Mylius, Georg - Von der seligen und heiligen Himmelfahrt unseres Heilands Jesu Christi, gehalten auf den Tag derselbigen, aus dem ersten Capitel der apostolischen Geschichte.

(Sieben unterschiedliche christliche Predigten, Gehalten durch Georgen Miller. Laugingen 1584. 8. S. 7.)

Auf diesen heutigen Tag halten und begehen wir in der Christenheit ein gar fürnehmes und nahmhaftiges Fest, das Fest der fröhlichen und siegreichen Himmelfahrt unseres geliebten Seligmachers Jesu Christi, in welcher er am vierzigsten Tage nach seiner freudenreichen Auferstehung von seinen Jüngern abgeschieden und aus diesem sterblichen, elenden Jammerthal gen Himmel zu ewiger Freude und Regirung aufgefahren ist. Welche Historia von den lieben Aposteln so wichtig geachtet, dass sie auch den Artikeln unseres allgemeinen christlichen Glaubens von ihnen einverleibt und ihr ein besonderer Artikel eingeräumt und zugeeignet worden ist, da wir bekennen und sprechen: Ich glaube an Jesum Christum, der aufgefahren ist gen Himmel, sitzend zu der Rechten Gottes, des allmächtigen Vaters. Ob nun dieses Fest an Solemnität und Herrlichkeit anderen Festen Christi sei vorzuziehen, kann so gar leichtlich nicht geurtheilt oder entschieden werden. Dies aber ist gewiss und einmal wahr, dass, gleichwie es das letzte und anderer Feste Christi Beschluss, also auch sonderlich der Person Christi halben wohl das allerfröhlichste und holdseligste Fest zu halten und zu nennen ist. Was unsägliche Mühe und Arbeit, Angst und Noth, Pein und Marter Christus, unser Heiland, in Verrichtung des Werkes menschlicher Erlösung habe erlitten und ausgestanden, kann mit Worten nicht ausgesprochen, ja mit Gedanken nicht erreicht werden. Das ist allein eine kurze Summa: Mit den allermächtigsten, grimmigsten und bösesten Feinden, Beides, Gottes und der Menschen, hat er 33 ganzer Jahre um Leib und Leben kämpfen, ein blutiges Scharfrennen haben müssen. Als er nun endlich als der gewaltige Gigas geminae substantiae, der mächtige Gott- und Menschenheld, wider die Feinde ritterlich obgesieget, das Feld mit Lob erhalten und die Provinz seiner lieben Kirche auf Erden wohl und ordentlich bestellet: wendet er sich wiederum der Heimath und zeucht zu Haus mit Sieg, Triumph und mit höchster Majestät und Herrlichkeit. Wenig zwar wird hierinnen mit Augen gesehen (denn der Triumph viel zu hoch und herrlich ist, als dass er mit leiblichen Augen möchte erreicht werden); aber ist hie mit Gedanken Etwas auszurichten, so gedenke durch Gott, mit was Jubel, Freude und Lobgesang ihn die heiligen Heerschaaren werden empfangen; hilf Gott, wie werden die lieben Englein frohlockt und ihn mit unaussprechlichem Jauchzen gegrüsst haben! Der liebe David lässt ein Wörtlein erschallen, aber wie herrlich lautet es: Der Herr fährt auf mit Jauchzen, und der Herr mit heller Posaune! (Ps. 47). Paulus sagt auch etwas Weniges und doch gar Viel: Christus ist aufgefahren in die Höhe und hat das Gefängniss gefangen geführt und hat den Menschen Gaben gegeben (Eph. 4). Hievon könnten wir jetzt ein wenig stammeln; dann werden wir’s aber ausstudiren, wenn wir zur hohen Himmelsschule erhoben und zu Christo aufgenommen werden. Mittlerweil demnach an diesem Artikel nicht weniger, als an anderen gelegen ist, und uns Christus mit seiner Himmelfahrt eben so wohl, als anderen seinen Werken gefrommet hat: so wollen wir dieselbige auf dies Mal zu handeln für uns nehmen und die Handlung mit dreien Punkten begreifen:

Zum Ersten soll die Geschichte oder Historie an ihr selbst erzählet und deren eigentlicher Verstand angezeigt werden.

Zum Andern wollen wir vermelden, was Nutzen uns die Himmelfahrt unseres Herrn Christi gebracht und wozu sie uns gefrommet habe.

Für’s Dritte wollen wir betrachten, wie wir uns dieser Himmelfahrt Christi heilsamlich gebrauchen und dieselbige zu unserm besten Nutzen anwenden sollen.

Christus, unser getreuer Seligmacher, der in die Höhe gefahren und dem Menschen Gaben giebt, verleihe euch und mir hiezu seine Gnade und heiligen Geist. Amen.

Nachdem unser lieber Heiland Christus etliche Wochen bei seinen Jüngern nach seiner Auferstehung auf Erden zugebracht, sie auch im Glauben an seine wahrhaftige Auferstehung steif, fest und ungezweifelt gemacht, sonst auch anders Alles, was zur Bestallung seines Reichs von Nöthen, genugsamlich fürgesehen und verordnet hatte, führt er endlich seine Jünger gen Bethanien auf den Ölberg, allda sich unlängst zuvor sein jämmerliches Leiden angefangen hatte. Eben dieses Orts, als er den Jüngern Befehl gethan, zu Jerusalem zu warten auf die Sendung des heiligen Geistes, mit welches Kraft sie von Oben herab sollen angethan werden, fähet er an, von ihnen freindlich Urlaub zu nehmen, gesegnet sie mit anmuthigen Worten, hinterlässt ein longum Vale Vale, befiehlt sie der gnädigen Regirung und Schutze seines ewigen Vaters, wird darauf bald empor von der Erde aufgehoben und in Ansehung ihrer Augen über sich in die Luft erhöhet und je länger je weiter aus ihrem Gesicht gerücket. Die Jünger, ob sie gleichwohl ob seinem Abschied nicht mehr so sehr als zuvor betrübet sind, sintemal sie im Glauben stärker und in dem rechten Erkenntniss Christi tiefer als zuvor gegründet waren, dennoch sehen sie ihm nach, so lange sie können. Und ist kein Zweifel, sie hätten gern dieses Spectakels ein Ende gesehen und, wo es möglich gewesen, gern in den oberste Himmel, ja, über alle Himmel hinaus gesehen. Aber eine Wolke kommt bald dazwischen, nimmt ihnen Christum aus Augen und Gesicht. Christus wird alsbald in die ewigen Wohnungen eingenommen und sitzt zu der Rechten auf dem Stuhl der Majestät im Himmel, wie Paulus redet (Hebr. 8). Unterdessen, als gleichwohl die Jünger standen an der Stätte, mit stracken Augen über sich gen Himmel sehend, anders nicht, denn als wären sie eingefroren, und im Gesicht allerdings entzückt, traten zu ihnen zween Männer in weissen Kleidern, das ist, zween Engel vom Himmel sprachen sie an mit diesen Worten: Ihr Männer von Galiläa, was stehet ihr und sehet gen Himmel? Dieser Jesus, welcher von euch ist aufgenommen gen Himmel, wird kommen, wie ihr ihn gesehen habt gen Himmel fahren. Gleich als hätten sie wollen so Viel sagen: Liebe Freunde, ihr habt Christum allhie sehen gen Himmel fahren; was sehet ihr weiter? Was wollt ihr mehr haben? Eben Dieses behaltet und merket: Eben Dieses sollt ihr in der Welt zeugen und predigen. Mehr könnet ihr auf dies Mal mit Augen nicht ersehen, ihr werdet aber Mehres sehen, wenn ihr sehen werdet seine Herrlichkeit, welcher fröhlichen Hoffnung ihr mittlerweile leben und euch Dessen im Glauben getrösten sollt. Die Jünger geben sich auf diese Vermahnung alsbald zur Ruhe, wenden sich zurück in die heilige Stadt und erwarten allda des Geistes, der ihnen herunter aus dem Himmel in wenig Tagen mit grossen Wundern und Gaben gesendet wird.

Eure Liebe siehet und verstehet selbst wohl, wie eine holdselige und herrliche Historie Dieses ist. Ach wie gewaltig wird dieser leutselige Herr zuletzt gepredigt, wie freundlich und anmuthig wird Er seine Jünger gesegnet haben? Wie nasse Augen, wie tiefe Seufzer, wie ein longum Vale wird es damals gegeben haben? Wie ein lieblich Spectaculum muss es doch gewesen sein, da Christus also über sich empor gefahren ist und sich in die Luft geschwungen hat? Wie muss doch in der Stunde den lieben Aposteln zu Sinn und Muth gewesen sein? Sollten wir denn erst nun einen einigen Blick in die Freude, so im Himmel gewesen, thun können, zweifelsohne würden unsere Herzen im Leibe brennen, gleichwie den frommen Jüngern, so auf dem Wege nach Emmaus mit Christo nach seiner Auferstehung gereis’t und geredet haben. Ja, glaube ich, einem Christen sollte sein Herz wegen grosser Freude und Verwunderung wohl gar zerschmelzen und zerfliessen.

Damit uns aber ja keine Freude zu lieb werde und uns ja Nichts in unserm Christenthum unangefochten bleibe, so hat der leidige Satan, der uns keine Freude vergönnt, allhie auch seine tausendlistige Kunst gebraucht und uns in diesen Artikel seinen zänkischen Hadersamen auch eingesäet mit Erweckung eines hochschädlichen Streits über den eigentlichen Verstand dieses Artikels von der Himmelfahrt unseres Seligmachers Jesu Christi. Hierinnen sind Etliche, die haben es gar zu geistlich, Etliche gar grob und fleischlich gemacht. Gar zu sehr vergeistelt haben es Die, so aus der Himmelfahrt eine lautere Verschwindung und nichts Anderes, denn eine blosse Unsichtbarkeit gemacht haben, mit dieser eingeführten Erklärung, dass Christus gen Himmel gefahren sei nicht anders, denn dass er allein unsichtbar worden und vor den Augen seiner Jünger augenblicklich verschwunden sei. Dieses, wird von den Gelehrten geachtet, sei zu wenig vom Handel geredet und zu besorgen, es möchte zu Gefahr anderer Glaubensartikel übel gedeutet und vielleicht die Himmelfahrt Christi bald gar verloren werden. Andere haben’s gröber gemacht und im Gegentheil Christum mit seiner Himmelfahrt so fern von uns geschieden und aus der Himmelfahrt eine solche Verrückung und Entfremdung gemacht, dass Christus wegen seiner Himmelfahrt hinfort nun nicht mehr bei seiner Kirche auf Erden im hochwürdigen Sacrament des Abendmahls sein könnte. Fragt man Ursach Dessen von ihnen, so geben sie eine solche Antwort: Ein rechter, wahrhafter menschlicher Leib kann auf ein Mal nicht an zweien oder vielen Orten zumal sein. Christus hat nach seiner Auferstehung und in seiner Himmelfahrt gehabt und hat noch, wird auch behalten in alle Ewigkeit, einen rechten, wahrhaften und menschlichen Leib. Daraus, sagen sie, muss unwidersprechlich folgen, da Christus gen Himmel gefahren, sei unmöglich, dass er mit seinem Leibe auf Erden und zumal an vielen Orten sein könnte. Dies, sage ich, heisst gar zu grob gesponnen. Frau Hulda, menschliche Vernunft, hat diese Gunkel angelegt. Summa, auf beiden Wegen wird geirret. Der Sachen wird dort zu Wenig, hie zu Viel gethan. Jene, damit sie die wahre, wesentliche Gegenwärtigkeit des Leibes Christi im heiligen Abendmahle erhalten, heben sie auf die Himmelfahrt Christi. Diese, damit sie die wahre Himmelfahrt salviren, brechen sie dem heiligen Abendmahl ab und zerreissen und fälschen Christo sein Testament, seinen letzten wohlbedachten und kräftigen Willen.

Wie denn nun? Wessen soll man sich in dieser Disputation verhalten? Gerade zu macht gute Renner, sagt das alte Sprüchwort. Schlecht und recht behüte mich, spricht der liebe und königliche Prophet David (Ps. 25). Also ist auch mein einfältiger Rath, bleibet schlecht und gerecht bei den Worten, wie sie es geben: ergreifet den Buchstaben der Schrift, wie er fällt. Also aber lauten dieselbigen bei unterschiedlichen Evangelisten: Assumptus est in coelum, er ward aufgehoben gen Himmel; recessit ab eis, er schied von ihnen; ferebatur in coelum, Er fuhr auf gen Himmel; elevatus est et nubes suscepit eum, Er ward aufgehoben und eine Wolke nahm ihn auf. Diese Worte sind nicht vergeblich geschrieben. So weiset auch die Richtschnur christlichen Glaubens, dass man ohne wichtige Ursach von Buchstaben der Schrift nicht weichen und weitläuftige Glossen suchen solle. Sollte die Himmelfahrt Christi nun eine blosse Verschwindung gewesen sein oder Unsichtbarkeit, der heilige Geist hätte dies Wort so wohl wissen zu gebrauchen in dieser Geschichte, als er es anderswo zu finden gewusst, da er dergleichen Meinung hat anzeigen und beschreiben wollen. Darum das Beste ist, man lasse Himmelfahrt eine Himmelfahrt bleiben und bekenne einfältig, dass Christus wahrhaftiglich über sich in die Höhe gefahren sei.

Hier, weiss ich, gigelt und tanzet den Sacramentirern das Herz im Leibe, und da ich Deren einen oder mehre allhie in dieser Predigt werde zugegen haben, Die wird das Herzklopfen bei gesundem Liebe ankommen vor lauter Freude und übrigem Witz, damit sie einstmals eingenommen und überfallen werden. Wäre ihnen erlaubt, allhie zu reden, sie würden grosse Kunst an den Tag geben und von Stund an also sagen: Ist Christus gen Himmel gefahren, so folgt, er sei nicht mehr auf Erden; ist er abgeschieden, so kann er nicht zugegen sein; ist er in die Höhe aufgehoben, wie kann er zumal auch hier unten in der Tiefe sein? Antwort: Wohl geredet und nicht übel geschlossen, von der Hinwegnehmung Henoch’s des gottseligen, auch wohl geredet von der Himmelfahrt Eliä des Propheten, welcher auf einem feurigen Wagen, mit feurigen Rossen, im Wetter gen Himmel fuhr, wie wir in der Könige Historia berichtet werden. Aber übel geredet und gar unrecht geschlossen, wenn man redet von der Himmelfahrt des eingebornen Sohnes Gottes, Christi. Von gemeldeten Propheten und Patriarchen lasse ich es zu, wenn man sagt: Sie sind gen Himmel gefahren, ergo sind sie nicht zumal auf Erden. Von Christo zu reden, gestehe ich es in keinem Wege. Was Ursach? sprechen die Sacramentirer. Die Ursach will ich euch alsdann vermelden, wenn ihr mir zuvor auf eine oder zwei Fragen Antwort gebet, dazu mir nicht menschliche Gedanken, oder eigene Vernunft, sondern die Schrift selbst Anleitung giebt. Lieber, saget mir, habt ihr nicht gelesen, was Paulus an die Epheser (Cap. 4) schreibet, Christus sei über alle Himmel aufgefahren? Habt ihr nicht auch gelesen, was zu den Ebräern (Cap. 7) steht: Coelis factus est sublimior, Christus ist höher, denn der Himmel, ja höher, denn alle Himmel? Gebt Antwort, ihr Sacramentirer, wo ist Der, der über alle Himmel aufgefahren? wie hoch ist Der, der höher, denn der Himmel ist? Hie schweigen sie, hie ist ihnen das Maul herabgehauen, sind stummer, als ein Fisch. Wohlan, wissen sie es denn nicht anzuzeigen, wie es denn zwar auch in dieser Welt kein Mensch ausrechnen kann, darum auch billig von der Himmelfahrt Christi so tölpisch nicht solle gegrübelt werden: so wollen gleichwohl wir ihnen ihre Frage nicht unbeantwortet lassen, da sie forschen, warum aus der Himmelfahrt Christi nicht eben folge, was sonst aus Eliä und Henoch’s Himmelfahrt unwidersprechlich gefolgt ist? Antwort: Dies ist die Ursache, dass Christi Himmelfahrt von Henoch’s und Eliä Himmelfahrt sehr weit und fern unterschieden, auch dass beiderseits zwischen den Personen eine merkliche und grosse Ungleichheit zu sehen ist. Henoch und Elias waren blosse Menschen. Hie aber ist ein Mensch, der zumal auch, wie Petrus sagt (Matth. 16), des lebendigen Gottes Sohn ist. Dort ist eine Himmelfahrt allein zur Seligkeit. Hie fährt Christus gen Himmel, sitzt aber zur Rechten Gottes, des allmächtigen Vaters. Und Dies zwar ist der andere Theil dieses herrlichen Artikels von der Himmelfahrt Christi, darauf denn billig auch ein fleissig Auge gehalten, und dessen wohl wahrgenommen werden soll. Christus ist ja gen Himmel gefahren; aber er ist auch gesessen zu der Rechten Gottes, des allmächtigen Vaters, und dies zwar nicht nach seiner Gottheit (denn diese ist die Rechte Gottes selbst, diese empfähet Nichts, hat Alles von Ewigkeit her von ihr selbst), sondern nach seiner menschlichen Natur. Nach dieser Natur wird ihm gegeben alle Gewalt im Himmel und auf Erden. Alles wird ihm unter seine Füsse gethan. Dort ist er ein geborner Herr von Ewigkeit; hier wird er ein gemachter Herr.

So Er denn nun herrschet über Alles und alle Gewalt hat im Himmel und auf Erden, das ist, so er allmächtig ist: was unmenschlicher Frevel ist Das, so man sagt, er könnte nicht zumal auch, wann er im Himmel ist, auf Erden sein, er könnte nicht leisten Das, was er seiner Christenheit versprochen und zugesagt hat, nämlich wahre, wesentliche Gegenwärtigkeit seines Leibes und Blutes in seinem heiligen Abendmahl. Trotz aber sei aller Welt, Trotz sei allen Teufeln, Trotz sei allen Sacramentirern, dass sie uns erweisen mögen, Christus habe uns die Gegenwärtigkeit seines Leibes im heiligen Abendmahl nicht zugesagt. Gott Lob, es stehen noch fest die Worte: Das ist mein Leib, Das ist mein Blut! Die Pforten der Hölle werden sie nicht überwältigen. Ei, sprechen sie, kann ein einiger natürlicher Leib zumal im Himmel und gleichwohl auch auf Erden sein? Dies sind widerwärtige Sachen, ich verstehe es nicht und kann es in meinen Kopf nicht bringen. Antwort: Hier liegt der Hase im Pfeffer. Eben Das ist es, dass sie es nicht gläuben, dieweil sie es nicht verstehen und mit Vernunft nicht begreifen mögen. Das wusste ich vorhin wohl. Aber wer hat dich geheissen, dass du eben Dies mit Vernunft begreifen und fassen müssest? Wer lehret dich’s, was du glauben sollst, zuvor mit Vernunft und deinen Sinnen ausforschen und mit deinem Kopf verstehen wollen? Ist denn Dies des Glaubens Eigenschaft? Nein zwar mit Nichten. Darum, verstehest du es nicht, so glaube es, und eben darum desto mehr glaube es, dieweil du es nicht verstehest, und sage mit dem lieben Augustino: Quod non assequor, veneror, das ist, was ich nicht verstehe, Das ehre ich desto mehr und halte es desto werther. Gieb Dich mit den lieben Aposteln zur Ruhe, bohre kein Loch in den Himmel mit Deiner Vernunft, so wird Dir der heilige Geist gegeben, und Dein Herz im Glauben mit Christo und seinen Geheimnissen fein zufriedengestellt werden.

Aber hiemit sei dieses Disputirens eben genug. Wir wollen was Fröhlicheres jetztund an die Hand nehmen und für’s Andere lehren, was hohen Nutzen uns die Himmelfahrt Christi beigebracht, wozu sie uns gefrommet habe. Hievon aber will ich auf dies Mal nur ein einiges Stücklein vermelden; denn Mehr oder Alles einzuführen würde hier viel zu lang sein.

Durch seine Himmelfahrt hat uns Christus, unser Himmelkönig, einen freien Platz, einen offenen Zugang gen Himmel oder zur ewigen Seligkeit gemacht, ja, eigentlicher und Mehres zu reden, Christus hat uns durch seine Himmelfahrt schon allbereit gar hineingeführt und etlichermaassen gleich gar in’s himmlische Wesen eingesetzt. Dass ihm also sei, soll E.L. nicht aus meinen, sondern Pauli, des heiligen Apostels, Worten selbst anhören und vernehmen. Zu den Ephesern (Cap. 2) schreibt er aber also: Gott hat uns, da wir in Sünden todt waren, sammt Christo lebendig gemacht und sammt ihm in das himmlische Wesen eingesetzt, in Christo Jesu. die Kundschaft ist gut, das Zeugniss lauter, hell und klar. Wem hievon noch nicht genüget, Der höre Christum selbst. Zu Gott, seinem Vater, spricht Er also: Vater, ich will, dass, wo ich bin, auch die bei mir seien, die du mir gegeben hast, dass sie meine Herrlichkeit sehen, die du mir gegeben hast (Joh. 17). So leben wir nun, meine Auserwählten in dem Herrn, nicht mehr einer blossen Hoffnung allein des Himmels und der Seligkeit halben, sondern wir haben schon den Himmel etlichermaassen inne; wir sitzen schon in einer rechtmässigen Possession desselben, sintemal ihn Christus, unser Mittler, Heiland, Haupt und Bruder, hat eingenommen und da hinauf schon allbereit mit Sieg und Triumph mächtiglich gefahren ist. Wer kann diesen Nutzen aussprechen? Welche Zungen, welcher Mund kann diese unsere Herrlichkeit genugsam rühmen und preisen? Nun ist ihm ja also und nicht anders, denn hievon ist geredet worden. Denn unsere menschliche Natur, unser Fleisch und Blut, hat Christus mit sich hinauf in den Himmel geführet. Darum heisst es, wie Leo, ein alter Bischof und Lehrer der Kirche, schreibt: Ascensio Christi nostra est provectio, Christi Himmelfahrt ist unsere Erhöhung, et quo praecessit gloria capitis, eo tendit et spes corporis, das ist, wo nun die Herrlichkeit des Hauptes ist, da dringet auch hinnach des Leibes Hoffnung. Wie Haupt und Leib zusammengehört, so kann Christus und seine Gläubigen nimmermehr geschieden werden. Die Ursach Dessen ist leichtlich zu wissen. Das Unterpfand des Leibes, so er auf Erden von unsretwegen angenommen, hat er mit sich in den Himmel geführet. Wiederum auf Gegenwechsel hat er uns das Pfand seines himmlischen Geistes von oben herab gesendet, und, wie Paulus zeuget, in unsere Herzen gegeben (2. Cor. 1). Beide Pfandschillinge müssen dermaleinst abgelöset, und wir, als Glieder Christi, zu ihm, dem Haupte, allergewissest versammelt werden. Ach, wie herzlichen Trost, wie freudigen Muth, wie unverzagte Hoffnung wird doch dieses einige Stück in unserm Herzen anrichten, dass es in rechter Andacht und mit ernstlichem Fleisse betrachtet und erwogen würde! Diesen Trost und sehnliche Freude pflanzt Tertullianus, ein alter Kirchenlehrer, seinen Zuhörern mit allem Fleiss ein, da er schreibt: Quemadmodum nobis Christus arrabonem spiritus reliquit: ita a nobis carnis arrabonem accepit et in coelum avexit, pignus totius summae illius quandoque redigendae. Das ist, gleichwie Christus den Pfandschilling seines Geistes uns auf Erden hinterlassen: also hat er von uns den Pfandschilling des Fleisches angenommen und mit sich gen Himmel geführt, gleich als auf Rechnung und Abschlag der ganzen Summe (das ist seinen Gläubigen auf Erden), die zu seiner Zeit dahin auch soll eingeholt werden, rufet darauf mit fröhlichen Worten und spricht: Securae extote caro et sanguis, usurpatis et coelum et regnum Die in Christo, das ist so Viel gesagt: Sei fröhlich, Fleisch und Blut, du hast den Himmel und das Reich Gottes schon etlichermaassen eingenommen in Christo, der sich dahin in völlige Possession eingesetzt hat. Mehr ist hievon nicht Zeit zu handeln. Eurer Andacht und Fleiss will ich das Uebrige befohlen haben.

Hierauf erscheint nun beschliesslich und für’s Dritte, was nun die selige Himmelfahrt Christi bei uns ausrichten, und wie wir uns deren christlich gebrauchen sollen. Nämlich mit wenig Worten Viel zu reden, ein lauter himmlisches Wesen und ganz geistlicher Wandel sollte hierauf bei uns Christen folgen. Ein kurzes, aber wahres Wort redet Christus in Matthaeo: Ubi thesaurus vester, ibi et cor vestrum, wo euer Schatz ist, da ist auch euer Herz. Ist nun unser Schatz, all unsre Hoffnung, unser bestes Erbe, all unsere Herrlichkeit, unser grösstes Gut (welches wir Alles in Christo haben) droben im Himmel beigelegt und aufbehalten, werden uns auch solche Schätze so hoch und theuer verpfändet, was soll anders folgen, denn dass auch daselbst unser Herz, das ist, alle unsere Gedanken, Lust, Sorge, Mühe, Arbeit und Verlangen sein sollen und wir allein mit himmlischen Sachen umgehen, uns auch dahin am meisten sehnen sollen! Also vermahnet und predigt uns Paulus zu den Colossern (C. 4): Seid ihr mit Christo auferstanden, so suchet, was droben ist, da Christus ist, sitzend zu der Rechten Gottes. Trachtet nach Dem, was droben ist, nicht nach Dem, was auf Erden ist. Wenn die jungen Adler guter Art sind, wann sie flügge werden, so fliegen sie dem alten in die Luft und Höhe nach, so bald er sie zum Fliegen zu reizen beginnt. Nun ist der rechte alte Hauptadler hoch in die Lüfte geflogen, das ist, Christus ist gen Himmel gefahren, uns mit seiner Himmelfahrt zu sich in die Höhe reizend. Welche nun guter Art, wahre rechte Christen sind, die werden wohl noch nicht mit dem Leibe, doch aber mit dem Sinn, Seele, Herz und Gemüth auch sich in die Höhe begeben und suchen, was droben im Himmel ist. Diese Art aber wird leichtlich zu prüfen und an ihren Früchten gar wohl zu erkennen sein. Wo der Schatz und das Herz im Himmel ist, da muss das Irdische einem Menschen gewisslich verleidet sein; welchem das Obere beliebt, Dem muss das Untere schon zuwider und betrüblich sein; wem das Himmlische recht schmecket, Den wird das Irdische bald anstinken. Was macht ihr nun, ihr armen Leute? Wess zeihet ihr euch, dass ihr euch in zeitliche und irdische Dinge so gar vertiefet? Dass euer Herz so gar an die Erde gebackt und angeklebet ist? Dass ihr allein suchet Das, so irdisch und vergänglich ist? Möchte man nicht auch zu euch sagen, wie die Engel zu den Jüngern Christi: Quid statis hic, vici Galilaei? Was steht ihr hie, ihr Männer von Galiläa? Man müsste aber nicht sagen: Coelum intuentes, gen Himmel sehend, sondern man müsste sagen: Terram spectantes, und gaffet auf die Erde, das ist, suchet allein das Irdische. Wisset ihr nicht, dass ihr Galiläer, das ist, rechte Wanderleute und Pilgrime seid? (Hebr. 13). Denn hie auf Erden haben wir ja keine bleibende Statt, sondern die zukünftige suchen wir. Was säumen wir uns denn noch so lange allhier und lassen uns das Vergängliche so gar unbedächtlich aufhalten und verhindern? Auf Leibesnothdurft und Unterhaltung wird so Viel gewendet. Wie, dass auch nicht mit gleichem Fleiss (will nicht grössern sagen) der Seelen Rath geschaffet wird! Wie, dass wir Christo, der in die Höhe gefahren, finden wir ihm nachzufolgen Gelegenheit? Bei dem Wort und Evangelio, so das mit Glauben angehört und gefasset wird; davon kann man sagen: Hic currus et auriga ejus. Da Elias, wie vorgemeldet, im feurigen Wagen gen Himmel fuhr, schrie Elias, der Prophet (3. Kor. 2): Pater mi, pater mi, currus Israel et auriga ejus, mein Vater, mein Vater, Wagen Israels und seine Reuter! Hätte gern den Wagen ergriffen und den Reuter erhaschet, wo es nur möglich gewesen, welches doch nicht geschehen mögen. Aber hie ist der Wagen Israels und seine Reuter, hie sind die Füsse Derer, die den Frieden verkündigen, die da Güte verkündigen. Spricht nicht in deinem Herzen: Wer will hinauf gen Himmel fahren? Die Schrift sagt: Das Wort ist dir nahe, nämlich in deinem Munde und in deinem herzen (Röm. 10,8). Auf dieses Wort des Herrn lasset uns, als auf den rechten himmlischen Heerwagen, mit Glauben sitzen, und hierauf Gemüth, Leib und Seele mit wahrem Vertrauen sitzen, und hierauf Gemüth, Leib und Seele mit wahrem Vertrauen setzen, so fahren wir Christo nach, dem Himmel zu, bis er dermaleinst uns gütlich ausspannen und vollkömmlich einlässt in sein ewigen Reich. Dazu helfe uns Gott Vater, Gott Sohn, Gott der heilige Geist, gelobet und gebenedeiet in alle Ewigkeit. Amen.

Quelle: Beste, Wilhelm - Die bedeutendsten Kanzelredner der lutherschen Kirche des Reformationszeitalters