Rieger, Carl Heinrich - Über die zwölf kleinen Propheten - Hosea - Das sechste Kapitel.

In der guten Absicht, einen solchen zur Veränderung ihres Sinnes wirksamen Samen in ihr Herz zu legen, macht ihnen nun der Prophet im Namen GOttes eine rührende Vorstellung, wie gnädig GOtt dereinst die bußfertige Zukehr Israels annehmen werde, ungeachtet beim jetzigen Zerfall noch so wenig Ansehen dazu sei.

I. Die in der Umkehr zu GOtt begriffenen Israeliten werden redend eingeführt, wie sie sich untereinander zur Buße erwecken werden, und was es bei ihnen für ein demütiges Rechtfertigen der Gerichte GOttes, und für ein gläubiges Ergreifen der Gnade GOttes geben wird, darin sich auch GOtt ansehnlich an ihnen verherrlichen wird.

1. Kommt, wir wollen wieder zum HErrn: denn Er hat uns zerrissen, er wird uns auch heilen; er hat uns geschlagen, er wird uns auch verbinden. 2. Er macht uns lebendig nach zweien Tagen, er wird uns am dritten Tage aufrichten, dass wir vor ihm leben werden. 3. Dann werden wir Acht darauf haben und fleißig sein, dass wir den HErrn erkennen. Denn er wird hervor brechen wie die schöne Morgenröte, und wird zu uns kommen wie ein Regen, wie ein Spätregen, der das Land feuchtet. 4. Wie will ich dir so wohl tun, Ephraim! Wie will ich dir so wohl tun, Juda! Denn die Gnade, so ich euch erzeigen will, wird sein wie eine Tauwolke des Morgens, und wie ein Tau, der früh Morgens sich ausbreitet. 5. Darum hoffe ich sie durch die Propheten, und töte sie durch meines Mundes Rede, dass dein Recht an das Licht komme. 6. Denn ich habe Lust an der Liebe, und nicht am Opfer; und an der Erkenntnis GOttes, und nicht am Brandopfer.

Dergleichen Anzeigen von künftiger Bekehrung geschehen auch in der Absicht, dass man sogleich und zu allen Zeiten eine Reihung daraus nehmen könne, seinem GOtt zu begegnen. Was kann man sich ersparen, wenn man sich nicht lange nach Menschenhilfe umsieht, die doch kein nütze ist, sondern gerade unter Rechtfertigung der Gerichte GOttes in Seine Erbarmung und Vergebungs-Gnade durchdringt. Wenn einer auf diese einmal wieder Zuversicht gewonnen hat, so verbirgt sich freilich auch das Verlangen nicht nach der Zeit, wann einem wieder eine neue Gnade aufgehen werde; und überhaupt kommt man in den ganzen Fleiß und Achtsamkeit auf das Wort, auf die Wege GOttes, auf die Zurechtweisungen Seines Geistes, auf die Zeiten, die Er in Seinen gnädigen Mitteilungen hält. Darunter lernt man das vorzügliche Wohlgefallen GOttes an der Barmherzigkeit verstehen und recht gebrauchen, in welchem Geheimnis alle Diejenigen blind bleiben, die es nicht durch Erfahrung lernen. Auf Opfer, Brandopfer und solcherlei äußerliche Übungen fasst der Mensch noch leichter ein Vertrauen, als auf das freie Wohlgefallen GOttes an der Gnade. Aber wenn das Höfeln, Behauen, Behobeln, die spät und frühe an den armen Sünder gewendete Mühe, die Erfahrungen, wie manches Wort GOttes einem zum Tod gereichte, das einem doch zum Leben gegeben war, weil man sich nie in die ganze Erkenntnis GOttes wollte, hinein leiten lassen; wenn das bei einem durcheingeht, da lernt man den HErrn und Seine Gnade ehren, und merkt, was Gnade für eine rechtmäßige, rechtsbeständige Gnade sei; in welcher GOtt mehr Rahm sucht und erlangt, als in Seinen Gerichten. Darunter gibts freilich Wirkungen, wie beim Tau, die verborgen, schnell, weitausgebreitet, unansehnlich und doch kräftig sind.

II. Aber jetzt war das Ansehen in der Nähe noch gar nicht dazu, sondern GOtt fand vielmehr gerechte Ursache zu steten Klagen.

7. Aber sie übertreten den Bund, wie Adam; darinnen verachten sie mich. 8. Denn Gilead ist eine Stadt voll Abgötterei und Blutschulden. 9. Und die Priester samt ihrem Haufen sind wie die Ströter1), so da lauern auf die Leute, und würgen auf den Wege, der gen Sichem geht; denn sie tun, was sie wollen. 10. Ich sehe im Hause Israel, da mir vor graut: denn da hurt Ephraim, so verunreinigt sich Israel. 11. Aber Juda wird noch eine Ernte vor sich haben, wenn ich meines Volks Gefängnis wenden werde.

Es kann freilich viel zum Schaden der Nachkommenschaft, zum Aufenthalt des Guten, das GOtt sonst gedachte zu tun, dazwischen kommen, wie bei Adam; doch dringt zuletzt die vorzügliche Liebes-Neigung in GOtt zum Gnade-Erweisen durch Alles durch. Aber was hat unser zur Rechten GOttes erhöhter Heiland und HErr noch zu veranstalten, bis dass herwieder gebracht werde Alles, was und wie es GOtt geredet hat durch den Mund Seiner heiligen Propheten!

1)
Straßenräuber