Derjenige Friede, an welchen bei dem Klange des Wortes alle Welt zuerst denkt, ist der Landfriede. Auch die ersten Stellen der Bibel, die vom Frieden sprechen, meinen den Landfrieden. Es ist aber der Landfriede derjenige glückliche Zustand eines Volkes, wo es Ruhe hat vor seinen Feinden und unter dem Regimente seiner Obrigkeit ein ruhiges und stilles Leben führen kann in aller Gottseligkeit und Ehrbarkeit.
Dieser Landfriede ist eines der köstlichsten irdischen Güter. Die h. Schrift zählt 3. Mose 26. unter den Segnungen, mit denen unser Gott sein Volk segnet, in erster Reihe auf, dass die Leute sicher wohnen in ihrem Lande, dass sie Frieden haben und schlafen und sie Niemand schrecke. Die h. Schrift preist als die schönste Zeit Israels im alten Bunde die Zeit des friedlichen Königs Salomo, da Juda und Israel sicher wohnten ein jeglicher unter seinem Weinstock und unter seinem Feigenbaum von Dan bis gen Ber-Scha, so lange Salomo lebte. Der große Kirchenvater der Evangelischen, Dr. Martin Luther, der alle seine Gedanken aus der Schrift sog, sagt: „Es ist wohl ein halb Himmelreich, wo Friede ist,“ und rechnet im kleinen Katechismus den Frieden mit zum täglichen Brode. Die Sänger unsrer Kirche rühmen den Frieden im Lande mit rauschendem Saitenspiel, vor Allem Paul Gerhard, der da singt: „Sei tausendmal willkommen, du teure, werte Friedensgab', jetzt sehn wir, was für Frommen Dein bei uns Wohnen in sich hab.“ Desgleichen der Volksmund redet von dem süßen, holden, lieben, goldenen Frieden und singt:
Was bringt Frieden? Lauter Freud.
Was bringt Kriegen? Lauter Leid.
Was bringt Frieden? Wein und Brod.
Was bringt Kriegen? Hungersnot.
Was bringt Frieden? Mut und Gut.
Was bringt Kriegen? Feu‘r und Blut.
Was bringt Frieden? Fröhlichkeit.
Was bringt Kriegen? Herzeleid.
Friede kommet aus dem Himmel,
Aus der Höll' das Kriegsgetümmel.
Dem Landfrieden steht also als sein gerades Gegenteil der Krieg gegenüber. Wird der Friede als ein hohes Gut gepriesen, so wird der Krieg als ein schweres Uebel beseufzt. Krieg, Hunger und Pestilenz sind nach der Schrift unsers HErrgotts Landstrafen. Der Heiland in seiner großen Rede über das Ende der Tage schildert den Krieg als das ärgste der menschlichen Leiden. „Krieg verzehrt, was Friede beschert“, sagt das Sprichwort; und schon ein alter Heide hat das Wort geredet: „Der beste Krieg ist wie ein goldener Angel; er trägt selten so viel ein, als er kostet.“
Zwischen dem hohen Gute des Friedens und dem schweren Uebel des Krieges ist die Menschheit hin und her geworfen, so lange die Erde steht. Adam und Eva lebten in tiefem Frieden, ihre Söhne Kain und Abel gerieten in blutigen Bruderkrieg. Eine neue Menschheit ging aus der Arche Noahs hervor, eine Menschheit, an welcher sich die göttliche Verheißung bis auf diesen Tag erfüllt hat: So lange die Erde steht, soll nicht aufhören Same und Ernte, Frost und Hitze, Sommer und Winter, Tag und Nacht. Aber wie Same und Ernte, Frost und Hitze, Sommer und Winter, Tag und Nacht nach der Verheißung bis heute auf Erden gewechselt haben, also auch, obwohl es nicht vorher verkündigt ist, Krieg und Friede, Friede und Krieg.
Also ist's gewesen bei den Heiden. Sie haben mit einander gekämpft in heißer Fehde, dann haben sie Frieden geschlossen, dann sind neue Kämpfe ausgebrochen. In der Hauptstadt der alten heidnischen Welt, in Rom, stand ein Tempel des Götzen Janus, von dem unser Januar den Namen hat; dieser Tempel, welcher mitten auf dem großen Markte errichtet war, hatte zwei einander gegenüberliegende Thüren, und diese standen im Kriege immer offen und wurden im Frieden geschlossen; sie sind aber nur dreimal geschlossen gewesen, so lange es ein römisches Reich gab, zum Zeichen und Zeugnis, dass Krieg und Friede miteinander wechselten und des Krieges mehr gewesen ist, als des Friedens.
Aber nicht nur bei den Heiden, auch bei dem Volke Israel hat ein solcher beständiger Wechsel von Krieg und Frieden stattgefunden. Schon der Erzvater Abraham, nachdem er lange in Frieden gelebt, wurde in Krieg verwickelt, den ersten eigentlichen Krieg, dessen die Schrift Erwähnung tut. Abrahams Kinder sind allezeit durch Krieg und Frieden gegangen, gleichwie der Erzvater. Die silberne Trompete der Priester Israels wurde nicht nur zur Festverkündigung, sondern auch zu Kriegssignalen geblasen.
Auch das Christentum, die Religion des Friedens, hat den Krieg nicht verbannen, den Landfrieden nicht verewigen können. Krieg und Friede haben in der Christenheit gerade so gut einander abgelöst und fort und fort mit einander gewechselt, als unter den vorchristlichen Völkern. Ja es hat sogar die Religion des Friedens eine neue Art von blutigen Kriegen, die Religionskriege, in ihrem Gefolge gehabt. Auch die gesegnete Reformation hat darin nichts geändert. Der Wechsel von Krieg und Frieden hat bei den christlichen Völkern fortgedauert bis auf diesen Tag; und wir selber haben in diesem Jahre ja beides gehabt, erst Frieden und dann Krieg, und nun wieder, will's Gott, Frieden.
Aber daraus, dass Krieg und Frieden auf Erden wechseln, wie Frost und Hitze und Tag und Nacht, folgt nicht, dass dieser Wechsel von Frieden und Krieg ein in Gottes ursprünglicher Schöpfung begründeter, von Gott dem HErrn im Anfang der Tage der Erde eingepflanzter Zustand sei. Es ist eine große Verirrung einer falsch berühmten Kunst, wenn sie in einzelnen ihrer neusten Vertreter alles Wirkliche für vernünftig und auch den Krieg für eine ordnungsmäßige und gesunde Lebensbewegung der Völker ausgibt, - übrigens nur eine moderne Auflage einer alten Torheit; schon der alte griechische Denkkünstler Aristoteles spricht vom Kriege unter dem Kapitel „Jagd“ und hält den Krieg für einen nützlichen und nötigen Erwerbszweig. Aber im Gegensatz zu diesen Verirrungen einer toll gewordenen Vernunft hat es doch jeder Unbefangene vielmehr im Gefühl, dass der Krieg vom Uebel ist und dass ein ewiger, allgemeiner Landfriede zwischen den Geschlechtern, die aus Adams Blut entsprossen sind, der richtige Zustand wäre. Die Schrift aber lehrt in Übereinstimmung mit diesem natürlichen Gefühle, dass Gott die Menschen zum Frieden geschaffen und zum Frieden berufen hat, und dass alle Störungen des Friedens traurige Folgen der zwischeneingekommenen Sünde sind.
Gott schuf den Menschen ihm zum Bilde, zum Bilde Gottes schuf er ihn. Gott aber ist nicht ein Gott des Krieges, sondern des Friedens; so muss auch die Kreatur, die er zu seinem Bilde geschaffen, geschaffen sein zum Frieden in jedem Sinne des Wortes, also vor Allem auch zum beständigen Genuss des Landfriedens. Und sehen wir uns die erstgeschaffenen Menschen an, so finden wir sie im Paradiese sowohl voll inneren Friedens, als auch rings umgeben von äußerem Frieden. Erst als der Sündenfall eingetreten war, in welchem der Mensch das Gottesbild in sich selber verderbte, ward uns das Reich genommen, da Friede und Freude lacht, und es trat die erste Störung des Friedens ein. Die Sünde bekundete sich sofort in der äußerlichen Zerrüttung der Menschen unter einander; Kain erhob sich wider seinen Bruder Abel und schlug ihn tot. Seitdem aber durch einen Menschen die Sünde gekommen ist in die Welt und durch die Sünde alle Noth, auch die Noth des Krieges, ist der Krieg auch zu allen Menschen hindurchgedrungen, dieweil sie alle gesündigt haben; und alle Sünder müssen klagen wie Hiob: Muss nicht der Mensch immer im Streit sein auf Erden? Nicht an dem guten Schöpfer also, sondern an der bösen Sünde der Menschen liegt es, dass es solch ein trauriges Ding, wie den Krieg gibt in der Welt. Jede Störung des Landfriedens ist eine weltgeschichtliche Bekundung der Sünde, und jeder Schlachtendonner ist eine Predigt über das Thema: Durch Adams Fall ist ganz verderbt menschlich Natur und Wesen.
Ist aber der Krieg nichts Natürliches für die Menschheit, sondern etwas sehr Naturwidriges, aus der Sünde Stammendes, so erscheint es zwar verständlich, warum bei Israel und den Völkern vor Christus der Landfriede fortwährende Unterbrechungen erlitt, aber es scheint widerspruchsvoll zu sein, dass doch auch aus der Christenheit der Krieg noch nicht verbannt ist, dass auch die christlichen Völter so oft den Landfrieden brechen und sich unter einander befehden mit Feuer und Schwert. Hat uns nicht Christus erlöst vom Fluche der Sünde? Hat er nicht sein teures Blut vergossen, damit er Friede machte an seinem Kreuz durch sich selbst? Und hat er nicht seine Jünger gelehrt: Habt Frieden unter einander? Und hat er nicht noch in der Nacht, da er verraten ward, zu dem Jünger, der das Schwert zog, gesagt: Stecke dein Schwert in die Scheide!? Und lehren nicht seine Apostel durch den heiligen Geist gleich also: Jaget nach dem Frieden gegen Jedermann und: Ist es möglich, so viel an euch ist, so habt mit allen Menschen Frieden!? Wie reimt sich mit dem Evangelio des Friedens Krieg und Kriegsgeschrei unter den Völkern des Evangeliums?
Wir haben drei Antworten auf diese Eine Frage, und die erste Antwort ist die: Es sind nicht alle Christen, die Christen heißen. Es gibt Millionen, die Christi Namen haben, aber nicht Christi Sinn. Denn Viele sind berufen, aber wenige sind auserwählet. Die große Menge in der Christenheit hat den Schein des Christentums, aber seine Kraft verleugnet sie. Da dürfen wir uns denn nicht wundern, dass die Sünde sich in der Christenheit gerade so mächtig dokumentiert, als im vorchristlichen Altertum, und dass sie sich, nicht nur im Privatleben als Hader, Neid, Streit und Zwietracht, sondern auch im öffentlichen Leben als Krieg bekundet. Ein fauler Baum mag heißen wie er will, er bringt auch unter dem schönsten Namen, und wenn er Christbaum hieße, arge Früchte. Schon Jacobus musste den Christen des apostolischen Jahrhunderts zurufen: „Woher kommt Streit und Krieg unter euch? Kommt es nicht daher, aus eurem Wohllüsten, die da streiten in euren Gliedern?“ Wenn das im Frühling der Kirche JEsu Christi gesagt werden musste, wie viel mehr wird's in Herbste seine Geltung haben! Dass sich auch die Christenheit keines beständigen Landfriedens erfreut, liegt vor Allem daran, dass nicht Alles Gold ist, was glänzt, dass nicht Alles christlich ist, was so heißt.
Seinen tieferen Erklärungsgrund aber findet der Krieg und das Kriegsgeschrei unter den christlichen Nationen in der Tatsache, dass der Heiland gar nicht gekommen ist, um die Menschheit auf Erden vom Kriege zu erlösen. Christus hat mit seinem Blute uns erlöst von allen Sünden, vom Tode und von der Gewalt des Teufels, aber nicht von den zeitlichen Folgen der Sünde und des Sündenfalls. Der große Tag von Golgatha ist bedeutungsschwer für alle Zeiten und für die Ewigkeit der Ewigkeiten; aber die Folgen der Sünde für das irdische Leben sind geblieben nach dem Tage von Golgatha, wie sie vordem waren. Die Dornen und Disteln, die der um der Sünde willen verfluchte Acker trägt, blühen noch heute, und weder die brüllenden Löwen, noch die giftigen Schlangen sind ausgestorben. Blinde und Taube, Lahme und Gichtbrüchige wandeln noch heute auf Erden, wie vormals. So ist auch der Krieg mit seinen Schrecken geblieben. Die Gläubigen werden allerdings keinen Krieg provozieren und anfangen; wie könnten sie ein so großes Uebel tun, und wider Gott sündigen? Sie scheuen vielmehr das Wehe, das der Heiland ausrief, da er sprach: „Es muss ja Ärgernis kommen, aber wehe dem Menschen, durch welchen Ärgernis kommt!“ Der Angriffskrieg daher verbietet sich für wahre Christen von selbst; da gilt es: Stecke dein Schwert in die Scheide! Und: Ist es möglich, so viel an euch ist, habt mit allen Menschen Frieden. Aber es ist eben nicht immer möglich, mit allen Menschen Frieden zu halten, und dann nicht möglich, wenn die Menschen, die Völker von andern feindlich angegriffen werden. Dann ist der Verteidigungskrieg nicht bloß geraten, sondern geboten; der Landesherr muss sein Volk schützen gegen die Unbilden der Feinde, und die Landeskinder müssen seiner Fahne folgen zur Abwehr der Feinde. Es bestritt das einmal Einer und sagte, das sei wider die Liebe. Dem entgegnete ein Andrer: Wahre Liebe zieht das Schwert. Da sagte der Erste: Christus hat nicht das Schwert geführt. Der Zweite aber antwortete: Christi Reich war nicht von dieser Welt, aber er hat ausdrücklich gesagt: Wäre mein Reich von dieser Welt, meine Diener würden darob kämpfen. Und das ist treffend. Kampf und Krieg können in den Reichen dieser Welt auch von den edelsten christlichen Fürsten, wenn sie angegriffen werden, nicht vermieden werden, der HErr hat seine Christen nicht vom Kriege erlöst; wo gegen sie gerüstet und zu Felde gezogen wird, müssen sie sich verteidigen.
Es gibt aber noch einen tiefsten Erklärungsgrund für die Störungen des Landfriedens in der Christenheit. Der Krieg ist nicht nur eine Folge der Sünde, die unter göttlicher Zulassung steht, sondern zugleich eine Strafe der Sünde, die von der göttlichen Gerechtigkeit verhängt wird.
So schildert ein großer Dichter den Krieg, wenn er ihn anredet: „ Krieg, du Sohn der Hölle, gebraucht zum Werkzeug von des Himmels Zorn!“ Für die Gläubigen verwandelt sich aber jede Strafe Gottes in väterliche Züchtigung; Daher ist für sie der Krieg eine heilsame Züchtigung, die friedsame Frucht der Gerechtigkeit zu zeitigen. Die Beweise dafür gibt die biblische Geschichte und die Weltgeschichte. Als die Heiden in Canaan das Maß ihrer Schuld voll gemacht hatten, machte Gott die Israeliten zu Geißeln seines Zornes, die das Land rein fegen mussten von den Götzendienern. Und als die Israeliten im Lande Canaan den HErrn, ihren Gott, verlassen hatten und mit ihrem Herzen zu Baal abgefallen waren, schickte Gott die Heiden, dem frevlen Treiben mit Feuer und Schwert ein Ende zu machen. Als Israel die Heiden bekriegte und besiegte, sind ganze Völker untergegangen, für sie war der Krieg die Strafe Gottes, aber es ist auch, eine Auswahl zum Glauben an Jehovah erweckt und dem Volke Gottes einverleibt, für sie war der Krieg eine Züchtigung zur Gerechtigkeit. Als die Assyrier und Babylonier Israel bezwangen, sind Tausende gefallen, für sie war der Krieg die Strafe Gottes; aber die Stillen im Lande wurden durch die Gerichte geläutert und zur Buße geführt, für sie war der Krieg eine Züchtigung zur Gerechtigkeit. Das ist in der Christenheit nicht anders. Wenn in langen Friedenszeiträumen die christlichen Völker Gottes Gnade auf Mutwillen ziehen, sein Wort verwerfen, seinen Tempel verachten, seinen Sabbath schänden, so sammelt Gott diese Ausdünstungen der Sünde zu Wolken und lässt diese Wolken endlich im Kriegsdonner und Schlachtenblitzen sich entladen. Denn mit Feuer wird gesalzen, was milde Zucht verschmäht, und was den Tau verachtet, mit Flammen übersät.
Für die Verhärteten ist das eine Strafe, für die Aufrichtigen eine Züchtigung. Die geistige Luft wird durch das Kriegsgewitter gereinigt und statt des faulen Landfriedens, der zuvor herrschte, wo das Volk seines Gottes nicht achtete, zieht nach dem Krieg ein edler Landfriede ein, da das Volk seinen Gott wieder sucht, ob es ihn fühlen und finden möchte. So war es in deutschen Landen gar arg vor den Freiheitskriegen; der lebendige dreieinige Gott war den Menschen fast ganz abhanden gekommen, und von JEsu Blut und Wunden wollte man wenig oder nichts mehr wissen; durch die Freiheitskriege aber ward ein großer Aufschwung und Umschwung der Geister herbeigeführt, und das Evangelium stieg im Preise. Wir dürfen kühnlich hoffen, dass auch der Julikrieg dieses Jahres die Luft im Vaterlande gereinigt haben wird; haben wir's doch schon jetzt erlebt, dass zwei edle Tugenden, die vor dem Kriege ausgewandert zu sein schienen, in Folge des Krieges mächtig bei uns aufblühen, die Königstreue und die Nächstenliebe. wahrlich, der Krieg ist eine heilsame Zuchtrute in Gottes Hand, die er schwingt, um die Herzen, die sich irgend noch wenden lassen, zu sich zu ziehen. Und also reimt sich mit dem Evangelio des Friedens Krieg und Kriegsgeschrei unter den Völkern des Evangeliums.
Ob aber nicht endlich doch einmal eine Zeit auf Erden kommt, wo jedem Krieg der Krieg erklärt ist und ein allgemeiner, ungestörter und in zerstörbarer Friede unter den Völkern herrscht? Von zwei ganz verschiedenen Standpunkten aus wird diese Frage bejaht. Es gibt der Kirche entfremdete und verfeindete Freunde der Bildung und der Zivilisation, die sich schmeicheln, dass je größere Fortschritte die allgemeine Volksbildung machen werde, desto bälder der Zustand eines allgemeinen Weltfriedens herbeigeführt werden würde, wo dann alle etwaigen Störungen durch Schiedsgerichte und die öffentliche aufgeklärte Meinung im Keime erstickt werden würden. Die Fortgeschrittensten unter den Leuten dieser Hoffnung sehen im Kreuze Christi den größten Feind des Friedens und singen von der Zukunft, wie sie ihnen vorschwebt:
Längst alles Land weitum ein sonn'ger Garten!
Es ragt kein Halbmond mehr, kein Kreuz mehr da!
Was sollten auch des blut'gen Kampfs Standarten?
Längst ist es Frieden, ew'ger Frieden ja!
Aber das sind Träume und Schäume. Die Zivilisation in allen Ehren aber der Sünde gegenüber ist sie ohnmächtig, sie macht die Menschen wohl feiner, aber nicht reiner; wer aber die Quelle nicht verstopfen kann, kann auch den Strom nicht aufhalten; wer die Sünde nicht aus der Welt schaffen kann, kann auch die Kriege, die aus der Sünde strömen, nicht beseitigen. Man hat das ja noch erst jüngst an Nordamerika gesehen; wie war das Land gepriesen als Land der Zivilisation und der Freiheit und des Friedens und siehe, welch ein blutiger Bruderkrieg ist in den letzten Jahren auf den Fluren Nordamerikas durchgekämpft worden!
Da sind denn doch von viel bedeutenderem Gewichte die Gründe, die manche ehrenwerte Christen von ganz entgegengesetztem Standpunkte, nämlich im Namen des Christentums für die Hoffnung einer endlichen, gänzlichen Verbannung des Krieges von dieser Erde geltend machen. Sie sagen, wenn der Krieg auch für die christliche Menschheit eine unüberwindliche Notwendigkeit wäre, so wäre damit dem Christentum das Urteil gesprochen. Christi Reich sei ein Reich des Friedens, und je mächtiger sich der christliche Geist unter den Völkern herausbilden und kräftigen werde, desto eher werde die Zeit kommen, wo jeder Krieg durch friedliche Ausgleichung der vorfallenden Streitigkeiten sich werde vermeiden lassen. Allein auch diese Gründe sind nicht stichhaltig. Diese ganze Beweisführung, so wohl gemeint sie ist, wird zu Schanden an der Weissagung des HErrn vom Ende der Tage Matth. 24, wo der Heiland mit dürren Worten die allerletzte Zeit auf dieser Erde, die Zeit vor seiner zweiten Zukunft, kennzeichnet als eine Zeit voll von Krieg und Kriegsgeschrei. Da wird, so bezeugt der Mund der Wahrheit, da wird sich empören ein Volk über das andere und ein Königreich über das andre, und wird alsdann eine große Trübsal sein, als nicht gewesen ist von Anfang der Welt bisher, und als auch nicht werden wird. Wahrlich, klarer als durch diese Weissagung kann es nicht ausgesprochen werden, dass die Hoffnung auf einen ungestörten irdischen Landfrieden in der Zukunft eine eitle ist. Es kommt dazu, dass nirgends geschrieben steht, dass der christliche Geist unter den Völkern sich je so herausbilden werde, dass Jedermann in Christi Fußtapfen wandern sollte; es ist vielmehr durchgängige Schriftlehre, dass das Reich Gottes auf Erden fortwährend seinen Schatten und sein Zerrbild haben wird an dem Reiche des Bösen auf Erden, dass auf dem Saatfelde Christi neben dem Weizen immer viel, viel Unkraut stehen und bis zum jüngsten Tage wachsen wird, denn Unkraut vergeht auf dieser Erde nicht. Der Pontius Pilatus, der JEsum kreuzigt, wird nicht nur im Glaubensbekenntnis der Kirche, sondern auch im ungläubigen Leben der Welt bis an das Ende der Tage über die Erde wandern; so lange es aber Feindschaft gibt auf Erden, und die Feindschaft gegen Christum ist die bitterste, wird auch fort und fort der Landfriede Bedrohungen und Störungen ausgesetzt sein. Dem Christentum aber ist dadurch nichts von seinem Werte geraubt, dass es den Krieg nicht gänzlich in die Verbannung drängenkann; man kann doch das Christentum nicht verantwortlich machen für die Sünden derer, die dem Christentum widerstreben!
Allerdings aber wird dennoch einmal nach den Verheißungen der Schrift eine Zeit eintreten, wo Gerechtigkeit und Friede sich in Ewigkeit küssen und buchstäblich in die Erscheinung tritt, was wir jetzt nur in Hoffnung fingen können: Ein Wohlgefallen Gott an uns hat; nun ist groß Fried ohn' Unterlass, all' Fehd hat nun ein Ende! Aber nicht im jetzigen Weltzustande, nicht unter dieser Sonne, nicht auf dieser Erde wird der ewige Landfriede blühen; sondern wenn der erste Himmel und die erste Erde vergangen sein werden und die heilige Stadt, das neue Jerusalem, von Gott aus dem Himmel herabgefahren ist, dann wird nach dem letzten großen Streit Jesus Christus, der Friedefürst, in seiner zweiten Zukunft den ewigen Frieden bringen für die seligen Menschen der neuen Erde. Da wird kein Tod mehr sein, noch Leib, noch Geschrei, noch Schmerzen; da wird dann auch kein Krieg mehr sein; das Völkerrecht der Heiligen der neuen Erde wird alle Kriege unmöglich machen. Es wird kein Volk wider das andere sein Schwert aufheben und werden nicht mehr kriegen lernen. Das salomonische Friedensregiment wird dann verklärt und verewigt sein: auf der neuen Erde gibt es keine Sünde mehr, bei der kleinen Herde unter dem guten Hirten dann auch keine Fehde mehr; ein jeglicher wird unter seinem Weinstock und Feigenbaum ruhig und sicher wohnen ohne Scheu; denn der Mund des HErrn Zebaoth hat es geredet.
Die Stellung, die der einzelne gläubige Christ zu dem ewigen Landfrieden auf der neuen Erde einzunehmen hat, kann nicht zweifelhaft sein: Der Christ muss Ales daransetzen, einmal dieses Friedens teilhaftig zu werden; er muss allezeit mit Furcht und Zittern schaffen, dass er das Bürgerrecht auf der neuen Erde, das Jesus Christus ihm erworben und durch den heiligen Geist ihm geschenkt hat, sich bewahre bis in den Tod. Welche Stellung aber soll der Christ einnehmen zu dem schwankenden, hinfälligen, oft unterbrochenen Landfrieden des jetzigen Weltlaufs?
Nun so lange der Landfriede einem Volke blüht, muss der Christ seinem Gotte von ganzem Herzen dankbar sein. Denn der Landfriede ist ja eine der guten und vollkommenen Gaben, die von oben herab kommen, von dem Vater des Lichts; alle Gottesgaben aber wollen mit Danksagung genossen sein. In den öffentlichen, wie in den Privatgottesdiensten sollte dem HErrn vielmehr für den hochteuren Schatz des lieben Friedens, wenn er da ist, gedankt werden, als es früherhin geschehen. Den Dank im Worte muss aber der Dank im Werke begleiten. Ein jeglicher muss an seinem Theil durch gottseliges, friedfertiges Leben dazutun, dass der Friede dem Lande erhalten bleibe. Namentlich gilt es, ein gehorsames Herz gegen Gottes Wort und die Obrigkeit zu haben und zu halten, dass man den Frieden nicht selber wieder verjage, sondern der herrlichen Verheißung teilhaftig bleibe, die den Gottseligen gegeben ist: Ihr sollt sicher in eurem Lande wohnen; ich will Frieden geben in eurem Lande, dass ihr schlafet und euch Niemand schrecke.
Wenn aber der Friede bedroht ist und Feinde sich zusammenscharen zum Angriff gegen Volk und Vaterland, dann soll der Christ Gebete zum Throne Gottes schicken um Erhaltung des Friedens, aber er soll des Zusatzes nicht vergessen: „Nicht mein Wille, sondern Dein Wille geschehe!“ und er soll, wenn Gottes Gedanken anders sind als seine Gedanken, den Kopf nicht hängen lassen in fleischlicher Verzagtheit, als ob der Himmel einfiele, wenn der Landfriede hinfällt. Unverzagt und ohne Grauen soll der Christ, wo er ist, stets sich lassen dauen. Aber, hilf Gott, bei wie vielen Gläubigen war doch vor Ausbruch des letzten Krieges der Glaube von der Feigheit Blässe angekränkelt! Das schickt sich wahrlich nicht für Christenleute, die sich, ob Krieg, ob Fried' im Lande ist, des Besitzes eines innerlichen Friedens rühmen, der höher ist als alle Vernunft, und den die Welt weder gehen, noch nehmen kann.
Und fällt dann nach Gottes Rath und Willen der äußere Friede bin und ziehen die drei Reiter der Offenbarung auf dem roten und dem schwarzen und dem fahlen Pferde durchs Land, dann gilt es den Krieg um des Friedens willen tapfer zu führen mit Gott für König und Vaterland, dabei aber den Streit zu heiligen durch Buße, Gebet und Barmherzigkeit. Im Kriege offenbart sich Gottes gewaltige Hand, und unter Gottes gewaltige Hand muss man vor allen Dingen sich in Demuth beugen. Vor Gott und seinen heiligen Gerichten gebeugt und der Vergebung der Sünden durch Christi Verdienst sich neu getröstend, kann der Christ mit gutem Gewissen dem Verteidigungskampfe entgegen gehen. Unser König und Volk haben sich, ehe sie in diesem Jahr das Schwert zogen zur Verteidigung der teuersten Güter des Vaterlandes, am 27. Juni also vor Gott gebeugt, und Gott hat das Opfer zerschlagener Herzen über Bitten und Verstehen gnädig angenommen. Zur Buße aber muss das Gebet kommen, das Gebet, wie es während der Dauer des letzten Krieges alle Sonntage aus den Kirchen unseres Vaterlandes zu Gott aufstieg: Dass Gott unsre Waffen zur Überwindung unsrer Feinde segne, uns Gnade gebe, auch im Kriege uns als Christen gegen sie zu verhalten, durch seines Geistes Kraft sie zur Versöhnung mit uns neige und durch seinen allmächtigen Beistand uns bald wiederum zu einem redlichen, gesegneten und dauernden Frieden für uns und das Vaterland verhelfe. Der große Gott hat solches Gebet in unsern Tagen in wunderbarster Weise erhört. Er hat solches Gebet nicht minder erhört zu den Zeiten unserer Väter. Als die Schlacht bei Großbeeren bevorstand und die Feinde sich verschworen hatten, nach dem Siege alle streitbaren Männer aus Berlin mit sich zu führen und die Stadt an allen vier Ecken anzuzünden, hat Johann Jänicke, Prediger an der Bethlehemskirche in Berlin, mit seiner Gemeinde Tag und Nacht auf den Knieen gelegen und um Errettung aus der Hand der Dränger geschrien. Die Feinde wurden blutig aufs Haupt geschlagen; ein General aber an des Königs Tafel fragte: „Wer hat die Schlacht bei Großbeeren gewonnen?“ und gab die Antwort: Johann Jänicke, der fromme Beter. Zu dem Gebet und zu der Buße aber muss sich in kriegerischen Zeiten die Barmherzigkeit gesellen, die Samariterliebe, die die Wunden verbindet, die der Krieg schlägt. Solche Samariterliebe ist ja schon auch im diesjährigen Kriege vielfach auf den Schlachtfeldern und in den Lazaretten sichtbar gewesen; Gott soll dafür gepriesen sein.
Und wenn denn nun nach Beendigung des Kampfes ein neues Morgenrot des Friedens erglänzt, wie soll der Christ den neuen Landfrieden begrüßen und wie soll er ihm begegnen? Ei, er soll einen edlen Gast in ihm sehn, ihm von Gott gesandt ohne menschliches Verdienst und Würdigkeit aus lauter göttlicher Güte und Barmherzigkeit. Und er soll dem edlen Gast das Gelübde entgegen bringen, sein besser warten zu wollen als früher. Und er soll, wenn der Friede eingeläutet wird im Lande, singen mit Paul Gerhard:
Gottlob, nun ist erschollen
Das edle Fried' und Freudenwort,
Dass nunmehr ruhen sollen
Die Spieß und Schwerter und ihr Mord.
Wohlauf und nimm nun wieder
Dein Saitenspiel hervor,
O Deutschland, singe Lieder
Im hohen, vollen Chor.
Erhebe dein Gemüte
Und danke Gott und sprich :
HErr, Deine Gnad' und Güte
Bleibt dennoch ewiglich!
Wir haben nichts verdienet
Als schwere Straf und großen Zorn,
Weil stets noch bei uns grünet
Der freche schnöde Sündendorn.
Wir sind fürwahr geschlagen
Mit harter, scharfer Rut,
Und dennoch muss man fragen:
Wer ist, der Buße tut?
Wir sind und bleiben böse,
Gott ist und bleibet treu,
Hilft, dass sich bei uns löse
Der Krieg und sein Geschrei.
Ach lass dich doch erwecken;
Wach auf, wach auf, du harte Welt,
Eh als das letzte Schrecken
Die schnell und plötzlich überfällt!
Wer aber Christum liebet,
Sei unerschrocknen Muts;
Der Friede, den er gibet,
Bedeutet alles Guts.
Er will die Lehre geben:
Das Ende naht herzu,
Da sollt ihr bei Gott leben
In engem Fried' und Ruh.
Amen.