Rieger, Carl Heinrich - Micha - Das erste Kapitel

hat

I. die Anzeige von des Propheten Geschlecht, und von der Zeit seiner Weissagung.

1. Dies ist das Wort des HErrn, welches geschah zu Micha von Maresa, zu der Zeit Jothams, Ahas, Jehiskia, der Könige Juda, das er gesehen hat über Samaria und Jerusalem.

II. Eine nachdrückliche Vorforderung vor das Gericht, an Diejenigen, mit denen es Micha vornämlich zu tun hatte.

2. Hört, alle Völker, merke auf, Land, und Alles, was darinnen ist, denn GOtt der HErr hat mit euch zu reden, ja der HErr aus Seinem heiligen Tempel.

Wie wenn etwas in der Residenz, vor dem Königlichen Stuhl, verhandelt und ausgemacht wird, und daher seine besondere Solennität1) hat; so fordert sie GOtt hiermit vor Seinen heiligen Tempel, woher sonst so viel Gnaden Dekrete über sie ausgegangen sind, und ihnen so viel Hilfe gesandt worden ist; dorther sollte nun auch ihr Endurteil ergehen. O was ist es, wenn der Schutz, welchen man bis daher vom güldnen Altar im Tempel GOttes zu genießen hatte, so aufgekündet wird, wie Offenb. 9, 14.

III. Ankündigung der Strafe über beide Reiche Israel und Juda, wobei zuerst der Prophet im Namen GOttes die Rede führt.

3. Denn siehe, der HErr wird ausgehen aus seinem Ort, und herab fahren, und treten auf die Höhen im Land, 4. Dass die Berge unter ihm schmelzen, und die Täler reißen werden; gleichwie Wachs vor dem Feuer verschmelzet, wie die Wasser, so unterwärts fließen. 5. Das Alles um der Übertretung willen Jakobs, und um der Sünde willen des Hauses Israel: Welches ist aber die Übertretung Jakobs? Ist es nicht Samaria? Welches sind aber die Höhen Juda? Ist es nicht Jerusalem?

Damit kündigt der Prophet an, wie sich GOtt aus Seiner bisherigen Langmut und Geduld aufmachen, und ihre Übertretungen, besonders in den Hauptstädten so heimsuchen werde, dass sie ihr Unvermögen, vor Ihm zu stehen, wohl empfinden, und nicht nur mit ihrem Vermögen, sondern auch mit Herz und Mut wie zerschmolzen Wachs sein würden.

IV. Sodann nimmt GOtt Selber die Rede, und drückt es noch viel schärfer aus, wie es besonders Samaria zuerst gehen werde.

6. Und ich will Samaria zum Steinhaufen im Felde machen, die man um die Weinberge legt; und will ihre Steine in das Tal schleifen, und zu Grunde einbrechen. 7. Alle ihre Götzen sollen zerbrochen, und aller ihr Hurenlohn soll mit Feuer verbrannt werden, und will alle ihre Bilder verwüsten: denn sie sind von Hurenlohn versammelt, und sollen auch wieder Hurenlohn werden.

Wie genau weiß GOtt, auf welchem Weg ein Vermögen zusammengebracht worden, und wie richtet Er sich auch in Seinen Strafen danach.

V. Der Prophet nimmt das so zu Herzen, dass er sich noch gar mitleidig über diese Plage seines Volks grämt, und die Schadenfreude der Ungläubigen gern verhüten möchte.

8. Darüber muss ich klagen und heulen, ich muss beraubt und bloß daher gehen; ich muss klagen wie die Drachen, und trauern wie die Straußen. 9. Denn ihrer Plage ist kein Rat, die bis in Juda kommen, und bis an meines Volks Tore gen Jerusalem hinan reichen wird. 10. Verkündigt es ja nicht zu Gath, lasst euer Weinen nicht hören; sondern geht in die Trauerkammer, und sitzt in der Asche.

Daraus spürt man schon dem Propheten Micha mehr Liebe für sein Volk an, als Jona gegen die fremden Niniviten gehabt hat.

VI. Zuletzt werden noch einige Jüdische Städte besonders namhaft gemacht, und jeder ihr eigener Anteil an den Gerichten angekündigt.

11. Du schöne Stadt musst dahin mit allen Schanden; die Einwohnerin Zaenans wird nicht ausziehen, um des Leides willen des Nächsten Hauses; er wird es von euch nehmen, wenn er da sich lagern wird. 12. Die betrübte Stadt vermag sich nicht zu trösten; denn es wird das Unglück vom HErrn kommen, auch bis an das Tor Jerusalems. 13. Du Stadt Lachis, spanne Läufer an und fahre davon; denn du bist der Tochter Zion der Anfang zur Sünde, und in dir sind gefunden die Übertretungen Israels. 14. Du wirst müssen Gefangene geben, sowohl als Gath. Der Stadt Achsib wird es mit den Königen Israels fehlen. 15. Ich will dir, Maresa, den rechten Erben bringen; und die Herrlichkeit Israels soll kommen bis gen Adullam. 16. Lass die Haare abscheren, und gehe kahl über deine zarten Kinder; mache dich gar kahl wie ein Adler: denn sie sind von dir gefangen weggeführt.

Es ist kein Wunder, wenn uns an solchen Stellen etwas Dunkles übrig bleibt, denn es kommen da Namen der Städte vor, auf die sich das bezieht, was ihnen angekündigt wird. Das kann aber bei einer Übersetzung in eine andere Sprache nimmer so deutlich ausfallen. Man nehme ein Paar Exempel von den Namen unsrer Landstädte, z. E. wenn man von Lauffen sagte: du wirst der Strafe nicht entlaufen; oder von Freudenstadt, du wirst in Trauer gesetzt werden. So hat da der Prophet Hebräische Namen genommen, und gezeigt, dass GOtt entweder nach ihrer Bedeutung mit ihnen umgehen, oder sie das Gegenteil' von ihren Namen werde erfahren lassen. Wie weit lässt sich GOtt in Seinem Wort herunter, dass Er das, was in Seinem heiligen Tempel beschlossen wird, auch an die Namen, die wir oder unsere Städte von Alters her haben, anbindet, um es uns desto eher einzuschärfen. Bei Jerusalem blickt noch immer die Mäßigung hervor, dass es anfänglich nicht weiter als nur bis vor ihre Tore kommen werde, wie dann Sanherib zu den Zeiten Hiskiä mit seinem Trotz nicht weiter kam; und bei Maresa regt sich die Verheißung von dem rechten Erben, dessen das Land eigen war, und um deswillen auch GOtt immer wieder der Barmherzigkeit gedachte.

1)
Eigenschaft/Handlung, die einen festlichen (solennen) Charakter hat, in Würde geschieht.