Rieger, Carl Heinrich - Kurze Betrachtungen über die Psalmen – Der 108. Psalm.

1. Ein Psalmlied Davids. 2. GOtt, es ist mein rechter Ernst; ich will singen und dichten; meine Ehre auch. 8. Wohlauf Psalter und Harfen! Ich will früh auf sein. 4. Ich will dir danken, HErr, unter den Völkern, ich will dir lobsingen unter den Leuten. 5. Denn deine Gnade reicht, so weit der Himmel ist, und deine Wahrheit, so weit die Wolken gehen. 6. Erhebe dich, GOtt, über den Himmel, und deine Ehre über alle Lande, 7. Auf dass deine lieben Freunde erledigt werden. Hilf mit deiner Rechten, und erhöre mich. 8. GOtt redet in seinem Heiligtum, des bin ich froh, und will Sie Ihm teilen, und das Tal Suchoth abmessen. 9. Gilead ist mein, Manasse ist auch mein, und Ephraim ist die Macht meines Haupts, Juda ist mein Fürst. 10. Moab ist mein Waschtöpfen; ich will meinen Schuh über Edom strecken; über die Philister will ich jauchzen. 11. Wer will mich führen in eine feste Stadt? Wer wird mich leiten in Edom? 12. Wirst du es nicht tun, GOtt, der du uns verstößt, und ziehst nicht aus, GOtt, mit unserm Heer? 13. Schaffe uns Beistand in der Not, denn Menschenhilfe ist kein nütze. 14. Mit GOtt wollen wir Taten tun. Er wird unsere Feinde untertreten.

Der 108. Psalm heißt 1) in seiner Überschrift: Ein Psalm Davids. Er ist aus dem 57. und 60. Psalm zusammengesetzt, und kommt in diesen angezogenen Stellen fast von Wort zu Wort vor. Es kommt ja auch bei unserer Glaubens- und Gebets-Übung nicht selten vor, dass denen, die mit eigenen Worten beten, doch gerne gewisse Ausdrücke vor andern häufig in den Sinn und Mund kommen, und sie also zu verschiedenen Zeiten einerlei Worte im Gebet gebrauchen können, nicht als ob sie gerade die vorigen wiederholten, sondern weil solche Worte mit ihrer innern Seelen-Gestalt vorzüglich und genau übereinstimmen. Hieraus kann man sich einigermaßen vorstellen, wie der Heilige Geist auch den David zu verschiedener Zeit einerlei Worte gelehrt haben mag, ohne dass das Neuere aus dem Alten gerade wie abgeschrieben war, sondern weil die gleichen Worte zu anderer Zeit seines Herzens Zustand und dem darin wirklich vorgehenden Geschäft des Glaubens so angemessen recht war. David bezeugt also 2) seine Fertigkeit zum Lob GOttes, sein Verlangen und seine Hoffnung, den HErrn bald unter allen Völkern um Seine Gnade und Wahrheit loben zu können, V. 2-7. Die nämliche Erklärung von der in sich selbst verspürten Erweckung zum Lob GOttes kommt im 57. Psalm erst in der Mitte des Psalms vor, und zeigt sich also als eine Frucht von seinem vorherigen ernstlichen Eindringen in GOtt. Hier aber fängt der Psalm damit an, und damit hat diese Fertigkeit zum Lob GOttes die Art eines ohne vorläufige Vorbereitung verliehenen gnädigen Geschenks von oben, wie GOtt zum Beweis Seiner freien Gnade uns bald ganz unvermutet etwas schenkt, bald aber auch zur Belohnung für die Treue im Kleinen uns auf unser Anschicken mit einer weiteren Fülle des Herzens begnadigt. 3) Hernach hält David dem großen GOtt das Wort der Verheißung vor, das ihm einmal geworden sei, und darauf er sich verlasse, V. 8-10. 4) Er schließt mit gelassener zuversichtlicher Bitte, dass der HErr darin Seine Wahrheit nicht werde fehlen lassen, V. 11-14. Bei aller zuvor bezeugten Freudigkeit bleibt er doch bei dem demütigen Bekenntnis, dass der Sieg allein von GOtt komme, und bei dem Angedenken, wie es ginge, wenn GOtt verstieße, und nicht auszöge mit dem Heer. Heutigen Tags wird Menschen Hilfe und Selbsthilfe sehr hoch gesetzt, damit kommt man immer weiter von der Führung GOttes durch Glauben und Geduld ab; daher ist auch das Lob GOttes so matt und rar. O, wie nötig ist die tägliche Erinnerung und Erneuerung auf den Glaubens-Sinn: schaffe uns Beistand in der Not, Menschen-Hilfe ist kein nütze.