Rieger, Carl Heinrich - Habakuk - Das erste Kapitel.

Darin wechselt auch des Propheten beweglich vor GOtt gebrachte Klage, mit der darauf erhaltenen göttlichen Antwort ab, die aber dem Propheten eine Veranlassung gibt, sein bekümmertes Herz weiter vor GOtt auszuschütten…

1. Dies ist die Last, welche der Prophet Habakuk gesehen hat.

Dies obschwebende Gericht, das Habakuk gesehen, hat ihm zwar schmerzliche Empfindung und einen ernstlichen Glaubenskampf verursacht, aber er hat dabei auch die Wahrheit jenes Worts zu genießen gehabt: der Witzige sieht das Unglück, und verbirgt sich: die Albernen gehen durchhin, und werden beschädigt.

I. Nun bringt der Prophet seine Klage vor den HErrn über das eingerissene Verderben, und was er darunter zu leiden habe.

2. HErr, wie lange soll ich schreien; und du willst nicht hören? Wie lange soll ich zu dir rufen über Frevel, und du willst nicht helfen? 3. Warum lässt du mich sehen Mühe und Arbeit? Warum zeigest du mir Raub und Frevel um mich? Es geht Gewalt über Recht. 4. Darum geht es gar anders, denn recht, und kann keine rechte Sache gewinnen; denn der Gottlose übervorteilt den Gerechten, darum gehen verkehrte Urteile.

GOtt, in welche Zeiten hast Du uns kommen lassen? Was müssen wir sehen und erleben? Wo ist die Erhörung so vielen Gebets, das um Deine göttliche Hilfe schon längst aufgestiegen ist? Das sind auch Fußstapfen des Glaubens, in die wir zu treten öfters gedrungen werden.

II. Nun kommt eine göttliche Antwort, dadurch wenigstens die Sicherheit und der Trotz der damaligen Ungläubigen gebrochen, und GOttes Richteramt auf Erden behauptet wird.

5. Schaut unter den Heiden, seht und verwundert euch; denn ich will etwas tun zu euern Zeiten, welches ihr nicht glauben werdet, wenn man davon sagen wird. 6. Denn siehe ich will die Chaldäer erwecken, ein bitter und schnell Volk; welches ziehen wird, so weit das Land ist, Wohnungen einzunehmen, die nicht sein sind; 7. Und wird grausam und schrecklich sein; das da gebietet und zwingt, wie es will. 8. Ihre Rosse sind schneller, denn die Parden; so sind sie auch beißiger, denn die Wölfe des Abends. Ihre Reiter ziehen mit großen Haufen von ferne daher, als flögen sie, wie die Adler eilen zum Aas. 9. Sie kommen allesamt, dass sie Schaden tun; wo sie hin wollen, reißen sie hindurch, wie ein Ostwind; und werden Gefangene zusammen raffen wie Sand. 10. Sie werden der Könige spotten, und der Fürsten werden sie lachen. Alle Festungen werden ihnen ein Scherz sein; denn sie werden Schutt machen, und sie doch gewinnen. 11. Alsdann werden sie einen neuen Mut nehmen, werden fortfahren und sich versündigen; dann muss ihr Sieg ihres GOttes sein.

Wie sich dergleichen Vorstellungen zu allen Zeiten gegen jede Macht des Unglaubens brauchen lassen, davon siehe Apostelg. 13, 41. Es ist gar eine gemeine Ausflucht des Unglaubens, dass er so am Anblick des Gegenwärtigen bleibt, und meint, wenn es sich zur Erfüllung der göttlichen Verheißungen oder Drohungen im Äußerlichen so gar nicht anlasse, so sei auch nicht darauf zu achten. Aber GOtt kann schnell, noch zu unseren Zeiten etwas erwecken, das einem nicht glaublich vorkommt.

III. Weil aber des Propheten Absicht nicht eigentlich war, Gerichte über die Gottlosen seiner Zeit herzuziehen, sondern vielmehr Hilfe für das kleine Häuflein der Gläubigen, so gibt ihm diese göttliche Antwort neuen Anlass vor GOtt zu beten, dass Er ihm doch das Unbegreifliche an Seinen Gerichten und Wegen aufschließen, und doch unter Allem Seines Bundes eingedenk bleiben wolle.

12. Aber du, HErr, mein GOtt, mein Heiliger, der du von Ewigkeit her bist, lass uns nicht sterben: sondern lass sie uns, o HErr, nur eine Strafe sein; und lass sie, o unser Hort, uns nur züchtigen. 18. Deine Augen sind rein, dass du Übels nicht sehen magst, und dem Jammer kannst du nicht zusehen. Warum siehst du denn zu den Verächtern, und schweigest, dass der Gottlose verschlinget den, der frömmer denn er ist? 14. Und lässt die Menschen gehen, wie Fische im Meer, wie Gewürm, das keinen Herrn hat? 15. Sie ziehen es alles mit dem Haken und fangen es mit ihrem Netz, und sammeln es mit ihrem Garn; des freuen sie sich und sind fröhlich. 16. Darum opfern sie ihrem Netz, und räuchern ihrem Garn, weil durch dieselbigen ihr Teil so fett, und ihre Speise so völlig geworden ist. 17. Derhalben werfen sie ihr Net noch immer aus, und wollen nicht aufhören, Leute zu erwürgen.

Die Ärgernisse, so unser fleischlicher Sinn an der Langmut GOttes nimmt, der Kampf, den uns der Gottlosen Glück verursacht, sind oft schon für unsere eigene Person beschwerlich genug; aber wenn man noch als ein Knecht GOttes ein ganzes Volk zu stillen, und gegen das Fallen in Unglauben zu verwahren und zu enthalten hat, so. treibt es einen noch vielmehr in die Not, und in derselbigen zu solchem Schreien, dass doch GOtt Seine über der Menschen Wegen waltende Vorsicht nicht verdunkelt werden lassen, und der Gottlosen Mutwillen nicht steifen wolle.