Murray, Andrew - Wachset in der Gnade - 17. Gnadenstand.

Röm. 5,1-2.
Nun wir denn sind gerecht geworden durch den Glauben, so haben wir Frieden mit Gott durch unseren Herrn Jesum Christum, durch welchen wir auch einen Zugang haben im Glauben zu dieser Gnade, darinnen wir stehen.
1. Pet. 5,12.
Das ist die rechte Gnade Gottes, darinnen ihr steht.

Ein Baum kann nicht emporwachsen, wenn er nicht fest im Grund und Boden steht. Wird er jedes Jahr umgepflanzt oder zu sehr von dem Wind hin und her geschüttelt, so kann er sich nicht kräftig entwickeln. Nur, wenn er fest gewurzelt ist, kann bei ihm von Wachsen die Rede sein.

Nicht anders ein junger Christ. Soll ein junger Christ in der Gnade zunehmen, so muss er fest in der Gnade stehen. Ein Zweifel an seinem Gnadenstand würde die Zunahme sehr hindern. Nun haben wir durch unseren Herrn Jesum Christum und durch den Glauben an Ihn den Zugang zu der Gnade, in der wir stehen, und nur in dem Glauben an Ihn die Möglichkeit, in dieser Gnade stehen zu bleiben. Wenn du darum deine Unwürdigkeit einmal sehr tief fühlst, wenn du im Hinblick auf deine Untreue und Abweichung geneigt bist zu zweifeln, ob wohl Grund für dich zu finden sei, wenn selbst die Kennzeichen der Gnade in dir fast gar nicht zu finden sind, bedenke dann nur, dass nicht die Gnade, welche sich in dir findet, sondern vielmehr die Gnade, welche in Jesu liegt, der Grund ist, auf dem und in dem du stehen musst! Hast du dich dem Herrn Jesus übergeben, hast du ihn auf Grund des Wortes Gottes im Glauben als deinen Seligmacher angenommen, dann hast du durch diesen Glauben Zugang zu dieser Gnade. Du stehst in der Gnade durch den Glauben. Darum sieh nicht auf dich selbst, sondern auf den Herrn Jesus und seine herrliche Gnade! Werde nach den Wort an Timotheus stark durch die Gnade in Christo Jesu! Verlass dich wirklich auf die Gnade Gottes in Christo! Dann stehst du auf dem Boden, auf dem du zu wachsen vermagst. O, sprich es vor dem Herrn aus, sprich es vor dir selbst aus, bekenne es vor dem Volk Gottes: Ich glaube an den Sohn Gottes, ich lebe und sterbe im Vertrauen auf die Gnade. Wenn du das tust, wird es dir deutlich werden, dass du in der Gnade stehst. Stehst du aber in der Gnade, so wirst du auch in ihr zunehmen.

Doch nicht nur der Zweifel an dem Gnadenstande, sondern auch die Unkenntnis der Pflichten dieses Standes verhindert das Wachstum. In der Welt gibt es verschiedene Stände: den Bürgerstand, den Kaufmannstand, den Adelstand. Von jedem Menschen erwartet man, dass er nach seinem Stand lebt. Allein das kann er nicht tun, wenn er seinen Stand nicht genug kennt oder verkehrte Vorstellungen von demselben hat. Ebenso kann ein Christ nicht in der Gnade wachsen, wenn er die Pflichten nicht zu erkennen sucht, welche sein Gnadenstand mit sich bringt. Durch seine Geburt trat er ja nur in den Naturstand und geriet er unter die Macht der Sünde und des Todes. Gott erlöste ihn daraus und pflanzte ihn in den Gnadenstand, an ihm den außerordentlichen Reichtum Seiner Gnade zu zeigen, damit er von der reichen, freien und allmächtigen Gottesgnade alles empfinge, was überhaupt Gnade schenken kann. Sobald daher die Augen eines jungen Christen sich für diesen herrlichen und überseligen Gnadenstand zu öffnen anfangen, sobald er an jedem Morgen sein Tagewerk, nicht auf Grund seines Geschäfts, sondern auf Grund seines Glaubens mit den Worten anfängt: „Was ist die Gnade doch so herrlich, in der ich stehe!“ wird auch seine Seele ihre Wurzeln tiefer in die Gnade senken. Hält er das fest, dass er in der Gnade steht, so sieht er, dass nun alle die unermesslichen Reichtümer der Gnade ihm zugänglich sind und dass er nun weiter nichts zu tun braucht, als stehen zu bleiben. Gleich wie der Grund und Boden dem Baum alles spendet, was er nötig hat, wird auch ihm die Gnade alles zukommen lassen, was ihm not tut. Sein Wachsen ist völlig gesichert, den er steht - und wo könnte er besser stehen - in der Gnade Gottes.

Doch muss der Christ vor allem den Zusammenhang beachten, in welchem dieses Wort vorkommt. Der Apostel sagt: „Nun wir denn sind gerecht geworden durch den Glauben, so haben wir Frieden mit Gott durch unseren Herrn Jesum Christum, durch welchen wir auch einen Zugang haben im Glauben zu dieser Gnade, darinnen wir stehen.“ In dem lebendigen Herrn Jesus selbst hat uns Gott mit allen seinen Segnungen überschüttet. Durch den persönlichen Umgang mit Ihm, der unser Freund und Herr sein will, werden die Segnungen Seiner Gnade unser Eigentum. Möchten wir darum stets nach den einzelnen Gnadengaben in uns suchen, möchten wir doch es recht verstehen lernen, dass jede neue Gnadenverheißung, von der wir hören, uns zu Jesu, zu Jesu selbst treiben muss, damit wir durch den stillen Herzensumgang mit Ihm, durch Seine bleibende Nähe bei allem unserem Tun, aus Seiner Fülle alles empfangen dürfen.

Auf diese Weise werden wir es recht verstehen und erfahren, dass wir ebenso, wie wir durch den Herrn Jesus Frieden haben, durch denselben Jesus weiter den Zugang zu der völligen Gnade besitzen. Verstehen wir aber auch dies, so erkennen wir auch, dass wir nur dann in der Gnade feststehen können, wenn wir im vollen Genuss Seines Friedens leben. Der Friede Gottes ist es, genau genommen, welcher den Seelen Ruhe und unbewegliche Festigkeit verleiht. Wenn wir nun durch Sünde, die wir nicht bekennen, durch eine Abirrung, von der wir uns nicht zurückfinden, vor allem aber durch Unglauben den Frieden unserer Seele stören, so ist unser Zugang zur Gnade gesperrt und unsere Freimütigkeit, um weitere Gnade zu bitten, geschwächt. Es ist uns, als könnten wir nicht mehr zu ihr gelangen. Woran liegt das? Wir vermögen aus eigener Kraft nichts. Jesus ist es, auf den wir immer wieder angewiesen sind. Durch Ihn allein haben wir zunächst Frieden. In Ihm allein besitzen wir auch täglich und stündlich den Zugang zu der Gnade.

Außerdem: „Nun wir denn sind gerecht geworden durch den Glauben, so haben wir Frieden mit Gott, durch unseren Herrn Jesum.“ Der Friede hat seine Festigkeit und Kraft in der Rechtfertigung, das heißt darin, dass uns Gott für gerecht erklärt hat. Dies bleibt darum der Anfang und die Kraft jedes rechten Gnadenlebens. Wer dies hat, hat alles, wie denn geschrieben steht: „Den er gerecht gemacht hat, den hat er auch herrlich gemacht.“ Darum müssen wir uns vor allem durch den heiligen Geist die Herrlichkeit unserer Rechtfertigung zeigen und uns ihre Gewissheit versichern lassen. Wenn wir uns in der Tat vor dem Throne Gottes befinden, um die himmlische Kraft der uns für gerecht erklärenden Aussprache Gottes zu erwarten, und wenn wir dann in unser tägliches Leben treten, als solche, welche die Rechtfertigung aus Gott auf und in sich tragen, dann bewahrt in uns Jesus selbst unseren Frieden.

Dann gibt er uns den Zugang zu dieser Gnade, in der wir stehen und welcher wir uns rühmen, den Zugang zu dem unendlichen Gnadenreichtum, welcher in jedem Augenblick für uns bereit liegt.

O lieber Christ! Lerne deinen Gnadenstand kennen und lebe in ihm! Ein König, welcher gefangen genommen und mit Ketten gebunden ist, spricht doch noch als König seines Reiches. Und wenn es ihm gelingt, frei zu werden, so besteigt er seinen Thron, sobald er dazu im Stande ist. Er vergisst seines Standes nicht, während er im Elend ist. Darum erkenne auch du deinen Stand, lieber Christ, und lebe in ihm durch den Glauben an unseren Herrn Jesus. Er ist unsere Rechtfertigung, Er ist unser Friede, in Ihm liegt alle Gnade, durch ihn haben wir den Zugang zu dieser Gnade, in der wir stehen.

„Gott kann machen, dass allerlei Gnade unter euch reichlich sei, dass ihr in allen Dingen volle Genüge habt und reich seid zu allerlei guten Werken.“