Aus Dirk Phillipps 1)
Enchiridion,
oder
Handbüchlein von der christlichen Lehre und Religion.
Wir glauben und bekennen, daß Gott, der allmächtige Herr und Schöpfer aller Creaturen, den Menschen am Anfang zu seinem Bilde, ihm ähnlich, und zum ewigen Leben geschaffen hat. Aber der Mensch ist nicht geblieben, wie er zuerst geschaffen ist, sondern hat des Herrn Gebot übertreten, und ist dadurch mit allen seinen Nachkommen ins Verderben und in die Verdammniß gekommen; sie sind alle Sünder und sündhaft geworden. Darum geben wir, angesehen unsere erste fleischliche Geburt, auch für uns dem Worte des Apostels vollkommen Recht, wenn er sagt: „Wir waren von Natur Kinder des Zorns, gleichwie die Andern“ (Epheser 2,3.) Dazu bekennen wir im Blick auf das Gesetz Gottes, daß wir von uns selber arme Sünder sind, daß in unserm Fleische nichts Gutes wohnt, daß wir Alle unter dem Fluch des Gesetzes uns befinden, Alle unter die Sünde beschlossen sind und mit unsern Sünden die Strafe Gottes gar reichlich verdient haben.
Aber dagegen trösten wir uns der Gnade Gottes in unserm Herrn Jesu Christo und glauben dem Evangelio, daß Gott, der himmlische Vater, aus seiner unergründlichen Barmherzigkeit uns seinen eingeborenen Sohn, Jesum Christum, zu einem Erlöser und Seligmacher gegeben hat, welcher alle Gerechtigkeit Gottes für uns erfüllt, alle unsere Sünden hinweggenommen, den Zorn Gottes, des Vaters, gestillt, Friede zwischen Gott und uns gemacht, Satan, Welt, Hölle und Tod, uns zum Besten, überwunden hat, rc. Denn Er ist der verheißene Weibessame, der der Schlange den Kopf zertreten hat, der Same der Segensverheißungen, in welchem gesegnet werden sollten alle Geschlechter auf Erden, die an seinen Namen glauben. Er ist der wahrhaftige Messias, unser König und Hoherpriester, der mit dem einen heiligen Opfer seines Leibes und Blutes sein Volk mit Gott versöhnt hat. Er ist der Gnadenstuhl, von Gott für uns aufgerichtet, vermittelst dessen wir zu Gott kommen und einen freien Zugang zu ihm haben in dem heiligen Geist. Er ist das Horn unseres Heils, die Hoffnung unserer Seligkeit, in Summa: unser ewiges Leben. Denn uns ist kein anderer Name gegeben unter dem Himmel, darin wir selig werden möchten, als allein sein Name. (Apostelg. 4, 12.)
Das Mittel aber, durch welches wir die in Christo Jesu uns erschienene Gnade Gottes, die wahre Gerechtigkeit, Heiligkeit und Seligkeit in Ihm und durch Ihn erfassen und empfangen, ist ein rechtschaffener Glaube, ein solcher Glaube, der unser ganzes Herz erfüllt, und durch den es uns aus Gottes Wort durch den heiligen Geist unumstößlich gewiß ist, daß Jesus Christus mit allen seinen himmlischen Gütern uns zugehört, unser Erlöser und Seligmacher ist, daß wir durch Ihn Friede mit Gott haben, Kinder und Erben Gottes geworden sind. Denn also bezeugt es uns der Apostel Paulus, wenn er (Epheser 1, 4-6) sagt: Gott habe uns von Anbeginn her lieb gehabt, durch welche seine ewige Liebe er uns zur Seligkeit vorher erwählet und zur Kindschaft gegen ihn selbst verordnet und berufen in Jesu Christo, und mache uns gerecht aus Gnade ohne Verdienst durch die Erlösung, die durch Ihn geschehen ist, und habe uns denselben vorgestellt zu einem Gnadenstuhl durch den Glauben in seinem Blute, und habe Alles unter die Sünde beschlossen, auf daß Er allein gerecht sei und gerecht mache die, die des Glaubens an Jesum Christum sind. (Röm. 3,25.)
Aber ein solcher Glaube ist ein Werk Gottes in dem Menschen, durch welchen er inwendig verändert und erneuert, ja der göttlichen Natur, des christlichen Wesens, des h. Geistes und des ewigen Lebens theilhaftig wird. Darum erzeugt der Glaube die wahrhaftige Gerechtigkeit, die vor Gott gilt, und macht den Menschen geistlich und himmlisch gesinnt und willig und geschickt zu allen guten Werken.
Das Alles faßt der Apostel im Brief an die Epheser (2, 4-6) in den wenigen Worten zusammen: „Gott, der da reich ist an Barmherzigkeit, durch seine große Liebe, damit es uns geliebet hat, da wir todt waren in Sünden: hat Er uns in Christo lebendig gemacht, - denn aus Gnaden seid ihr selig geworden, - und hat uns sammt Ihm auferwecket und sammt Ihm in das himmlische Wesen versetzt in Christo Jesu, auf daß er erzeigete in den zukünftigen Zeiten den überschwenglichen Reichthum seiner Gnade durch seine Güte über uns in Christo Jesu. Denn aus Gnaden seid ihr selig geworden, durch den Glauben, und dasselbe nicht aus euch, Gottes Gabe ist es; nicht aus den Werken, auf daß sich nicht Jemand rühme. Denn wir sind sein Werk, geschaffen in Christo Jesu zu guten Werken, zu welchen uns Gott zuvor bereitet hat, daß wir darin wandeln sollen.“
Aus diesen Worten erhellt deutlich, daß der Glaube ein Werk und eine Gnade Gottes ist. - Aus solchem Glauben aber kommt die Liebe, wie Paulus sagt (1. Tim. 1, 5): „Die Hauptsumme des Gesetzes ist die Liebe aus reinem Herzen und aus gutem Gewissen und von ungefärbtem Glauben“. Aus dieser Liebe folgen dann aber die guten Werke, gleichwie der Apostel bezeugt, wenn er sagt: „In Christo Jesu gilt weder Beschneidung noch Vorhaut etwas, sondern der Glaube, der durch die Liebe thätig ist.“ (Gal. 5, 6.) Darum, die sich des Glaubens ohne die Liebe und die guten Werke rühmen, deren Ruhm ist ein falscher, ihr Glaube ist eitel, ja es sind recht die Leute, von welchen der Herr im Evangelio sagt: „Viele werden zu mir sagen am jüngsten Tag: Herr, Herr, haben wir nicht in Deinem Namen geweissagt? Haben wir nicht in Deinem Namen Teufel ausgetrieben? Haben wir nicht in Deinem Namen Teufel ausgetrieben? Haben wir nicht in Deinem Namen viele Thaten gethan? Dann werde ich ihnen bekennen: Ich habe euch noch nie erkannt, weichet Alle von mir, ihr Uebelthäter (Matth. 7, 22.) Damit stimmt Paulus überein, wenn er sagt: (1. Tit. 1, 15.) „Den Unreinen und Ungläubigen ist nichts rein, sondern unrein ist Beides, ihr Sinn und ihr Gewissen. Sie sagen, sie erkennen Gott, aber mit den Werken verleugnen sie es; sintemal sie sind, an welchen Gott einen Gräuel hat und gehorchen nicht und sind zu allem guten Werke untüchtig“. Desgleichen straft der Apostel Jacobus alle die, welche sich ihres Glaubens rühmen und doch ihren Glauben nicht mit ihren Werken erweisen. (Jac. 2, 14.) Dennoch verläßt sich der Glaube nicht auf irgend ein Werk oder Sakrament, sondern allein auf Jesum Christum, dessen Gnade und Verdienst sein einiger Trost ist.
So bekennen und glauben wir also, kurz gesagt: daß wir nur durch die Gnade unseres Herrn Jesu Christi selig werden. Aber diese Seligkeit erfassen wir mit dem Glauben, den Gott in uns wirket durch s. h. Geist. Durch diesen Glauben aber erkennen wir die Liebe Gottes, des himmlischen Vaters, und unseres Herrn Jesu Christi an dem, was Er zu unserer Seligkeit gethan hat. Aber aus dieser Erkenntniß der Liebe Gottes und der Wohlthaten unseres Herrn Jesu Christi entspringt die Liebe in unsere Herzen, daß wir Gott lieb gewinnen und haben um der überfließenden Liebe willen, die er uns erzeigt hat in Christo Jesu. (1 Joh. 4, 19.) Wieder aber aus solcher Liebe, die in unsere Herzen ausgegossen ist durch den heiligen Geist, verlangen wir in unserer Schwachheit die Gebote des Herrn zu halten, wie er selbst zu seinen Jüngern sagt: „So ihr mich lieb habt, so haltet meine Gebote“ und wieder: „Wer mich lieb hat, der wird meine Gebote halten, wer mich aber nicht lieb hat, der hält meine Gebote nicht.“ (Joh. 14, 21.)
Nun aber ist es unmöglich, Gottes und der Menschen Gebote zugleich zu halten. Denn Gott und die Welt sind gegen einander; Christus stimmt nicht mit Belial. Darum will Jemand Gott dienen, der muß der Welt den Abschied geben; will Jemand Christo anhangen, der muß sich vom Satan abkehren. In dem Sinne sagt Paulus, daß er kein Knecht Christi wäre, so er den Menschen gefiele. Denn die Freundschaft dieser Welt ist eine Feindschaft gegen Gott, und wer der Welt Freund sein will, der muß Gottes Feind werden, wie der Ap. Jakobus sagt. Dasselbe sagt Christus im Evangelio, daß nämlich Alles, was hoch bei den Menschen geachtet ist, ein Gräuel bei Gott sei. Und dies ist der Grund, warum wir nicht Willens sind, die Christo widerstreitenden menschlichen Einsetzungen und Gebräuche der Menschen mit der Welt zu halten, wir begehren vielmehr in unserer Einfalt, recht und schlecht bei der Lehre und dem Beispiel Jesu Christi zu bleiben und nach dem Vorbild der ersten apostolischen Kirche uns zu richten, soviel uns der Herr Gnade giebt.