In jenem wohlbekannten Volk, dessen Eitelkeit und Leichtsinn zum Sprüchwort geworden, sind doch viele ernste und würdige Männer geboren; sie lebten, Manche von ihnen, und wirkten im Glanz der schönsten Gaben, erhabenen Sinnes, beredt, muthig, tapfer, groß in Weisheit, in Tugend, in Treue, ein Ruhm ihres Landes, eine Zierde der Welt. Jener so vielgeliebte, glänzende König, den sein Volk den Großen genannt, der wenigstens ein großer Sünder war, Heinrich der IV., hat mehr als Einen jener Edlen zum Diener gehabt. Einer ist wohl unter allen seinen Ministern der Beste gewesen; wie unser Naeman, war er redlichen und gläubigen Herzens, ein Mann, klug wie die Schlangen, und ohne Falsch wie die Tauben (Matth. 10,16.); durch tiefe Erkenntniß der Schrift und tiefe Bedürfnisse des Herzens, der Lehre der Gottseligkeit heilig zugethan, dem reinen Evangelium von seiner Seligkeit unterthan, (Eph. l, 13.), ein Protestant, aber ein wahrer, der nicht allein gegen die Sünden und Gräuel einer verweltlichten, entarteten Kirche protestirte, sondern gegen Alles, was Sünde war, Aergerniß und Lügen, unter Feinden und Freunden, am Hofe, im Volke, in der Kirche, im Staat, seine reine Stimme, und das Panier der Wahrheit erhob. Gott hatte durch diesen Einzigen Mann ein großes Heil in Frankreich gegeben, aber wie's in diesem Lande immerdar gewesen - das Unheil überwog.
Als Freund seines Königes, als Freund seines Gottes, als Mann der Wahrheit und des Glaubens, Erbauer der Kirchen, Vertheidiger der Unschuldigen und Verfolgten, ihr Schirm und Schild in jenen bösen Zeiten, ist er selber Ziel und Scheibe der Ungerechten gewesen; sie hätten schon in jener schwarzen Bluthochzeit der Bartholomäus-Nacht, und auch später, dieses edle Leben gerne als eine blutige Beute davon getragen; er entkam damals und später auch wieder ihren Mordwaffen, denn Gott war mit ihm.
Mitten in allen diesen politischen Unruhen und diesen täglichen Gefahren, in den schweren, heißen Pflichten und Arbeiten, Reisen, Gesandtschaften, Verhandlungen in den Diensten seines Königes und seines Volks, fand der kräftig treue Mann immer noch Zeit zu stilleren Arbeiten, zu tieferen Studien und gelehrten Werken; er schrieb über Politik, über Gottes Wort und Glaubens - Sachen; zur Vertheidigung göttlicher Wahrheit und göttlichen Rechts; er sammelte Herz und Sinnen aus den Wogen des hart bewegten Lebens zu seinem HErrn und Gott in Stunden der Stille, und stählte die müden Kräfte des lebendigen Geistes, und das angefochtene Gemüth im stillen Gebet, und erneuerte seinen inwendigen Menschen in dem theuern Bibelwort.
Im Jahr 1584, als unter König Heinrich III., Heinrich von Navarra der nächste Thron-Erbe worden war, schrieb der treue Mann diesem seinem Meister: „Nun sind Aller Augen in Frankreich auf Sie gerichtet; sehen Sie, daß Alle, willig oder nicht willig, Sie loben und achten müssen; lassen Sie den König Ihre Ehrerbietung sehen, die Prinzen Ihren brüderlichen Sinn, die Parlamente Ihre Gerechtigkeits-Liebe, das Volk Ihre Liebes-Treue, die Feinde Ihre milde Gnade . . . .; über Alles aber ziehen Sie jene Gottes-Furcht an, durch welche die Könige herrschen; sie wird Ihnen sichere, ebene Wege machen, wo Berge sind, und alles höckericht ist, gefährlich und wüste. Mit Ihrem eigenen Hause soll das gute Beispiel angehen; Wer für Alle geboren ward, und für den so Viele geboren worden, soll auch darauf sehen, daß er freudige Rechenschaft geben könne von Allem. Vergeben Sie, Sire, Ihren treuen Dienern, aber jene Liebschaften, so bekannt und so viel, - die müssen aufhören; sie dürfen nicht mehr geduldet sein. Der Christenheit, der Kirche, dem Vaterland sei diese ganze Liebe gegeben.“
Heinrich von Navarra, König in Frankreich geworden, hatte, zum großen Aergerniß der Protestanten und der Katholiken, die Tochter eines angesehenen Mannes in La Rochelle, um ihre Ehre gebracht. Kurz vor der Schlacht von Courtras sprach er mit seinem Minister von den besorglichen Umständen, und der Gefahr der Schlacht. „Nun Sire,“ sprach dieser, „sagt Ihnen Ihr Gewissen nicht, wie nöthig es ist, Gott in solcher Zeit über Ihrer Sünde die Ehre zu geben, und Den zu versöhnen, Der die Schlachten lenket, und die Siege austheilet nach Seinem Wohlgefallen? Wie würde Eurer Majestät werden, wenn Gott, um des Unterlassenen willen, Ihren Waffen den Sieg weigerte, zum Unglück so vieler guten Leute, Ihre Waffen verdammend?“ Es ging dem König durch's Herz; er besprach sich hierüber mit dem Prediger von Chaudien, und bekannte und bereuete den Tag darauf in der Kirche zu Pons, öffentlich, und vor dem ganzen Adel seiner Armee, das gegebene Aergerniß.
Wenn Er sie würgete, so fragten sie nach Ihm, und kehreten sich, und suchten Gott; und gedachten, daß Er ihr Gott sei, und Gott der Höchste, ihr Erlöser; und heuchelten Ihm mit ihrem Munde, und logen Ihm mit ihrer Zunge. Ps. 78.
Des Königs Herz war nicht fest an Gott, und er hielt nicht treulich an Seinem Bund. Heinrich fuhr in seinen Sünden, der Minister in seinen Ermahnungen fort: „Name, Leib und Seele, Sire, werden damit zu Grunde gerichtet.“ Die Feinde ließen dem König keine Sicherheit noch Ruhe im fanatischen Bürger-Krieg; Heinrich schrieb an den treuen Mann, schüttete sein Herz bei ihm über seine Besorgnisse aus, gestand ihm aber nicht, er möchte durch Uebertritt zur Kirche der Feinde, alle diese bösen Geister und Gefahren beschwören. „Vor Allem,“ erwiederte Jener, „müssen Sie zu Gott weinen und seufzen, gegen Dessen Zorn aller Menschen Rath und That nichts vermögen. Dann wandeln Sie vor Ihm, und ergeben sich in Seine Hände, in dem guten Vertrauen, gegen Seinen Segen werde keine Verschwörung der Menschen Was vermögen. Haben Sie einmal mit Gott Frieden gemacht, dann ist's Ihm ein Leichtes, Ihnen mit aller Welt Frieden zu geben.“
Als ein neuer Mord-Anschlag gegen den König fehlgeschlagen hatte, schrieb ihm der Minister unter anderen Worten: „O daß wir Alle das scharfe Drohen dieses Gottes gegen diesen Staat, gegen dessen Diener besonders erkennen, wenn Sie sich nicht beugen vor Ihn, und nicht Buße thun! Und noch ein Wort, Sire, darf meine Treue sagen: Gott will gehöret werden, wenn Er spricht; Er will auch daß wir Ihn fühlen, wenn Er schlägt, und dies die Großen besonders, die ja Niemand züchtigen kann, denn Er allein. So hoffe ich, Eure Majestät werden sich's zum Nutzen werten lassen, nicht so wohl sich gegen solche Frevelthaten zu bewahren; - Er Selber wird Ihr Schutz sein; - denn daß Sie vielmehr Seine Hand über Ihrer Sünde erkennen, und nicht dadurch, daß Sie Seine Geduld mißbrauchen, die ganze Schwere dieser Hand herabrufen über Sie . . . Nicht als Censor, - diesen Stolz kenne ich nicht - nein, Sire, als treuer Diener nur durfte ich also sprechen; und wir flehen dazu noch zu Gott mit Thränen, Er möge hinfort noch gnädig über Ihrer Majestät walten, Sie segnen . . . .“
Als der treue Minister in Ungnade fiel, ließ der König ihm versichern, er werde sein Herr und Freund immerdar bleiben. „Was das letztere angehet,“ erwiederte der Entlassene, „mein Stand erlaubte mir nicht, ihn zum Freunde zu haben; daß er mein Herr ist, das habe ich schon oft genug erfahren.“ Er blieb seinem Herrn bis an dessen blutiges Ende getreu; sein ernstes Gebet war für seine Kirche, für den Staat, den König; und er war immerfort mit Rath und That seiner Befehle gewärtig; wie er dem Vater gethan, also that er auch Ludwig IX., Heinrichs unmündigem Sohn.
Er starb in einem hohen Alter, von Gott vielfältig und schwer geprüfet, und in aller Trübsal in der Geduld und im Glauben seines HErrn und Heilandes bewährt erfunden. Seine letzten Worte waren in des Todes Ohnmacht: „Ich vermag Alles durch Den, Der mich mächtig macht, Christus“; und dann: „Die Liebe Gottes ist in meinem Herzen.“ Phil. 4,13. Röm. 5,5. Sein Name war: Philipp von Mornay, Herr zu Plessis-Marly.