„Jesus aber, voll Heiligen Geistes, kam wieder von dem Jordan und wurde vom Geist in die Wüste geführt“ (Luk. 4,1).
„Werdet voll Geistes“ (Eph. 5,18).
„Denn welche der Geist Gottes leitet, die sind Gottes Kinder“ (Röm. 8. 14).
Schon von seiner Geburt an hatte Jesus den Heiligen Geist in sich wohnend; aber zu Zeiten bedurfte er besonderer Kundgebungen dieses Geistes vom Vater. Etwas Derartiges geschah bei seiner Taufe: das Herniederfahren des Heiligen Geistes auf ihn, die Geistestaufe, die ihm durch die Taufe mit Wasser verliehen wurde, das war eine tatsächliche Erfahrung: er ward erfüllt mit dem Heiligen Geist. Er kehrte voll des Heiligen Geistes vom Jordan zurück und durfte dann bestimmter als je zuvor die Leitung des Geistes erfahren. In der Wüste ! kämpfte und siegte er, nicht in seiner eigenen göttlichen Kraft sondern als ein durch den Heiligen Geist gestärkter und regierter Mensch. Auch hierin „ward er allerdings seinen Brüdern gleich gemacht“. Die andere Seite dieser Wahrheit ist aber auch stichhaltig: seine Brüder sind ihm in allen Dingen gleich gemacht. Sie sind berufen zu leben, wie er lebte; aber dies wird nur von ihnen verlangt, weil ihnen dieselbe Kraft zu Gebote steht. Diese Kraft ist der Heilige Geist, den wir von Gott haben, und der in uns wohnt. Gleichwie Jesus zuerst vom Heiligen Geist erfüllt und dann von ihm geführt wurde, so müssen auch wir voll Geistes werden, und uns dann von ihm leiten lassen. Mehr als einmal ist es uns bei der Betrachtung der verschiedenen Charakterzüge Jesu vorgekommen, es sei beinahe „ unmöglich, ihm ähnlich zu werden. Wir haben bis jetzt dies Ziel so wenig im Auge gehabt, und wir fühlen uns so wenig ; fähig, ein solches Leben zu führen. Aber dieser Gedanke wird f unseren Mut beleben: Auch Jesus bedurfte dazu des Heiligen ! Geistes. Es war, nachdem er vom Geiste erfüllt war, dass ihn dieser Geist zur Stätte des Kampfes und des Sieges führte. Dieser Segen kann und soll aber auch uns zuteilwerden: wir können vom Heiligen Geist erfüllt, wir können von ihm geführt werden. Jesus, der als unser Vorbild mit dem Heiligen Geist getauft ward, ist gen Himmel gefahren, um uns in die Ähnlichkeit mit ihm zu taufen. Wer leben möchte wie Jesus, muss hier den Anfang machen: er muss mit dem Geiste getauft werden. Gott verlangt nichts von seinen Kindern, das er ihnen nicht zuerst gibt. Er verlangt vollkommene Ähnlichkeit mit Jesus, weil er uns die Fülle des Geistes geben will, wie er sie ihm gab. Wir sollen voll Geistes werden.
Hier ist der Grund zu finden, warum die Lehre der Nachfolge Jesu und der Umgestaltung in sein Bild in der Kirche Christi so wenig in den Vordergrund gestellt wird. Man hat vielfach getrachtet, in eigener Kraft, vielleicht mit der Hilfe des Heiligen Geistes, dazu zu gelangen, und man hat nicht verstanden, dass es unumgänglich nötig sei, mit dem Heiligen Geist erfüllt zu werden. Es ist daher kein Wunder, dass der Gedanke aufkam, wahrhaftige Ähnlichkeit mit Jesus könne nicht von uns erwartet werden, weil irrige Vorstellungen über das mit dem Heiligen Geist Erfülltsein herrschten. Es wurde dies etwa als das Vorrecht einiger weniger, aber nicht als der Beruf und die Pflicht eines jeden Kindes Gottes angesehen; es ist nicht genügend erkannt worden, dass der Befehl: „Werdet voll Geistes!“ jedem Christen gilt. Erst dann, wenn die Kirche der Geistestaufe und Jesus als dem Heiland, der jeden an ihn Gläubigen mit dem Geist tauft, den richtigen Platz einräumt, erst dann wird nach der Ähnlichkeit mit Jesus getrachtet und wird sie auch erreicht werden. Man wird dann verstehen und anerkennen, dass, um Jesus ähnlich zu werden, wir von seinem Geiste geleitet und hierzu zuerst mit dem Heiligen Geist erfüllt werden müssen. Um in Wahrheit ein christliches, ein Jesus-ähnliches Leben führen zu können, bedarf es nichts Geringeres als die Fülle des Geistes.
Der Weg zu diesem Ziel ist ein einfacher. Es ist Jesus, der mit dem Geist tauft; wer mit dem aufrichtigen Verlangen danach zu ihm kommt, wird keine Fehlbitte tun. Was er von unserer Seite verlangt, ist die Glaubenshingabe, die einfach empfängt, was er gibt.
Die Glaubenshingabe: Wenn er dich fragt, ob es dir wirklich darum zu tun ist, in seinen Fußtapfen zu wandeln und zu diesem Zweck: mit dem Heiligen Geist getauft zu werden, so gib ihm keine unentschlossene Antwort. Richte zuerst deinen Blick auf alle die herrlichen Verheißungen seiner Liebe und seines Geistes, worin das köstliche Vorrecht dir vorgehalten wird: „Gleichwie ich, also auch ihr.“ Denke daran, dass Jesus die vollständige Ähnlichkeit mit sich im Auge hatte, als er zum Vater sprach: „Ich habe ihnen die Herrlichkeit gegeben, die du mir gegeben hast.“ Bedenke doch, wie die Liebe Christi und das Verlangen, ihm wohlzugefallen, wie die Verherrlichung Gottes und die Bedürfnisse der uns umgebenden Welt uns drängen, doch nicht durch unsere Trägheit das himmlische Geburtsrecht der Umgestaltung nach Jesu Bild zu versäumen. Erkenne das heilige Anrecht an, das Jesus an Dich als seinen mit seinem Blut Erkauften hat, und lass dich durch nichts abhalten, ihm auf seine Frage zu antworten: „Ja, lieber Herr, soweit es einem Kinde des Staubes erlaubt ist, will ich dir ähnlich werden. ich bin ganz dein eigen; ich muss, ich will in allen Dingen dein Bild an mir tragen. Darum bitte ich dich, mich zu erfüllen mit dem Heiligen Geiste.“
Die Glaubenshingabe: nur dies verlangt er von uns, aber er begnügt sich auch mit nichts Geringerem. Lasst uns ihm geben, was er haben will. Wenn wir uns ihm überlassen, um in allen Dingen ihm ähnlich gemacht zu werden, so geschehe es in dem völligen Vertrauen, dass er uns in seine Hand nehmen und sofort im stillen durch seinen Geist anfangen wird, mit größerer Macht in uns zu wirken als bisher. Wir wollen es glauben, wenn wir es auch nicht sogleich erfahren. Um mit dem Heiligen Geist erfüllt zu werden, müssen wir im Glauben vor dem Herrn beharren; und dabei können wir uns darauf verlassen, dass seine Liebe uns mehr zu geben bereit ist, als wir bitten und verstehen können. In dieser gewissen Zuversicht wollen wir uns ihm übergeben.
Diese Glaubenshingabe muss aber eine völlige sein. Bei der Nachfolge Jesu ist dies das Grundgesetz: „Wer sein Leben verliert, der wird es finden.“ Der Heilige Geist will das alte Leben hinwegnehmen und an dessen statt das Leben Christi dir einpflanzen. Gib nur dein altes Wesen des eigenen Wirkens und Ringens auf und glaube, dass der Heilige Geist ebenso beständig und zwanglos dein inneres Leben erneuern will wie die Luft, die du einatmest, dein äußeres Leben jeden Augenblick erneuert. Das Werk des Heiligen Geistes in dir leidet keine Pausen und Unterbrechungen: du bist im Geiste als in deiner Lebensluft; der Geist ist in dir als dein Lebensodem: durch den Geist wirkt Gott in dir beides, das Wollen und das Vollbringen nach seinem Wohlgefallen. Halte das Werk des in dir wohnenden Heiligen Geistes in Ehren! Glaube an die Macht Gottes, die dich durch den in dir schaffenden Geist Schritt für Schritt umgestalten will nach Jesu Bild! Beschäftige Dich viel mit Jesus und mit seinem Leben, welches zugleich dein Vorbild und deine Kraft ist, und sei dessen gewiss, dass der Heilige Geist in tiefer Stille sein Amt, dich Jesus teilhaftig zu machen, in dir erfüllen wird. Halte es fest, dass in Jesus die Fülle des Geistes bereits dein ist als eine Gabe, die du durch den Glauben empfängst und bewahrst, und auf welche du dich verlassen kannst, dass sie in dir wirken wird, was dir nötig ist, sei es auch, dass du dabei auf das gewünschte Gefühl verzichten müsstest. In deinem Gefühl mag Schwachheit, Furcht und Zittern vorherrschen und dennoch kann dein Reden, dein Leben und Wirken mit Beweisung des Geistes und der Kraft begleitet sein. Lebe in dem Glauben, dass die Fülle des Geistes dein ist, und dass du nicht enttäuscht werden wirst, wenn du im Aufblick zu Jesus dich täglich der seligen Zuversicht freust, dass die Sorge für dein geistliches Leben in den Händen des Heiligen Geistes, des Trösters, ruht. Wenn also die Liebesgegenwart Jesu in dir wohnt, so wird die Ähnlichkeit mit Jesus in deinem Leben zu sehen sein; wohnt der Geist Christi Jesu in dir, so wird auch das Leben Jesu aus dir heraus strahlen.
Scheint es dir, dass durch solchen Glauben und Gehorsam deine Pflichten nicht alle erfüllt seien, so denke daran, dass die volle Kraft des Geistes erst in der Gemeinschaft mit den Gliedern des Leibes Christi und bei der vollen Hingabe zum Dienst Jesu in der Welt sich offenbart. Als Jesus sich dazu hergab, in völlige Gemeinschah mit den Menschen zu treten, und gleich ihnen mit Wasser sich taufen zu lassen, da geschah es, dass er mit dem Heiligen Geist getauft wurde. Und als er sich in der zweiten Taufe des Leidens als Opfer für uns hingab, da empfing er den Heiligen Geist, um ihn uns mitzuteilen. Suche Gemeinschaft mit Kindern Gottes, welche mit dir um die Geistestaufe gläubig bitten wollen: die Jünger empfingen den Geist nicht einzeln, sondern als sie alle einmütig beisammen waren. Schließe dich den Reihen der Kinder Gottes an, die an den Seelen anderer arbeiten; der Geist ist die Kraft von oben, die zu diesem Werk tüchtig macht; die Verheißung wird an den gläubigen, dienstfertigen Knechten erfüllt werden, die nicht um ihres Genusses, sondern um jener Arbeit willen nach dem Heiligen Geist verlangen. Jesus ward erfüllt mit dem Heiligen Geiste und dadurch ausgerüstet, für uns zu arbeiten, zu leben und zu sterben. Gib dich zu einem solchen Jesus-ähnlichen Leben und Sterben für andere hin, dann wird die Geistestaufe nicht ausbleiben, ja, die Fülle des Geistes wird dir zuteilwerden.