich, doch ohne Schmeichelei. Was Hiob Kap. 31,18. von sich sagt, daß er nämlich gern getröstet habe, konnte man mit einem viel größern Recht von Jesu sagen, wie es auch Jes. 61,2.3. von Ihm geweissagt war. Er sah alles Fehlerhafte, aber Er übersah viel. Bei der höchstehrwürdigen Heiligkeit, die aus Seinen Geberden, Worten und Werken herausleuchtete, hatten doch alle geängsteten, traurigen, armen und verachteten Leute Zuversicht genug, zu Ihm zu nahen, Ihn um Alles zu bitten, und zuweilen lange bis zu Seiner merklichen Beschwerde bei Ihm zu bleiben. Der Sinn des HErrn Jesu hat sich bei Seiner Erhöhung nicht geändert. Seine Worte lauten auch in der Bibel so, wie Er sie ausgesprochen hat. Lasset uns Zuversicht zu Ihm fassen wenn wir uns auch schwach fühlen, und zuversichtlich hoffen, daß Er uns stärken werde: lasset uns aber auch Seinem Vorbilde ähnlich werden, und mit Schwachen sanftmüthig umgehen.
Die Menschen müssen Rechenschaft geben am jüngsten Gericht von einem jeden unnützen Wort, das sie geredet haben.
Matth. 12,36.
Wer ist, der seine eigene Gerechtigkeit vor Gott zu behaupten sich trauen könnte, wenn er diesen Spruch mit Bedacht liest? Du hast vielleicht diese oder jene Uebelthaten nicht begangen, und dich überhaupt wohlanständiger Sitten beflissen: allein du hast doch in deinem Leben eine große Menge unnützer Worte geredet, und wegen diesen allen mußt du am jüngsten Gericht Rechenschaft geben, wenn du bei Leibesleben keine Vergebung derselben erlangst. Ist’s also nicht wahr, was David Ps. 130,3. schrieb: wenn Du willst, HErr, Sünde zurechnen: HErr, wer wird bestehen? Unnütze Worte sind solche, die man nur aus Langeweile oder Leichtsinn, oder Ehrgeiz, oder in der Absicht, Andere zu verleumden und zu betrügen, redet. Es sind solche, deren Quelle weder das geistliche Leben, das in den Wiedergebornen ist, noch zutheuerst das Gewissen ist, welches alle Menschen haben. Sie sind eine faule Frucht eines faulen Baumes. Sie sind böse Ausflüsse von dem Bösen, dessen das Herz voll ist. Sie sind böse Ausgaben von dem bösen Herzensschatz eines bösen Menschen, V. 33.34.35. Die Lästerung wider den Heiligen Geist, welche die Pharisäer damals, da der HErr Jesus dieses Alles redete, vorgebracht hatten, ist die ärgste Gattung solcher unnützen Worte; die spöttische und aus einem unglaubigen Herzen fließende Rede: Meister, wir wollten gern ein Zeichen von dir sehen, V. 38., gehörte zu einer andern Gattung unnützer Reden; eine andere Gattung sind faule oder stinkende Reden, denen Paulus Eph. 4,29. gute, erbauliche, und zur Gnade verhelfende entgegensetzt, und so sind überhaupt alle Reden, deren Ausbildung im Gemüth, und deren Ausgang aus dem Mund kein Werk ist, das Gott gefallen könnte, unnütze Worte. Wenn meine Worte bei Andern aus ihrer Schuld keinen Nutzen schaffen, so wird es mir nicht zugerechnet: nur sollen sie bei mir aus einem guten Schatz hervorkommen, mit Bedacht geredet, und ein ernsthaftes Werk sein. Am jüngsten Gericht werden die Worte, welche die Menschen geredet haben, sehr Vieles austragen; wie denn Christus V. 37. sagt: aus deinen Worten wirst du gerechtfertigt werden, und aus deinen Worten wirst du verdammt werden. Wenn die Worte ohne alle Heuchelei so lauten, wie der Sinn des Herzens beschaffen ist, so sind sie geradezu ein Beweis von der innerlichen Beschaffenheit des Menschen: werden sie aber in Heuchelei geredet, so daß sie Wahrheit enthalten, wenn schon im Herzen keine Wahrheit ist, so geben sie einen Beweis wider den Menschen selber ab, wovon Luk. 6,46. ein Beispiel vorkommt, da Christus denen, die Ihn mit dem Munde HErr, HErr nannten, vorhält, warum sie denn nicht thun, was Er sage? Auch wird der Richter zu einem faulen Knecht, der von Seinen strengen Rechten geredet hatte, sagen: aus deinem Munde richte ich dich, du Schalk, Luk. 19,22. Ein solches Gericht wird nach Röm. 2,17-24. über alle wohl unterrichteten Juden und Christen, folglich auch in einem noch größern Maß über alle Lehrer und Prediger, die unbekehrt geblieben sind, gehen. Wohlredenheit ist nicht das Erste, worauf sich die Menschen legen sollen. Darum lieben Brüder, ein jeglicher Mensch sei schnell zu hören, langsam aber zu reden, und langsam zum Zorn, Jak. 1,19. Gott ist im Himmel, und du auf Erden, darum laß deiner Worte wenig sein. Pred. Sal. 5,1.(Magnus Friedrich Roos)
Mat. 13
Wer da hat, dem wird gegeben, daß er die Fülle habe, wer aber nicht hat, von dem wird auch genommen, dass er hat.
Matth. 13,12.
Dieses ist die Regel, nach welcher der große Gott mit den Menschen handelt, die selig werden sollen. Er gibt ihnen etwas, aber nicht Alles auf einmal. Den Christenkindern gibt Er die Taufgnade: den Erwachsenen etwas von einer kräftigen Erkenntniß. Wenn sie nun nach einiger Zeit noch haben, was Er ihnen gegeben hat, so gibt Er ihnen noch mehr: und in dieser Ordnung geht es fort, daß die Menschen endlich die Fülle, oder einen geistlichen Reichthum bekommen. Wenn aber ein Mensch nicht hat, was er haben könnte und sollte, so wird auch von ihm genommen, was er hat, und als ein beständiges Eigenthum zu haben vermeint hat, Luk. 8,18. Nach dieser Regel wird Christus sogar am jüngsten Tage handeln, s. Matth. 25,28.29. Es erhellt aus dieser Regel, welche auch Mark. 4,25., folglich viermal in den Evangelisten vorkommt, daß ein untreuer Mensch, welcher endlich dem schweren Gericht Gottes heimfällt, etwas habe, und etwas nicht habe. Er hat etwas, weil ihm etwas durch das göttliche Gericht wider seinen Willen genommen werden kann: er hat aber auch etwas nicht, und weil er dieses nicht hat, so wird ihm jenes genommen. Was hat er denn? Einen Centner (Talent), oder eine Gabe und Fähigkeit, etwas zu fassen und auszurichten, und etwa auch ein gewisses Maß der Erkenntniß des göttlichen Willens nach dem Gesetz. Was hat er aber nicht? Die Taufgnade, die Bekehrungsgnade, den Glauben an Christum, die Gabe des Heiligen Geistes, ob ihm schon die Taufgnade ehemals ohne sein Willen geschenkt, und das Uebrige hernach zu gewissen Zeiten kräftig angetragen worden ist. Er hat auch die Rührungen nicht mehr, die er gehabt hat, sondern ist hart und unempfindlich worden. Wen nun ein Mensch seinen Verlust und Mangel mit Scham und Wehmuth fühlt, und sich mit vielem Seufzen und Flehen zu Jesu Christo wendet, in dem alle Fülle wohnet, so kann er noch umsonst und ohne Geld von Ihm kaufen, was er nöthig hat, und so reich werden, wie Er selbst dem Engel der Gemeinde zu Laodicäa gerathen hat, Offenb. Joh. 3. Wenn aber ein Mensch bis an sein Ende unbekehrt bleiben, und gern der Gnade Jesu Christi und der Gabe des Heiligen Geistes entbehren will, weil er alsdann nach seinen Lüsten sündigen kann, so wird endlich von ihm genommen werden, was er noch hatte. Durch das ewige Gericht Gottes wird er alles Licht und alle Kraft, alle Fähigkeit und Heiterkeit verlieren. Sein Centner wird von ihm genommen werden. Wenn in der Geisterhölle (Scheol) weder Werk, Kunst, Vernunft, noch Weisheit ist, Pred. Sal. 9,10.: wie viel weniger wird dergleichen etwas bei denen sein, die den andern Tod leiden, und in den höllischen Feuersee kommen? Hingegen ist der einige sichere Weg, auf dem man ein geistliches Wachsthum erreichen kann, dieser, daß man habe, was Gott schon gegeben hat, und alsdann noch mehr empfange. Wir haben nichts, als was uns Gott gibt. Es gibt Zeiten, wo man nur das Gegebene treulich bewahren und anwenden muß: es kommen aber auch Stunden (sonderlich in und nach einem Leiden), worin man etwas Neues empfangen darf. So wächst man in der Gnade und Erkenntniß Jesu Christi.(Magnus Friedrich Roos)
Des Menschen Sohn wird Seine Engel senden, und sie werden sammeln aus Seinem Reich alle Aergernisse, und die da Unrecht thun, und werden sie in den Feuerofen werfen.
Matth. 13,41.42.
So erklärte Jesus den letzten Theil des Gleichnisses vom Waizen und Unkraut. Die Engel, welche im Gleichniß Schnitter genannt werden, sind Seine Engel, und das Himmelreich ist Sein Reich. Diejenigen, welche im Gleichniß das Unkraut genennet werden, sind die Aergernisse oder ärgerlichen Leute, welche Allen, die mit ihnen zu thun haben, zur Versuchung werden, und überdieß selber Unrecht thun und das Gesetz Gottes nicht achten. Das Unkraut steht und wächst unter dem Waizen und auf einem Acker mit dem Waizen, gleichwie auch die Gottlosen mit den Gerechten in eine Erde, auf einen Kirchhof, ja auch zuweilen in ein Grab begraben werden; weßwegen auch jene mit diesen bei der Auferstehung zuerst einen vermischten Haufen ausmachen werden. Wo aber der Waizen steht, das ist, wo die Gerechten sind, da ist der Acker Gottes, da ist das Reich Jesu Christi. Sind die Gottlosen auch da, so müssen sie, nachdem sie lange genug geduldet worden waren, zuletzt aus diesem Acker oder Reich heraus gesammelt werden. Auch aus der äußerlichen Verfassung des Reichs Gottes müssen sie herausgenommen werden, auch die äußerliche Gemeinschaft mit wahren Christen muß ihnen genommen werden. Sie wollten oft die Frommen vertreiben, oder, wo nicht vertreiben, doch aus ihrer Nachbarschaft wegschieben: nun müssen aber sie weichen, und sich zu einer Zeit, da ihnen der Zustand der Frommen nimmer verächtlich sein kann, aus ihrem Haufen heraus sammeln und alsdann in den Feuerofen oder in die Feuerhölle werfen lassen. Dazu wird aber der HErr Jesus Seine Engel senden, denen es weder an Licht noch Kraft fehlen wird, Seinen Befehl auszurichten. Keinen Gerechten werden sie für einen Gottlosen und keinen Gottlosen für einen Gerechten ansehen; wie dann die Gerechten auch wegen ihrer verklärten Leiber kennbar genug sein werden. Jetzt redet man viel von der Toleranz oder Duldung. Die Welt aber soll wissen, daß sie dem HErrn Jesu und Seinen Volk viel mehr als eine Duldung schuldig sei. Sie schmähet den HErrn Jesum, wenn sie Ihn und Sein Reich nur dulden will: Er ist’s aber, der sie auf Seinem Acker oder in Seinem Reich duldet und dulden heißt, und zwar nicht um ihres innerlichen Werths, sondern um des guten Waizens willen, wovon man einen Theil auch ausjäten würde, wenn man sie als das Unkraut vor dem Ende der Welt ausjäten wollte. Allein diese Toleranz oder Duldung wird nicht ewiglich währen; denn am jüngsten Tag wird eine Scheidung geschehen: die ärgerlichen und gesetzlosen Leute werden durch die Engel von den Gerechten abgesondert, gesammelt, und, wenn das Gericht gehalten sein wird, in den Feuerofen oder in das höllische Feuer geworfen werden. Nicht den gerechten Menschen wird Er diesen Auftrag geben, sondern Seinen Engeln, welche starke Helden sind, und mit den gottlosen Menschen in keiner Verwandtschaft stehen. Wohl dem, der diese wichtigen Dinge jetzt ernstlich bedenkt! Ja wohl denjenigen, die am Ende der Welt als ein guter Waizen verstanden werden!(Magnus Friedrich Roos)
Dann werden die Gerechten leuchten, wie die Sonne, in ihres Vaters Reich. Wer Ohren hat zu hören, der höre.
Matth. 13,43.
Unter Allem, was Gott erschaffen hat, ist das Licht das Feinste; weßwegen auch die heilige Schrift, um uns bei unserer Schwachheit von Gott einen erhabenen Begriff beizubringen, sagt: Gott ist ein Licht, und in Ihm ist keine Finsterniß, 1 Joh. 1,5. Licht ist auch das Kleid, das Gott anhat, wenn Er Sich sichtbar macht, Ps. 104,2., die Engel sind zu Feuerflammen gemacht, Ps. 104,4., und erschienen immer in einer glänzenden Gestalt, gleichwie auch Christus bei der Verklärung auf dem Berge, Matth. 17., und auf der Insel Patmos, Off. Joh. 1. Am Tage des HErrn werden auch die Gerechten, deren auferweckte Leiber alsdann verklärt sein werden, wie die Sonne leuchten, und hernach ferner so leuchten in ihres Vaters Reich, wie Christus gesagt hat. Dan. 12,3. sagt ein Engel: die Lehrer werden leuchten wie des Himmels Glanz, und die, so Viele zur Gerechtigkeit weisen, wie die Sterne immer und ewiglich. Hieraus erhellt, daß die Herrlichkeit der auferstandenen Gerechten mit dem hellsten Licht, welches in der sichtbaren Natur vorhanden ist, nämlich mit dem Licht der Sonne, mit dem Glanz des Himmels, und mit dem Licht der Sterne verglichen werde; woraus aber nicht geschlossen werden darf, daß jene Herrlichkeit das Sonnen- und Sternenlicht und den Glanz des Himmels nicht auch übertreffen werde; denn bei einer jeden Vergleichung hat neben der Aehnlichkeit auch eine Unähnlichkeit statt, und Alles, was unvergänglich ist, ist vortrefflicher als das Vergängliche, ob es schon damit wegen einer gewissen Aehnlichkeit verglichen wird. 1 Kor. 15,41. thut Paulus auch der Herrlichkeit des Mondes Meldung, da er die Beschaffenheit der auferstandenen Leiber der Gerechten erklären will: es scheint aber, er deute hiemit nur auf die Verschiedenheit ihrer Herrlichkeit. Wie sich nämlich das Licht des Mondes zu dem Licht der Sonne verhält, so wird sich die Herrlichkeit eines Gerechten zu der Herrlichkeit des andern verhalten, ob schon alle miteinander wie die Sonne leuchten werden. Welch’ eine herrliche schöne Pracht (Ps. 145,5.), muß also im Reich unsers Vaters sein! die Gerechten werden wie die Sonne leuchten: die Engel als Feuerflammen scheinen. Welch’ ein Licht wird dieses sein! Wie vortrefflich muß aber der Thron Gottes im neuen Jerusalem, wie herrliche die Gestalt, worin das göttliche Wesen erscheinen wird, wie prächtig die verklärte Menschheit des eingebornen Sohnes Gottes sein! Welch’ ein schlechtes Puppenwerk ist die Pracht aller Höfe gegen dieser himmlischen Pracht! Wer im Staube liegt, wer kümmerlich lebt, wer in der Welt verachtet und hintangesetzt wird, erhebe sein Herz in der Hoffnung zu der himmlischen Herrrlichkeit; denn Christus sagte nicht umsonst, da Er von derselben redete: Wer im Staube liegt, wer kümmerlich lebt, wer in der Welt verachtet und hintangesetzt wird, erhebe sein Herz in der Hoffnung zu der himmlischen Herrlichkeit; denn Christus sagte nicht umsonst, da Er von derselben redete: wer Ohren hat zu hören, der höre. Freilich muß man ein Gerechter sein durch den Glauben an Jesum, wenn man diese Hoffnung haben soll, und die Gerechtigkeit haben, die von Gott dem Glauben zugerechnet wird; aber auch noch der Vorstellung, die Jakobus von der Gerechtigkeit macht, muß man aus den Werken gerechtfertiget, das ist, der Gnadenstand muß durch den Fleiß in guten Werken und durch einen heiligen Wandel erwiesen werden.(Magnus Friedrich Roos)
Mat. 14
Sie aßen Alle, und wurden satt.
Matth. 14,20.
Der HErr Jesus speisete bei fünftausend Mann, ohne Weiber und Kinder, vermittelst einer wunderbaren und übernatürlichen Vermehrung des geringen Vorraths, der zugegen war. Er speisete aber diese Leute so, daß sie satt wurden, und noch Brocken übrig blieben: folglich war der Heiland nicht karg bei der Bewirthung dieser Leute, und gönnte es ihnen, daß sie bis zur Sättigung aßen. Das Essen ist bei den Menschen in eine mannigfaltige Unordnung gerathen, seitdem Adam und Eva durch das Essen sich und das ganze menschliche Geschlecht unglücklich gemacht haben. Es gibt Leute, welche fressen und saufen, oder durch ihre Lüsternheit sich und ihr Geschlecht in die Armuth stürzen. Wer dieses thun kann, ist kein wahrer Christ. Uebrigens liegt in aller Menschen Herzen ein allzugroßer Hang oder eine wollüstige Neigung zum Essen und Trinken, und wenn man dieser Neigung nachhängt, so steht man in der Gefahr, seinen Bauch zum Gott zu machen, und seines Leibes so zu pflegen, daß er geil werde. Um nun dieser Gefahr zu entgehen, haben die Menschen oft Kasteiungsregeln erdacht, welche einigen Nutzen haben, aber auch einen mannigfaltigen Schaden anrichten können. Wer durch sein Fasten oder durch die Enthaltung von gewissen Speisen eine eigene Gerechtigkeit aufrichten und ein Verdienst der Werke sammeln will, und sich selbst dabei gefällt, kasteiet sich nach der Weise der Pharisäer, und hat seinen Lohn dahin. Wer durch seine Kasteiungen seine Gesundheit schwächt und seine Kräfte stumpf macht, wird von Paulus bestraft als ein eigenwilliger Mensch, der seines Leibes, den er doch zum Dienst Gottes brauchen sollte, nicht schont, Kol. 2,23. Ein Gelübde wegen solcher leiblichen Uebungen thun, ist gefährlich, weil sich oft der Zustand des Leibes und Anderes ändert, da dann das Gewissen über den Bruch des Gelübdes ängstlich wird. Wie aber gewisse Leute von der Verbindlichkeit ihrer Gelübde rechtmäßig los werden können, kann man aus 4 Mos. 30. lernen. Soll eine Enthaltung von Speisen oder eine Kasteiung des Leibes Gott gefallen, so muß sie einen guten Zweck haben, und dieser besteht darin, daß der Mensch zu gewissen Gebetsübungen oder Dienstleistungen, die er Gott und dem Nächsten schuldig ist, tüchtiger werde, und gewisse Versuchungen leichter überwinde. ist dieser Zweck für dießmal erreicht, so lasse man, um seines Leibes zu schonen, wieder nach, und esse sich wieder satt, oder esse sein Brod mit Freuden, und trinke seinen Wein mit gutem Muth, wie Salomo Pred. 9,7. sagt; denn der gütige Vater im Himmel gönnet es uns, und der leutselige Heiland hat auch auf Erden bis zur Sättigung gegessen und getrunken, und die Leute, denen Er Brod und Fische austheilen ließ, so gespeiset, daß sie satt wurden. Uebrigens muß das Herz von der unordentlichen Lust durch das Blut Jesu gereinigt werden, denn diese Reinigung wird durch keine leibliche Uebung erzwungen. Himmlischer Vater, Dir sei Dank gesagt, daß Du Alles, was lebet, mit Wohlgefallen sättigest. Reinige unsere Herzen durch den Glauben bei dem Genuß Deiner irdischen Gaben, und mache uns auch dereinst Deines ewigen himmlischen Tisches theilhaftig. (Magnus Friedrich Roos)
Mat. 16
Des Menschen Sohn wird kommen in der Herrlichkeit Seines Vaters mit Seinen Engeln, und alsdann wird Er einem Jeglichen vergelten nach seinem Werk.
Matth. 16,27.
Christus sagt Matth. 25,31., des Menschen Sohn werde kommen in Seiner Herrlichkeit und alle heiligen Engel mit Ihm, und Er werde alsdann auf dem Thron Seiner Herrlichkeit sitzen. Matth. 16,27. aber spricht Er: des Menschen Sohn wird kommen in der Herrlichkeit Seines Vaters mit Seinen Engeln. Die Herrlichkeit des Vaters ist also auch die Herrlichkeit des HErrn Jesu. Nun ist aber die Herrlichkeit des Vaters eine göttliche Herrlichkeit, die Er keinem Andern, der nicht Gott ist, geben kann (Jes. 48,11.), folglich ist der HErr Jesus wahrhaftiger Gott und Eines Wesens mit dem Vater, und anzubeten, wie der Vater, weil Seine Herrlichkeit eine göttliche Herrlichkeit ist. Die heiligen Engel, die sonst Engel Gottes, Engel des Jehovah genannt werden, sind auch Seine Engel, und werden durch die Pracht ihres Wesens, und durch die Willigkeit und Weisheit, womit sie Seine Befehle ausrichten werden, zur Verherrlichung Seiner Zukunft und Seines Gerichts dienen. Auch wird der große weiße Thron, auf dem Er sitzen wird, ein herrlicher Thron sein, wie es sich für einen göttlichen König und Richter geziemt. Wer ist nun dieser König der Ehren? Er ist eben derjenige, dem man im Richthaus Pilati, nachdem Er gegeißelt worden war, unter spottenden Geberden und Reden eine Dornenkrone aufsetzte, ein Rohr in die Hand gab, und einen Purpurmantel anlegte. Wenn Er aber in der Herrlichkeit Seines Vaters mit Seinen Engeln kommen wird, so wird Er einem Jeglichen vergelten nach seinem Werk oder Thun, wie auch Off. 22,12. bezeugt wird. Es kommt aber, wenn der Werth unsers Thuns bestimmt werden soll, nicht auf unsere gute Meinung an; denn denjenigen, welche die Apostel tödteten, meinten auch, sie thun Gott einen Dienst daran, Joh. 16,2. Auch nicht einmal der Nutzen, den der Mensch mit seinem Thun schafft, bestimmt den Werth desselben; denn es gibt Leute der Hand Gottes (Ps. 17,14.), das ist Leute, welche Gott als Werkzeuge braucht, um vielen Andern in gewissem Maße Gutes zu thun, und welche irdische Belohnungen von Ihm bekommen, in Sein Reich aber nicht taugen, weil sie für sich selbst weder die Rechtfertigung, noch die Heiligung erlangen. Man kann sogar Andere die göttliche Wahrheit mit Nutzen lehren, und sich selber nicht lehren, man kann Andern predigen, und selber verwerflich sein. Auch darf sich ein Mensch, der von dem Weg der Gottseligkeit abgewichen ist, auf das Gute, das er ehemals gethan hat, da es noch besser mit seiner Seele stand, nicht berufen; denn weil er abgewichen ist, so wird aller seiner Gerechtigkeit, die er ehemals gethan hat, am Gerichtstage nicht gedacht werden. Ezech. 18,24. Was muß es denn für ein Thun sein, welches dem HErrn Jesu am Tage des Gerichts gefallen kann? Es muß aus der Quelle der Wiedergeburt fließen. Es muß zur Ehre Gottes geschehen nach dem geistlichen Vermögen, das Gott dazu darreicht. Es muß eine Frucht des Geistes sein. Es muß endlich ein Thun sein, worin man bis zum Ende des Lebens fortgefahren ist. Lasset uns dieses Alles fleißig bedenken.(Magnus Friedrich Roos)
Mat. 18
Da jammerte den Herrn desselben Knechts, und ließ ihn los, und die Schuld erließ er ihm auch.
Matth. 18,27.
Das Recht, Sünder zu begnadigen, ist ein wichtiges und für uns sehr tröstliches Majestätsrecht des großen Gottes; wie Er aber dasselbe ausübe, hat Christus in einem Gleichniß, Matth. 18., gezeigt. Im Himmelreich, sagt Er, geht es so zu, wie wenn ein König mit seinen Knechten rechnen willen, da ihm dann ein Knecht vorkommt, der ihm zehntausend Talente (eine ungeheure Summe) schuldig ist. Dieser Einzige ist ein Bild vieler Menschen. Ein jeder Mensch hat vor Gott eine ungeheure Sündenschuld auf sich liegen, und es gibt eine Zeit, da Gott mit ihm rechnet, das ist, ihm seine Sündenschuld aufdeckt, und im Gewissen vorhält. Ist sie mir aufgedeckt? Ist sie mir vorgehalten? Ach, daß noch in der Gnadenzeit geschehe, was in diesem Stück noch fehlt! Der König läßt es aber bei dem Rechnen nicht bewenden, sondern, weil der Knecht nicht bezahlen kann, so heißt er ihn und sein Weib und seine Kinder, und Alles, was er hatte, verkaufen, und bezahlen. Dieses war nämlich das strengste Recht gegen einen Schuldner, das man in den Morgenländern auszuüben pflegte, daß man ihn und die Seinigen als Sklaven, und seine Habe zugleich verkaufte, und von dem Erlös seine Schulden bezahlte, s. Kön. 4,1. Hiemit wird angezeigt, daß Gott den Menschen bei seiner Bekehrung erkennen, ja fühlen läßt, wie weit Er Sein strenges Recht treiben könne. Er zeigt ihm nämlich, wie er werth sei, von Ihm, wenn er auch länger leben dürfe, verlassen, verstoßen, in seinen verkehrten Sinn dahin gegeben, ja der Gewalt des Satans überlassen zu werden, da dann freilich zuletzt das ewige Verderben folgte. Ein andersmal, wenn er durch eine neue Untreue sein Sündenmaß vollgemacht hat, übergibt Er ihn durch einen unseligen Tod geradezu und ohne weitern Aufschub den Peinigern, das ist, Er wirft ihn in die Hölle, wo er klagen muß: ich leide Pein in dieser Flamme. So weit geht das strenge Recht des großen Gottes; Sein Begnadigungsrecht aber geht so weit, daß Ihn des Knechts, der seine Schuld bekennt, um Geduld bittet, und Seinen HErrn mit einer neuen treue zu dienen verspricht, jammert, Er ihn losläßt und die Schuld ihm auch erläßt. Daß hier Christi Verdienst und Fürbitte dem Knecht zu gut komme, und der Knecht dazu im Glauben seine Zuflucht nehme, wollte der HErr Jesus zu derjenigen Zeit, da Er dieses Gleichniß vortrug, noch nicht sagen, weil Seine Zuhörer es noch nicht hätten fassen können, der Heilige Geist aber hat es hernach deutlich genug entdeckt, wiewohl auch die Propheten schon darauf gedeutet haben. Das Jammern ist das Gegentheil von Zorn, das Loslassen das Gegentheil von dem Verkaufen oder Verstoßen. Der gute König sagt nämlich zu dem bösen Knecht: du sollst doch noch länger Mein Knecht bleiben, und gibt ihm zur neuen Treue einen neuen und gewissen Geist. Die Schuld erläßt Er ihm auch, ganz und umsonst mit einer unbegreiflichen Großmuth. Wie wichtig ist es also, wenn ein Christ in seinem Catechismus sagt: ich glaube eine Vergebung der Sünden“ Wehe aber dem Menschen, der durch beständige Zerstreuungen sogar der göttlichen Rechnung ausweicht, oder nach derselben, anstatt sich bußfertig zu demüthigen, sich durch einen neuen Leichtsinn zu helfen sucht, oder nach der Begnadigung wieder rückfällig wird!(Magnus Friedrich Roos)
Mat. 19
Es ist leichter, daß ein Kameel durch ein Nadelöhr gehe, denn daß ein Reicher in’s Reich Gottes komme.
Matth. 19,24.
Der HErr Jesus sagte diese Worte, als ein reicher und vornehmer Mann, welcher sich vorher eines tugendhaften Lebens nach dem Gesetz beflissen hatte, Ihn nach einigen andern Reden gefragt hatte: was fehlet mir noch? Er hatte ihm hierauf geantwortet: willst du vollkommen sein, so gehe hin, verkaufe, was du hast, und gib’s den Armen, so wirst du einen Schatz im Himmel haben; und komm und folge Mir nach. Der junge Mann scheint viel Eigenliebe gehabt, und viel Vertrauen auf seine eigenen Kräfte gesetzt zu haben, darum demüthigte ihn der Heiland durch ein schweres Gebot, welches seine Schooßsünde, nämlich den Geiz, geradezu angriff. Es hatte aber das Gebot des Heilandes in Ansehung dieses Mannes unter den damaligen Umständen einen guten Grund. Es hatte derselbe gefragt: was ihm fehle? Er hatte dieses, wie die Antwort Jesu anzeigt, in der Absicht, ein vollkommener Heiliger zu werden, gefragt; nun war aber für ihn zur damaligen Zeit, da der HErr Jesus nicht lange an Einem Ort blieb, kein anderer Weg offen, als Jesu nachzufolgen, oder als Sein Schüler mit Ihm zu reisen, um von Ihm unterwiesen, und hernach zur Verkündigung des Evangeliums berufen zu werden. Hätte aber der junge und reiche Mann Jesu nachfolgen wollen, so hätte er seine vielen Güter nicht zugleich verwalten können, ja er wäre auch gehindert worden, ein Zeuge der Wahrheit zu sein, wenn er sie Haushältern oder Pächtern übergeben hätte. Der beste Rath für ihn war also dieser: verkaufe, was du hast, und gib’s den Armen, so wirst du einen Schatz im Himmel haben. Ohne die Nachfolge Jesu wäre dieses Verkaufen der Güter zur Erlangung der Vollkommenheit ein untaugliches Mittel gewesen, gesetzt, daß er auch den Erlös den Armen gegeben hätte. Da aber der junge Mann das Wort Jesu hörte, ging er betrübt von Ihm; denn er hatte viele Güter. Jesus aber sprach zu Seinen Jüngern: ein Reicher wird schwerlich in’s Reich Gottes kommen. Und weiter sage Ich euch: es ist leichter, daß ein Kameel durch ein Nadelöhr gehe, denn daß ein Reicher in’s Reich Gottes komme. Was Er also vorher Vollkommenheit genannt hatte, nennt Er jetzt ein Kommen in’s Reich Gottes, nämlich in das Reich des Messias, wo nicht nur eine Frömmigkeit nach der Weise des Alten Testaments, sondern ein neutestamentlicher Gnadenstand anzutreffen ist. Uebrigens ist auch schon manches Kameel, wenn es klein genug geworden ist, durch ein Nadelöhr gegangen; denn wie Christus Matth. 19,26. sagt: bei den Menschen ist’s unmöglich, aber bei Gott sind alle Dinge möglich. Paulus befiehlt deßwegen 1 Tim. 6,17.18.19.. den Reichen von dieser Welt nicht, daß sie ihre Güter verkaufen sollen, sondern, daß sie nicht stolz seien, auch nicht hoffen auf den ungewissen Reichthum, sondern auf den lebendigen Gott, der uns dargibt reichlich allerlei zu genießen; daß sie Gutes thun, reich werden an guten Werken, gerne geben, behülflich seien, Schätze sammeln, ihnen selbst einen guten Grund auf’s Zukünftige, daß sie ergreifen das ewige Leben.
In der Wiedergeburt, da des Menschen Sohn wird sitzen auf dem Stuhl Seiner Herrlichkeit, werdet ihr auch sitzen auf zwölf Stühlen, und richten die zwölf Geschlechter Israels.
Matth. 19,28.
Es ist kein Zweifel, daß hier den Aposteln etwas Besonderes verheißen werde. Die zwölf Apostel sollen zwölf Stühle oder Thronen haben, und die zwölf Geschlechter Israels richten. Wann aber? Alsdann, wann des Menschen Sohn sitzen wird auf dem Stuhl oder Thron Seiner Herrlichkeit. Wann wird aber dieses geschehen? Alsdann, wann Er kommen wird in Seiner Herrlichkeit, und alle heiligen Engel mit Ihm, Matth. 25,31. So war ehemals zu Jerusalem der königliche Thron Davids; wenn er aber zu Gericht saß, so saßen auch seine Prinzen und vornehmsten Diener als Richter auf Thronen, wie aus Ps. 122,5. zu schließen ist. Merkwürdig aber ist’s, daß der Heiland hier auch ein Wort braucht, welches sonst nirgends in dem Neuen Testament vorkommt. Er redet nämlich von einer Palingenesie oder Wiedergeburt, welche alsdann geschehen werde, wenn Er auf dem Thron Seiher Herrlichkeit sitzen werde. Menschenseelen müssen wiedergeboren werden, alldieweil sie noch in den sterblichen Leibern sind, und was durch die Wiedergeburt in ihn angerichtet worden, muß durch die Heiligung in ihnen fortgeführt und endlich vollendet werden. Am jüngsten Tag aber wird eine große und sehr weit um sich greifende Wiedergeburt geschehen. Die Leiber der Gerechten, sie mögen todt oder lebendig sein, werden schnell verklärt werden. Auch wird geschehen, was der HErr, der auf dem Thron sitzt, zu dem Johannes sagte: siehe, Ich mache Alles neu, Offenb. 21,5. Die Kreatur, die vorher der Eitelkeit wider ihren Willen, das ist wider ihren Naturtrieb, unterworfen gewesen war, wird nicht zernichtet, sondern frei werden von dem verzehrenden Dienst, und zu der herrlichen Freiheit der Kinder Gottes durchdringen, Röm. 8,20.21. Der erste Himmel und die erste Erde werden vergehen, und das Meer wird nicht mehr sein: hingegen wird Gott einen neuen Himmel und eine neue Erde darstellen, und das neue Jerusalem vom Himmel herabfahren lassen; und alsdann wird das Wort des großen Gottes erfüllt werden: es ist geschehen: Ich bin das A und das O, der Anfang und das Ende, Offenb. 21,1.2.6. Alsdann wird eine neue Haushaltung Gottes angehen, in welcher, wer sich selbst erniedrigt hatte, erhöhet, und wer sich selbst erhöhet hatte, erniedrigt sein wird. Das größte Beispiel hievon werden die zwölf Apostel sein, welche von der tiefsten Schmach und Armuth bis zum Richteramt über Israel, und von den Richtplätzen, auf welchen fast alle hingerichtet worden sind, bis auf himmlische Throne erhöhet sein werden. Diese Wiedergeburt habe ein Jeder vor Augen, den der Anblick der gegenwärtigen Welt betrübet und ihre Verfassung drücket. Sie sei aber auch ein kräftiger Antrieb zur Bekehrung, bei welcher die Seele wiedergeboren wird, wie auch zur Treue und Beharrlichkeit in der Nachfolge Christi, zur Verleugnung des ungöttlichen Wesens und der weltlichen Lüste und zur Geduld im Leiden. Derjenige, der gesagt hat: siehe, Ich mache Alles neu, hat dem Johannes befohlen, es zu schreiben, und hinzugesetzt: diese Worte sind wahrhaftig und gewiß. Auch für uns sind diese Worte geschrieben, daß wir sie uns glaubend und hoffend zu Nutze machen. (Magnus Friedrich Roos)
Mat. 21
Siehe, dein König kommt zu dir.
Matth. 21,5.
Als der HErr Jesus auf’s letzte Osterfest nach Jerusalem kam, so zog Er mit einer gewissen Feierlichkeit zu Jerusalem ein, und das Volk rief Ihm zu: gelobet sei, der da kommt in dem Namen des HErrn, gelobet sei das Reich unseres Vaters Davids, das da kommt u.s.w. Auch sagt Matthäus, daß damals die Weissagung des Zacharias erfüllt worden sei: saget der Tochter Zion: siehe, dein König kommt zu dir. Es ist auch merkwürdig, daß der HErr Jesus in Seinen letzten Tagen, ob Er schon Seinen schmählichen Tod als nahe vor sich sah, öfter und deutlicher als sonst von Sich selbst als einem HErrn, König und Richter geredet hat. Er blieb auch so fest bei diesen Vorstellungen, daß Er hernach vor dem Pilatus in der tiefsten Niedrigkeit ein gutes Bekenntniß von Seiner königlichen Würde und von Seinem Königreich ablegen konnte. Durch dieses Sein unvergleichliches Beispiel hat Er uns gelehrt, daß ein glaubiger Christ bei der Schmach, die er vor sich sieht, an die Ehre, bei der Armuth an den Reichthum, und bei dem Sterben an das Leben denken, und sich überhaupt in seinem Geist über das Sichtbare erheben solle.
Was nun insonderheit das Königreich Jesu anbelangt, so ist es ein herrliches, unbewegliches und ewiges Reich. Wenn ich glaube, daß Jesus König sei, so darf ich dafür halten, daß Er herrsche, schütze, rette, kriege, strafe, richte, von demjenigen, was Sein ist, Gaben austheile, und eine große Herrlichkeit habe. Ich bin Ihm als meinem König Ehrerbietung, Vertrauen und Gehorsam schuldig. Alles muß Ihm als einem König unterthan werden; wo Ihm aber noch nicht Alles unterthan ist, da will Er noch als König hinkommen, wie die Schrift zu reden pflegt, und Seine königliche Würde und Macht erweisen. Er komme denn auch zu mir und den Meinigen und zu allen Menschen, die jetzt leben; Er bringe, wie Ps. 72. geweissagt ist, das Volk Gottes zur Gerechtigkeit, und errette Seine Elenden. Er lasse die Berge den Frieden bringen, und die Hügel die Gerechtigkeit. Er erhalte das elende Volk bei Recht, helfe den Armen, und zerschmeiße die Lästerer. Ihn fürchte man, so lange die Sonne und der Mond währt, von Kind zu Kindeskindern. Er fahre herab (in Seinem Königreich), wie der Regen auf das Fell (Gideons), wie die Tropfen, die das Land feuchten. Es blühe unter Ihm der Gerechte, und es sei unter Seiner Regierung großer Friede, bis der Mond nimmer sei. Er herrsche von einem Meer bis an’s andere, und vom Wasser an bis zu der Welt Ende. Vor Ihm sollen sich die in der Wüste neigen, und Seine Feinde Staub lecken. Alle Könige sollen Ihn anbeten, und alle Heiden Ihm dienen u.s.w. Zur gegenwärtigen Zeit fehlt freilich an diesem Allem noch Vieles. doch darf ein Christ darum bitten, weil es verheißen ist, und dabei hoffen, daß dasjenige, was noch nicht ist, werden werde. Derjenige, der dieses Alles vorher verkündigt hat, wird’s auch thun. Ja Er wird’s thun, ob’s schon unmöglich scheint. Sein Rath ist wunderbar, Er führt ihn aber herrlich hinaus. Weil Er aber seit Seiner Himmelfahrt Sein Reich auf Erden durch den Dienst Seiner Knechte ausbreitet, so sei ein Jeder zu diesem Zweck gern Sein Knecht, und opfere sich zu Seinem Dienst gern auf. Durch die vereinigten Bemühungen aller Seiner Knechte wird etwas Großes ausgerichtet, wiewohl Keiner weiß, wie viel er dazu beigetragen habe.
Mat. 24
Wer beharret bis an’s Ende, der wird selig.
Matth. 24,13.
Nicht Alle, die laufen, erlangen das Kleinod, nicht Alle, die Gnade erlangt haben, bewahren ihren Gnadenstand bis an’s Ende. Es gibt Leute, die eine Zeit lang glaubig sind, aber zur Zeit der Anfechtung wieder abfallen. Es gibt Christen, welche dem Unflath der Welt durch die Erkenntniß Jesu Christi entflohen waren, und hernach wieder in denselben eingeflochten werden. Viele sind durch die Wollust gefällt worden, ohne daß ihnen etwas Schreckendes oder Beängstigendes in den Weg gekommen wäre; Viele werden aber unter dem Leiden matt, und weigern sich, auf dem schmalen Weg fortzugehen, wo täglich etwas zu verläugnen ist, und wo man oft auf ein Glück, das die Kinder dieser Welt an sich reißen, Verzicht thun muß; sie wenden sich also lieber mit dem Verlust des Glaubens und der Liebe zu der Welt, um bei ihr gute Tage zu bekommen. Dieses ist der Fall, von dem der Heiland Matth. 24,13. redet. Vorher hatte Er nämlich zu den Aposteln gesagt: sie werden euch überantworten in Trübsal, und werden euch tödten. Und ihr müsset gehaßt werden um Meines Namens willen von allen Völkern. Dann werden sich, setzte Er hinzu, Viele ärgern; Viele werden nämlich denken: wenn es den Vornehmsten unter den Christen so geht, so ist nicht gut ein Christ zu sein; die christliche Frömmigkeit macht unglückliche Leute. Es wird also Einer den Andern verrathen, oder bei der Obrigkeit angeben, um sich bei ihr in Gunst zu setzen, und der Verrathene wird den Glauben verläugnen, und seine Verräther wird er wegen einer andern Sache angeben, und so werden sie sich unter einander hassen. Und es werden sich viele falsche Propheten erheben, und werden Viele verführen, und weil die Ungerechtigkeit unter der Verfolgung und Verführung wird [überhand nehmen, wird die Liebe, ohne welche Niemand ein Christ sein kann, in Vielen erkalten. Wer aber geduldig ausharrt bis an’s Ende, wird errettet werden. Wenn also Vieles zu leiden ist um Christi willen, so soll man geduldig ausharren bis an’s Ende. Wenn falsche Lehren, Spaltungen, Trennungen, Abfälle und Rückfälle Anderer vorkommen, soll man in der Liebe Christi und der Brüder geduldig ausharren bis an’s Ende. Man soll sich nicht ärgern, sich nicht auf die Seite der Welt schlagen, und die Liebe in sich nicht erkalten lassen. Es wird nicht ewig so fortwähren. Das Ende der schweren Versuchungen ist bestimmt. Bis an dieses Ende soll man ausharren. Man soll das angefangene Wesen bis an’s Ende fest behalten. Man soll nicht sein von denen, die da weichen, sondern von denen, die da glauben und ihre Seele retten. Die Seele wird man retten, wenn auch der Leib getödtet würde, wiewohl auch über diesen Gottes bewahrende Vorsorge walten kann; da hingegen diejenigen, welche weichen, Unfrieden anstatt des Friedens, Unglück anstatt des Glücks, Schande anstatt der Ehre, den Fluch anstatt des Segens, und das Verderben anstatt der Seligkeit davon tragen. Gott gebe, daß Alle, die ihr Christenthum zu bauen anfangen, tief graben und den Grund auf den Felsen legen (denn hier fehlt es bei Vielen), damit ihr Bau unter dem Sturm fest bleibe. Gott bewahre die Seinigen mit Seiner Macht durch den Glauben zur Seligkeit. Er bewahre sie auch alsdann, wenn die Wollust oder die Hoffnung eines weltlichen Glücks sie versucht.(Magnus Friedrich Roos)
Mat. 25
Darum wachet, denn ihr wisset weder Tag noch Stunde, in welcher des Menschen Sohn kommen wird.
Matth. 25,13.
Die Thüre war verschlossen, Matth. 25,10.: schreckliches Wort! Wahrlich Ich sage euch, Ich kenne euer nicht, V. 12.: schrecklicher Ausspruch! Wann wird jenes geschehen, und dieser Ausspruch gehört werden? Alsdann, wenn der Bräutigam, der auch Richter ist, als ein Menschensohn kommen wird. Wenn wird Er aber kommen? Er sagt selber zu uns: ihr wisset weder Tag noch Stunde, in welcher des Menschen Sohn kommen wird. Wem wird aber die Thüre des Hochzeithauses verschlossen werden? Wem wird das schreckliche Urtheil gelten: wahrlich Ich sage euch, Ich kenne eurer nicht? Denen, die vorher thörichten Jungfrauen gleich gewesen, und geschlafen haben. Darum sagte der Heiland: wachet. Er sagte dieses zu Seinen Jüngern, die den jüngsten Tag nicht erlebten: Er sagt dieses auch uns, und wir sollen dieses Sein Wort annehmen und befolgen. Wenn gleich unser Leben nicht bis an den jüngsten Tag hinreichen wird, so sollen wir doch auch wegen allem demjenigen wachen, was uns auf dem Weg zur unsichtbaren Welt begegnen kann. Wachen sollen wir, damit wir nicht in Anfechtung oder Versuchung, folglich von einer Sünde in die andere fallen, Matth. 26,41. Nüchtern sollen wir sein und wachen, weil unser Widersacher der Teufel auch nicht schläft, sondern wie ein brüllender Löwe umhergeht, und suchet, welchen er verschlinge, damit wir ihm fest im Glauben widerstehen können, 1 Petr. 5,8.9. Auch hat die herrliche Zukunft Christi, von welcher man weder den Tag noch die Stunde weiß, ihre Vorboten bei vielen und bei einzelnen Menschen, von welchen man auch nicht weiß, wann sie daher kommen; weßwegen Christus Offenb. Joh. 3,3. zu einem schlafenden Heuchler sagt: so du nicht wirst wachen, werde Ich über dich kommen, wie ein Dieb, und wirst nicht wissen, welche Stunde Ich über dich kommen werde. Gleichwie also 2 Petr. 3,10. von dem Tag des HErrn, das ist von dem jüngsten Tag, gesagt wird, daß er unvermuthet, und unangemeldet über die Schlafenden wie ein Dieb in der Nacht kommen werde: also sagt der HErr in Ansehung der Vorboten Seiner letzten Zukunft, Er werde über einen Schlafenden wie ein Dieb in der Nacht kommen, und zwar unversehens und unangemeldet. Solche Vorboten sind aber alle schweren Gerichte, und zuletzt bei einem jeden Menschen die letzte Krankheit und der Tod. Gott hätte uns von den zukünftigen Dingen Vieles, und so auch den Tag der herrlichen Zukunft Seines Sohnes ausführlich und deutlich offenbaren können: allein wir wären alsdann weniger zu einer beständigen Wachsamkeit gedrungen gewesen, und diese Wachsamkeit nebst der damit verbundenen Geduld hätte weniger Werth gehabt. So lasset uns also nicht vorwitzig nach zukünftigen Dingen, die uns nicht geoffenbaret sind, forschen. Die Hoffnung und die Furcht ist wegen derselben vergeblich. Lasset uns nur täglich, ja an Einem fort wachen, so wird uns nichts, das kommen wird, schaden. Die Zukunft des Menschen Sohnes selber, welche den Umsturz der ganzen Welt mit sich führen wird, wird uns alsdann nicht schädlich noch schrecklich, sondern heilsam und erfreulich sein.(Magnus Friedrich Roos)
Ueber eine lange Zeit kam der HErr dieser Knechte, und hielt Rechenschaft mit ihnen.
Matth. 25,19.
Ein böser Knecht sagt in seinem Herzen, mein HErr kommt noch lange nicht, und fänget an zu schlagen seine Mitknechte, isset und trinket mit den Trunkenen; es kommt aber der HErr desselben Knechts an dem Tage, deß er sich nicht versiehet, und zu der Stunde, die er nicht meint, und zerscheitert ihn u.s.w., Matth. 24,48.49.50.51. Gleichwie aber der HErr diesem bösen Knecht zu bald zu kommen scheint, so sprechen hingegen der Geist und die Braut: komm, und wer es hört, der spreche: komm, und Er antwortet: Ja! ich komme bald. Amen. Off. Joh. 22,17.20. Wenn man also die Erscheinung Jesu lieb hat, wenn man auf Ihn wartet, so spricht man zu Ihm: komm, wie man einem Geliebten zuruft, der lange ausbleibt, und Er selbst spricht, um Seine Ihm rufende Braut zu trösten: Ich komme bald. Hingegen beschreibt Er Matth. 25,19. Sich selber als einen HErrn Seiner Knechte, der über eine lange Zeit kommt, und Rechenschaft mit Seinen Knechten halte. Er war nämlich gleichsam über Land gezogen, das ist in den Himmel gefahren, und hatte Seinen Knechten gerufen, ihnen Seine Güter, d.i. Seine Kirche zur Verwaltung übergeben, und Jedem Centner, das ist Gaben, gegeben, um damit zu wuchern, oder etwas Gutes zu schaffen. Hernach kam Er über eine lange Zeit, u.s.w. Diese lange Zeit zeigt an, daß Er den Knechten zur Erweisung ihrer Treue und ihres Fleißes Zeit genug gelassen, und sie, wenn sie mit ihren Gaben nichts gewonnen hätten, sich mit der Zeitkürze nicht hätten entschuldigen können. Auch mag der liebe Heiland, da Er von einer langen Zeit redete, auf den Sinn Seiner treuen Knechte Rücksicht genommen haben, welche, da sie Ihm dienen, sagten: es wird meiner Seele lang, zu wohnen bei denen, die den Frieden hassen. Es mag nun die Zeit, die bis zur Ankunft unsers HErrn verfließt, einem Menschen lang oder kurz zu sein dünken, so ist doch gewiß, daß Er kommen werde, ja schon jetzt komme. Wenn Er nun wird gekommen sein, so wird Er mit Seinen Knechten Rechenschaft halten. Dieses Rechnen wird aber ein anderes sein, als dasjenige, das Matth. 18,23. und ff. beschrieben ist, und bei welchem der Knecht, der seinem Herrn zehntausend Pfund schuldig war, noch die Erlassung der Schuld erlangen, und hernach auf die Probe gesetzt werden konnte, ob er seinem Mitknecht auch eine Schuld erlassen werde. So rechnet der HErr Jesus mit den Menschen, wenn Er ihm in diesem Leben seine Sünden aufdeckt, und Buße in ihm wirkt: aber am Tage Seiner Zukunft wird Er so rechnen, daß die Untersuchung und Offenbarung der Treue und Untreue Seiner Knechte auf ein unwiderrufliches Urtheil hinauslaufen wird. Er wird entweder sagen: ei du frommer und getreuer Knecht, (welche Freude wird diese Anrede machen!) du bist über Wenigem getreu gewesen, Ich will dich über Viel setzen, gehe ein zu deines HErrn Freude; oder du Schalk und fauler Knecht, (welchen Schrecken wird diese Ansprache erwecken!) wußtest du u.s.w., so hättest du sollen u.s.w., darum nehmet von ihm den Centner – werfet den unnützen Knecht in die äußerste Finsterniß hinaus, da wird sein Heulen und Zähnknirschen. Lasset uns täglich an diese Rechenschaft gedenken, und in demjenigen, was uns befohlen ist, treu sein.(Magnus Friedrich Roos)
Wenn aber des Menschen Sohn kommen wird in Seiner Herrlichkeit, und alle heiligen Engel mit Ihm, dann wird Er sitzen auf dem Stuhl Seiner Herrlichkeit, und werden vor Ihm alle Völker versammelt werden. Matth. 25,31.32.
Unser göttlicher Erlöser nannte sich, so lange Er in Seiner Niedrigkeit lebte, sehr oft des Menschen Sohn, und zeigte damit an, daß Er, ob Er schon in dem erhabensten Sinn der eigene und eingeborene Sohn Gottes sei, und auf eine übernatürliche Weise im Leibe der Maria empfangen worden, doch ein wahrhaftiger und geborener Mensch, und durch die Geburt von einem Menschen unserm Geschlecht einverleibt worden sei, und uns deßwegen Seine Brüder nennen könne, Hebr. 2,11. Er hat auch Seine von der Maria angenommene menschliche Natur bei Seiner Erhöhung nicht abgelegt, und wird deßwegen, wenn Er nach derselben in einer herrlichen Menschengestalt erschien, auch noch der Menschensohn genannt, s. Ap.Gesch. 7,55. Offenb. 1,13.14. Dieser Menschensohn, der auch Gott über alles gelobet in Ewigkeit ist, wird in Seiner Herrlichkeit kommen, die Welt zu richten; gleichwie Er vorher in der Niedrigkeit gekommen war, die Welt zu erlösen. Alle heiligen Engel, die ein sehr großes Heer mit einander ausmachen, und deren jeder eine feurige und glänzende Natur hat, werden mit Ihm kommen, und Ihm an diesem sehr merkwürdigen Tag besondere Dienste leisten. Er aber, dessen Herrlichkeit und Würde aller Engel Herrlichkeit unendlich übertrifft, wird als ein König einen Stuhl oder Thron haben, der Offenb. 20,11. ein großer weißer Thron genannt wird. Auf diesem Thron wird Er sitzen, gleichwie ehemals die Könige auf ihren Thronen saßen, wenn sie ein Gericht hielten. Alsdann werde alle Völker, die mit einander ein einziges Geschlecht ausmachen, vor Ihm versammelt werden. Kein einziger Mensch, von Adam an bis auf das letzte Menschenkind, das zunächst vor dem jüngsten Tag geboren werden wird, wird da vermisset werden. Auch ich werde dabei sein, und den HErrn Jesum auf Seinem herrlichen Thron sehen, aber auch von Ihm gesehen werden. Doch werden die Menschen nicht lange Einen Haufen ausmachen: denn der König Jesus wird sie von einander scheiden, wie ein Hirt die Schafe von den Böcken scheidet, und die Schafe zu Seiner Rechten, die Böcke aber zu Seiner Linken stellen. Alsdann wird das allerwichtigste Gericht gehalten, und das Wohl und Weh eines jeden Menschen auf eine unwiderrufliche Weise entschieden werden.
Diese Zukunft des HErrn Jesu in Seiner Herrlichkeit, und Alles, was damit verbunden ist, stellt uns die heilige Schrift oft vor Augen, um uns anzutreiben, daß wir bei Leibesleben wachen, beten, Gnade suchen, der Heiligung nachjagen, dem HErrn dienen, und auf den Geist säen, damit wir am Tag dieser Zukunft ein Lob, ein herrliches Erbe und eine reiche Ernte erlangen mögen. Jetzt sieht Er den Menschen gleichsam stillschweigend zu, und läßt ihnen Raum, Gutes oder Böses zu thun, und ihre kostbare Gnadenzeit wohl oder übel anzuwenden. Aber an jenem Tag wird offenbar werden, wie viel an demjenigen gelegen sei, was die Menschen vorher gedacht, geredet und gethan haben. Wohl dem, der vorher recht geglaubt, und Ihm treulich gedient hat!
Mat. 26
Nehmet hin und esset, das ist Mein Leib; nehmet hin und trinket, das ist Mein Blut.
Matth. 26,26.28.
So redete Jesus bei der Einsetzung des heiligen Abendmahls, und drückte dadurch ein großes Geheimniß aus, welches zum Neuen Testament gehört. Zur Zeit des Alten Testaments hatte man Schatten der zukünftigen Güter, und nicht das Wesen der Güter selber, Hebr. 10,1. Man hatte also Opfer als Vorbilder des Leibes und Blutes Jesu, aber nicht den Leib und das Blut Jesu selber. Jene Opfer wurden dem großen Gott dargebracht: hingegen wurde der Leib Christi damals noch nicht selber für die Menschen hingegeben oder geopfert, und Sein Blut noch nicht selber für sie zur Vergebung der Sünden vergossen. Die Israeliten aßen auch von denselbigen Opfern, und kamen dadurch, wie Paulus 1 Kor. 10,18. sagt, in die Gemeinschaft des Altars: das ist, sie bekannten durch das Essen, daß das Opfer für sie auf dem Altar verbrannt worden sei, und ihnen gelte; den geopferten Leib Jesu aber konnten sie noch nicht essen, und Sein vergossenes Blut noch nicht trinken, weil sie noch nicht wesentlich vorhanden waren. Nun unterscheidet sich aber das Neue Testament dadurch von dem Gesetz oder von dem Alten Testament, daß man in jenem das Wesen der Güter selber hat. Wir essen also unter dem Neuen Testament, wie die Worte Jesu selber anzeigen, den verklärten und mit den Kräften der Gottheit erfüllten Leib Christi nach seinem Wesen, und trinken auch Sein verklärtes Blut nach seinem Wesen. Auch bei dem ersten Abendmahl wurde etwas von dem Leib und Blut Jesu abgesondert, und als unsichtbar und verklärt den Aposteln gegeben. Paulus sagt Hebr. 1310.11.12.: wer noch der Hütte pflege, oder an den Satzungen des Alten Testaments habe, dürfe nach denselben nicht von dem Altar des Neuen Testaments essen, folglich den Leib Jesu nicht wesentlich genießen, denn nach jenen Satzungen haben die Leichname aller Thiere, deren Blut in das Heilige gebracht worden, außer dem Lager Israels müssen verbrannt werden, und Niemand habe davon essen dürfen. Nun habe zwar Christus auch außer dem Lager Israels, das ist außer der Stadt Jerusalem gelitten, und sei dadurch ein Sündopfer für die Menschen worden: auch sei Sein Blut in das himmlische Heiligthum gebracht worden, und doch esse man Seinen geopferten Leib: folglich gelten die Rechte des Alten Testaments in diesem Stück nicht mehr. Es ist klar, daß Paulus hier von dem wesentlichen Leib Christi, den man esse, und nicht nur von der glaubigen Zueignung Seines Opfers rede, denn diese Zueignung war bei dem Sündopfer auch zur Zeit des Alten Testaments erlaubt. Wir essen also den wesentlichen Leib Christi mit dem Brod, und trinken Sein Blut mit dem Wein, damit wir vergewissert werden, daß Sein Opfer auch uns gelte, aber auch damit wir zur innigsten Gemeinschaft mit Jesu Christo selber gelangen. Was haben die Glaubigen des Neuen Testaments Gutes vor Andern, und was haben sie Schönes vor Andern? Sie haben Korn, das ist ein Brod, das Jünglinge, und Most oder Wein, der Jungfrauen zeuget, Zach. 9,17. Geistesstärke und Reinigkeit soll man also durch den Leib und das Blut Jesu erlangen. Den Müden soll dadurch eine neue Kraft geschenkt, und die häßlichen Seelen sollen dadurch verschönert werden.(Magnus Friedrich Roos)
Mat. 27
Und da Er verklagt ward, antwortete Er nichts.
Matth. 27,12.
Als der HErr Jesus vor Kaiphas und den jüdischen Rathsherren von falschen Zeugen angeklagt wurde, schwieg Er still, Matth. 26,63., und als Er vor dem Pilatus von den Hohenpriestern und Aeltesten verklagt wurde, antwortete Er auch nichts, Matth. 27,12. Dieses Stillschweigen war so sonderbar, daß sich Seine Richter selber darüber verwunderten, denn nach den jüdischen und römischen Rechten durfte ein jeder Beklagter auf die Anklage antworten, wie hernach Stephanus Ap. Gesch. 7. und Paulus Ap. Gesch. 23.24.25.26. gethan haben. Der Hohepriester Kaiphas stand deßwegen, als Jesus nichts antwortete, auf, und sprach zu Ihm: antwortest du nichts zu dem, das diese wider dich zeugen, und der Landpfleger Pilatus sagte gleichfalls: hörst du nicht, wie hart sie dich verklagen? und verwunderte sich sehr, daß Jesus in Seinem Stillschweigen beharre, Matth. 26,62. 27,13.14. Diese Weise beobachtete Jesus durchaus in Seinem letzten Leiden, daß Er auf die Anklagen nichts antwortete, hingegen redete Er, als Kaiphas zu Ihm sagte: ich beschwöre dich bei dem lebendigen Gott, daß du uns sagest, ob du seiest Christus, der Sohn Gottes; und als Pilatus Ihn fragte: ob Er ein König sei. Er redete auch bei etlichen andern Gelegenheiten, da es geziemend war. Der HErr Jesus hat also auf die Anklagen Seiner Feinde nicht geantwortet, aber auf die Fragen Seiner Richter hat Er geantwortet, und dabei ein gutes Bekenntniß abgelegt, welches die Summa des Evangelii, das Er geprediget, und worin Er sich als Christum, den Sohn Gottes, und als den König Seines Volkes geoffenbart hatte, enthielt. Es war geziemend, daß Er durch Sein Bekenntniß zeigte, wie Er Seiner Sache gewiß sei, und wie Er nichts von demjenigen, was Er gelehrt hatte, zurücknehme, ob Er schon deßwegen zum Tode verdammt werde. Aber auf die Anklagen hat Er nie geantwortet; denn es geziemte sich nicht für Ihn, daß Er durch eine Widerlegung einer Anklage den Schein von Sich gebe, als ob Er Sein Leben, das Er doch nach dem Rath Seines Vaters freiwillig hingeben wollte, retten, und sich darum wehren wollte. Sein Tod hatte eine höhere Ursache, als nur die Anklage falscher Zeugen. Er war freilich für Seine Person kein Gotteslästerer und kein Aufrührer, wie Ihn Seine Feinde beschuldigten, hingegen lag die Sünde der ganzen Welt auf Ihm. Er stand nicht nur vor dem menschlichen, sondern auch vor dem göttlichen Gericht, und sollte als ein Mittler zwischen Gott und den Menschen sterben: warum sollte Er sich also bemühen, durch Verantwortungen Seinen Tod abzuwenden? Ueberdieß war Sein Tod von dem Kaiphas und seinen Rathsherren schon beschlossen, ehe Er angeklagt wurde, und Pilatus, der seine Unschuld einsah, wurde von den Juden genöthigt, Ihn zu verurtheilen; auch waren die Ankläger und Richter unfähig, die Wahrheit zu erkennen, folglich wäre Seine Verantwortung unnütz gewesen. Das Stillschweigen Jesu war ein Bekenntniß, daß ich ein todeswürdiger Sünder sei, und ein Zeichen Seiner Willigkeit, für mich zu sterben. Ihm sei Dank dafür. Der HErr Jesus erfüllte das Wort auf das Vollkommenste: befiehl dem HErrn deine Wege und hoffe auch Ihn, Er wird’s wohl machen, und wird deine Gerechtigkeit hervorbringen wie das Licht, und dein Recht wie den Mittag, Ps. 37,5., und so auch das Wort: ich will schweigen und meinen Mund nicht aufthun. Du, HErr, wirst’s wohl machen,. Ps. 39,10. Ich soll Ihm hierin nachfolgen.(Magnus Friedrich Roos)
Da gab Pilatus ihnen Barrabam los; Jesum aber überantwortete er, daß Er gekreuzigt würde.
Matth. 27,26.
Es werden in der Welt zuweilen Wahlen angestellt, bei welchen die Wählenden aus Unverstand oder Bosheit einen Unwürdigen und Untüchtigen dem Würdigen und Tüchtigen vorziehen. Wenn nun dieses geschieht, so soll man sich erinnern, daß derjenige, der auf diese Weise hintangesetzt wird, zu der Gemeinschaft der Schmach Jesu berufen werde. Jesus, der Sohn Gottes, und Barrabas, der Mörder, zwei unermeßlich ungleiche Personen, kamen in die Wahl, und diese Wahl betrag kein Ehrenamt, sondern das Leben. Die Juden sollten ihre Stimmen geben. Was geschah nun? Sie schrieen: hinweg mit diesem (Jesu) und gib uns Barrabam los, und Pilatus mußte diese Wahl bestätigen, und Barrabam los geben, Jesum aber überantworten, daß er gekreuzigt würde. Die Juden schrieen, da sie ihre Stimmen gaben; bei dem Schreien aber ist immer wenig Ueberlegung und Einsicht. Sie schrieen, weil sie von ihren Obersten dazu angetrieben wurden. Sie schrieen also mit einer blinden Heftigkeit, und zogen einen Mörder dem HErrn Jesu vor, den sie wenigstens als einen Wunderthäter, Gutthäter und unschuldigen Lehrer kennen konnten. Hintennach sagten’s ihnen die Apostel, da sie bei sich selber waren, sie haben den Messias, den Fürsten des Lebens getödtet, der hernach auferwecket und zur Rechten Gottes erhöhet worden sei. Alsdann besannen sie sich, und sahen ihre Sündenschuld ein; aber damals, da sie in der Tollheit schrieen, wußten sie nicht, was sie thaten, und doch mußte ihr Schreien gelten, weil eine alte Gewohnheit ihnen das Recht verschafft hatte, zu bestimmen, welcher Gefangene auf’s Osterfest losgegeben werden sollte. Der HErr Jesus war also auch in dieser schreienden Sünder Hände übergeben, und mußte die Schmach erfahren, daß Er nicht nur geradezu zum Kreuzestod verdammt, sondern Ihm auch ein Mörder in der Wahl vorgezogen wurde. Wer will also noch ferner Fleisch für seinen Arm halten, oder sein Glück auf der Menschen Gunst bauen? Wer sollte aber auch verzagt sein, wenn er um Christi willen von Sündern hintangesetzt und verworfen wird? Wer dieses in dieser Welt geduldig leidet, und dabei dem HErrn Jesu treu bleibt, und durch diese Treue zeigt, daß er Ihn über Alles liebe, wird sein Glück in jener Welt mit Christo und bei Christo überschwänglich machen. Bei dem Leiden Christi sind vieler Herzen Gedanken offenbar geworden; ja es haben alle Gattungen von Menschen, Juden, Heiden, Männer, Weiber, die im geistlichen, weltlichen und Hausstand, Bürger und Soldaten, Uebelthäter und ehrliche Leute, rohe und fromme Menschen waren, den innersten Grund ihrer Seelen entdeckt, aber auch gezeigt, wie schwach das Fleisch und wie unzuverlässig ein Mensch sei. Dank sei dem lieben Heiland, daß Er dem Barrabas die Verlängerung seiner Gnadenzeit gegönnet, für Sich selbst aber keine Verlängerung Seiner Wallfahrt begehrt hat, weil nämlich damals Seine Stunde gekommen war, daß Er aus der Welt zum Vater ginge, und Sein Tod zur Versöhnung der Menschen mit Gott geschehen sollte.(Magnus Friedrich Roos)
Da sie Ihn gekreuzigt hatten, theilten sie Seine Kleider unter sich, und warfen das Loos darum.
Matth. 27,35.
Auch dieses war eine wehmüthige Klage des leidenden Messias: sie theilen Meine Kleider unter sich, und werfen das Loos um Mein Gewand, Ps. 22,19. Die Theilung Seiner Kleider setzt Seine Entblößung voraus, und diese mußte Ihm schon sehr empfindlich sein, denn Er hatte keinen Leib, wie Adam vor dem Sündenfall, sondern Sein Leib hatte, ob er schon rein und heilig war, die Gestalt des sündlichen Fleisches: folglich war es geziemend, daß er mit Kleidern bedeckt wurde. Da Ihm also diese Kleider bei der Kreuzigung ausgezogen wurden, und Sein heiliger Leib nackend auf das Querholz, das mitten am Kreuz hervorragte, hinaufgehoben, und hernach angenagelt wurde, mußte es Seiner Seele wehe thun, und Er konnte damals mit einer schmerzlichen Empfindung beten: laß nicht zu Schaden werden an Mir, die Dein harren, HErr Gott Zebaoth; laß nicht schamroth werden an Mir, die Dich suchen, Gott Israel. Denn um Deinetwillen trage Ich Schmach, Mein Angesicht ist voller Schande. Ps. 69,7.8.
Die Kleider Jesu, die man Ihm bei der Kreuzigung auszog, hatten ohne Zweifel mehrmalen etwas von Seinem Schweiß an sich genommen, waren aber neuerdings auch mit dem Blut bezeichnet, welches Er am Oelberg, und bei der Geißelung, und bei der Krönung mit Dornen vergossen hatte. Diese Kleiderstücke nun kamen in die Gewalt der heidnischen Soldaten, und diese theilten sie unter sich, und kleideten sich oder ihre Kinder darein, oder verkauften sie, da dann andere Sünder sie zur Kleidung brauchten. Ebenso ging es mit dem ungenähten Rock Jesu, um den sie das Loos warfen. Man sahe bald hernach einen Sünder mit diesem Rock Jesu bekleidet einhergehen, und ihn so lange tragen, bis er zerrissen war. Wenn Reliquien oder Ueberbleibsel der Heiligen werth wären, aufgehoben zu werden, so wären diese Kleider Jesu vor andern dessen würdig gewesen. Allein die Vorsehung Gottes ließ es geschehen, daß diese Kleider in die Hände der Sünder kamen, und bald hernach nach dem gemeinen Schicksal aller Kleider zerrissen und aufgerieben wurden, so daß Niemand mehr etwas davon wußte. Ohne Zweifel geschahe solches zur Verhütung des Aberglaubens, welchen die unverständigen Christen mit diesen Kleidern, wenn sie aufbehalten worden wären, getrieben hätten. Das blutflüssige Weib rührte den Saum des Kleides Jesu an, und wurde gesund, weil zugleich eine Kraft von Jesu ausging, allein der Heiland sagte hernach nicht: Mein Kleid hat dich gesund gemacht, sondern: dein Glaube hat dir geholfen, Luk. 8,48. Wenn aber der Glaube helfen soll, so hat er die Kleider Jesu nimmer dazu nöthig. Man liest auch in den Geschichten der Apostel und in andern Schriften der ältesten Lehrer nicht, daß sie die Leute zum Grab Jesu, oder zum Ort Seiner Kreuzigung, oder zu Seinen Wohnungen in Kapernaum und Nazareth, oder zur Krippe in Bethlehem gehen heißen, oder selbst dahin gegangen seien, um die Kraft Jesu zu erfahren. Er selbst will bei den Seinigen alle Tage sein bis an der Welt Ende; und antwortet auf die Frage, Er selbst will bei den Seinigen alle Tage sein bis an der Welt Ende; und antwortet auf die Frage, wo man anbeten solle, so, daß Er andeutet, auf den Ort komme es nicht an, sondern darauf komme es an, daß man den Vater (und Ihn selbst) im Geist und in der Wahrheit anbete. Joh. 4,20-24.(Magnus Friedrich Roos)
Jesus schrie laut: Mein Gott, Mein Gott, warum hast Du Mich verlassen.
Matth. 27,46.
Christus hat diese Worte, welche der Anfang des 22. Psalms sind, am Kreuz nach der dreistündigen Finsterniß laut ausgesprochen; das Uebrige aber, das in demselben Psalm steht, ist die Summe Seiner Gedanken gewesen, die Er am Kreuz in Seinem Gemüth gehabt hat, ohne sie auszusprechen. Die Verlassung, über die Jesus klagte, litt Er, wie alles Uebrige, in Seiner menschlichen Natur, und hörte dabei nicht auf, Gottes Sohn zu sein. Er litt sie, als Er auf Sein heftiges Schreien und auf Sein Flehen keine Hülfe, ja nicht einmal eine tröstliche Antwort bekam, und als Sein Gott es so weit mit ihm kommen ließ, daß Er Sich ein Wurm und kein Mensch mehr zu sein däuchte, und als Er Ihn verspotten und verachten ließ, ohne den Spöttern und Verächtern Einhalt zu thun, V. 7.8.9. Der Heiland fühlte sich auch deßwegen von Seinem Gott verlassen, weil Er, der sonst mit einem lieblichen Gefühl hat sagen können: der Vater läßt Mich nicht allein, Er ist mir zur Rechten, Er ist mir nahe, jetzt sagen mußte: sei nicht ferne von Mir, denn Angst ist nahe; denn es ist hier kein Helfer, V. 12. Es überließ Ihn derselbe Seinen sichtbaren und unsichtbaren Feinden, und ließ denselben zu, einen fürchterlichen Grimm und grausamen Muthwillen wider Ihn auszuüben, V. 13.14.17.21.22. Was Seinen Leib anbelangt, so war er wie ein trockenes Gefäß, aus dem das Wasser ausgeschüttet ist, Seine Gebeine hatten sich bei dem Hangen am Kreuz und bei der Verblutung zertrennt, und waren in den Gelenken auseinander gegangen. Sein Herz war in Seinem Leibe wie zerschmolzen Wachs, und hatte keine Kraft, das noch vorhandene Blut umzutreiben. Seine Leibeskräfte waren vertrocknet wie ein Scherbe und Seine Zunge klebte an Seinem Gaumen, weil die Feuchtigkeit in Seinem Munde bei dem großen Durst zäh geworden war: und allen diesen Schwachheiten und Schmerzen, bei welchen kein anderer Mensch einen Augenblick hätte lebendig bleiben können, half der große Gott nicht ab, so lange die Verlassung währte. Er gab damals diesem Müden keine neue Kraft, sondern legte Ihn in des Todes Staub, das ist, Er ließ Ihn auf’s Empfindlichste spüren, was der Tod sei, ehe Er wirklich todt war, V. 15.16. Dabei genoß Er nicht einmal ein Mitleiden, das sonst ein schwaches Labsal in den Schmerzen ist, sondern merkte, daß man an der Magerkeit Seines entblößten Leibes eine feindselige Freude habe, V. 18. Er war ganz nackend, und mußte Seine Kleider theilen und verloosen sehen, wie es bei der Hinrichtung der Missethäter gewöhnlich war, V. 19. Er däuchte Sich in einer großen Gefahr zu sein, wie Einer, über den ein Schwert gezuckt ist, oder wider den grimmige Hunde losgelassen sind, oder den ein Löwe verschlingen will, oder den Einhörner zerstechen und zertreten wollen, V. 21.22., und hiebei darf man ohne Zweifel an den Satan und seine bösen Engel denken. so fühlte Sich der Messias Jesus in derjenigen Zeit, da Er von Seinem Gott verlassen war. Und dennoch blieb Er glaubig und sagte zweimal: Mein Gott. Er harrte in der reinsten Geduld aus, bis die heitern Gedanken in Seiner Seele entstunden, die Ps. 22,23-3. beschrieben sind. Wenn uns nun der HErr Jesus auch etwas Weniges von der Verlassung fühlen läßt, die Er erfahren hat, so wollen wir von denjenigen sein, welche durch Glauben und Geduld unter Seufzen und Flehen die Verheißung ererben.(Magnus Friedrich Roos)
Und die Erde erbebete, und die Felsen zerrissen, und die Gräber thaten sich auf.
Matth. 27,52.
Dieses war ein außerordentliches Erdbeben, dessen unmittelbare Ursache die Herrlichkeit Gottes war, welche sich bei dem Tode Jesu offenbarte. Ein gleiches Erdbeben entstand auch, als der HErr auf den Berg Sinai herabfuhr. Die Berge hüpften damals wie die Lämmer, und die Hügel wie die jungen Schafe, und insonderheit bebte der Berg Sinai sehr, auch flohe das Meer schon vorher, und der Jordan wandte sich hernach zurück, Ps. 114. 2 Mos. 19. Nun hatte der HErr durch den Propheten Haggai Kap. 2,7. gesagt, Er wolle noch einmal (auf diese Weise) Himmel und Erde, das Meer und Trockene bewegen; und dieses geschahe bei keiner neuen Gesetzgebung, sondern bei der ewig geltenden Erlösung des menschlichen Geschlechts. Der Himmel wurde außerordentlich bewegt, da Jesus getauft, und da Er hernach verklärt wurde, da die Sonne am Himmel nach Seiner Kreuzigung ihren Schein verlor, und da Er gen Himmel fuhr. Die Erde erbebte bei Seinem Tod und bei Seiner Auferstehung. Ohne Zweifel aber ist durch das außerordentliche Erdbeben auch das Meer bewegt worden, wie denn dieses immer die Folge der Erdbeben ist, wenn das trockene Land, das erbebet, am Meer liegt. Alle Heiden wurden durch schwere Gerichte, aber auch durch die Predigt des Evangelii bewegt, und so kamen sie zum Trost der Heiden, wie Haggai sagt, das ist, sie bekehrten sich zu Christo, von dem sie vorher nichts gewußt hatten, den sie aber nun als ihr werthvolles und höchstes Gut kennen lernten. Paulus machte aus der Bewegung der Erde und des Himmels, von welcher Haggai geweissagt hatte, Hebr. 12,27. den Schluß: daß das Bewegliche solle verändert oder abgethan werden, auf daß da bleibe das Unbewegliche; hingegen setzt er V. 28 hinzu: daß wir ein unbewegliches Reich empfahen. Weil nämlich die Erde und der Himmel die Offenbarung der Herrlichkeit Gottes nicht ertragen können, und dadurch erschüttert und bewegt werden, so folgt daraus, daß sie, wenn die Herrlichkeit Gottes sich völlig offenbaren wird, ganz werden weggethan werden. Zwei Stöße haben sie schon von der Herrlichkeit Gottes bekommen; die völlige Erscheinung desselben wird ihnen den Garaus machen. Wenn nämlich der HErr Jesus zum Gericht erscheinen wird, so werden die Erde und der Himmel vor Seinem Angesicht fliehen. Alsdann wird Gott einen neuen Himmel und eine neue Erde machen, in welchen Gerechtigkeit wohnen wird, und welche zu der völligen Offenbarung Seiner Herrlichkeit taugen werden. Ob aber gleich die Erde und der Himmel bewegt worden, und endlich weggethan werden, so ist doch das Reich Gottes unbeweglich. Die Erde und der Himmel sind bis an’s Ende der Welt die äußerliche Einfassung desselben: es wird aber bleiben, obschon diese Einfassung vergehen wird.
Die Gräber thaten sich auf, und dieses Wunder zeigte an, daß Jesus über die Todten HErr sei; wie denn Paulus Röm. 14,9. sagt: dazu ist Christus gestorben und auferstanden und lebendig worden, daß Er über Todte und Lebendige HErr sei. Die Todten stehen auch, so lange sie Todte sind, unter Seiner Herrschaft. Gleichwie aber bei Seinem Tod Gräber geöffnet worden sind, um anzuzeigen, daß am dritten Tag hernach viele Leibe der Heiligen, die schliefen, auferstehen werden: also wird Er durch Seine allmächtige Stimme am jüngsten Tag alle Todten aus ihren Gräbern hervorrufen, und die Gräber sammt der ganzen Erde und dem Meere vergehen lassen. Gelobet sei der HErr Jesus, der uns diese Hoffnung gegeben hat!(Magnus Friedrich Roos)
Mat. 28
Taufet sie im Namen des Vaters, des Sohnes, und des Heiligen Geistes.
Matth. 28,19.
Wichtiger Befehl des HErrn Jesu, den Er deßwegen geben konnte, weil Ihm alle Gewalt im Himmel und auf Erden gegeben war, wie Er vorher sagte. Machet alle Völker zu Meinen Jüngern, sprach Er, und taufet sie u.s.w. Seine Liebe war also auf alle Völker ausgebreitet, auch die barbarischen und wilden sind nicht ausgenommen, alle sollen zu Seinen Jüngern gemacht werden, wenn sie wollen, und Seine Knechte sollen sich nach Seiner ausgebreiteten Liebe richten, und auch bei allen Völkern mit dem Evangelio einen Versuch machen. Sie sollten aber diese Völker wenn sie Jünger Jesu werden wollten, taufen. Warum aber taufen? Weil es der HErr Jesus befohlen hat. Es kommt aber doch nur darauf an, daß der Heilige Geist eine gute Veränderung in dem Herzen wirke: was soll dann die Taufe? Sie ist aber von dem HErrn Jesu, der weiser ist als wir, befohlen; und dem Menschen ist’s bei seiner Schwachheit nöthig und tröstlich, daß er auch sichtbare Zeichen und Mittel der Gnade habe, dergleichen die Beschneidung, das Osterlamm, die Taufe und das heil. Abendmahl sind. Man soll taufen, wer der Taufe fähig ist; nun sind aber auch kleine Kinder der Taufe wie der Beschneidung fähig, sie sind auch der Gabe des Heiligen Geistes fähig, wie das Beispiel des Täufers Johannis beweist, der noch im Mutterleibe mit dem Heiligen Geist erfüllt wurde; und da Jesus kleine Kinder, die man nicht zu Ihm hinführte, sondern hintrug, geherzt, ihnen die Hände aufgelegt, sie gesegnet, und ihnen dadurch eine geistliche Gabe mitgetheilt hat, so darf und soll ihnen auch die Taufe verliehen werden, damit sie von Jesu gesegnet werden, und eine geistliche Gabe empfangen. Man soll aber im Namen, oder auf den Namen des Vaters, und des Sohnes, und des Heiligen Geistes taufen. Drei werden hier genannt, und doch ist nur Ein Name, weil Ein göttliches Wesen ist. Man wird aber auf diesen Namen getauft, damit der Getaufte wisse, der himmlische Vater würdige ihn von nun an Seiner Liebe, der Sohn Gottes Seiner Gnade und Fürbitte, und der Heilige Geist Seiner heilsamen Wirkungen, und damit er ferner wisse, er soll und dürfe den himmlischen Vater als seinen Vater, den Sohn Gottes als seinen Erlöser und Fürbitter, und den Heiligen Geist als seinen Beistand und Führer erkennen, und mit seinem Glauben und Gehorsam verehren. Welch’ ein Trost liegt also in der Taufe! Welch’ eine Verpflichtung, welch’ ein Antrieb zum völligen Glauben und zur ewigen Verehrung des Dreieinigen Gottes! Lasset uns, wenn wir auch nach der Taufe wieder muthwillig gesündigt haben, wie der verlorne Sohn zu Gott umkehren, und glauben, daß, wenn ein getaufter, aber abtrünniger Christ sich bekehrt, er sich zu seinem Vater bekehrt, und von diesem seinem Vater wieder angenommen und auf’s Neue in das ganze Kinderrecht, folglich in die ganze Taufgnade eingesetzt wird. Den Getauften und Bekehrten gilt aber auch das Wort Jesu: lehret sie halten Alles, was Ich euch befohlen habe. Ist die Taufe die Wurzel des Christenthums, so ist der Stamm dieses Baumes der Glaube, welcher den Dreieinigen Gott, auf den man getauft worden, erkennt; wer aber im Glauben betet, kann Seine Gebote halten, empfängt eine Stärkung des geistlichen Lebens durch das heilige Abendmahl, und ist alsdann ein gerechtfertigter Unterthan Gottes in Seinem Himmelreich. (Magnus Friedrich Roos)