Oekolampad, Johannes - Thesen über das Heilige Abendmahl

(An einen Freund)

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Ich nenne es eine unerträgliche Rede, zu sagen, das Abendmahlsbrot sei der Substanz nach der Leib Christi.

Ich glaube, daß der natürliche Leib Christi nur an einem Orte sei, nämlich im Himmel; denn sonst wäre er kein Leib (Körper).

Daß der Leib bei'm Brote sei (adesse pani), will ich gern bekennen, in der Weise, wie er auch bei'm Worte ist, durch welches das Brot zum Sacrament, zum sichtbaren Worte wird.

Wären die Sacramente nicht von Christo eingesetzt und geheiligt durch das Wort des Glaubens, dann wären sie nicht mehr und nicht von höherer Würde, als irgend ein anderes Bild, z.B. die Statue des (Horatius) Cocles.

Das Wort der Verheißung verliert dadurch nichts (non excidit), auch wenn das Brot nicht der Substanz nach der Leib Christi ist; denn daß solches geschehen werde, hat Christus nicht verheißen. Könnte diese Verheißung erwiesen werden, so würde ich weiter nicht mehr streiten.

Nun aber haben die Abendmahlsworte die Verheißung, daß nur der Leib Christi gegeben wird, in sofern er für uns gestorben ist und das Blut uns gegeben wird, in sofern es für uns vergossen ist zur Vergebung der Sünden.

Dieses Glaubenswort heiligt die Sacramente.

Der läugnet nicht die Wahrheit des Mysteriums, bekennt sie vielmehr auf's Bestimmteste und in aller Reinheit, der diese Verheißungen sich aneignet; denn ein Solcher allein genießt das Brot und trinkt das Blut wahrhaft auf geistliche Weise.

„Das Wort bewirkt alles was Gott will.“ Gut! Aber bedenke dabei, das Gott sowohl durch das äußere Wort, als durch Symbol und Schrift nur das bewirken will, daß sie uns zur Mahnung werden (admoneant).

Das Uebrige wirkt er durch seinen Geist.

Dem Brote wird der Leib gegeben durch das Wort, wie das Wort in sich hat den Leib.

Durch den Glauben wird der abwesende Leib Christi dem Geiste (Gemüthe, animo) vollkommen gegenwärtig (praesentissimum).

Durch den Glauben erkennt das gläubige Gemüth in dem sichtbaren Worte (dem Symbol) wie in dem hörbaren den Leib Christi wie er ist, erkennt ihn wahrhaft und seiner Substanz nach, obgleich im Geheimniß (in mysterio) durch einen Spiegel im Räthselworte; aber daraus folgt nicht, daß das Brot der Leib Christo sei der Substanz nach, noch daß der natürliche Leib an verschiedenen Orten sich befinde, so wenig als das Angesicht des Menschen darum an verschiedenen Orten ist, weil es in verschiednen Spiegeln sich abspiegelt.

Die, welche des Geistes Christi theilhaftig geworden sind durch den Glauben, haben das Fleisch Christi nicht nur so im Geiste gegenwärtig, wie etwa die, welche des Andenkens an die treuesten Freunde sich erfreuen, die Freunde in der Seele (im Herzen) tragen; sondern so, daß, weil Christus wahrhaftig durch seinen Geist in ihnen wohnt, als in seinem Tempel, sie auch seinen Leib wahrhaftig haben, obgleich er, von welchem die Gottheit nicht abgetrennt ist, im Himmel sich befindet.

Christus trägt (gestat) unser Fleisch im Himmel, und wir tragen sein Fleisch an uns auf Erden in eigenthümlicher Weise (juxta speciem).

Diese völlige Gegenwart des Fleisches ist überaus heilsam; unnütz aber und ohne die Überzeugungskraft des Glaubens (absque elecho fidei), wenn wir das Brot in substantieller Weise den Leib Christi nennen, oder behaupten, daß dieser Leib an vielen Orten zugleich sei.

Die, welche das Bildliche in den Abendmahlsworten verwerfen, erklären sich damit als streitsüchtige Leute und legen die Schrift aus, ohne Analogie des Glaubens.

Recht und fromm drücken sich die aus, welche sagen, daß sie (in der Feier des Abendmahls) zum Leibe Christi hinzutreten oder den Leib Christi genießen. Unfromm und ohne Ehrerbietung drücken sich dagegen die aus, welche sagen, daß sie bloßes Brot und ein bloßes Zeichen empfangen; damit erklären sie ihren Unglauben. Der Gläubige nimmt es als eine Beleidigung auf und glaubt sich für einen Verräther geachtet, wenn man von ihm aussagt, er habe nur das Sacrament, und nicht auch die Sache, welche das Sakrament bezeichnet, empfangen, obgleich er jenes mit dem Munde, dieses mit dem Herzen empfängt. Daraus erklärt sich der Sprachgebrauch der Alten.

Wir, die Lehrer der Kirche, sollen wohl bedenken, mit welchen Finsternissen das Volk umhüllt ist, damit es aufs Klarste und ohne Wortklaubereien das Geheimniß erkennen möge und nicht zu noch gröberer Blindheit hingerissen werde.

quelle: Leben und ausgewählte Schriften der Väter und Begründer der reformirten Kirche - II