Rieger, Carl Heinrich - Sacharia - Das sechste Kapitel

hat wieder zwei Hauptteile, davon der Eine noch das letzte Gesicht des Propheten beschreibt, der Andere aber eine einem Gesicht ähnliche Vorstellung, womit zugleich der Übergang geschieht von den bisherigen Gesichten in den Vortrag durch Worte und Weissagungen.

I. Das letzte Gesicht des Propheten mit seiner gar wenigen Deutung.

1. Und ich hob meine Augen abermals auf, und sah, und siehe, da waren vier Wagen, die gingen zwischen zweien Bergen hervor; dieselbigen Berge aber waren ehern. 2. Am ersten Wagen waren rote Rosse; am andern Wagen waren schwarze Rosse; 3. Am dritten Wagen waren weiße Rosse; am vierten Wagen waren scheckige starke Rosse. 4. Und ich antwortete, und sprach zum Engel, der mit mir redete: Mein Herr, wer sind diese? 5. Der Engel antwortete, und sprach zu mir: Es sind die vier Winde unter dem Himmel, die hervorkommen, dass sie treten vor den Herrscher aller Lande. 6. An dem die schwarzen Rosse waren, die gingen gegen Mitternacht, und die weißen gingen ihnen nach; aber die scheckigen gingen gegen Mittag. 7. Die Starken gingen und zogen um, dass sie alle Lande durchzögen. Und er sprach: Geht hin, und zieht durch das Land. Und sie zogen durch das Land. 8. Und er rief mich, und redete mit mir, und sprach: Sieh, die gegen Mitternacht ziehen, machen meinen Geist ruhen im Lande gegen Mitternacht.

Je weniger Deutung und Aufschluss über dies ganze Gesicht gegeben wird, je weniger sind wir auch im Stande, alle darin vorkommenden Umstände besonders auseinander zu setzen. Das Hauptsächlichste ist zu merken, dass wenn der Engel die vier Wagen auf die vier Winde unter dem Himmet deutet, V. 5. man nicht an die vier Winde in unserm Luftkreis hierunter gedenken müsse, sondern nach dem Sinn es nehmen, wie es Pf. 104, 4. von den Engeln heißt: Du machst Deine Engel zu Winden, und Deine Diener zu Feuerflammen; und sich also unter diesen vier Wagen, vier himmlische Geister, oder vielmehr vier Ordnungen himmlischer Geister vorstellen, die auch sonst oft als der Wagen GOttes und als Reiter in der Schrift vorkommen. 3. E. 2. Buch der Könige 2, 11. 6, 17. rc. Der in der ganzen Sache zum Besten des Volkes GOttes immer geschäftige Sohn GOttes, der V. 8. sagen kann: meinen Geist, weist des Propheten seine Aufmerksamkeit allermeist auf die gegen Mitternacht ziehenden Rosse, und gibt ihm dabei zu verstehen, dass durch den Dienst und das Geschäft selbiger Helden GOttes vollends Alles zu Stande gekommen, an was der Geist GOttes im Lande gegen Mitternacht mit so vielem Eifer, Zorn und nachfolgendem Erbarmen gearbeitet hätte, und nach dessen Vollendung er nun ruhen und seinen Zweck als erreicht sehen könnte; wie es Ezech. 16, 42. in einem ähnlichen Ausdruck heißt: Ich will meinen Mut an dir fühlen, und meinen Eifer an dir sättigen; dass ich ruhe, und nicht mehr zürnen dürfe. Dass die vier Wagen zwischen zwei ehernen Bergen hervorgehen, deren aber im Gesicht weiter nimmer gedacht wird, mag einen an das erinnern, was wir sonst von GOtt und Seinen Wegen zu singen pflegen:

Du reißest wohl die stärkste Band' entzwei,
Was sich entgegen, setzt, muss sinken hin;
Ein Wort bricht oft den allerhärtsten Sinn;
Dann geht Dein Fuß auch durch Umwege frei,
und lässt die eherne Berge seitwärts liegen.

II. Die einem Gesicht noch etwas ähnliche Handlung, darin der Prophet Befehl bekommt, eine Anstalt zu machen, darunter was Höheres im Unsichtbaren abgebildet wird.

9. Und des HErrn Wort geschah zu mir, und sprach: 10. Nimm von den Gefangenen, nämlich von Heldai, und von Tobia, und von Jedaja; und komm Du desselbigen Tages, und gehe in Josia, des Sohnes Zephania, Haus, welche von Babel gekommen sind; 11. Nimm aber Silber und Gold, und mache Kronen; und sehe sie auf das Haupt Josua, des Hohenpriesters, des Sohnes Jozadaks. 12. Und sprich zu ihm So spricht der HErr Zebaoth: Siehe, es ist ein Mann, der heißt Zemah; denn unter ihm wird es wachsen, und er wird bauen des HErrn Tempel. 13. Ja den Tempel des HErrn wird Er bauen, und wird den Schmuck tragen, und wird sitzen, und herrschen auf seinem Throne; wird auch Priester sein auf seinem Throne, und wird Friede sein zwischen den beiden. 14. Und die Kronen sollen dem Helem, Tobia, Jedaja und Hen, dem Sohne Zephanja, zum Gedächtnis sein im Tempel des HErrn. 15. Und werden kommen von ferne, die am Tempel des HErrn bauen werden. Da werdet ihr erfahren, dass mich der HErr Zebaoth zu euch gesandt hat. Und das soll geschehen, so ihr gehorchen werdet der Stimme des HErrn, eures GOttes.

GOtt stellt gern das Unsichtbare an Seinen Werken auch durch etwas im Sichtbaren dar, damit wir uns das Unsichtbare auch reell und wirklich so vorgehend, vorstellen können. Schon oben Kap. 3. ist Josua priesterlich gekleidet und dabei schon auch eine Weisung weiter hinaus auf den Mann Zemah gegeben worden. Hier aber wird er als Priester auch Königlich gekrönt, welches ihm für Seine Person nicht zugekommen wäre; daher es gleich dabei steht, wessen Person er hierunter vorstelle. Wie etwa einem Gesandten etwas kann aufgetragen, eine Brant angetraut, ein Schmuck angelegt werden, wobei er aber nur zur gegenwärtigen Solennität die Person hergibt, das Recht aber ganz dem Herrn zugehört und bleibt. Bei diesem Mann Zemah fiel Priestertum und Königreich in Eins zusammen; in Seinem Königreich ist die Erfüllung Seines Priestertums, die durch Sein Priestertum und Versöhnung gestiftete Gemeinschaft mit GOtt, der Zugang zu Seiner Gnade wird durch Sein Königreich über Alles im Himmel und auf Erden gesegnet ausgebreitet, und wie sich in der Person Christi Königreich und Priestertum sowohl miteinander verträgt, so wird auch einmal in seiner Haushaltung auf Erden zwischen beiden Friede sein und werden, wenn die Höllenriegel zerbrochen sein werden, deren Stärke immer darin besteht, Priestertum und Königreich mit einander in Verstoß zu bringen, entweder ein weltmäßiges Reich unter Christi Namen und Vorwand Seines Priestertums aufzurichten, wie im Papsttum; oder aber unter dem Namen der Oberherrlichkeit und Landes-Macht die Kirche Christi unter die Füße zu treten, wie bei uns Protestanten, dass man nimmer wissen soll, wo man Christi Priestertum oder Königreich suchen soll. Die zum Gedächtnis aufbehaltenen Kronen sollten Gelegenheit geben, von Christi Priestertum und Königreich recht zu lehren, und auch diese milde Stiftung im Segen zu erhalten. Königreich und Priestertum zanken sich noch im fleischlichen Sinn über die Kronen, und oft kein Teil nimmt das zu Herzen, was unter dem Mann Zemah grünen und wachsen sollte. Alles ist Heu, Alles ist wie des Grases Blume, was nicht aus Dir, o HErr JEsu, hergrünt. Deines Königreichs und Priestertums freue ich mich, unter Dir will ich wachsen, was Dein Reich nicht kann ererben, das gehe an mir in Tod und Verwesung!