Jak. 2,24. So seht ihr nun, dass der Mensch durch die Werke gerecht wird, nicht durch den Glauben allein.
Man hat vielfach gemeint, die Aussage des Jakobus sei mit der Lehre des Paulus im Streit. Bedenkt man indessen, dass die Werke, von denen Paulus redet, von den Werken, welche Jakobus im Auge hat, durchaus verschieden sind, so muss man erkennen, dass von Streit keine Rede sein kann. Paulus spricht stets von den Werken des Gesetzes. Jakobus dagegen hat die Werke des Glaubens im Auge. Unter Werken des Gesetzes versteht man nun die Werke, welche von dem Menschen in eigener Kraft getan werden, um Gottes Gesetz zu halten, Gottes Gunst zu verdienen und sich derselben würdig zu machen. Durch diese Werke, sagt Gottes Wort, wird kein Mensch gerecht. Er kann ja gar nichts tun, was wirklich gut oder verdienstlich wäre. Alles, was von ihm stammt, ist ja unrein und fluchwürdig. Unter den Werken des Glaubens dagegen, von denen Jakobus spricht, versteht man die Werke, welche man tun muss, seinen Glauben fest und vollkommen zu machen, also Werke, welche man aus Gottes Kraft tut, durch welche man gar nichts verdienen will. Diese Werke liefern nur den Beweis für das, was der Glaube von der freien Gnade erhalten hat. Sie folgen der Bekehrung nach, während die Werke des Gesetzes vor derselben hergehen. Die Werke des Gesetzes sollten den Menschen verherrlichen. Die Werke des Glaubens dagegen geben Gott alle Ehre, denn sie werden in der Erkenntnis der eigenen Unwürdigkeit getan. So gehen die Werke und der Glaube Hand in Hand, beide Früchte der Gnade und Beweise der Erneuerung unseres Gemütes. Der Glaube ist sozusagen die Wurzel der Werke, die Werke dagegen die Krone des Glaubens.
Auf diese Weise ist es leicht zu verstehen, was Gottes Wort meint, wenn es an der einen Stelle sagt: „Dem, der nicht mit Werken umgeht, aber glaubt, dem wird sein Glaube gerechnet zur Gerechtigkeit“ und an der andern Stelle wieder Werke verlangt. Die Werke, welche ohne Glauben nur zu dem Zweck getan werden, uns der Gunst Gottes würdig zu machen, welche uns dementsprechend an dem Glauben, an der Annahme der freien Gnade Gottes hindern, soll man auf keinen Fall tun. Sie sind ein Gräuel in den Augen Gottes. „Wer nicht mit Werken umgeht, wird gerecht.“ Die Werke dagegen, welche im Glauben getan werden, indem die Seele sich im Gefühle ihrer Unwürdigkeit auf Gottes Gnadenverheißungen verlässt, gerade weil sie hofft und weiß, dass der Herr sie ohne ihr Verdienst annimmt, und gerade weil sie Ihn für diese Seine Gnade preisen möchte, diese Werke sind Gott angenehm. Je mehr man von diesen Werken tut, desto lieber ist es dem Herrn. Und darum heißt es: Der Mensch wird durch die Werke gerecht. Diese Werke sind ja Früchte und Kennzeichen wahren Glaubens. Sie sprießen nicht aus einem Glauben, welcher untätig bleibt und darum tot ist.
So lernt eine Seele, welche im Glauben zu Jesus kommen möchte, was sie von Werken zu halten hat. Sobald sie anfängt, auf ihre Werke zu blicken und dieselben für verdienstlich zu halten, sobald sie anfängt, sich zu fürchten und zu sagen: „Meine Werke sind zu wenig, zu gering, zu sündig, als dass ich könnte Annahme finden,“ muss sie sofort an das Wort denken: Der Mensch wird gerecht, ohne des Gesetzes Werke. Keine Sünde oder Gottlosigkeit, mit welcher du dich verschuldet, braucht dich an der Hoffnung auf Gnade zu hindern. Damit die Seele indessen nicht in träge Untätigkeit gerate und in Sünden weiter gehe, während sie auf Gnade vertraut, gilt es, auf der andern Seite auch zu bedenken, dass jedes aufrichtige Verlangen nach Gnade, sobald es in uns erwacht, sich darin kund tun muss, dass man nach Gottes Willen lebt. „Vergib uns unsere Schuld“ können wir im Glauben und mit Wahrhaftigkeit nur dann beten, wenn wir von Herzen hinzufügen: „wie auch wir vergeben unsern Schuldigern.“ Aus diesem Grunde schreibt Johannes: „Lasst uns nicht lieben mit Worten, noch mit der Zunge, sondern mit der Tat und Wahrheit. Daran erkennen wir, dass wir aus der Wahrheit sind und können unser Herz vor Ihm stillen“ und „So unser Herz nicht verdammt, haben wir eine Freudigkeit zu Gott.“ So lernt man auch das bedeutungsvolle Wort verstehen: „Schafft eure Seligkeit, denn Gott ist es, der in euch wirkt,“ durch den Glauben. Und so werden unsere Werke zu lieblichen Zeichen Seiner himmlischen Gnade, zu Vorzeichen Seiner ewigen Gunst.