Der evangelische Pfarrer Johann Odenbach schreibt um 15291) eine Verteidigung der Täufer. Sie ist gerichtet an die „berufenen Richter der armen Gefangenen in Alzey, welche die Leute Wiedertäufer nennen“.
„Ihr solltet als arme unwissende und ungelehrte Leute fleißig und ernstlich den wahren Richter anrufen und um seine göttliche Hilfe, um Weisheit und Gnade bitten. Dann würdet Ihr nicht leichtfertig Eure Hände mit unschuldigem Blut beflecken, auch wenn die kaiserliche Majestät und alle Fürsten der Welt Euch befohlen hätten, so zu richten. Diese armen Gefangenen haben mit ihrer Taufe nicht so schwer gegen Gott gesündigt, daß er ihre Seelen deshalb verdammen wird, noch haben sie so verbrecherisch gegen die Regierung und gegen die Menschheit gehandelt, daß sie ihr Leben verwirkt hätten. Denn richtige Taufe oder Wiedertaufe hat nicht die Macht, einen Menschen retten oder verdammen zu können. Wir müssen gelten lassen, daß die Taufe eben ein Zeichen ist, durch das wir bekennen, Christen zu sein, gestorben der Welt, Feinde des Teufels, elende, gekreuzigte Leute, die nicht zeitliches, sondern ewiges Heil suchen, die ständig gegen Fleisch, Sünde und Teufel ankämpfen und ein christliches Leben führen. Nicht viele von euch Richtern würden wissen, was sie über richtige oder falsche Taufe sagen sollten, wenn ihr unter der Folter verhört und gefragt würdet. Müßtet ihr deshalb dem Schwert überantwortet werden? Nein! Ich sage dies nicht, um die Wiedertaufe zu rechtfertigen, die durch die Heilige Schrift und nicht durch Hekershand beseitigt werden sollte. Daher, liebe Freunde, maßt euch nicht an, was der göttlichen Majestät zusteht, damit nicht Gottes Zorn ärger über Euch komme als über die Sodomiter und alle Übeltäter auf Erden. Ihr habt viele Diebe, Mörder und Schurken im Gefängnis gnädiger behandelt als diese armen Geschöpfe, die weder gestohlen noch gemordet haben, keine Brandstifter oder Verräter sind noch eine schändliche Sünde begangen haben, die vielmehr gegen dies alles sind und sich in ernstem und einfältigem Sinn, infolge eines kleinen Irrtums, zum zweitenmal zur Ehre Gottes haben taufen lassen und nicht, um irgend jemand zu verletzen. Wir könntet Ihr wohl in Eurem Herzen oder Gewissen sagen oder anerkennen, daß sie dieserhalb enthauptet werden sollten oder daß sie darum verdammt werden? Wenn Ihr sie behandeln würdet, wie christliche Richter es tun sollten, und wenn Ihr verständet, sie aus dem Evangelium zu unterweisen, wäre kein Henker nötig; auf diese Weise würde zweifellos die Wahrheit siegen und das Gefängnis wäre eine ausreichende Strafe. In der gleichen Weise sollten Eure Priester handeln, sie als irrende Schafe auf den Schultern zur Herde Christi tragen und ihnen hinfort zu beweisen, daß es ihr Amt ist, ihnen Gnade und brüderliche Liebe zu erzeigen, um sie zu trösten, zu stützen und mit süßer evangelischer Lehre wiederherzustellen. Laßt Euch nicht dazu hinreißen, diese armen Leute zu verurteilen. Ihr solltet davor zurückschrecken, Ihr solltet Blut schwitzen vor Pein, denn Ihr wißt ja nicht worin ihr Irrtum besteht. Ihr solltet eher aufhorchen, wenn diese armen Geschöpfe sagen: „Wir begehren bessere Unterweisung aus der Heiligen Schrift und sind bereit zu gehorchen, wenn uns aus dem Evangelium ein besserer Weg gezeigt wird.“
Denkt an Eure ewige Schande durch einen solchen Fehler! Denkt an die Verachtung und den Zorn des einfachen Mannes, wenn diese armen Leute hingemetzelt werden! Man wird von ihnen sagen: „Seht, mit welcher Geduld, Liebe und Gottesfurcht diese frommen Leute gestorben sind, wie ritterlich haben sie gegen die Welt gekämpft!“ O daß wir vor Gott so schuldlos sein möchten wie sie, sie haben sich in der Tat nicht hinreißen lassen, sie haben Gewalttat erduldet: Sie sind Gottes heilige Märtyrer. Jeder wird sagen, daß es, als Ihr ein so blutiges Urteil fälltet, nicht darum ging, den Irrtum der armen Wiedertäufer hinwegzutun, sondern daß Ihr durch Gewalt das heilige Evangelium und die lautere Wahrheit Gottes vernichtetet.“
E.H. Broadbent 2000 Jahre Gemeinde Jesu Christliche Verlagsgesellschaft Dillenburg, 5. Auflage 1995
Der komplette Text im Original ist hier zu finden.