Von Guten Wercken habe ich gelehret / wie mir meine vorigen zuhörer gestehen werden / und lehre noch / wie mir die itzigen gerne gezeugen werden / und will mit Gottes hülffe bis an mein ende wider Teuffel und Teuffelsgenossen one ale ansehen der personen hohes und nidriges standes also lehren: das sie sein ein stück der Buss und des Christlichen lebens / davon das Evangelium predigt und lehret. Wie sie nu sein ein stück der Busse und des Christlichen lebens / welches einem Christen von nöten ist / Also ist auch ein jeder Christ gute Werck zu thun schuldig und darzu verpflichtet. Denn darumb hat sie Gott im Evangelio geboten / wie denn desselben viel sprüche verhanden / und ist der Mensch darzu von Christo erlöset / ist von Gott zu gnaden widerumb auffgenomen / vergebung der sünden und den heiligen Geist entpfangen / nicht das er inn sünden fortfare und Gottes gebot zuwider handele / sondern das er anfange gutes zuthun / ein new leben zu füren / und sich als ein gehorsamer Son zuverhalten. Es soll aber solches geschehen / nicht / als wolten oder köndten wir dadurch seelig werden / sondern also das Gott dadurch geehret / den Menschen damit gedienet / der Glaub / Seeligkeit und newer Gehorsam dadurch offenbar werden. Wo nu solche Wercke nicht geschehen / da ist es gewiss / das kein rechtschaffener Glaub vorhanden / Wie Paulus deutlich saget: Die das gute gewissen verstossen / leiden Schiffbruch am Glauben / Und saget noch dazu / das er solche / die die lehre von guten gewissen / und erhaltung desselben verwerffen / in Bann gethan / und dem Satan ubergeben / I. Timo. I. Es können aber keine gute Wercke geschehen / es sey denn / das der Glaub vorher gehe / das herz durch denselben Glauben gereiniget / vom heiligen Geist eingenommen / und der mensch nicht mehr in ungnad bey Gott sondern widerumb ausgesönet sey worden / Und das aus der ursachen / das one den Glauben kein Werck / es scheine für der welt so herrlich und heilig als es wolle / für Gott gut / das ist / angenem und wolgefellig sein kan / Welchs aus den Sprüchen Pauli zu mercken / One Glauben kan Gotte nichts gefallen / Was nicht aus dem Glauben ist / das ist sünde. Es gehöret auch zu guten wercken / das sie dem Göttlichen worte nicht zuwider / oder aus eigen gutdüncken erdacht sein / sondern mit Gottes wort stimmen / darauff stehen gegründet und gebawet / Auff das man sagen könne / das thu ich aus Gottes mandat und befehlich / das wil Gott also von mir haben / das bin ich Gotte als ein Christ und geschworner unterthan / der jm einen eid in der Tauffe geschworen / laut seines eignen defehlichs schuldig. Wenn denn nu die gute Wercke im Glauben unnd auff rechtschafen meinung geschehen / als denn haben sie auch iren lohn / und verdienen etwas bey Gott / so viel ihnen Gott aus gnaden vermüge seiner zusage wil widerfaren lassen / aussgenommen vergebung der sünden / seeligkeit und ewigs leben.
Weil aber Gott allein das vertrawen will haben / soll sich ein jeder wissen zuhüten / das / wenn er ettwas gutes gethan / sich nicht darauff verlasse oder sein vertrawen darauff setze / angesehen / das es nicht allein unsere / sondern viel mehr des heiligen Geistes wercke sein / also das uns der heilige Geist darzu bewege und krafft gebe / und wir als werckzeuge Gottes sie thun und ins werck bringen. Nach dem wir aber in dieser welt allezeit inn schwacheit bleiben und teglicher anhaltung wol bedürffen / ist es demnach hoch von nöten / das man alle Christen / sie sein wie sie sein / semptlich und sonderlich / offentlich und in sonderheit zu guten wercken vermane / anhalte / reitze / locke / führe / treibe / wie es ein jede zeit und gelegenheit mitbringt / Davon auch Paul sagt / Predige das wort / halt an / es sey zu rechter zeit oder zu unzeit / straffe / drewe / vermane mit aller gedult und lere.
Was aber diese Sprüche belangt / Gute wercke sind nötig / Gute wercke sind nötig zur seeligkeit / Gute wercke sein schedlig zur seeligkeit / in denselben lasse ich mich genügen an dem / was die Christliche gemeine angenommen hat. Sage demnach mit Luthero und andern / das gute Wercke nötig sein / und halte dabey den gemeinen und rechten verstand der rechtgelerten und Gottfürchtigen / ongeacht aller unchristlichen und boshafftigen missdeutungen / Sophisterey und verwerffung. Es stehet aber der rechte verstand furnemlich in diesen stücken / das man die wort recht einneme und bedencke daneben / wie und wozu sie nötig sein. So sein nun gute Wercke nötig / das ist / ein jeder Christ / nachdem er von Gott zu gnaden auffgenomen / ist Gotte schuldig und dazu verpflichtet / das er Gott und seinen Nehesten liebe und allerley gute wercke thu und beweise. So sein sie auch nötig als ein ding / das hernach soll und mus folgen / als früchte des Glaubens / der Gerechtigkeit und des heiligen Geists / sein nötig darzu / das Gott dadurch geehret / dem nehesten gedienet / der Glaub / seeligkeit und newer gehorsam offenbar werde.
Von den andern beiden sprüchen habe ich gelehret und lehre noch / und wil also in Gott lehren / das dieselben keins wegs bestehen können. Nötig zur seeligkeit können sie nicht sein / weil der mensch one seine werck seelig wird und schon seelig ist / ehe denn die werck erfolgen / weil auch die guten wercke aus der seeligkeit und nicht die seeligkeit aus den wercken erfolgt. So sein sie auch nicht schedlich zur seeligkeit / weil sie aus der seeligkeit erfolgen / derselben gezeugnus geben / und dermassen anhengen / das sie von ihr als nötige und stetige fructus nicht können gesundert werden. Weil sie dann nötig und doch zur seeligkeit nicht nötig / so folget je daraus / das ein unterscheid sey unter diesen beiden reden / Gute werck sind nötig / und Gute werck sind nötig zur seeligket. Und ist also nicht ein ding / nicht einerley sententz und meinung / nicht einerley materi / nicht ein Teuffel als der ander / nicht zwo hosen eines tuchs / oder wie dasselbe möcht genennet werden. Gleicher gestalt erfolgt auch draus / das sie die seeligkeit nicht können erwerben / auch nicht / wenn sie erlangt ist / aus ihren krefften und vermügen erhalten. Bin also mit dieser einfalt und meinung zufrieden: und sondere mich hiermit abe von Papisten / Interimisten / Antinomis und allem / was entweder den guten Wercken zu viele gibt oder zuviele nimpt / darunter dann die mittelstrasse alle zeit zuhalten ist.
Für diese und andere wolthat der Göttlichen lehre bedancke ich mich kegen meinem Schöpffer und Seeligmacher / und bitte denselben demütigklich und von herzen / er wolle mich neben allen gleubigen und frommen Christen bey der warheit gnedig und Veterlich erhalten / schützen und handhaben / AMEN.
Quelle: Prätorius, Abdias - Vonn der Rechtfertigung und guten Wercken