Riggenbach, Christoph Johannes - II. Die Berufung des Propheten Hosea.

Nachdem wir uns die Zeitlage vergegenwärtigt, in welcher die Propheten Amos und Hosea zum Volk Israel gesendet wurden, ist es nothwendig, der Berufung des Hosea noch eine besondere Betrachtung zu widmen. Das Buch dieses Propheten gehört zu den dunkleren Partien der heiligen Schrift. Sein Ringen mit Gott um Israel, die Heftigkeit seines Schmerzes über die Greuel in seinem Volk, die Gewalt der Anläufe, die sein Glaube nimmt aus der Tiefe seiner Klage über das Verderben heraus und empor zu den herrlichsten Einblicken in das Heil, das alles giebt seiner Rede manchmal etwas Gewaltsames, Abgerissenes, Wassersturzartiges. Bei ihm besonders ist deswegen die Auslegung oft mehr ein Ahnen, als ein sicheres Verstehen.

Wilhelm von Humboldt schreibt einmal in den Briefen an eine Freundin über das Neue Testament, es gilt aber von der Schrift überhaupt: „Es ist das gerade sehr schön, daß das Klare mit weniger Klarem gemischt ist. Alles, dessen der Mensch zur Besserung, Beruhigung und Erbauung bedarf, ist klar und leicht verständlich, und die weniger klaren, ja dunkeln Stellen thun dem keinen Eintrag. Da aber der Mensch immer, indem er im Leben seine Pflicht erfüllt, etwas haben muß, wodurch er in eine über das Leben hinausgehende Tiefe geführt wird, und er diese Tiefe nur durch Nachdenken erreichen kann, so bringen ihn diese Stellen eines Buches dazu, das ihm gegeben ist, immer in seiner Hand zu sein. Es werden ihm Geheimnisse gezeigt, damit er sie durch frommes Nachdenken zu ergründen lerne. “

Freilich sind die Schwierigkeiten im Buch Hosea nicht einzig von der Art, daß bei manchen Stellen der wahre Sinn kaum mit Sicherheit zu finden ist; sondern bei ihm vornehmlich, wie z. B. wiederum bei Hesekiel begegnen uns Stellen, wo der Anstoß von einer ganz andern Art ist. Den Wortsinn zu verstehen macht hier keine Schwierigkeit; wohl aber befremdet es den Leser, solches in der heiligen Schrift zu finden. Was wir da lesen, fällt uns auf, weil es uns gegen die Zartheit und den sittlichen Anstand zu verstoßen scheint. So gleich von vornherein die höchstauffallende Berufung des Propheten, das Gebot, das er empfängt, ein hurerisches Weib zu heiraten, und weiterhin so manches starke Wort gegen die Unzucht, die unter dem Volk im Schwange gieng.

Es ist wahr, das verstößt gegen unsere Sitten, so daß es schwierig ist, das rechte Wort darüber zu sagen. Dennoch ist es vielleicht heilsam, wenn wir einmal davon zu reden versuchen. Diese Abschnitte sind ja doch ein Theil von unsrer Bibel. Wer dieselbe durchliest, der stößt darauf. Wer zarten Gemüthes danach trachtet, die Reinheit des Herzens zu bewahren, der wird froh sein, wenn er hindurch ist, wie er froh ist, wenn er nicht genöthigt wird, von allem zu erfahren, was unter den Menschen Greuliches im Schwange geht; aber an dem Schriftwort wird er nicht irre werden, wenn es, weil so Schändliches ja leider wirklich vorkommt, dasselbe auch mit unverblümten Worten straft. Ist doch auch daran, daß man es mit sündlicher Neugier lesen kann, nicht das Schriftwort Schuld, sondern das eigene Herz. Immerhin bleibt auch für lautere Gemüther hier und da die Frage offen: warum steht auch das und das in der Schrift? was hat es zu bedeuten? wie ist es zu verstehen? wie müssen wir diesen Abschnitt ansehen, um ihn als einen würdigen Bestandtheil des heiligen Buches zu erkennen?

In diesem Sinn möchte ich von Hosea reden. Möge es mir gegeben werden, etwas von der Ueberzeugung, die mich durchdringt, auch in Ihnen zu wecken, daß gerade der Abschnitt, über den schon oft genug die Spötter gespottet, die Lästerer gelästert haben, recht verstanden eine der herrlichsten Perlen ist, eine der Stellen nämlich des prophetischen Wortes, wo die Gnade des heiligen Gottes besonders majestätisch verkündigt wird. Das eine Beispiel vermag dann unser Zutrauen auch für andere zu stärken.

Es ist ein wiederkehrendes Strafwort des Propheten, daß Ephraim nun eine Hure ist und Israel ist unrein. Ihre Thaten geben es nicht zu, daß sie sich kehreten zu ihrem Gott, denn sie haben einen Hurengeist in ihrem Innern, und den Herrn kennen sie nicht (5,3. 4). Ja besonders den Fürsten und Vornehmen wirft er es vor, die sollten des Landes Schilde sein: Ihr Saufen ist ausgeartet, sie huren immerfort, sind verliebt in Schande (4,18).

Solches Schelten ist man bei uns nicht gewohnt. Danken wir es dem Evangelium Christi, denn nur aus dessen Wirkung stammt es, daß eine zartere Scheu, von unreinen Dingen zu reden, und ein Anstand der Sitte sich allgemeiner verbreitet hat. Möchte nur auch von allen, die Christen heißen, gesagt werden können: es geschieht dergleichen nicht mehr bei ihnen; möchten wir in Wahrheit versichern dürfen: wir sind nicht mehr gewohnt, daß so schändliche Dinge unter uns verübt werden, - wie es doch leider in grober und feiner Weise mannigfach geschieht. Wer durch Gottes Gnade bewahrt oder befreit ist, der mache wie Hiob einen Bund mit seinen Augen und versäume nicht das Wachen und Beten. Wem aber das Wort des Herrn vom ehebrecherischen Blick der Augen durch die Seele geht, der wird es verlernen, ein Gebet wie der Pharisäer zu thun: ich danke dir, Gott, daß ich nicht wie jene Leute bin. Wer vollends tiefer in die Sünde verstrickt ist, und ist doch noch aufrichtig genug, um der Wahrheit, seis auch wider sich selbst, die Ehre zu geben, wie wird er wohl urtheilen auf die Frage, was ihm fromme? Ist es besser, die Sünde zu verdecken, unter dem Schein der Sprödigkeit jedes scharfe Wort dagegen sich zu verbitten, höchstens zu gestatten, daß mit feiner geglätteter Rede darauf hingedeutet werde, noch lieber mit verblümten Worten darüber hinwegzugleiten, ja gar das Schändliche mit anmuthigen Namen, mit leichtem Scherz, mit einem Schein des Interessanten zu schmücken; wird das ihm frommen? oder aber der häßlichen Sache derb und unverhüllt den häßlichen Namen zu geben und ihn mit der Frage zu schrecken: bist du ein solcher?

Diesen unwillkommenen Dienst that der Prophet seinem Volk; er schnitt ins Fleisch. Er hatte doppelt Ursache dazu, denn daß Israel so tief darin steckte, war bei demselben nicht einfach nur des Fleisches Lust, sondern es hieng mit dem Götzendienst zusammen. Das ist noch heute z. B. in Indien der Fall, und war es nicht weniger im feinen veredelten griechischen Alterthum, bei den ernsten Römern, am ärgsten aber, ja ganz besonders schamlos in Kanaan und den umgebenden Ländern. Erlauben Sie mir, etwas einläßlicher von diesem Götzendienste zu reden. Ich werde Maß halten, denn ich vergesse nicht, daß tiefer einzugehen, als zum Verständniß der Schrift nothwendig ist, leicht helfen könnte den bösen Schatz der Herzen vermehren.

Unter den kanaanitischen oder phönizischen Göttern, zu deren Verehrung sich Israel verführen ließ, steht Baal obenan, chaldäisch Bel; das heißt wörtlich nichts anderes als der Herr, so daß z. B. der Ehemann Baal genannt werden kann. Durch Zusammensetzung mit Baal sind manche Eigennamen gebildet; ich erinnere an den berühmten punischen Feldherrn Hannibal, dessen Name bedeutet: gnädig ist der Herr. Wenn aber öfter nicht nur von einem Gott Baal, sondern in der Mehrzahl von Baalim die Rede ist, so sind damit entweder die verschiedenen Bildsäulen des Gottes gemeint, oder noch eher die verschiedenen Götter selbst, das heißt die verschiedenen Gestaltungen des gleichen Gottes je nach dem Unterschied der Städte und Landstriche. Es geschah nämlich, daß man hier einen Baal verehrte, dem man diese, dort einen andern, dem man jene besondern Eigenschaften zuschrieb, und daß danach auch der Dienst, den man ihm brachte, ein verschiedener war. So verehrte man hier einen Baal Sebub, das heißt Herr der Fliegen, dem man zuschrieb, daß er die beschwerlichen Stechfliegen abwehre (2. Kön. 1, 2); an einem andern Ort einen Bel Samen oder Herrn des Himmels; anderwärts einen Baal Berith oder Herrn des Bundes, nämlich der verbündeten kanaanitischen Staaten (Richt. 8, 33). Wiederum heißt ein Baal auch Molech, das bedeutet König (Jer. 19, 5; 32, 35). Im Dienste dieses Gottes, der auch in der phönizischen Colonie Karthago verehrt wurde, waren die grausamen Menschenopfer üblich; insonderheit brachten ihm seine Verehrer ihre eigenen Kinder dar. Sein Bild soll von Erz gewesen sein, inwendig hohl zum Heizen, mit dem Haupt eines Stiers und ausgestreckten Armen, um die Kinder aufzunehmen. Bei den Ammonitern vornehmlich war dieser furchtbare Dienst des Molech, Milkom oder Malkam zu Hause (1. Kön. 11, 5. 7. 33; 2. Kön. 23,13; Jer. 49,1. 3).

Dem von Molech unterschiedenen Baal wurden anstatt eines Thierbildes ursprünglich bloße Säulen oder Denksteine (Mazzeboth) gewidmet; damit ist gleichbedeutend ein anderes Wort (Chammanim), was Luther mit Bilder übersetzt, was aber Sonnensäulen oder Schattenzeiger bedeutet (2. Kön. 23,14; 2. Chron. 34,4). Der griechische Geschichtschreiber Herodot (2,44) sah in Tyrus zwei solche Säulen, die eine von reinem Gold, die andere von einem grünen glänzenden Stein. Später wurden dem Baal Tempel gebaut, wie derjenige, welchen Ahab errichtete, Jehu zerstörte, und Bildsäulen aufgestellt mit Sonnenstrahlen um das Haupt herum. Denn Baal ist der Sonnengott, der Herr des Himmels und Regent der Erde. Weil das Abnehmen des Sonnenlichts bis zur Wintersonnenwende und wiederum von dort an das Längerwerden der Tage das Absterben und Neuaufwachen der Natur verursacht, so spricht die heidnische Sage vom Schlafen und Aufwachen Baals, worüber Elias seinen heiligen Spott ergießt.

Meistentheils empfängt nun aber die Verehrung nicht Baal allein, sondern neben ihm die weibliche Gottheit Aschtoreth oder Astarte, in der Mehrzahl Aschtaroth, das bedeutet den Stern oder die Sternregentin, nämlich den Mond. Das Bild dieser Göttin trägt deßwegen Hörner. In Sidon wurden ihr gleichwie der Mondgöttin Artemis oder Diana in Tauris, das heißt in der Krim, in früheren Zeiten Menschenopfer dargebracht. Später nimmt im Dienste des vom Molech unterschiedenen Baal sowie der Göttin Astarte statt der Grausamkeit vielmehr die Wollust überhand.

Ganz besonders aber ward eine solche Verehrung der Göttin Aschera dargebracht. Diesen Namen finden Sie nicht in der deutschen Bibel, indem Luther, der griechischen Uebersetzung folgend, das Wort durchgängig mit Hain übersetzt. Oefter ist davon die Rede, die Haine seien umgehauen und verbrannt worden. Daraus sieht man, daß es sich um etwas hölzernes handelt. In älteren Zeiten scheint man Bäume als Göttinnen der Fruchtbarkeit angebetet zu haben. Dann aber errichtete man, um diese Gottheit darzustellen, hölzerne Säulen oder Pfähle, und dieses sind die Ascheren, die von den Astarten ursprünglich unterschieden waren, aber wie es bei der Vielgötterei unvermeidlich ist, auch wieder mit denselben vermengt und verwechselt wurden (Richt. 2,13; 3,7). Ursprünglich scheint, wie Astarte die Mondgöttin, so Aschera die vergötterte Mutter Erde zu bedeuten.

Wie ist es aber möglich, daß Menschen darauf verfallen konnten, zu meinen, sie ehrten ihre Götter mit schändlichen Ausschweifungen? Das hängt so zusammen: der Sonnengott, der mit der Glut seiner Strahlen alles versengt, das ist der grimmige Molech, dem man sein Liebstes, seine zarten Kinder darbringt, damit er sie verzehre. Aber der Sonnengott ist auch der Gott der Fruchtbarkeit, der in Belebung der Natur seine Zeugungskraft erweist. Dem Monde schrieb man Einfluß auf die Feuchtigkeit und damit gleichfalls auf die Fruchtbarkeit zu. Vornehmlich aber die Mutter Erde ist der fruchtbare Schooß alles natürlichen Lebens. Von diesem Hervorbringen des Lebens konnten nun die Heiden in sinnreichen Gleichnissen singen und sagen, und heute kann man gelehrt davon reden, um die heidnischen Dichtungen zu erklären. Gar leicht jedoch übersieht man dabei die unheimliche, ja heillos verführerische Gewalt dieser Naturreligion. Achtet man aber auf die Frucht, welche sie im Leben trug, so wird man inne: das war kein unschuldiger, idealer, poetischer Irrthum; das war in Ursache und Wirkung gleich verwerflich.

In seiner Ursache: sie haben, wie der Apostel sagt, das Geschöpf geehrt anstatt des Schöpfers (Röm. 1,25). Sie haben die Fruchtbarkeit und Zeugungskraft der Natur vergöttert. Soll nun dieses Naturleben an sich selber schon das Göttliche sein, und zwar je strotzender es sich entfaltet, desto mehr: wie kann es anders sein, als daß nun dieselbe Naturkraft, wie sie im Menschen ist, zum Ausbruch kommt, aber eben nur als Naturkraft, wild und ungebändigt, entfesselt von der Zucht des Geistes, unter welcher der Segen einer geheiligten Ehe steht, nichts als die Ungebundenheit des zuchtlosen Fleisches? Das ist also von der schlimmen Ursache die schlimme Wirkung, wie es wiederum der Apostel bezeichnet: als solche, die in ihres Herzens Gelüsten dahin leben, giebt Gott sie dahin in alle Unreinigkeit hinein zur furchtbaren Strafe (Röm. 1,24). Wie schrecklich kann ein Volk ausarten, wenn es einmal angefangen hat, auf diesem Abhang auszugleiten! Da geht das Dichten von abscheulichen Sagen über die Götter und das Treiben von abscheulichen Dingen gleich diesen Göttern Hand in Hand. Und das liegt nun eben in der Verehrung des Baal, der Astarte und der Aschera vor unseren Augen.

Da müssen im Dienste besonders des Baal Peor junge Töchter sich der Schande weihen. Schon in Bileams Geschichte kommt das vor. Jener tief unlautere Prophet der Urzeit, als er vom Geiste Gottes überwältigt war und Israels herrlichen Beruf verkündete, sprach das schöne Wort: Meine Seele müsse sterben des Todes der Gerechten und mein Ende werde wie dieser Ende (4. Mos. 23,10). Aber so ward sein Ende nicht, sondern ein Ende mit Schrecken, und warum? Unheiligen Sinnes blieb er nicht bei der Offenbarung des heiligen Gottes, die er erfahren, sondern suchte dem Moabiterkönig Balak zu Gefallen zu reden. Hatte dieser ihn berufen, Israel zu fluchen, und Bileam statt zu fluchen gesegnet, so wollte er jetzt Balak doch noch zufrieden stellen, und gab ihm darum einen schändlichen Rath (4. Mos. 31,16), als sagte er ihm: willst du Israel recht tief und gründlich ruinieren, so trachte es seines heiligen Charakters zu berauben; suche es zu Falle zu bringen mit Götzendienst, und zwar mit dem Götzendienst des Baal Peor (4. Mos. 25,3). Darüber fielen von Israel 24000; aber auch unter den Midianitern, die in dieser Sache mit den Moabitern verbündet waren (4. Mos. 22,4), wurde ein furchtbares Gericht vollstreckt, das auch den falschen Propheten traf (4. Mos. 31, 8).

Etwas Entsetzliches liegt ferner schon in einer einzigen Benennung. Da gehörten zum Götzentempel als dessen Sklaven und Sklavinnen Jünglinge und Töchter, die einen Namen führten, der ursprünglich gleichbedeutend mit heilig ist. Aber diese Heiligen des Götzentempels sind zu keinem andern Dienst als eben zu dieser Schändlichkeit geweiht. Nicht umsonst wird dies im Gesetze Gottes als ein besonderer Greuel bezeichnet (5. Mos. 23,18.). Wie zähe sich aber das israelitische Volk selbst im Reich Juda daran klammerte, das zeigt uns der Umstand, daß nachdem schon Asa das Unwesen ausgerottet, sich Ueberreste davon bis unter Josaphat heimlich fortgepflanzt hatten (1. Kön. 15,12; 22,47).

Was unter dem Vorwand eines solchen Gottesdienstes geschah, das haben wir schon aus dem Munde des Propheten Amos vernommen: Es gehen Sohn und Vater zu Einer Dirne, damit sie meinen heiligen Namen entheiligen (2,7). In den Sukkoth Benoth, das heißt Zelten der Töchter, die später von Babel her ins Land kamen (2 Kön. 17,30), wurden wahrscheinlich solche Dinge verübt, wie sie auch Herodot (1,199) als ganz besonders schändlich bezeichnet. Dieser älteste Geschichtschreiber der Griechen ist ein trefflicher Beobachter, der mit photographischer Treue, ohne einen Ton von Schlüpfrigkeit, schlicht und thatsächlich zeichnet, was er gesehen hat. Aus Palästina nun berichtet er, daß er Säulen angetroffen habe, worauf ein weibliches Glied abgebildet war (2,106). Das waren höchst wahrscheinlich, obwohl er es für etwas anderes hält, jene Ascheren, die Luther mit Haine übersetzt. Wie weit verbreitet es war, das Bild von männlichen Gliedern als Gleichniß der Fruchtbarkeit aufzustellen, wie noch bis auf den heutigen Tag in Indien geschieht, das wissen Sie vielleicht. Wie es zugieng beim Herumtragen solcher Bilder, und zwar durch Weiber, wie frech und ausgelassen solche Prozessionen waren, das schildert uns Herodot, zwar nicht aus Palästina, aber aus dem benachbarten Aegypten in einer solchen Weise, daß man es selbst unter Männern nicht wiederholen mag (2,48. 60).

Wenn wir uns alles das vergegenwärtigen, ist es nicht schreiend, mit welchem heiligen Recht die Schrift über die abgöttischen Israeliten urtheilt: sie wandelten der Eitelkeit nach und wurden eitel (2. Kön. 17,15)? ja noch stärker möchten wir sagen: sie wandelten dem Schändlichen nach und wurden schändlich; oder wie Hosea spricht (9,10): sie giengen zu Baal Peor und weihten sich der Schande und wurden Greuel wie das, was sie liebten. War es eine uralte Anschauung des prophetischen Wortes, daß es den Bund zwischen Gott und seinem Volke mit einem Ehebund verglich, um damit aufs allerinnigste die zarte Liebe, die treue ausschließliche Hingebung zu bezeichnen, die in diesem Bündniß walten müsse, so begreifen wir jetzt um so völliger, warum der Abfall vom wahren und heiligen Gott so oft mit den Worten bezeichnet wird: die Söhne Israel hurten hinter dem Herrn weg andern Göttern nach. Es war dieser Abfall an sich selber so arg als ein Ehebruch, und führte auch im wörtlichen Verstand zu allen Lastern der Unreinigkeit.

Darum straft Hosea (4,11-14): Hurerei, Wein und Most machen toll (wörtlich: benehmen das Herz). Mein Volk fraget sein Holz (seinen hölzernen Götzen) und sein Stab soll ihm predigen (durch eine Art von Loos ein Orakel geben). Denn der Hurereigeist verführet sie, und sie huren wider ihren Gott. Oben auf den Bergen opfern sie und auf den Hügeln räuchern sie, unter den Eichen, Linden und Buchen, denn die haben feine Schatten. Darum werden eure Töchter auch zu Huren und eure Bräute zu Ehebrecherinnen werden. Und ich wills auch nicht heimsuchen an euern Töchtern, daß sie huren, und an euern Bräuten, daß sie ehebrechen, denn ihr selber sondert euch ab mit den Huren und opfert mit den Bübinnen, das ist mit jenen sogenannten heiligen Sklavinnen.

Endlich bestand ein besonderes Verderben der wahren Verehrung Gottes noch darin, daß wie es scheint eine Vermischung dieser abgöttischen Greuel stattfand mit dem, was von Anrufung des Herrn noch vorhanden war. Das wurde natürlich dadurch befördert, daß im Reich Ephraim der Gott Israels nicht in der Weise, die er selbst angeordnet, sondern in selbsterwählter Menschenweise unter dem Bild eines goldenen Kalbes oder Stiers angebetet wurde. Da lag nun der Uebergang nahe zur Verehrung geradezu fremder Götter, oder auch zu der Vermischung der Religionen, als ob alle nur verschiedene Formen der einen gleichen Anbetung wären. Kann ja doch niemand die schöpferische göttliche Lebenskraft leugnen, die sich in der ganzen Natur so mächtig und überwältigend bezeugt. Was liegt daran, so mochten jene Freigesinnten denken, mit welchem Wort wir sie bezeichnen? ob der Israelite sage: Adonai, das ist: mein Herr! oder der Phönizier: Baali, das ist wiederum: mein Herr! wer wird beschränkt und engherzig darum streiten? Name ist Schall und Rauch! wir glauben all' an Einen Gott! und so verbanden jene freidenkenden Leute mit dem Dienste des Gottes Israels, als wäre er kein heiliger Gott, die Schändlichkeiten der Naturreligion, der Verehrung eines Baal, einer Astarte und Aschera (vgl. Hos. 2,18).

Solche furchtbare Greuel aber, das werden Sie zugeben, kann man nicht mit seidenen Handschuhen anrühren. Ist es doch überhaupt schon ein tiefes Verderben, wenn in einem Volke die Sünden der Unreinigkeit herrschend sind. Es ist nicht das Einzige, was die Menschen zu Grunde richtet. Denn z. B. der Geiz, dieser tieffressende Rost der Seelen, richtet nicht minder arge Verwüstungen an, um so mehr, da er sich mit dem Selbstbetrug einer scheinbaren Rechtschaffenheit, ja Frömmigkeit verschwistern kann. Dem gegenüber kann es Menschen geben, die in einem lockern Wesen sich gehen lassen und dabei viel liebenswürdiger sind als jene harten selbstgerechten Mammonsknechte; sind sie doch gutmüthig, in Geldsachen loyal, freigebig und wohlwollend. Das alles ist möglich. Aber im tiefsten Grunde sind sie nichtsdestoweniger frivol. Den heiligen Gott, den kennen sie nicht; wie könnten sie auch? denn er ist Geist und nicht Fleisch, sie aber sind fleischlich und unter die Sünde verkauft.

Wo nun aber vollends diese Greuel nicht im Finstern schleichen, wie „es bei uns geschieht, da doch selbst die Spötter wissen, daß es ein Unrecht ist, was sie heimlich thun; wo sie vielmehr frech und öffentlich und gar als ein heiliger Dienst geübt werden, wie kann hier ein Prophet des lebendigen Gottes anders als in wahrhaft heiligem Eifer dagegen entbrennen? Drängt sich uns doch hier besonders die Wahrheit des apostolischen Wortes aus: was die Heiden opfern, das opfern sie den Teufeln (1. Cor. 10, 20). Nicht als wäre jeder heidnische Gott ein besonderer Teufel, der sich gerade in dieser Gestalt erzeigt hätte, wie ihn die Heiden abbilden, und gerade solche Thaten verübt hätte, wie sie in ihrer Mythologie davon erzählen. So haben es die Kirchenväter verstanden, nicht aber der Apostel. Wir wissen, daß ein Götze nichts ist, sagt er (1. Cor. 8,4). Dennoch aber: was die Heiden opfern, das opfern sie den Teufeln. Die haben ihre Lust daran. Wir spüren davon etwas im Angesicht der beschriebenen Greuel.

Wenn nun aber durch das bisher Gesagte das eine Befremden sollte gehoben sein, das Befremden darüber, daß der Prophet so stark und derb und so wiederholt gegen die Sünden der Unzucht eifert, so scheint dadurch nur um so mehr das andere Bedenken verstärkt zu werden, darüber nämlich: wie denn auch der gleiche Prophet, dessen Eifer für das, was rein und heilig ist, so glühend sich zeigt, etwas ganz Widersprechendes selber wiederum könne thun? und vollends wie es möglich sei, daß der Befehl dazu ihm solle von Gott gekommen sein?

Darüber haben nicht nur die Thoren ihre Schmähungen ergossen, sondern auch redliche Ausleger haben gemeint, um des Anstands und um der Ehre des göttlichen Wortes willen müßten sie den Abschnitt anders verstehen als die Worte lauten. Es liege hier nur ein Gleichniß vor, das der Prophet dem Volk, wie Nathan dort dem König David, zu erzählen den Auftrag bekommen habe; oder sie fügen etwa noch hinzu: der Prophet habe sich durch ein inneres Erleben, einem schweren schrecklichen Traume vergleichbar, in die Lage hineinempfinden müssen: wie arg es ihm wäre, wenn er ein Weib hätte, das ihm die Treue bräche; so habe er etwas von dem geschmeckt, welcher Wermuth Israel, das treulose Volk, für seinen Gott und Herrn beständig sei.

Allein so lautet einmal der Wortlaut nicht. Da ist nichts vom Erzählen eines Gleichnisses zu lesen und ebenso wenig von einem bloßen Sichhineinfühlen in einen gedachten Vorgang. Sondern, was wir lesen, giebt uns einfach und schlicht eine Erzählung von Thatsachen. Der Prophet bekommt den Befehl, etwas zu thun, und er thut es wirklich. Er nimmt ein Weib, das gebiert ihm einen Sohn, darauf eine Tochter, und nachdem diese entwöhnt ist, abermals einen Sohn. Ueber etliche Jahre erstreckt sich die Handlung, die in der Berichterstattung kurz zusammengefaßt wird. Das ist eine prophetische Handlung, wie wir dergleichen noch manche finden. Es sind das Handlungen von sinnvoller Bedeutung; Gleichnisse, welche die Propheten thun, um auch den Augen zu predigen; ein ernster ergreifender Unterricht durch die Anschauung.

So zerreißt Ahia von Silo den Mantel des Jerobeam in zwölf Stücke und heißt ihn zehn davon nehmen (1. Kön. 11,30). Es ist ohne weiteres klar, was das bedeutet. So zerbricht Jeremia (Cap. 19) vor den Aeltesten des Volks einen irdenen Krug, das Bild des Volkes und der Stadt, die gleichfalls sollen zerbrochen werden. So macht derselbe Prophet (Cap. 27) ein hölzernes Joch und hängt sichs an den Hals, um anzuzeigen, daß Nebukadnezars Joch dem Volk Israel und seinen Nachbarn wird auferlegt werden; und nachdem Hananja dasselbe gebrochen hat, empfängt Jeremia den Befehl an jenen falschen Propheten: so spricht der Herr: du hast das hölzerne Joch zerbrochen, so mache nun ein eisernes Joch an jenes Statt (28,10.13). So mußte Hesekiel (5,1ff.) seine Haare scheeren, dieselben in drei Theile theilen, den einen mit Feuer verbrennen, den andern mit dem Schwerte schlagen, den dritten in den Wind zerstreuen, und nur ein klein wenig davon zur Bewahrung in seines Mantels Zipfel binden. Das ist Jerusalem, spricht der Herr.

Derselbe Hesekiel (Cap. 24) bekam, als seine Gattin plötzlich dahinstarb, das Gebot von Gott, er dürfe nur heimlich seufzen, aber keinerlei laute Todtenklage anstellen, sondern müsse seinen Schmuck anlegen wie gewöhnlich. Und wie nun das Volk ihn fragt: willst du uns denn nicht anzeigen, was uns das bedeute, das du thust? da bekommen sie zur Antwort: Hesekiel sei ihnen zum Zeichen gesetzt; so werden auch sie bei der Kunde von der Zerstörung der Stadt und vom Untergang der Ihrigen verstummen müssen und im Land ihrer Unterdrücker nicht klagen dürfen.

Schon hier ist ein Erlebniß, das in des Propheten Familienleben tief einschneidet, und weiter das Verhalten desselben in dieser Trübsal zu einem Gleichniß für das Volk gemacht. Noch näher trifft es mit Hosea zusammen, wenn Jesaja seinen eigenen Söhnen hochbedeutsame Namen beilegt, dem einen Schear Jaschub, der Ueberrest wird sich bekehren (7,3), dem andern Maher Schalal Chasch Bas, Raubebald, Eilebeute (8,1 ff.), worauf sich dann sein Wort bezieht: siehe, hier bin ich und die Kinder, die mir der Herr gegeben hat zu Zeichen und Wundern in Israel (8,13).

Dieses Wort des Jesaja könnte man buchstäblich zur Überschrift über das erste Kapitel des Hosea gebrauchen, und wie Jesaja seinen wirklichen Kindern jene Namen beilegte, so lautet auch des Hosea Berichterstattung durchaus nicht anders. Daß der Name des Weibes, Gomer, Tochter des Diblaim, von bildlicher Bedeutung sei, wie man behauptet, ist nicht einmal sicher; und wäre es der Fall, so würde es auch dann dem geschichtlichen Charakter nicht widersprechen. Es wäre nur ein bedeutsamer Name mehr zu den andern, die bedeutsam und doch zugleich geschichtlich sind. Nicht einmal das ist gutzuheißen, daß was von dem Charakter des Weibes gesagt wird, nur allgemein von seinem götzendienerischen Wesen verstanden werde; der Ausdruck bezeichnet es allzubestimmt als ein schlechtes Weib, das bis dahin in Sünden gelebt hat; ein solches soll er zum Weibe nehmen.

Aber wie kann denn Gott, der heilige Gott, von seinem Propheten solches fordern? Nun freilich, etwas furchtbar Schweres legt er ihm auf. Standen auch überhaupt in jener Zeit die Frauen in ihrer geistigen und geistlichen Bildung noch niedrig, und kannte man ebendaher noch nicht die volle Innigkeit einer christlichen Ehe, dennoch war und blieb es ein Hartes, das von Hosea gefordert wurde. Ein Hartes, sage ich, aber keineswegs etwas Schlechtes. Es wäre ein gröblicher Mißverstand, zu meinen, ihm werde geboten, etwas Unrechtes zu thun.

Wäre er ein Priester gewesen, so hatte eine solche Heirath wider das Gesetz verstoßen, denn das Verbot einer solchen Ehe ist einer von den feinen Zügen der heiligen Ordnung, durch welche Mosis Gesetz den Priesterstand sittlich zu heben trachtet (3 Mos. 21, 7). Von Hosea ist aber nicht anzunehmen, daß er ein Priester war; und nun ward er zu etwas Außergewöhnlichem berufen; zu etwas Schwerem, das müssen wir gestehen, aber nimmermehr zu etwas Schlechtem oder Sträflichem. Nicht er soll sündigen, wenn er sich auch mit einem Weibe verbindet, das bis dahin in Sünden gelebt hat. Ist es denn noch nie vorgekommen, daß ein unbescholtener Mann eine Gefallene geheirathet hat, und damit auch den unglücklichen Kindern, die sie ihm zubringt, ein Vater geworden ist? Das und nichts anderes wird von dem Propheten verlangt. Wie schon früher eine Rahab, die aus ihrem Sündenwandel heraus sich zum Gott Israels streckte, von ihm zu Gnaden und auch von den Menschen zu Ehren angenommen wurde, so wurde das Gleiche hier dem Weibe zu Theil, das der Prophet zur Ehe nahm.

Denn also lautet der erste Abschnitt (1,2 bis 2,3): Im Anfang, da der Herr anfieng reden zu Hosea, sprach er zu ihm: gehe hin und nimm ein Hurenweib und Hurenkinder; nimm das Weib, zur Ehe nämlich, und seine Kinder, die schon vorhandenen nämlich, die es mitbringt, nimm zu dir ins Haus. Denn das Land läuft hinter dem Herrn weg der Hurerei nach. Also was der Herr an seinem Volk erfährt, sollst du erfahren; was der Herr an Israel und seinen Kindern thut, das sollst du an dem Weibe thun und an dessen Kindern. Wie der Herr nicht auf die Sünder wartet, bis sie sich bekehren, sondern ihnen zuvorkommt und mit unverdienter Liebe nachgeht, daß sie sich bekehren möchten, so sollst du dich annehmen der Seelen dieser arg Verirrten. Und er gieng hin und nahm Gomer, die Tochter Diblaims, das heißt: er heirathete sie; welche ward schwanger und gebar ihm einen Sohn. Und der Herr sprach zu ihm: heiße ihn Jesreel. Denn es ist noch um ein kleines, so will ich die Blutschulden Jesreels heimsuchen über das Haus Jehu, und wills mit dem Königreiche des Hauses Israel ein Ende machen.

Was es mit den Blutschulden Jesreels aus sich habe, das erinnern Sie sich von unserer ersten Betrachtung her. Sie wissen auch, daß wenn der Prophet hier die Zerstörung des Königreichs Israel weißagt, er solches ausspricht wenigstens 63 Jahre, bevor es geschah - das ist nach göttlichem Zeitmaß gleichwohl „ein Kleines“ - und daß er es gethan hat in einer Zeit, wo das Land sich der letzten Scheinblüte seiner Stärke rühmte. Derselben gegenüber spricht der Herr: Zu derselbigen Zeit will ich den Bogen Israels zerbrechen im Thal Jesreel.

In der Thalebene von Jesreel sind manche Entscheidungsschlachten der israelitischen Geschichte geschlagen worden. Darum knüpft der Prophet auch den Sturz des Reiches an dieses Schlachtfeld. Eine zwiefache Beziehung ist aber noch bestimmter hervorzuheben. Einmal liegt in dem Namen eine Erinnerung an die Blutthaten, die zu sühnen waren; wie der Sohn Ahabs auf dem Acker Naboths des Jesreeliten fiel, so soll gleiche Vergeltung jetzt auch dem Haus Jehu widerfahren; wie unsre Väter bei St. Jakob, das Gericht das sie ereilte merkend, riefen: das ist der Tag von Gryfensee! so sollte das Haus Jehu spüren: jetzt kommt der Tag von Jesreel auch über uns! Deswegen muß der Sohn des Propheten diesen Gericht verkündigenden Namen führen, der aber noch überdieß bedeutet: Gott streuet aus; also hier noch zur Verschärfung der Drohung: Gott wird Israel zerstreuen. Das lautet wie jenes Wort des Amos von den Samenkörnern, die unter allen Heiden sollen im Sieb geschwungen werden (9,9).

Wir lesen weiter: Und sie ward abermal schwanger und gebar eine Tochter. Und er sprach zu ihm: heiße sie: Lo Ruchama, das ist Nichtbegnadigte; denn ich will mich nicht mehr über das Haus Israel erbarmen, daß ich ihnen immerfort vergäbe; so übersetzen die einen Ausleger; andere dagegen: sondern ich will ihnen gänzlich nehmen - alles was sie haben nämlich. Und über das Haus Juda will ich mich erbarmen und will ihnen helfen durch den Herrn, ihren Gott, den eben Juda noch als seinen Gott hat, wie es in Ephraim nicht der Fall ist; ich will ihnen aber nicht helfen durch Bogen, Schwert, Streit, Roß oder Reiter. Eine wunderbare Verheißung des Heils! Zwar so gehalten, daß Juda sich nicht Fleisches rühmen kann; aber gerade dadurch strahlt sie um so heller. Als es kam, wie Hosea geweißagt hatte, als Hiskia die Hilfe wider Sanherib empfieng, da war es eine Hilfe rein durch des lebendigen Gottes Allmacht; das war eine wundervolle Rettung; und noch wundervoller ist diese Vorausverkündigung derselben.

Noch folgt eine dritte Drohung der nahen Verwerfung Israels. Und da sie hatte Lo Ruchama entwöhnt, ward sie wieder schwanger und gebar einen Sohn. Und er sprach: heiße ihn Lo Ammi, das ist nicht mein Volk; denn ihr seid nicht mein Volk, so will ich auch nicht der Eure sein.

Aber damit kann das prophetische Wort nicht schließen. Das Gericht soll ja nur die Zwecke des ewigen Erbarmens vollziehen an allen, die irgend von Erbarmen leben wollen. Darum bricht aus den dunkeln Gewitterwolken auf einmal der Blitz der Gnade hervor; über die schreckliche Zeit der Strafgerichte hinweg blickt er in die Zukunft voll göttlichen Gnadenheils: Und es wird die Zahl der Kinder Israel sein wie der Sand am Meer, den man weder messen noch zählen kann. Also die Verheißung, die an Abraham ergangen, ist nicht dahin; alle Sünden des Volkes können sie nimmermehr vernichten. Zwar muß Jesaja verkünden (10,22): Ob auch dein Volk, o Israel, ist wie Sand am Meer, so soll doch nur der Ueberrest darin sich bekehren und also gerettet werden. Hosea aber verheißt auch diesen Geretteten wieder eine Mehrung ohne Zahl und Maß.

Und es soll geschehen an dem Ort, da man zu ihnen sagte: ihr seid nicht mein Volk, wird man zu ihnen sagen: o ihr Kinder des lebendigen Gottes. Da muß also eine augenfällige Veränderung mit ihnen vorgegangen sein, so daß man sie erkennen kann und anerkennen muß als Menschen, die ihr neues Leben aus Gott haben, die aus seinem Geiste geboren sind und einen Wandel führen, wie er nicht aus den Kräften des natürlichen Menschen stammt.

Weiter heißt es: Und es werden die Kinder Juda und die Kinder Israel mit einander zuhauf kommen und werden sich ein einiges Haupt setzen, und aus dem Lande (wo sie verhöhnt waren) heraufziehen, denn groß ist der Tag Jesreel. Hier ist auf einmal auch von den Söhnen Juda die Rede, die gleich den Söhnen Israel aus der Verbannung heimziehen. Sie werden demnach, so müssen wir merken, nach jener verheißenen Rettung doch gleichfalls einst ins Elend kommen. Aber darüber wird wie ein Schleier gezogen. Um so fester wird der Blick auf die Zeit der Begnadigung gerichtet, wo der Sünde Jerobeams, des Sohnes Nebats, gründlich wird ein Ende gemacht sein; wo die Bekehrten und Geretteten einträchtig sich an den Einen Davidssohn halten und in ihm ihr Heil, ihren Frieden und ihre Herrlichkeit finden werden. Das ist nicht das Zerrbild jener erzwungenen Einheit, die mit Vorspiegeln der weltlichen Macht, welche durch das Centralisieren gewonnen werde, einen so großen Zauber übt. Das ist die wahre, lebendige, selige Einheit im Heile Gottes, die Frucht seines Tages, des großen Tags von Jesreel. Jetzt wird der drohende Name in einen Gnadennamen verwandelt. Es wird ein Tag von Jesreel kommen, da Gott seinem Volke hilft wie am Tag, da Gideon gleichfalls in Jesreel seinen wunderbaren Sieg gewann. Dann wird Israel ein Jesreel sein, von Gott gesät; auch als Segenssame weit über alle Völker hinausgestreut. Ein solcher Jesreel waren die Apostel Jesu Christi. Dann werden auch die beiden andern Namen in ihr Gegentheil gewandelt: saget euern Brüdern: Ammi, mein Volk, und euern Schwestern: Ruchama, Begnadigte.

Wir werden gestehen müssen: das ist ein Ausblick voller Herrlichkeit. Aber mit so raschem Flug hatte sich der Prophet dazu emporgeschwungen, daß er nun, in den wirklichen Stand seiner Gegenwart zurückkehrend, ganz anderes darin findet. Da läuft das Land hinter dem Herrn weg der Hurerei nach, und wie es scheint auch das Weib des Propheten läßt nicht von seiner bösen Art, und ihre Kinder, die sie ihm zugebracht, fangen auch an, wie es so oft der Fall ist, die Wege der Mutter einzuschlagen; so daß der Prophet dem treulosen Weib gegenübersteht wie der Herr dem ehebrecherischen Volke, und den ungerathenen Kindern gegenüber wie der Herr den argen Kindern Israels, den Einzelnen nämlich, die ein Leben führen nicht aus Gott. Neben diesen Vielen giebt es Wenige, die Gott fürchten und lieben, die gleichen den Kindern des Propheten, denen die Ausführung ihrer Mutter ein Herzeleid ist wie ihrem Vater. An diese richtet sich im zweiten Abschnitt (2,4-25) zunächst das Wort.

Hadert mit eurer Mutter, hadert; denn des Vaters Ehre ist auch der rechten Kinder Ehre, und sie eifern dafür; wer nichts davon empfindet, wer nichts dafür wagt, dem ist es ein Vorwurf. Also hadert: denn sie ist nicht mein Weib und ich bin nicht ihr Mann. Sie soll ihre Hurerei von ihrem Angesicht wegthun und ihre Ehebrecherei von ihren Brüsten, auf daß ich sie nicht nackend ausziehe, von aller Herrlichkeit, mit der sie groß thut, entblöße, und darstelle, wie sie war, da sie geboren ward, und sie mache wie die Wüste und wie ein dürres Land, und sie Durstes sterben lasse, und mich ihrer Kinder nicht erbarme; denn sie sind Hurenkinder.

Wohl geht auch hier der Prophet vom Selbsterlebten aus. Aber seine eigene Sache kommt doch erst im dritten Abschnitt eigentlich zur Sprache; hier dagegen redet er immer völliger im Gleichniß an Gottes Statt und führt seines Herrn Rechtshandel wider das abtrünnige Volk. So heißt es weiter: Denn ihre (der Kinder) Mutter huret, und die sie getragen hat, hält sich schändlich und spricht: ich will meinen Buhlen nachlaufen, die mir geben Brot, Wasser, Wolle, Flachs, Oel und Getränke. Unter den Buhlen sind die Baalim gemeint, denen Israel allen empfangenen Segen zuschreibt. Darum siehe, ich will deinen Weg mit Dornen verzäunen und eine Wand davor ziehen, daß sie ihren Steig nicht finden soll, und wenn sie ihren Buhlen nachläuft, soll sie dieselben nicht erreichen; die Götzen, weil sie nichts sind, lassen ihre Diener im Stiche, wenn Noth an den Mann geht; darum: und wenn sie die sucht, wird sie dieselben nicht finden, und wird sagen: ich will wiederum zu meinem vorigen Mann gehen, da mir besser war, denn mir jetzt ist.

Aber es muß ihr übel gehen, bis sie mürbe wird für einen solchen Entschluß. Denn jetzt gilt von der Thörin: und sie weiß nicht, daß ich es bin, der ihr giebt Korn, Most und Oel, und ihr viel Silber und Gold gegeben, das sie an den Baal gewendet haben. Daß doch nur nicht über viele, die Christen heißen, dieselbe Klage geführt werden müßte: sie wissen nicht, thatsächlich wollen sie nichts davon wissen, wer der Geber sei, und wie sie ihm danken sollen. Sie preisen die Natur, das Schicksal, und auch wenn sie vom Himmel oder der Vorsehung sprechen, ist es kaum besser als wenn jene Baal sagten. Statt Gott zu danken, wenden sie seine Gaben an die Vergötterung des eigenen Ich.

Darum will ich mein Korn und Most wieder nehmen zu seiner Zeit, und meine Wolle und Flachs entwenden, damit sie ihre Blöße decket. Die theure Zeit soll über sie kommen. Wollen sie den Geber nicht merken, so sollen sie sein Nehmen spüren. Nun will ich ihre Schande aufdecken vor den Augen ihrer Buhlen, und niemand soll sie von meiner Hand erretten. Sie soll zu Schanden werden selbst vor den Augen der Welt. Und ich wills ein Ende machen mit allen ihren Freuden, Festen, Neumonden, Sabbathen und allen ihren Feiertagen, mit all den götzendienerischen Lustbarkeiten. Ich will ihre Weinstöcke und Feigenbaume wüste machen, weil sie sagt: das ist mein Lohn, den mir meine Buhlen geben; so gut habe ichs durch meinen Götzendienst. Ich will einen Wald daraus machen, daß die Thiere des Feldes es fressen sollen. ' Also will ich heimsuchen über sie die Tage der Baalim, denen sie Rauchopfer thut und schmückt sich mit Stirnspangen und Halsbändern und lauft ihren Buhlen nach; und mein vergißt sie, spricht der Herr.

Darum siehe, ich will sie locken und will sie in die Wüste führen und freundlich mit ihr reden, wörtlich noch schöner: und will ihr ans Herz reden. Hier nimmt auf einmal die scharfe Drohung eine ganz unerwartete Wendung zur mildesten Freundlichkeit und Barmherzigkeit. Schon früher, wenn geschildert wurde, wie dem ungebundenen Weibe der Weg sollte verzäunt werden, war damit ein glückliches Unglück, ein gnadenvolles Hindern der eigenen Wege, ein heilsames Verbittern der Sünde beschrieben. Wie Manchem muß Gesundheit, Glück und Wohlfahrt schwinden, bis er im Elend, wo ihm jeder Weg mit Dornen vermacht ist, zur Besinnung kommt. Auch sonst noch mehrmals hebt der Prophet diese Wahrheit mit Nachdruck hervor; so wenn er sagt: Israel läuft wie eine tolle Kuh, nun aber wird der Herr sie weiden lassen wie ein Lamm auf weiter Trift (4,16); ihr unbändiges Wesen wird sich schon legen; zahm wie ein Lamm Wird sie werden in der Einsamkeit der Wüste. Oder anderwärts: ich, der Herr dein Gott aus Egyptenland her, will dich noch einmal in Hütten wohnen lassen wie zur Festzeit (12,10), nämlich wie in den Tagen des Laubhüttenfestes, dann aber nicht nur zum festlichen Gedächtniß, sondern noch einmal im bittern Ernste. Nirgends aber lautet die Rede schöner, gnadenreicher als in unsrer Stelle: ich will sie locken und will sie in die Wüste führen und ihr ans Herz reden.

Da bekommt die Wüste auf einmal eine neue Bedeutung. Früher war davon die Rede, daß Israel soll zum dürren Land, seine Baumgärten zur Wildniß werden; und das ist geschehen: mit dem Volk ist sein gutes Land heruntergekommen, eins mit dem andern und durch das andere. Der Fluch, der aus dem Volke liegt, und der Fluch, der seine Wohnstätte trifft, hangen tief verborgen und doch offenkundig genug zusammen.

Nun aber wendet sich auf einmal die Rede. Wohl ist die Wüste ein grausiger Strafort. Aber mit dem Schelten verbindet sich jetzt das freundlichste Locken. Will ja doch dieser ganze Abschnitt nichts anderes als zeigen: zu dem herrlichen Heil, das dem Volk verheißen ist, wie kann es in Wirklichkeit gelangen? welche Zubereitung ist unerläßlich dazu? sein sündliches Verderben sitzt ja so tief; das verlangt die allerernstlichsten Zuchtmittel; es muß entblößt und beraubt in die Wüste hinaus. Aber in der Wüste wird sein Gott ihm ans Herz reden. Der grausige Strafort wird zur Stätte der Besinnung. Fern vom Getöse der Welt, in der Stille kann es hier in sich gehen, kann seinem Gotte lauschen und lernen: warum die scharfe Züchtigung nothwendig war. Wohl jedem, der lieber will die Züchtigung Gottes, so tief sie schneide, verstehen lernen, als mit faulem Menschentrost getröstet werden. Wohl jedem, an dem die Wüste ihren Zweck erreicht. Nicht unfehlbar ist das bei allen der Fall. Wie starben doch in der Wüste des Sinai Tausende und Tausende. Wie werden doch so Viele nicht mürber, sondern härter unter den Schlägen Gottes. Wer es aber annimmt, wenn Gott ihm ans Herz redet, bei dem kann es eintreten, was Israel weiter verheißen wird:

Und ich will ihr geben ihre Weinberge von dort aus, und das Thal Achor zur Thür der Hoffnung. Das ist eine Anspielung auf die Geschichte der Vorzeit, wie der Prophet es liebt (vgl. 11,1; 12,4. 5. 13. 14), hier auf den Zug aus Egypten nach Kanaan. Beim Einzug in das verheißene Land wurde das Volk zum ersten Mal vom Schrecken einer Niederlage betroffen, als der Bann von der Unthat Achans auf ihm lag. Nach dessen Bekenntniß, da er den Frevel mußte mit dem Leben büßen, sprach Josua zu ihm: weil du uns betrübt hast, so betrübe dich der Herr an diesem Tage. Davon heißt derselbe Ort das Thal Achor, das bedeutet Betrübniß (Josua 7, 25. 26). Aber nun zogen sie von diesem Thal aus weiter mit neuer Hoffnung auf Sieg und Heil. Das soll abermals geschehen, verheißt der Prophet. Wo ihr euch demüthigt in Buße, wie dort das Volk im Thal Achor, da wird euch von neuem die Hoffnung aufgehn. Jene göttliche Betrübniß, die niemanden gereut, ist der Wendepunkt zum Heil und Segen; das Thal Achor ist die Thür der Hoffnung noch allezeit.

Und daselbst wird sie singen wie zur Zeit ihrer Jugend, wie am Tage, da sie aus Egyptenland zog. Sie wird dem Herrn, der sie errettet, antworten mit einem Preis seiner Großthat gleich dem Loblied Mosis. Alsdann, spricht der Herr, wirst du mich heißen: mein Mann, und wirst mich nicht mehr mein Baal heißen. Da wird jene häßliche Religionsmengerei, von der wir sprachen, ein Ende haben. Denn ich will die Namen der Baalim von ihrem Munde weg thun, daß man derselbigen Namen nicht mehr gedenken soll. Und ich will zu derselbigen Zeit einen Bund für sie machen mit den Thieren des Feldes und mit den Vögeln des Himmels und mit dem Gewürm der Erde, daß ihrer keines das begnadigte Volk mehr schädigen soll; und will Bogen und Schwert und Krieg aus dem Lande zerbrechen, und will sie sicher wohnen lassen. Gott wird thun, was kein Friedenscongreß ohne Gott zu Stande bringt; denn kein Congreß kann die Sünde tilgen. Gott aber verheißt: Ich will mich mit dir verloben in Ewigkeit; ich will mich mit dir verloben in Gerechtigkeit und Gericht, in Gnade und Barmherzigkeit; ich will mich mit dir verloben in Treu und Glauben; meine Treue wird deine Treue fest und unverbrüchlich machen und dich vor fernerem Treubruch bewahren; und du wirst den Herrn erkennen, wie es Jeremia später auslegt (31,34): aus erfahrener Vergebung der Sünden nämlich.

Von diesem Herzpunkt aus erwächst Heil und Segen auch in der äußern Schöpfung: Zu derselbigen Zeit, spricht der Herr, will ich erhören; ich will den Himmel erhören, und der Himmel soll die Erde erhören, und die Erde soll Korn, Most und Oel erhören, und dieselbigen sollen Jesreel erhören. Das Wort erhören bedeutet eigentlich antworten. Wenn Gott antwortet, so thut er es durch das Werk des Erhörens. Das geht nun aber durch die ganze Schöpfung hindurch. Der Himmel bittet, daß er regnen dürfe und damit dem Verlangen der Erde antworten, und so weiter, und dieses alles, damit Israel Erhörung finde und ein gesegneter Jesreel sei. Und ich will sie mir auf Erden aussäen, als einen edlen Samen, durch den das Leben aus Gott sich verbreitet; und will begnadigen die Lo Ruchama, die Nichtbegnadigte, und sagen zu Lo Ammi, zu dem, das nicht mein Volk war: mein Volk bist du, und es wird sagen: du bist mein Gott. Wird das dem zeitweise verworfenen Israel verheißen, so erkennen die Apostel, Petrus wie Paulus, mit vollem Rechte, weil ja bei Gott kein Ansehn der Person stattfindet, daß dieser Grundsatz der Gnade nicht minder im weitesten Umfang an allen Heiden wird in Erfüllung gehen (1. Petr. 2,10; Röm. 9,25).

Warum kann doch die Rede nicht auf dieser Höhe schließen? Warum muß der Prophet vom Berge der Verklärung wieder ins Thal hinunter? es wäre so schön, dort Hütten zu bauen! Aber die Wirklichkeit ist noch nicht darnach. In seinem eigenen Hausstand hat der Mann Gottes eine furchtbar schmerzhafte Mahnung daran. Sein Weib - denn von der gleichen Frau ist auch im dritten Kapitel die Rede«) - ist in ihr früheres Laster zurückgefallen; oder vielmehr: aus Hurerei in Ehebruch gerathen. Die Gewohnheit der Sünde wurzelt beim Menschen verzweifelt tief. Der Prophet aber, was soll er nun thun? soll er sie lassen, sie auf immer verstoßen? Anders lautet der göttliche Befehl (3,1-5): Und der Herr sprach zu mir: gehe hin noch einmal und liebe ein Weib, das vom Freund geliebt wird und die Ehe bricht, wie der Herr die Söhne Israels liebt, und sie kehren sich zu fremden Göttern, und lieben Traubenkuchen, nämlich die Leckereien der Götzenopfer (Jer. 7,18), die aber ein Bild sind von allen ungöttlichen Weltgenüssen. Und ich ward mit ihr eins um 15 Silberlinge und 1/2 Homer Gerste. Man hat grundlos und unerweislich auch dieses Maß der Gerste wollen auf 15 Silberlinge reduzieren, und so herausbringen, daß es sich um den Kauf einer Sklavin zusammen um 30 Silberlinge handle. Aber der hebräische Ausdruck, wörtlich: ich kaufte sie mir, wird eher bedeuten sollen: ich gewann sie, daß sie wieder mein ward, und zwar indem ich mit ihr accordierte, daß ich für eine gewisse Zeit ihr so und so viel geben wollte, die Gerste zur dürftigen Nahrung und das Geld zur sonstigen knappen Nothdurft. Wie das gemeint ist, ergiebt sich sogleich, wenn wir weiter lesen: Und ich sprach zu ihr: harre mir eine lange Zeit, hure nicht und werde keines Mannes, und so will auch ich mich gegen dich halten, kein andres Weib nehmen an deiner Statt.

Denn was soll nun Israel an diesem Beispiel vor Augen hingestellt werden? Gott will es trotz aller seiner Untreue doch nicht ganz verstoßen, kein anderes Volk annehmen statt seiner. Aber jene Zeit in der Wüste, wo er ihm ans Herz reden will, wird eine lange Zeit der Entbehrung und Erprobung sein, wo sichs zeigen muß, wie es sich halten wird. Im kümmerlichen Stand, einer Wittwe gleich, wird Israel seines Gottes harren müssen. Wie jenes Weib, das keinen Buhlen mehr hat und doch auch seinen Mann noch nicht, so wird das Volk gehalten werden; den rechten König wird es missen und ebenso den Fürsten, der es durch Aufruhr wurde; ohne seinen alten echten Gottesdienst wird es sein müssen, und ebenso ohne Götzendienst. Denn die Kinder Israel werden lange Zeit ohne König noch Fürsten, ohne Opfer noch Säule, ohne Priesterkleid noch Götzenbild bleiben. Darnach werden sich die Kinder Israel bekehren, und den Herrn, ihren Gott und ihren König David suchen, den rechten David, den Geliebten, und werden herbeizittern zum Herrn und seiner Güte, wo man es so gut hat, am Ende der Tage. Sie werden zitternd herbeikommen aus der Noth heraus, wo sie sich nicht zu helfen wußten, zu der Gnade, deren sie sich unwerth fühlen, und vor deren Ueberschwenglichkeit ihr Herz erbebt.

Wir werfen jetzt noch einen Rückblick auf das Ganze. Ein schwerer Auftrag wurde dem Propheten zu Theil. Was aber auf ihm lag als eine drückende Last, das war eine Gnadenerweisung vor allem gegen jenes Weib und seine Kinder. Auch diese Sünderin sollte es erfahren, wie das Weib, das durch seine Verkläger vor den Herrn Jesum gebracht wurde, wie das andre, das seine Füße salbte, daß es ein Erbarmen giebt auch über diese Sünde, über welche die harte Selbstgerechtigkeit so streng urtheilt. Aber freilich ein Erbarmen, und nicht ein Leichtnehmen bei dem heiligen Gotte. Deßwegen ist die göttliche Zucht nicht etwa nur neben dem Erbarmen auch streng und scharf, sondern durch ihre Schärfe, durch das Entziehen der Güter, durch das Vermachen des Weges, durch die strengsten Mittel heilsamer Demüthigung erweist sie die Liebe, deren sie voll ist.

Aber freilich ein solches Erzieheramt zu führen, das ist ein dornenvolles Geschäft. Der noch junge Hosea mußte frühe schon erfahren, daß es zum Werk des Erziehers nicht genug ist, hier einmal zu befehlen, dort einmal scheltend darein zu fahren; daß es hier vielmehr gilt, sich selbst verleugnen, sein Joch tragen, unter der täglichen drückenden Last aushalten, den immer neuen Fehltritten mit immer neuem Ernst und immer neuer Geduld begegnen. Wer also lernt erziehen, wird dadurch selbst erzogen. Daß Hosea selber dieß erkannte, deutet er uns an, indem er ausdrücklich bemerkt, daß dieser Gottesbefehl der Anfang des göttlichen Redens mit ihm, dem Propheten, war. Wie? gleich der Anfang war ein so schweres Wort? Zum Propheten sollte er berufen werden, und der Weg dazu? geht durch eine so harte Gehorsamsprobe! Wenn er weiß, daß Gott es ihm befohlen hat, so ist es gut. Sie sehen aber, wie durchaus nothwendig wir annehmen müssen, daß ein Prophet die göttliche Berufung von seinen eigenen Einfällen wohl und sicher zu unterscheiden wußte.

Und auch so ist Wissen und Thun nach dem Wissen noch zweierlei. Es war eine Probe, die ihn wohl erschüttern konnte!

Aber es könnte uns scheinen, gerade diese Probe mußte ihm für seinen hohen Beruf vielmehr hinderlich sein. Daß er, um das Volk zu strafen, wie ein Einsiedler unter ihm leben müsse, das war nicht eben erforderlich. Aber so tief auf das sündliche Verderben seines Volkes sich persönlich einlassen? solche Unehre sich bereiten? solche Schmach und Verachtung auf sich laden? Mag bei der Auflösung der Sitten in Ephraim der Anstoß weniger groß gewesen sein, immerhin werden wir sagen: wer hätte gerade diesen Weg für einen Propheten gewählt?

Nun freilich, wir nicht nach unsern menschlichen, wohl aber der Herr nach seinen Gottesgedanken. Hier giebt es eine andere Ehre als in der Welt, und ebenso eine andere Quelle der Kraft. Der Gottesrath, der in der Schmach von Golgatha seine Vollendung feiert, hat die Knechte des Herrn von Alters her auf anderm Weg, als die Menschen pflegen, zubereitet. Als die Geschmähten und Verachteten, die ein Fegopfer aller Leute sind, als die klein sind in ihren eigenen Augen und elend in den Augen der Welt, so wirken sie ihr Werk. Mit dem was nichts ist, macht Gott zu Schanden, was etwas ist. Hier gilt: wenn ich schwach bin, so bin ich stark. Was die Menschen sagen, das ist gering. Diejenigen, die gleich den Kindern auf dem Markt Ausflüchte suchen, können ja doch allezeit widerreden. Steht Einer fern von ihrer Art, so sagen sie: der hat gut reden, der weiß nicht, wie unser einem ist. Steht Einer mitten unter ihnen, so heißt es: was will doch dieser sagen? er ist ja nicht anders als andere Leute.

Aber die Weisheit wird gerechtfertigt von denen, die ihre wahren Kinder sind. Hielt sich der Prophet auf einem Wege, den er nicht eigenwillig, sondern nach Gottes Gebot eingeschlagen hatte, mitten in der täglichen Berührung mit dem Bösen persönlich unbefleckt davon, so fehlte ihm auch sicher die Durchhilfe seines Gottes nicht. Die tiefen Blicke aber ins Verderben, die tägliche Roth, die es ihm persönlich bereitete, der Seelenschmerz um seine Nächsten, das alles, wie mußte es ihn in die Erkenntniß seiner Ohnmacht und dadurch in die Fürbitte treiben! In solcher Hitze reift die Frucht des Geistes.

Vielleicht jedoch geben Sie das alles zu und haben gleichwohl ein letztes tiefes Aber gegen diese Geschichte verborgen im Herzen. Mag alles wahr sein, es bleibt aber doch ein widriger Auftrag: ein hurerisches Weib zu heirathen; und wenn sie nun selbst in der Ehe von neuem die Treue bricht, auch da noch unerschöpflich neu zu lieben? Das ist zu viel. Dawider sträubt sich unser Innerstes. Das würde uns zurückstoßen, um das Wort herauszusagen, als etwas Ekelhaftes. Sagt es nur heraus; aber fragt euch dann: haben wir es auch schon recht bedacht und tief empfunden, wie wir selber unserm Gott vorkommen, wir befleckte Sünder dem lebendigen und heiligen Gott? Könnte es ihm nicht mit tausendfach größerem Rechte ekelhaft sein, sich unser anzunehmen, und nach alle den wiederholten Treubrüchigkeiten uns allzeit noch mit unerschöpflicher Liebe zu lieben? und dennoch verschmäht er uns nicht und wird nicht müde, uns immer wieder an sich zu locken und an unser Herz zu reden. Gerade der Heilige in Israel verfährt nicht wie wir, die wir uns so leicht gegen unsre Mitsünder spröde stellen, sondern er thut nach seinem Wort bei Hosea (11, 9. 8): Ich bin Gott und nicht ein Mensch, und meine Barmherzigkeit ist zu brünstig. Und anderwärts (14,5): Ich will ihr Abtreten wieder heilen und will sie aus freier Gnade lieben.

Das war die Thatpredigt, die Hosea seinen Zeitgenossen im Gleichniß sollte vor Augen stellen. Haben sie nicht darauf gemerkt, so wollen wir es thun, und wollen tief zu Herzen fassen das wunderherrliche Evangelium, das uns hier aus dem prophetischen Wort des Alten Bundes entgegenstrahlt:

Ich will mich mit dir verloben in Ewigkeit; ich will mich mit dir verloben in Gerechtigkeit und Gericht, in Gnade und Barmherzigkeit. Ja im Glauben will ich mich mit dir verloben, und du wirst den Herrn erkennen. Ja, das ist der Bräutigam, der sich seine Braut bereitet, daß sie nicht habe irgend einen Flecken oder Runzel, sondern daß sie heilig sei und unsträflich. Das Geheimniß ist groß, spricht der Apostel. Ich sage aber von Christo und der Gemeinde (Eph. 5, 27. 32). Erlauben Sie mir, daß ich Ihnen zum Schluß eine Frucht dieser tiefen Gottesgedanken vorlege, ein Lied von Woltersdorf, das aus diesen Grundwahrheiten erwachsen ist, bei dem es wohl auch heißt, wie Hosea spricht: wer ist weise, der dieß verstehe, und klug, der dieß merke? Es lautet also:

Wer ist der Braut des Lammes gleich?
Wer ist so arm und wer so reich,
Wer ist so häßlich und so schön,
Wem kann's so wohl und übel gehn?
Lamm Gottes, du und deine sel'ge Schaar
Sind Menschen und auch Engeln wunderbar!

Aus Gnaden weiß ich auch davon;
Ich bin ein Theil von deinem Lohn:
So elend, als man's kaum erblickt,
So herrlich, daß der Feind erschrickt;
So gottlos, daß wohl Alle besser sind,
Und so gerecht, als du, des Vaters Kind.

Ein Wurm, bis in den Staub gebeugt,
Der auf den Thron des Königs steigt;
Bekümmert, trübe, bloß und krank,
Und doch voll lauter Lobgesang;
So schwach, daß meine Kunst in nichts besteht,
So stark, daß Satan aus dem Wege geht.

Verfolgt, verlassen und verflucht,
Doch von dem Herrn hervorgesucht;
Ein Narr vor aller klugen Welt,
Bei dem die Weisheit Lager hält;
Verdrängt, verjagt, besiegt und ausgefegt,
Und doch ein Held, der ew'ge Palmen trägt.

Wer bin ich, wenn es mich betrifft?
Ein Abgrund voller Sündengift.
Wer bin ich, Lamm, in deiner Pracht?
Ein Mensch, der Engel weichen macht,
So rein, so weiß, so schön, so auserwählt,
Daß mirs an Worten zur Beschreibung fehlt.

O Sündenschuld, wie beugst du mich!
O Glaube, wie erhebst du mich!
Wer faßt hier den geheimen Rath?
Nur wer den Geist des Glaubens hat,
Der durch des Lammes Blut zusammenschreibt,
Was sonst wohl himmelweit geschieden bleibt.

Das ist der Gottheit Wunderwerk
Und seines Herzens Augenmerk,
Ein Meisterstück, aus Nichts gemacht;
So weit hats Christi Blut gebracht!
Hier forscht und betet an, ihr Seraphim,
Bewundert uns und jauchzt und danket Ihm!

Vorträge über die Propheten
Gehalten auf Veranstaltung eines christlichen Vereins
Vor Zuhörern aus allen Ständen
Basel
Bahnmaier’s Verlag
1862