2. Kön. 5,10. Da sandte Elisa einen Boten zu ihm und ließ ihm sagen: Gehe hin und wasche dich siebenmal im Jordan.
Die Geschichte der Heilung Naemans ist sehr lehrreich. Sie gibt uns eine ausgezeichnete Vorstellung von dem Wege des Glaubens. Sie zeigt uns, wie demütigend und anstößig derselbe für das natürliche Herz ist, dessen Abbild wir in Naeman selbst besitzen.
Die Antwort Naemans auf die Botschaft des Propheten ist ganz nach der Art unserer Natur, welche gar gern etwas äußerliche Feierlichkeit sehen oder wahrnehmen will: „Ich meinte, er sollte zu mir herauskommen und hertreten und den Namen des Herrn, seines Gottes, anrufen. Genau ebenso macht es gar mancher Heil suchende Mensch, wenn er eine fühlbare, anschauliche und tiefergreifende Offenbarung der Macht des Herrn haben will und sich, wenn ein Diener an dem Worte Gottes mit der einfachen Botschaft des Glaubens zu ihm kommt, enttäuscht abwendet, als wenn dessen Kommen keine Antwort auf sein Gebet wäre.
Und dann, der Inhalt der Botschaft: Wasche dich in dem Jordan! Wenn Wasser es tun könnte, waren dann nicht die Ströme von Damaskus größer als der Jordan, und war nicht ihr Wasser besser, als die Gewässer in Israel! Er ahnte nicht, dass es nicht das Wasser war, welches ihm Heilung bringen sollte, sondern die Kraft Gottes. Ebenso kann es auch oft ein Heil suchender Mensch nicht begreifen, warum gerade der Glaube das Mittel sein muss, durch welches er Heilung finden soll. Gibt es nicht Tränen tiefer und inniger Reue, Ströme aufrichtiger Demut und herzlicher Liebe? Warum muss gerade der Glaube diesen allen vorgezogen werden? Stellen nicht viele diese eben genannten Dinge über den geringen, einfältigen Glauben? Gott aber hat gerade das Schwache und Verachtete und an sich Nichtige erwählt und den. Glauben als den Weg angewiesen, auf dem der Mensch, der doch aus sich selbst nichts vermag, alles aus freiem Erbarmen empfangen muss.
Vor allem wäre die siebenmalige Waschung ein Anstoß für Naeman gewesen, hätte er sich nicht bereits an den Gehorsam des Glaubens etwas gewöhnt gehabt. Wie leicht konnte doch der Gedanke in ihm aufsteigen: Wenn das Wasser gut ist, warum ist dann nicht eine einmalige Waschung genug? Weshalb soll die Genesung, von der sich bei der fünften und sechsten Waschung nicht das Geringste gezeigt, gerade bei der siebenten eintreten? Und man muss zugeben, dass die Vernunft entschieden berechtigt war, solche Fragen zu stellen. Der Glaube aber, welcher diese Fragen nicht zu beantworten vermochte, gehorchte trotzdem: Nach dem Wort des Mannes Gottes. Darin liegt ein bedeutungsvoller Wink für uns. Daraus sollen wir lernen, dass der Glaube fest bleiben und ausharren muss, auch wenn er noch nicht das geringste Anzeichen einer Veränderung oder Heilung bemerkt. Es erinnert uns daran, wie notwendig es ist, eine jede Glaubenstat fortwährend zu wiederholen und sich an das Wort Gottes so lange festzuhalten, bis Er den Segen schenkt.
Heilsuchende Seele, sieh da deinen Weg! Dadurch dass du dich einer Vorschrift unterwirfst, welche dir durchaus nicht zweckentsprechend erscheint, oder doch für den großen Zweck viel zu klein und gering vorkommt, und dadurch, dass du anhaltend wiederholst, was dir im Anfang vergeblich erschien, sollst du lernen, im Glauben stark zu werden. Sieh es nur ein: Der Glaube ist Gottes Weg. Er hat diesen Weg bestimmt, kein Mensch. Und darum ist der Glaube für einen jeden Naeman so lange ein Ärgernis, bis er es lernt, sich in seiner Hilflosigkeit dem Worte zu unterwerfen und nach dem Worte zu richten. So unterwirf dich denn dem Herrn, deinem Gott, und beherzige Seine Vorschrift, in der Er sagt: „Wer da glaubt, wird selig werden!“ Vertiefe dich täglich in das Wort mit seinen Strömen lebendigen Wassers! Und sollte es dir auch ein sehr geringes Ding zu sein scheinen, dich in denselben zu baden, dich in dieselben zu vertiefen und dich mit denselben zu waschen, um so dahin zu kommen, dass du diese oder jene Verheißung annehmen kannst, sollte es dir auch zu gering vorkommen, dies jeden Tag aufs Neue immer wieder zu tun, ohne Genesung zu finden, - o halte nur an, halte nur aus, und der Segenserfolg wird bei dir derselbe sein, wie bei Naeman: Sein Fleisch ward wieder erstattet, wie das Fleisch eines jungen Knaben.“ Er war, wie neugeboren, und er ward rein. Auch du wirst durch das lebendige Gotteswort wiedergeboren und von deiner Sünde gereinigt werden. Es liegt nicht an dir, auch nicht an diesem Wort an und für sich, sondern an der Treue Gottes, der da gesagt hat: „Wer da glaubt, wird nicht zu Schanden werden, er wird die Herrlichkeit Gottes sehen.“