Rieger, Carl Heinrich - Kurze Betrachtungen über die Psalmen - Der 144. Psalm.

1. Ein Psalm Davids. Gelobt sei der HErr, mein Hort, der meine Hände lehrt streiten, und meine Fäuste kriegen; 2. Meine Güte, und meine Burg, mein Schutz und mein Erretter, mein Schild, auf den ich traue, der mein Volk unter mich zwingt. 3. HErr, was ist der Mensch, dass du dich seiner so annimmst? Und des Menschen Kind, dass du ihn so achtest? 4. Ist doch der Mensch gleich wie nichts; seine Zeit fährt dahin, wie ein Schatten. 5. HErr, neige deine Himmel, und fahre herab, taste die Berge an, dass sie rauchen; 6. Lass blitzen, und zerstreue sie; schieße deine Strahlen, und schrecke sie; 7. Sende deine Hand von der Höhe, und erlöse mich, und errette mich von großen Wassern, von der Hand der fremden Kinder, 8. Welcher Lehre ist kein nütze, und ihre Werke sind falsch. 9. GOtt, ich will dir ein neues Lied singen, ich will dir spielen auf dem Psalter von zehn Saiten, 10. Der du den Königen Sieg gibst, und erlösest deinen Knecht David vom mörderischen Schwert des Bösen. 11. Erlöse mich auch, und errette mich von der Hand der fremden Kinder, welcher Lehre ist kein nütze, und ihre Werke sind falsch. 12. Dass unsere Söhne aufwachsen in ihrer Jugend. wie die Pflanzen, und unsere Töchter wie die ausgehauene Erker, gleichwie die Paläste; 13. Und unsere Kammern voll seien, die heraus geben können einen Vorrat nach dem andern; dass unsere Schafe tragen tausend und hundert tausend auf unseren Dörfern; 14. Dass unsere Ochsen viel erarbeiten; dass kein Schade, kein Verlust, noch Klage auf unseren Gassen sei. 15. Wohl dem Volk, dem es also geht. Aber wohl dem Volk, des der HErr sein GOtt ist.

Der 144. Psalm hat wieder die Überschrift: Ein Psalm Davids. Darin freut sich 1) David des HErrn seines GOttes in Absicht auf das Vergangene, und betet GOtt an, dass Er sich so zu des Menschen Niedrigkeit herunterlasse, V. 1 - 4. 2) Hernach ruft er GOtt um Hilfe und Beistand in Absicht auf das Gegenwärtige an, V. 5-8. 3) Aufs Weitere verspricht er GOtt bei künftiger Erfahrung seiner Hilfe ein neues Lied, und hält seiner eitlen Feinde Ruhmredigkeit, und seine und seines Gleichen gegründete Freude an GOtt gegen einander, V. 9-15. Mensch, was meinst du, das was göttlich, oder das was menschlich ist? Göttlich ist der Sinn, der durch Leiden mit Christo zur Herrlichkeit will und dringt. Menschlich ist der Sinn, der ohne Leiden Ruhe haben will fürs Fleisch, und den Nutzen des Leidens ausschlägt. Lasse Andere greifen nach was sie wollen, bleibe du bei dem: Wohl dem, des der HErr sein GOtt ist. Zeitlich ist eben zeitlich, wenn‘s noch so groß scheint und klingt.

Wohl recht wichtig, und recht tüchtig,
Ist der Christen Glücke;
Unser GOtt und Heil besteht,
Wann der Welt Glück bald vergehet,
Wie sich eine Kugel drehet.

O wer nur einmal GOttes genaue Aufsicht über alle unsere Kleinigkeiten glauben lernte, und was besonders ein Mensch, der in Christo eine neue Kreatur geworden ist, für ein Ansehen in GOttes Augen habe, seitdem sich der liebe Sohn GOttes in unserer Menschheit so gedemütigt, und GOtt in unser Aller Namen die Ihm geziemende Ehre gegeben hat. Was ist der Mensch, dass Du sein gedenkst! Im Unmut ist leicht und bald gesagt: Ist doch der Mensch wie nichts! Aber in Demut ists besser, in Demut, die sich damit nicht wegschätzt, sondern an die zum Aufrichten angebotene Gnadenhand GOttes in Christo hinhängt.