Rieger, Carl Heinrich - Über die zwölf kleinen Propheten - Hosea - Das achte Kapitel.

In demselbigen erweckt GOtt den Propheten aufs Neue, den Verfall des Israelitischen Volks in seiner kirchlichen und bürgerlichen Verfassung doch weiter einzusehen, und im Verkündigen der Gerichte GOttes nicht müde noch verzagt zu werden. Zu welchem Ende ihm von Seiten GOttes die Worte in den Mund gelegt werden, wie er mit ihnen reden soll.

I. GOtt erweckt den Propheten aufs Neue, sein Amt zu tun, und bei hereinbrechenden Gerichten GOttes noch zu warnen, wer sich warnen lasse.

1. Rufe laut wie eine Posaune (und sprich): Er kommt schon über das Haus des HErrn wie ein Adler; darum, dass sie meinen Bund übertreten, und von meinem Gesetz abtrünnig werden.

Nötiger Wecker für einen Lehrer, der unter einem ungehorsamen Volk wenig Eingang findet, und darüber fast selber in einiges Nachlassen kommen möchte. Aber auch bei sonst unverdrossenen Knechten GOttes ist nicht eine Zeit wie die andere. Es kommt auch zuweilen von GOtt, dass Er einem die Zunge am Gaumen kleben lässt, Ezech. 3, 26., bis wieder ein solcher Wecker kommt. Nach menschlichem Ermessen kann man sich darin nicht richten; oft ist man mäßig, oft kommt es heraus, als tue man zu viel, 2. Korinth. 5, 13.

II. GOtt gibt dem Propheten die Worte in den Mund, was Er ihnen von Seinetwegen sagen soll.

2. Werden sie dann zu mir schreien: Du bist mein GOtt, wir kennen dich, Israel.

Bei aller Abweichung will doch oft der Sünder die Religion, Gottesdienst und Gebet nicht gar aufgeben. In Heuchelei missbraucht er oft die schönsten Worte: Du bist mein GOtt, ist sonst die Summa alles köstlichen Gebets. Die heuchlerischen Menschen ziehen aus der Schrift ein Komplimentier-Büchlein, wo sie etliche Formeln finden, die in derselben gerühmt werden; so stecken sie sich dahinter, da sie doch von der Kraft ferne bleiben. Wo man oft am vertraulichsten tun will, wie da: wir, Israel, kennen Dich, und sich vieler Gemeinschaft mit GOtt anmaßen, da hat man am meisten darauf zu sehen, ob es auch Grund hat, und Probe hält.

3. Israel verwirft das Gute; darum muss sie der Feind verfolgen.

Wer da sagt, er kenne GOtt und hält Seine Gebote nicht, der ist ein Lügner, und in solchem ist keine Wahrheit. 1. Joh. 2, 4.

4. Sie machen Könige, aber ohne mich; sie setzen Fürsten, und ich muss nicht wissen. Aus ihrem Silber und Gold machen sie Götzen, dass sie ja bald ausgerottet werden.

In steter Meinung, sich selbst zu helfen, veranlassten sie eine Veränderung im Regiment nach der andern, und daraus entstand immer mehr Verwirrung.

5. Dein Kalb, Samaria, verstößt er; mein Zorn ist über sie ergrimmet: es kann nicht lange stehen, sie müssen gestraft werden.

Das Kalb stand zwar nicht zu Samaria, aber war doch eigentlich um des Königreichs willen aufgerichtet, und sollte zu desto gewisserer Unterhaltung des Missverständnisses zwischen beiden Königreichen Israel und Juda dienen; mithin wurde es von Samaria, von Hof aus, am meisten unterstutzt, wie es denn bei jedem König von Israel angemerkt wird, er ließ nicht von den Sünden Jerobeams - der nämlich den Kälberdienst aufgerichtet hatte.

6. Denn das Kalb ist aus Israel hergekommen, und ein Werkmann hat es gemacht, und kann ja kein Gott sein; darum soll das Kalb Samaria zerpulvert werden.

So lange man noch den Ursprung eines eingerissenen Bösen weiß, so soll man die Verächtlichkeit desselben, auch damit der Menschen Gewissen aufdecken. Hat sich aber etwas schon von langer Zeit her in gewalttätigen Schwung gebracht, so lasse man doch die Menschen auf das Ende merken, auf dass sie klug werden.

7. Denn sie säen Wind, und werden Ungewitter einernten; ihre Saat soll nicht aufkommen, und ihr Gewächs kein Mehl geben; und ob es geben würde, sollen es doch Fremde fressen. 8. Israel wird aufgefressen; die Heiden gehen mit ihnen um, wie mit einem wertlosen Gefäß.

So geht es, wenn das Salz dumm wird, wenn das göttliche Wohlgefallen sich abkehren muss, so fällt man auch den Menschen zum Zertreten unter die Füße. Es ist nichts Unwerteres, denn ein Mensch, der eine geistliche Kraft gehabt hat, und wieder darum kommt.

9. Darum, dass sie hinauf zum Assur laufen, wie ein Wild in der Irre. Ephraim schenkt den Buhlern, und gibt den Heiden Tribut. 10. Dieselben Heiden will ich nun über sie sammeln; sie sollen der Last des Königs und der Fürsten bald müde werden. 11. Denn Ephraim hat der Altäre viel gemacht zu sündigen; so sollen auch die Altäre ihnen zur Sünde geraten. 12. Wenn ich ihm gleich viel von meinem Gesetz schreibe, so wird es geachtet wie eine fremde Lehre. 13. Dass sie nun viel opfern und Fleisch herbringen und essen es, so hat doch der HErr kein Gefallen daran; sondern er will ihrer Missetat gedenken, und ihre Sünden heimsuchen, die sich zu Ägypten kehren. 14. Israel vergisst seines Schöpfers und baut Kirchen, so macht Juda viele feste Städte; aber ich will Feuer in seine Städte schicken, welches soll seine Häuser verzehren.

Mit der Religion, Gottseligkeit und Ehrbarkeit unter einem Volk fällt allemal auch aller äußerliche Wohlstand und Fortkommen darnieder. Wenn man aber den Verfall in der Religion noch eine Weile durch geistloses Mitmachen des Äußerlichen verkleiben will, so hat man freilich noch mehr betrügliche Mittel, den Verfall im bürgerlichen Wohlstand zu verbergen, und der Sache vielmehr eine Gestalt zu geben, als ob es der Aufnahme gleich sähe. Aber wie schnell kann GOtt all solch Menschenwerk vernichten, wie zuletzt der ganzen Welt in ihrem letzten Brand wiederfahren wird.